St. Jugherter Amziger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
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Der „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wodchenltich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaliungs⸗
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M 182.
Sonntaa, 6. November 1881.
—16. Jahrg.
Politische Uebersicht.
Deutsches Reich.
Berlin, 3. Nov. Eine mysteridse Geschichte
äßt sich die, „Volkszeitung“ aus Potsdam
nesden: „In der Nacht vom 27. zum 28. erschie⸗
Jen bei einem der Posten am neuen Palais zwei
Männer und verlangten den Kronprinzen zu sprechen
mit der Motivirung, sie seien Reichstagswähler und
hätten dem Kronprinzen wichtige Mittheilungen zu
machen. Der Posten wies die Leute zurück, diese
degehrten aber immer stürmischer Einlaß, es kam
u einem Wortwechsel, und sollen die beiden Männer
zʒen Posten thätlich angegriffen und mit Steinen
Jeworfen haben, so daß dieser drei Schüsse auf die⸗
elben abgab. So lauten die Angaben des be⸗
reffenden Postens, der auch einen Schrei bei dem
inen Schuß, den er ahgegeben, gehört haben will.
Fine am nächsten Morgen vorgenoinmene Absuchung
»es Gebüsches, in dem die beiden Männer verschwun⸗
„en sein sollen, ergab nichts für die Annahme, daß
Jemand getroffen sei. Thatsache ist, daß der Kron⸗
zrinz in der Nacht gar nicht auf dem Neuen Pa⸗
ais anwesend gewejen ist, sondern erst am folgen⸗
den Tage dorthin zurückkehrte. Thatsache ist ferner,
daß am Freitag die Postenkette rings um das Neue
halais herum bedeutend verstärkt wurde. Wie weit
ie Erzählung des Soldaten richtig ist, wissen wir
nicht, jedoch das Gerücht durchschwirrt ins Unend—
iche vergrößert unsere Stadt seit einigen Tagen.
Jedenfalis um den hiesigen Einwohnern zu beweisen,
zaß trotz aller Oppositionswahlen in der zweiten
Refidenz sür seine Sicherheit keine Besorgniß ist,
machte der Kronprinz, ohne daß die Polizei in der
NRaͤhe war, gestern Nachmittag einen Spaziergang
durch Potsdam bis zur Bahn. Die Equipage folgte
m gemessener Entfernung, und war der Kronprinz,
iberall freudig begrüßt, nur von seinem Adiutanten
egleitet.“
Die Auswanderung über Hamburg erreichte
mit dem Ende Oktober die bedeutende Zahl von
109,964 Personen, eine Summe, wie sie bisher
noch nicht constatirt wurde. Im vorigen Jahre,
welches ohnehin schon als ein sehr erhebliches Aus⸗
wanderungsjahr zu betrachten war, betrug die Zahl
der Emigranten bis Ende Oktober nur 60,392.
Wenn sich unter den Ausgewanderten auch eine
erhebliche Zahl russicher Angehöriger befindet, fo
st doch das deutsche Element vorherrschend, namentlich
—— Antheil
m der Auswanderung. Sonniag Morgen verließ der
Hamburger Packetfahrtdampfer Bohemia“ den Hafen
it 1423 Auswanderern. Es ist dies die größte
Zahl, welche jemals mit einem Schiffe aus einem
Feulschen Hafen nach Amerika expedirt worden ist
Tunis, 3. Nov. Es geht das Gerücht, die
Araber seien auf Kairuan zuruͤckgekehrt, hätten die
Franzosen angegriffen und ein sehr ernstes Gefecht
jelieferi. Die Verluste der Araber sollen sehr groß
in. Aus Ghardemau wird gemeldet, daß der
zortige Scheik erschossen wurde, weil er seinen
Stamm aufgereizt habe, die französische Recognos⸗
irung anzugreisen. Das gesammte französische
xxpeditionsgeschwader ging heute mit Ausnahme
Fec Reine Blanche von Goletta nach Toulon in
See. Das Fest des Beiram beginnt; die Moha⸗
nedaner scheinen aber auf die sonst in dieser Zeit
iblichen Lustbarkeiten Rerzicht leisten zu wollen.
New⸗HYort, 2. Nov Der United Irishman“
O' Donovan Rossa's Zeitung) behauptet, einen eng—
ischen Correspondenten zu haben, welcher berichtet,
zaß ein Besuch der Staatswerfte von Kempham ihn
u der Ansicht verleitete, daß dieser Ort ein gutes
Feld für die Operationen der irischen Anarchisten
Lin würde. Die Kriegsschiffe, Achilles“ und „Nort—⸗
jumberland“ eigneten sich besonders für einen An⸗
zriff mit Dynamit. Die Zerstörung des Arsenals
würde gleichbedeutend mit den Jahreseinkünften
der irischen Steuern sein.
durch den pensionirien Hypothekenbewahrer Herrn
Syffert ein Obstbauverein ins Leben gerufen.
Der Gründer und Vorstand des Vereis starb jedoch
Jald und ihm folgte als Leiter des Vereins Herr
dehrer Roth. Was selbstloses, gemeinnütziges Thun
md Streben zu leisten vermögen, kann man in
mnserer Vereins ⸗Oðstbaumschule erblicken. Von
hiesiger Stadtgemeinde wurde dem Verein ein Grund⸗
fück von 28 Dezimalen Fläche bereitwilligst zur
Anlage einer Baumschule überlassen. Dasselbe war
edoch seiner sumpfigen Bodenbeschaffenheit wegen
zu diesem Zweckee schlecht geeignet. Dies schreckte
ndeß den eifrigen Vereinsvorstand nicht ab. Bald
var durch das Auffahren von anderer Erde und die
Anlage eines Abzugsgrabens das Grundftüd zweck⸗
entsprechend hergerichtet und theilweise mit Wild⸗
ingen und veredelten Bäumchen bepflanzt. Bis jetzt
vurden ca. 250 veredelte Apfel⸗ und Birnbaumchen
n feineren Sorten an die Vereinsmitglieder um
inen ganz mäßigen Preis abgegeben. Im abge⸗
aufenen Frühjahr wurden die zuerst angepflanzten
Wildlinge veredelt, welche alle einen sehr kräftigen
Wuchs zeigen. Die diesjährige Anpflanzung mit
1300 Stuck Wildlingen ist bereits im Gange. Die
bis zum vorigen Jahre erhobenen Beiträge der Mit⸗
zlieder à 1,80 M. kommen jetzt in Wegfall, indem
dei dieser rationellen und äußerst billigen Bewirth⸗
schaftung (der Vorstand arbeitet nämlich selbst fleißig
in der Baumschule) die laufenden Ausgaben durch
die Abgabe von Bäumchen an die Mitglieder zu
rmäßigten Preisen voraussichtlich gedeckt werden
önnen — Welche Regsamkeit in der Anpflanzung
‚on jungen Obstbaumen hier herrscht, mag daraus
erhellen, daß in dem Zeitraume von 5 Jahren
nindestens 1000 Stück veredelte Bäumchen aus den
waumschulen zu Cadolzburg und Metz auf unserer
Hemarkung angepflanzt wurden. Am stärksten sind
ei diesen Anpflanzungen vertreten die Herren Roth,
IA. Willenmeier, Rentner Knaps, Maurermeister
sennewein, Schreinermeister Joh. Bruch, Kaufmann
haudc, Privatmann Nik. Dawo, Ziegler Dawo und
Frau Wittenmeier. Trotz des regen Eifers. mit
velchem in dieser Sache vorgegangen wird, sind
ber auch wieder Manche etwas lässig mit der Ent⸗
fernung erfrorener Baume, welche bequeme Wohn⸗
ung fur die den Baumen schädlichen Insekten bieten.
(Aum. der Red. des „St. J. A.“: Wäre es nicht
endlich an der Zeit, der Obstbaumzucht auch
in unserer Stadt mehr Interesse als bisher zuzu—⸗
wenden? Wir denken, so gut sich die Obstbaum—
zucht anderwärts rentirt, würde sie es hier auch
thun.)
Lokale und pfälzische Nachricht en.
* St. Ingbert. Vorige Woche kam ein
Reisender aus R. mit einem hübschen Leonderger
Zunde in eine hiesige Wirthschaft, in der ein be—⸗
unnter Hundeliebhaber von hier das schöne Thier
Fewund erte. Der Eigenthümer konnte die Treue
ind Anhänglichkeit und sonstigen guten Eigenschaften
des Hundes nicht genug loben und erklärte schließlich, dem
diesigen Herrn, daß er ihm den Hund schenke,
venn er ihm auf Namensruf folge. Unser hiesiger
hzundeliebhaber ließ sich den Namen des Hundes
agen und that mit diesem eine Zeitlang freundlich.
Soͤdann, stolz wie ein Spanier weggehend, rief er
hn beim Namen, worauf der Hund ihm sofort
his zu seiner Wohnung nachlief, ohne seinen Herrn
ind dessen Zurufe zu beachten. Zu Hause ange⸗
ommen wurde das Thier gut bewirthet, was ihm
edenfalls sehr zu gefallen schien; denn es zeigte
inen ganz riesigen Appetit. Unterdessen war der
erblüsste Eigenthümer, der auf einen solchen Aus—
jang gar nicht gefaßt war, nachgefolgt und ver⸗
angte den Hund als sein Eigenthum wieder zu⸗
ück. Unser hiesiger Hundeliebhaber, seiner Sache
icher, bemerkte ihm, daß er ihm an Noblesse nich
zachsiehen wolle; wenn der Hund wieder mit ihm
zehe, so könne er ihn behalten; er moge denselben
zur gef. rufen. Doch alle Zurufe und Schmeiche⸗
eien des alten Herrn waren vergebens; das
treue und anhängliche“ Thier verblieb bei seinem
reuen, der es denn nun als sein rechtmäßig er⸗
porbenes Eigenthum betrachtete und bald darauf
in einen auswärtigen Liebhaber um 90 Ml. ver⸗
aufse. Daß hierbei der „Winkuff“ nicht fehlte,
ꝛersteht sich von selbst Der Reisende von R. aber
jatte bei dieser Geschichte wieder einmal die Wahr⸗
Jeit des Sprichwortes erfahren: „Wer den Scha⸗
Jen hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.“
Fr wird wohl auch jetzt davon überzeugt sein, daß
er fürder nicht mehr auf die Treue und Anhäng⸗
lichkeit eines Hundes wetten darf.
Das rauhe Winterwetter der letzten Tage ist
gestern und heute freundlichem Sonuenschein ge⸗
wichen, der fast vergessen läßt, daß wir Allerhei⸗
ligen schon überschritten haben.
Aus Blieskastel, 3. Nov., wird der
Zw. Zlg“ berichtet: Vor fünf Jahren wurde hier
— In Neustadt fand am . d. M. die ordent⸗
liche Generalversammlung des evangelischen Kirchen⸗
gesangvereins für die Pfalz stati. Aus dem Bericht
des Vorsitzenden ging hervor, daß in der Pfalz 62
Irtsvereine bestehen, von denen aber nur 19 bis
jetzt dem pfälzischen Kirchengesangvereins⸗Verbande
»eigetreteu sind. Als Festort für das 1882 statt⸗
indende groͤßere pfälzische Kirchengesangsfest ist
Neustadt ausersehen. Die Wahl des Ausschusses
rur die nächsten 3 Jahre ergab die bisherige Zu⸗
ammensetzung: die Herren Risch, kgl. Konsistorial—
rath; Stuͤrz und Krieger, k. Decane; Hildebrandt,
Seminarlehrer; Lüghel, Organist: Bersche, Doll
Heck. Keßler, Lehrer.
Ausland.
Paris, 3. Novb. Die „France“ läßt sich aus
Zerlin telegraphiren, daß eine Entrevue zwischen
hambetta uünd Bismarckh in Berlin bevorstehe.
Diese Nachricht soll aus dem Kanzleramte stammen.
Paris, 3. Nob. Der französisch-italienische
Dandelsvertag ist heute Rachmittag unterzeichnet
Bvorden. Der Vertrag mit Portugal und der mit
Holland werden in der Kürze perfelt.
* Die Wiederaufnahme der diplomatischen Be⸗
iehungen zwischen der englischen Regierung
ib dem Vatikan, die seit 1870 abgebrochen wa—
ten, wird von englischen Blattern angekündigt.
Den Anlaß hierzu soll das Verhalten der Geist⸗
lichkeit in Irland, die Vermehrung der apostolischen
Bicare in Indien, und Aehmliches mehr, ge—
geben haben
Der Stadtrath in Spehet hat beschlossen,
bei der kgl. Regierung die nach dem allgemeinen
bedeutenden Rüdgange der Miethpreise — eine Folge
hermäßigen Bauens — schon längst angezeigte
Revbvifion der Häusersteuer anzureqgen.