Full text: St. Ingberter Anzeiger

Albeiuger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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M 183838. Maontag, 7. November 1881. 166. Jahrg 
Politische Uebersicht. 
Deutiches Reich. 
Munchen, 5. Nopr. Die Abgeordneten— 
ammer setzte heute die Berathung des Antrages 
duthardt, Aufhebung der Simultanschulen betr., 
'ort. Abg. Rittler (extrem) entgegnete auf die 
estrige Aeußerung das Ministers v. Lutz, sich be⸗ 
üglich des westphälischen Friedens auf Döollinger 
verufend und gegen die Unterstellung protestirend, 
daß er und seine Gesinnungsgenossen Protestanten 
ind Katholiken hintereinander hetzen wollten. Rittler 
chloß mit den Worten: „Ist Herr v. Lutz gestern 
apfer und muthig gewesen, so sei er noch muthiger, 
zapferer und erprobe er seine Standhaftigkeit da⸗ 
durch, daß er demjenigen, der ihn hierhergesetzt hat, 
zurch sein Entlassungsgesuch neuerdings Gelegenheit 
ziebt, ihm sein Vertrauen zu beweisen. (Bravo 
cechts.) Abg. Fischer (Augsburg) spricht gegen 
Kittler und Luthardt. Minister v. Feilitzsch erklärt 
gjegenüber einer Aeußerung Rittlers: Die Wahlkreis⸗ 
eintheilung in der Pfalz und in Mittelfranken sei 
noch dieselbe wie im Jahre 1848, mit nur einer 
winzigen Aenderung. Abg. Kopp erwiderte dem 
Abg. Fischer: das Programm der Rechten, das man 
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schon im Jahre 1848 der constitutionell⸗monarchische 
VBerein hatte. Auf Antrag Pfahlers wird die De⸗ 
batte geschlossen und. der Antrag Luthardt hierauf 
nit 83 gegen 63 Stimmen angenommen. Nöchste 
Sitzung am Mitwoch zur Berathung vorschiedener 
Etats. — 
Karlsruhe, 5. Nov. Der Großherzog ist seit 
Mittwoch bedenklich am Fieber erkrankt; er liegt zu 
Bette. Es ist noch fraglich, ob er die Kammern 
dersönlich eröffnen wird. 
Kaffel, 5. Nop. Der gut bediente „Kasseler 
Tages⸗Anzeiger“ benennt den Domkapitels-Assessor 
Dr. Braun in Fulda als Candidaten für den 
Rischofsstuhl von Paderborn. 
Berlin, 5. Nob. Der , Reichs-Anzeiger“ publi⸗ 
airtsBie Einberufung des Reistages zum 17. 
Popember. 
Wie verlautet, soll an maßgebender Stelle in 
Berlin ernstlich der Plan der Einverleibung der 
Reichslande Elsaß⸗Lothringens in Preußen ventiliert 
werden. 
Die „Berliner Politischen Nachrichten“ melden: 
bezüglich der AusführungsBestimmungen zum Ge—⸗ 
etze betreffend sdie Nahrungs⸗ und Genußz⸗ 
mittel hören wir, daß die die Milch und das 
betroleum betreffenden nunmehr im Entwurfe fertig 
gestellt sind und in kurzer Zeit dem Bundesrathe zu⸗ 
iehen werden. * 
Der deutsche Gesandte in Washington, Herr 
Schlötzer, wird gegen Ende dieses Monats 
vieder aus Amerika nach Berlin zurückkehren, da 
ille Gegenstäände, welche seine Anwesenheit in 
Washington erforderten, nunmehr erledigt sind. Kurz 
darauf wird er sich nach Rom begeben, und es 
verden dann die Verhandlungen mit dem Vatikan 
ortgesetzt werden. Es ist aller Grund vorhanden 
in der Annahme, daß ein Ausgleich mit der Curie 
u Stande kommen wird, da noch in neuerer Zeit 
der Vatikan das Streben hat erkennen lafsen, zu 
ꝛiner Verständigung die Hand zu bieten. 
Bancroft-Vertrag.) Schon vor mehreren 
Wochen hieß es, daß die deutsche Regierung den 
ogenannten Bancroft⸗Vertrag mit den Vereinigten 
Staaten betreffs der naturalisirten Bürger deutscher 
Abkunft abgeändert zu haben wünsche, und daß 
Zaron Schlözer die Vorschläge dazu mitbringe. 
Näch der „Newyorker Handelszeitung“ handelt es 
ich jedoch nur um eine Ausdehnung des mit dem 
ehemaligen Norddeutschen Bund geschlossenen Ver⸗ 
rags auf das Gebiet des deutschen Reiches und um 
ꝛine klarere Fassung einzelner Paragraphen, die in 
Deutschland anders ausgelegt wurden, als in Ame⸗ 
rika, damit auf die in letzter Zeit sehr häufig ge⸗ 
vordenen Reklamationen von deutsch-amerikanischen 
Bürgern, die besuchsweise nach dem alten Vater⸗ 
lande zurückkehrten, schnell und sicher entschieden 
werden könne a 
Bis zum 15. November sollen die Erhebungen 
iber eine Armenstatiftik für das Reich, welche 
von den Bundesregierungen auf Ersuchen des Reichs 
anzlers veranstaltet worden sind, eingeliefert werden. 
Außerdem wird zu Anfang December das siatistische 
Naterial erwartet, welches als Grundlage für das 
ieun zu bearbeitende Unfallversicherungs— 
gesetz dienen soll. Zur Beschaffung des nöthigen 
Materials hatte der Reichskanzler auch die Mitwir— 
ung der Bundesregierungen in Anspruch genommen 
uind dieselben in dem bezüglichen Rundschreiben er⸗ 
ucht, die Erhebungen nicht über den Monat Novem⸗ 
her hinaus zu erstrecken. Es sollten die vom 1. Augufit 
bis 30. November d. J. in den bestimmt bezeichneten 
Betrieben erfolgten Unfälle rubricirt werden. Erklär⸗ 
icher Weise läßt sich krft nach Eingang? diefes wahr⸗ 
scheinlich sehr umfangreichen Materials, von einer 
virklichen Neubearbeitung der Versicherung der Ar⸗ 
zeiter gegen Unfälle und weiterhin gegen Krankheit 
ind Alter reden. Abgesehen davon, daß die statisti⸗ 
schen Erhebungen zur Ausarbeitung der socialpoliti⸗ 
schen Gesetze mitwirken sollen, wird das bearbeitete 
Material auch dem Reichstage selbst mit den betref⸗ 
jenden Gesetzentwürfen vorgelegt werden. 
Die Einnahmen des Reichs an Zöllen, Ver—⸗ 
brauchssteuern und Aversen, sind pro 1882/88 auf 
339,098,200 M., um 3,600,000 M. mehr als 
pro 1881/82, veranschlagt. Der Reichskaffe ver⸗ 
bleiben hiervon 130,000,000 M., der Rest wird 
nach dem Maßstabe der Matrikularbeiträge an die 
Einzelstaaten vertheilt. Die Tabakssteuer ist auf 
etwas über 11,000,000, um 645, 000 M. mehr 
als im Vorjahre, veranschlagt, dagegen wird bei 
der Rübenzuckersteuer, die auf 47, 421,000 M. an⸗ 
genommen ist, ein Ausfall von 2,130. 000 M. vor⸗ 
gzesehen; die Einnahmen aus den Zollen sind auf 
186,466,000 M., um 1,783. 850 M. weniager als 
1881/82, veranschlagt. 
Kaum ist der erste Hochverrathsprozeß vor 
»em Reichsgerichte zu Ende geführt, so steht schon 
ein neuer in Aussicht. Der Schuhmacher Bünger 
zu Frankfurt a. M. ist angeklagt, ein hochverräther⸗ 
sches Unternehmen gegen Kaiser und Reich vorbe⸗ 
zeitet zu haben, und das Reichsgericht wird am 5. 
Dezember Hquptverhandlung darüber abhalten. 
Ausland. 
Paris, 5. Novb. Albert Grevy, General⸗ 
jouverneur von Algerien, hat um seine Entlaffung 
rachgesucht. Laut einer Meldung aus Tunis ent⸗ 
nuthigte die Besetzung von Kairuan die Aufständi— 
chen. Zahlreiche Insurgenten, unter ihnen die Zlaß, 
erbitten die Amnestie, indem sie versprechen, die An⸗ 
ttifter des Aufstandes auszuliefern. 
Frankreich ist sehr eifrig mit Verhandlungen 
über Handelsverträge beschäftigt, und seine 
Bemühungen verheißen Erfolg. Wenn nicht alle 
Rorzeichen tänschen, wird die französische Republik 
in nicht zu ferner Zeit ein System von Handels⸗ 
verträgen haben, welches sie mit England, Holland, 
Belgien. der Schweiz. Italien und Portugal ver⸗ 
bindet. Kein anderer Staat Europas enffaliet in 
diesem Augenblicke einen solchen Eifer in handels⸗ 
politischen Verhandlungen als Frankreich, das nun 
zum dritten Male in einem kurzen Zeitraum die 
jandelspolitische Initiative in Europa ergreift. 
(Auslieferungsverträge.) Der KLon— 
doner „Standard“ veröffentlicht die folgende 
Rachricht aus Paris: „Ich erfahre, daß, in Folge 
der Nichtzustimmung von England und Frankreich 
zu der vorgeschlagenen Erweiterung der bestehenden 
Auslieferungsverträge, keine Wahrscheinlichkeit zur 
krreichung einer weiteren internationalen Ueberein⸗ 
timmung über diesen Gegenstand denkbar ist. Durch 
den Mangel der Mitwirkung dieser beiden Länder 
wird überhaupt kein praktischer Plan der Ausführung 
nöglich sein. Frankreich ist, wie es scheint, weniger 
ibgeneigt als England, auf weitere Unterhandlungen 
einzugehen, würde jedoch ganz bestimmt Garantien 
berlangen, daß politische Flüchtlinge vor einem regel⸗ 
mäßig constituirten Tribunal abgeurtheilt werden 
sollen, ehe es sich durch einen Verirag binden läßt, 
dieselben an ihre betreffenden Landesregierungen ab⸗ 
zuliefern. Es ist jedoch sehr zweifelhaft ob die 
cussische Regierung eine solche Garantie zu geben 
willens ist. 
London, 5. Nov. Beim irischen Landtribnnal 
sind nunmehr bereits 16000 Gesuche eingereicht 
worden. J 
Konftantinopel, 5. Nob. Alle europäischen 
Commissare sind heute nach Volo gereist, um Volo 
am 14. Novbember an Griechenland zu übergeben. 
Lorale und vfälzische Nachrichten. 
*St. Ingbert, 7. Nor. Das gestern Abend 
tattgehabte Conzert des Musikvereins war ziemlich 
zut besucht.“ Das Programm war ein sehr reich⸗ 
jaltiges und kann man sagen, daß die sämmtlichen 
Piecen recht wirkungsvoll zum Vortrag gebracht 
vurden. Ganz besondern Beifall erntete der jugend⸗ 
iche Violinvirtuose Herr Neuhe isel von Alten⸗ 
vald, ein Schüler des Stern'schen Conservatoriums 
zu Berlin, der auf Einladung des Musikvereins— 
dirigenten Herrn Schadewitz in zuvorkommendster 
Weise seine Miwirkung zugesagt hatte. Seine 
üchtige Schulung zeigte sich besonders in dem 
Fantasio“ aus Troubadur und in der zum 
Schlusse vorgetragenen „Rhapsodie“ von Pollak⸗ 
Daniels. Als Beweis von der Anerkennung, 
welche sein Spiel fand, kann der allgemein ausge⸗ 
prochene Wunsch gelten, daß er uns bald wieder 
durch sein Auftreten in einem Conzerte erfreuen 
möge. Wir können unsern kurzen Bericht nicht 
chließen, ohne ihm, sowie den andern auswärtigen 
derren für ihre freundliche Mitwirkung öffentüͤch 
unsern Dank auszusprechen. 
St. Ingbert, 7. Nov. Gestern hat sich 
dahier ein protestantischer Kirchenchor gebildet. Der⸗ 
elbe hat sich die Pflege des kirchlichen Gesanges 
ur Aufgabe gesetzt und ist beabsichtigt, auch weib⸗ 
iche Krafte zur Mitwirkung heranzuziehen. Hoffent⸗ 
lich findet das Unternehmen bei der Bevölkerung 
die erhoffte freundliche Beachtung und kann schon 
bald mit den Proben begonnen werden. 
*St. Ingbert, 7. Novb. In der Nacht von 
zestern auf heute wurden auf der Meß von einem 
dort stehenden 1spännigen Wagen Leitern, Dielen, 
städer ꝛc. überhaupt Alles, was nicht niet⸗ und 
nagelfest war, weggenommen und in die angrenzenden 
Harten der Herren J. J. Grewenig und P. Weiß- 
gerber gestürzt. Ebenfalls in der berflossenen Nacht 
wurde in der Hauptstraße der Frau Wittiwe V.