Full text: St. Ingberter Anzeiger

ↄ*1. Iugberter Arzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
— — — —— — — — — — σ.òàσàᷣ IS ,Ä -òàÛ»ÛXXI &àM ä αæ: 
der „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wöchenltich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs⸗ 
Jatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt koftet vierteliährlich 146 40 Z einschließlich Trägerlohn; darch die Post bezogen 1 A 60 H, einschließlich 
Zustellungsgebuhr. Die Einrückungsgebühr fur die 4espaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 Z, bei außerpfälzischen und solchen, 
auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 1b B, bei Neclamen 80 8. Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
W 184. 
e 
Die Lage in Elsaß-Lothringen. 
Wenn es schon das allgemeine politische Interesse 
cheischt, daß wir den Zuständen in den wiederge— 
vonnenen Reichslanden Elsaß⸗Lothringen öfters unsere 
lufmerksamkeit und Theilnahme schenken, so nöthigt 
ns neuerdings doch ganz besonders der Ausfall 
ꝛer Reichstagswahlen in Elsaß-⸗Lothringen dazu, 
inmal energisch danach zu fragen, welche Fort⸗ 
chritte das Deutschthum in den neuen Reichslanden 
emacht hat. — Nun, wir verhehlen uns die bittere 
chatsache nicht, daß durch die jüngsten Reichstags- 
wahlen in Elsaß-Lothringen ein gewifser Rückgang 
der loyalen Gesinnung und des Deutschthums in⸗ 
nerhalb der elsaß⸗lothringischen Bevölkerung constatirt 
vorden ist, denn während im vorigen Reichstage 
ünf Autonomisten saßen, die eine Versoͤhnung der 
hegensätze zwischen Altdeutschland und ElsaßeLo— 
hringen anstrebten, sind diesmal in den neuen Reichs— 
anden nur Anhänger der Protestpartei für den 
deichstag gewählt worden, also Männer, die den 
rankfurter Frieden, kraft welchen Deutschland El⸗ 
aß⸗ Lothringen vertragsmäßig von Frankreich erhalten 
at, nicht anerkennen und eine möglichst baldige 
Viedervereinigung Elsaß-⸗Lothringens mit Frankreich 
vünschen. — Wir wollen nun allerdings in Folge 
yer Siege der Protestpartei durchaus nicht sagen, 
daß das Deutschthum in der elsaß⸗lothringischen Be— 
oolkerung jeden bedeutenden Anhang und Einfluß 
erloren habe, dies ist trotz des betrübenden Aus— 
alls der Reichstagswahlen in Elsaß-Lothringen glück⸗ 
icher Weise nicht der Fall, die lohale Autonomisten⸗ 
zartei hat immer noch bedeutende Anhänger und 
ie Landbevölkerung in den neuen Reichslanden, zu⸗ 
nal im Elsaß, verleugnet weder ihre uralten deutschen 
tigenschaften, noch ihre Sympathien für Deutsch- 
and. Zweierlei ist indessen bei dem Ausfall der 
Keichsstagswahlen in Elsaß-⸗Lothringen im höchsten 
Maße betrübend: Der nutzlose Aufwand von so viel 
hroßmuth und wohlwollendem Entgegenkommen der 
Reichsregierung, vertreten durch den mannhaften und 
ꝛdelmüthigen Statthalter Freiherrn v. Manteuffel, 
gegenüber den Französlingen in Elsaß-Lothringen, 
und die neue Nahrung, welche durch den deutsch⸗ 
feindiichen Ausfall der Reichstagswahlen die Fran⸗ 
osen bezüglich der Wiedererwerbung Elsaß⸗Lothringens 
rthalten haben. Zum Glück ist ja allerdings die 
dage Deutschlands und Europas derartig, daß es 
Wahnsinn von den Franzosen wäre, wenn sie etwa 
n den nächsten Jahren unter Hinweis auf die fran⸗ 
osenfreundlichen Wahlen in Elsaß⸗Lothringen offene 
Unsprüche auf diese Provinzen zur Geltung bringen 
wollten, aber der Revanche sind doch durch diese 
Wahlen ganz bedeutende Hoffnungen gegeben worden 
und es wird nun hohe Zeit, daß den Französlingen 
in den neuen Reichslanden an Stelle der bisherigen 
Sammethand“ auch die „eiserne Hand“ Deutsch⸗ 
ands gezeigt wird, womit es Elsaß⸗Lothringen fest⸗ 
hält und nimmermehr loslassen wird, denn alle Ge— 
duld, alles Wohlwollen, alle Liebenswürdigkeit, die 
Deutschland in der Person und Politik des Statt⸗ 
halters Freiherrn d. Manteuffel der protestlerischen 
Bedolkerung Elsaß⸗Lothringens erwies, ist auf stei⸗ 
aigen Boden gefallen und das strenge Regiment, wie 
einst der verdienstvolle v. Möller über die neuen 
Keichslande ausübte, wird wohl noch für ein volles 
dahczehnt das beste Bindemittel zwischen Deutsch- 
land und ElsaßVLothringen sein, bis in den wieder— 
Jewonnenen Reichslanden eine neue Generation her— 
angewachsen ist, die Deutschland gegenüber wohl⸗ 
vollender und gerechter denkt. 
Dienstag, 8. November 1881. 
—16. Jahrg. 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
(Reichstagswahle⸗Ergebnißz für 
Bayern.) Waͤhrend noch bei der Wahl im 
Jahre 1877 in Bayhern zusammen 730,218 giltige 
Stimmen abgegeben wurden, wurden im Jahre 
878 nur noch 671,810 und diesmal gar nur 
184,288 giltige Stimmen abgegeben. 
Auf Oberbayern kommen hiervon 88,517 
1877: 130,192; 1878: 124,018), auf Nie⸗ 
»erbayern 837,701 (1877: 71519; 1878: 
33,367), Pfalz 74,321 (1877: 98,837; 1878: 
4 593), Oberpfalz 31,627 (1877: 64,629; 
878: 34,895), Oberfranken 44,841 (1877: 
0,697; 1878: 61,434), Mittelfranken 
5, 130 (1877: 92,691: 1878: 91495), 
Unterfranken 60,102 (1877: 986,112; 
878: 82,052) und Schwaben 72,049 
1877: 105,686; 1878: 99,466) Stimmen. 
Aus diesen Zahlen geht hervor, daß aller Orten 
Vahlmüdigkeit eingetreten ist. Zumal ist diese im 
dreise Niederbayern zu konstatiren, wo diesmal den 
lerikalen Kandidaten keine Liberalen gegenüberge— 
fellt wurden. So kam es, daß vorn den ca. 
30 7883 wahlberechtigten Wählern nur 87,701 
ziltige Stimmen abgegeben wurden. Den 6 dor⸗ 
igen Wahlkreisen geht der von Deggendorf voran, 
n welchem von 19,931 Wahlberechtigten nur 
3997 (1877 noch 9968, 1878: 8121)) giltige 
ztimmen abgegeben wurden. Diesem Kreise folgt 
Aberpfalz wo durchgängig “8 Stimmen we⸗ 
niger als 1878, gegen 1877 um ðhs weniger ab— 
jegeben wurden. 
Berlin, 6. Nop. Wie bereits miitgetheilt, 
var Gambetta in Paris vom Prinzen von Wales 
um Dejeuner geladen worden. Die Zusammen- 
unft dauerte, wie der Pariser, Times,⸗Correspondent 
erichtet, über zwei Stunden. Was an der Unter⸗ 
edung hauptsächlich von Interesse ist, war die von 
em Prinzen an Gambetta gerichtete directe Frage, 
b er den Fürsten Bismarckhgesehen und ge⸗ 
prochen habe? welche Gambetta, in Lachen aus— 
rechend, bestimmt verneinte, hinzufügend, daß dies 
as dritte Mal gewesen sei, daß er Dentschland 
neognito bereist habe. Gegen einen seiner Freunde 
nachie Gambetia noch die Bemerkung: „Ich hätte 
ꝛem Prinzen von Wales auch noch sagen können, 
aß ich den Küsten Hollands entlang bis nach der 
ussischen Grenze gereist bin, daß ich mit Bequem⸗ 
ichkeii mir die detachirten Forts und die Fortifi— 
alionen an der russischen Grenze angesehen und 
näher untersucht habe.“ 
Der Pariser Correspondent der „Times“ sendet 
iesem Blatte einen langen Privatbrief, von 
—XV 
iner Stellung befindet, welche verbürgt, daß der⸗ 
elbe gut unterrichtet sein kann und wodurch bestä⸗ 
igt wird, was Gambetta dem Prinzen von Wales 
zefagt hat. In diesem Briefe heißt es: „Was 
hambettas Besuch betrifft, so habe ich es aus dem 
Nunde des Fürsten Bismarck selbst, daß er den 
ranzösischen Siaaismann nicht gesehen hat und daß 
ieses allein von Gambetta abhing, indem der Reichs- 
anzler vollständig bereit war, ihm einen guten Em⸗ 
Ffang zu geben, um so mehr, da er auch keinen 
grund hatte, einer Unterredung mit dem künftigen 
ranzösischen Premier⸗Minister aus dem Wege zu 
jehen. Ich glaube selbst, daß der Fürst in seinem 
innern über dessen Nicht-Erscheinen erstaunt gewesen 
ein muß, weil Gambettas Reise ihn ganz in die 
Nähe von Varzin brachte“ 
Berlin, 7. Nov. Die auf weitere Rück⸗ 
värtsrebision der Gewerbeordnung gerichteten Wünsche 
verden sich nach einer Correspondenz der „Magdeb. 
Ztg.“ vorläufig nicht erfüllen. Wenigstens dürften 
zZersuche in dieser Richtung bei einer Reihe von 
Bundesstaaten, welche das Princip der Gewerbe— 
creiheit nicht preiszugeben gewillt sind, auf erheb⸗ 
liiche Schwierigkeiten stoßen. Kdan wird sich deß⸗ 
halb mit den beabsichtigten Vorschlägen, bezüglich 
des Hausirhandels, des Gewerbebetriebs der Gesinde⸗ 
dermiether, der Rechtsconsulenten u. s. w. zufrieden 
zeben müssen. 
Auf eine Eingabe des Allgemeinen Jagdschutz— 
Vereins haben die Minister der Landwirthschaft und 
des Innern erwiedert, daß der Erlaß einer allge⸗ 
neinen Jagdordnung nicht aufgegeben sei, inzwischen 
iber von der Abänderung einzelner provinzialgesetz 
icher Bestimmungen auf dem Gebiete des Jagd⸗ 
wesens abgesehen werden müsse. 
Fürst Bismarck wird am 11. d. M. in Ber⸗ 
lin erwartet; man berichtet, daß der Reichs⸗ 
anzler den Reichstag persönlich eröffnen wolle. 
Bleichzeitig mit dem Fürsten wird Graf Szechenyi, 
der österreichische Botschafter, wieder in Berlin ein— 
treffen. 
Von den im ganzen Reich definitiv gewählten 
Reichstagsabgeordneten hatten bereits 184 
Mitglieder dem letzten Reichstag angehört; außer— 
dem sind 105 neue Mitqlieder gewählt. 
Ausland. 
NRom, 6. Nov. Von guter Seite verlautet, 
—DD 
vor Jahresschluß unserem Konig seinen Gegenbe— 
ruch abstatten, Zum Besuchsort dürfte jedenfalls 
Turin gewählt werden; doch ist es auch 
möglich, daß die Begegnung an der Riviera 
tattfindet. 
Am russischen Hofe werden zu dem am9. 
d. Mugroße Vorbereitungen getroffen, um diesen 
fünfzehnjährigen Hochzeitstag des jetzigen Czaren 
estlich zu begehen. Es heißt, daß zur Beiwohnung 
dieser Feier der Erbgroßherzog Friedrich Wilhelm 
don Baden als Repräsentant des deutschen Kaiser⸗ 
hauses in Vetersburg eintreffen werde. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
M St. Ingbert, 8. Novd. Die gestern Abend 
stattgehabte Generalpersammlung des Gewerbe⸗ 
Vereins beschloß zunächst über die Aufnahme 
mehrerer neuer Mitglieder. Alsdann nahm dieselbe 
die von dem I. Vorstande und dem Schriftführer 
auf Grund der bisherigen Statuten, sowie der des 
Bewerbevereins Kaiserslautern entworfenen neuen 
Statuten mit einigen kleinen Abänderungen an. 
die definitive Verathung derselben findet in der 
nächsten Generalversammlung statt. Zu Punkt 8 
»er Tagesordnung „Häusersteuerrevision“ betr. wurde 
eschlossen, einen Anschluß der Stad, St. Ingbert 
in das Vorgehen der Stadt Speyer behufs Revi⸗— 
ion der Häusersteuer-Einschätzung zu veranlassen. 
Zunächst soll nun in Speyer angefragt werden, in 
velcher Weise entweder die Stadtverwaltung oder 
zie Hausbesitzer fortan in fraglicher Angelegenheit 
vorzugehen gedenken. In der nächsten General— 
dersammlung wird hierüber Bericht erstattet und 
Boeschluß gefaßt. Hinsichtlich des vierten Punktes 
der Tagesordnung: „Anregung zur Erbauung einer 
Straße nach Dudweiler“ einigte man sich dahin, 
dorerst in den Montagskränzchen das Projekt fleißig 
zu besprechen.