Full text: St. Ingberter Anzeiger

* St. Ingbert, 8. Nov. Zliebchen ade, 
scheiden thut weh!“ so ertönt es heute in Deutsch⸗ 
land aus Tausenden von Lippen — männlichen 
und weiblichen — und viele, viele Thränen fließen, 
ind viele, viele Schwüre ewiger Treue und Liebe 
verden gewechselt, um ... nicht gehalten zu werden. 
Der heutige Tag ist nämlich der Tag der Ein⸗ 
stellung der diesjährigen Rekruten in das Heer. 
— Die „Zw. Ztg., schreibt: Für die Beamten 
und Bediensteten der Pfälzischen Eisenbahnen tritt 
pom 1. Januar 1882 an ein neues Uniform- 
Reglement in Kraft. Es werden dadurch viele Be— 
mie, welche noch ältere Uniformsstücke besitzen, 
empfindlich geschädigt, obgleich die Direktion bekannt 
giebt, daß auf speziellen Wunsch die neuen Uni— 
formstücke durch sie fertiggestellt bezogen werden 
können gegen monatliches Ratenzahlen, resp. Gehalts⸗ 
abzüge. Diese Zahlungen sind jedoch so zu leisten, 
daß am Ende des betr. Kalenderjahres die Mon— 
turschuld gedeckt sein muß. 
— Landau, 7. Novd. Heute früh erschoß sich 
im Kriegsspital Sergeant Wiedemann von der 3. 
Kompagnie des 18. Infanterie-Regiments. Ueber 
den Grund zu der traurigen That verlautet nichts 
Bestimmtes. (Eilb.) 
— Dürkheim, 7. Nov. Gestern fand dahier 
im Saale der „Vier Jahreszeiten“ die zahlreich be— 
suchte Generalversammlung des pfälzischen Müller⸗ 
derbandes statt. In derselben sprach der Vorsitzende 
—D— 
der Wyngaert, über seine Erfahrungen auf der 
Londoner Weltausstellung und in den Vereinigten 
Staaten von Nordamerika. 
— Neustadt, 4. Nob. Ein hiesiger Metzger 
annoncirt, daß es bei ihm fortwährend gutes Kuh— 
leisch, das Pfund zu 20 Pf., gebe! (gIkr. Tgbl.) 
— Im Verlage der Vereinsdruckerei in Speyer 
wird vom 1. Dezember an ein tägliches 
katholisches Blatt unter dem Titel der „Rheinbote“ 
erscheinen. Die Probenummer wird am 10. Nov. 
herausgegeben. Redakteur des „Rheinboten“ ist 
herr Gg. Schwaab, Geschäftsführer der Vereins— 
oruckerei. 
J;‚ 
Vermischtes. 
F Nr. 261 der „Saarbr. Ztg.“ vom 8. d. M. 
entnehmen wir das Nachstehende: „In Sachen 
der Rotterdamer Schwindlerfirma Wijprecht u. Cie. 
hatten wir die Nummer 255 dieser Zeitung nebst 
wei Schriftstücken an das Kaiserlich deutsche Kon⸗ 
zuulat zu Rotterdam gesandt; wir erhalten von 
demselben heute folgende Zuschrift: 
„Konsulat des Deutschen Reiches. 
Rotterdam, den 4. November 1881. 
„Der Redaktion der „Saarbrücker Zeitung“ wird 
auf die Mittheilungen vom 31. v. Mts. eewidert, 
daß das angezogene Konsulatsschreiben ächt ist. 
Folglich Ihr Zeitungsartikel eine unrichtige Dar⸗ 
ttellung liefert. 
Was die entdeckte Handschriftsgleichheit angeht, 
so möge zur Aufklärung dienen: daß ein junger 
Mann, welcher auf meinem Büreau bis 4 Uhr 
Nachmittags Beschäftigung findet, nach anderwei— 
tiger Verwendung seiner Abendstnnden sich umsah, 
mittels Zeitungsannonce mit dem damals noch nicht 
als Schwindler bekannt gewordenen Wijprecht in 
Berührung kam und für diesen gegen geringen 
dohn einige Schreibereien, hauptsächlich in Adressie⸗ 
rung von Enveloppen bestehend, besorgt. 
Es wäre ihrerseits wohl angemessen gewesen, 
aicht so voreilig zu verfahren, sondern sich erst 
gut zu erkundigen. 
Der Kaiserlich Deutsche Konsul. 
J. W. Bunge.“ 
Wir möchten dem Herrn Konsul hiezu nur be⸗ 
nerken, daß wir gar nicht voreilig verfahren sind. 
Zwei Schriftstücke lagen uns vor: Eine Brief— 
adresse der Betrügerfirma Wijprecht u. Co. an 
eines ihrer Opfer und ein Bescheid des kaiserlichen 
Konsulats an eben dieses Opfer. Die Handschrift 
beider Schriftstücke ist identisch, wie ja auch heute 
der Herr Konsul selbst zugibt. Was lag da näher, 
als anzunehmen, der oder die Betrüger hätten auch 
den Konsulatsbescheid gefälscht! Es wäre in 
Deutschland gewiß Niemand im Traum eingefallen, 
in dem Briesschreiber der Firma Wijprecht einen 
Bediensteten des deutschen Konsuls in Rotterdam 
zu vermuthen. Wir weisen daher den Vorwurf der 
Voreiligkeit ganz entschieden zurück, und der Herr 
Konsul hätte gewiß mehr im Interesse der von ihm 
vertretenen Deutschen gehandelt, wenn er sich zu 
einer Mittheilung über die von ihm veranlaßten 
Schritte behufs Verfolgung der Schwindler herab⸗ 
jelassen hätte, statt uns für unsere Mittheilung 
einen Tadel zu ertheilen. Wir werden übrigens 
die Angelegenheit nunmehr zur Kenntniß des Kai— 
erlichen auswärtigen Amtes bringen. 
(Der die Schwindel⸗Firma Wijprecht n. Co. be⸗ 
reffende Artikel in Nr. 255 der „Saarbr. Ztg.“, 
auf welchen das obige Schreiben des deutschen 
LFonsuls in Rotterdam sich bezieht, war s. Z3. auch 
n den Anzeige r übergegangen). 
—. Als ein seltenes Jagdglück wird dem 
Saarl. Jo ur.“ aus Dillingen berichtet, daß 
in dortiger Jäger, ber bereits vor 14 Tagen an 
inem Tage zwei schwache Sauen erlegte, am 
etzten Sonntag vermittelst einer Doublette zwei 
zroße Sauen, die beide im Feuer blieben, er— 
eutet hat. 
Monsheim, 5. Nob. Auf den gestrigen 
Treibjagden in Wachenheim a. d. Pfrimm wurde 
inem Schützen, Herrn Fr. Obenauer aus Kriegs⸗ 
jeim, ein Auge ausgeschossen. Die Verletzung ist 
ꝛine sehr geführliche. Der Jäger, der den unglück— 
ichen Schuß abgegeben, ist von Monsheim. 
F Ein erschütterndes Familiendrama ereig⸗ 
nete sich der „D. Rz.“ zufolge am Allerseelentage 
iuf dem Friedhofe zu Neuwied. Eine dortige 
Dame, Frau v. Z., hatte sich mit ihrem Gatten 
und ihrer Tochter zu dem Grabe der verstorbenen 
eisten Frau ihres Mannes begeben. Plötzlich 
vurden von hinten zwei Schüsse auf sie abgefeuert, 
»on denen einer sie in den Rücken, der andere in 
»ie Seite traf, so daß die Dame, lebensgefährlich 
nerwundet, auf einer Bahre nach Hause gebracht 
verden mußte. Die Person, welche die Schüsse 
nit einem Revolver abgegeben hatte, war die Stief⸗ 
ochter der Getroffenen, die Tochter aus ihres Gatten 
rster Ehe. Die Attentäterin, Frl. v. Z., wurde so⸗ 
ort verhaftet. Dieselbe lebte seit Jahren von ihrer 
Familie getrennt, war ziemlich herabgekommen und 
»euten manche Einzelheiten ihres, Privatlebens auf 
inen derart zerrütteten Gemüthszustand hin, daß 
die grauenerregende That als das Resultat einer 
augenblicklichen oder vielleicht schon längere Zeit 
‚orhandenen Geistesstörung erscheinen dürfte. Die 
iefste Theilnahme richtet sich allgemein auf den 
chwer geprüften Vater der unglücklichen Verbrecherin, 
velcher bei dem Schauspiel zugegen sein mußte, wie 
eine leibliche Tochter am Grabe ihrer Mutter die 
nörderische Hand gegen ihre Stiefmutter erhob. 
München, 5. Nov. Gestern erschoß sich 
n seiner Wohnung der Premierlieutenant K. Feller, 
la suite des I. Feld-Art.-Reg und Adjutant 
»ei der 1. Feld-Art. -Brigade. Ein Zettel mit 
den Worten: „Ich bin nicht ehrlos“ wurde bei 
hm vorgefunden, man vermuthet die Ausführung 
ziines amerikanischen Duells. 
f Wird bei einem Eisenbahn- oder Fabrik⸗Un— 
'all, durch welchen die Haftpflicht des Eisenbahn— 
der Fabrik-Unternehmers aus dem Reichshaft⸗ 
flichtgesetz begründet wird, ein Sohn getödtet, 
oelcher seine alten Eltern unterstützt hatte, so tritt 
ach einem Erkenntniß des Reichsgerichts vom 16. 
zeptember 1881 der haftbare Eisenbahn⸗ oder 
rabrik-Unternehmer an die Stelle des getödteten 
zohnes in Bezug auf die künftige Unterstützung 
der bedürftigen Eltern des letzteren. Er hat diesen 
»as zu leisten, was der Getödtete gesetzlich zu leisten 
yerpflichtet war und auch wirklich geleistet hatte. 
leberstiegen jedoch die Leistungen des Sohnes gegen 
eine Eltern das gesetzliche Maß seiner kindlichen 
Interhaltungspflicht, so wird dadurch die Unter— 
altungspflicht des haftbaren Unternehmers nicht 
rhöht, vielmehr bleibt diese auf das gesetzliche Maß, 
lso entsprechend die thatsächlichen Lebens⸗ und 
7tandesverhältnissen der Eltern und des Getödteten, 
eschränkt. Diese von dem Getödteten übernommene 
llimentationspflicht des Unternehmers wird dadurch 
nicht berührt, daß die zu Unterstützenden noch 
indere Alimentation der Eltern verpflichtete Kinder 
jaben, wenn diese Kinder haben, wenn diese that— 
ächlich bis zum Tode des Getöodteten nichts zur 
Unterstützung der Eltern heigetragen haben, resp. 
erst später alimentationsfähig geworden sind. 
(GWahres Wort.) Wann wird am meisten 
jelogen? Vor einer Wahl, während eines Krieges 
ind nach einer Jagd! 
GDie Gesammtbevölkerung der 
Erde beträgt gegenwärtig 1,455,000, 0060 Men⸗ 
chen. Die jährliche Zunahme belauft sich auf etwa 
16 Millionen Seelen und die Gesammtziffer hat 
ich seit dem Untergang des römischen Reiches etiwa 
um die Hälfte vermehrt. Wären sämmtliche be— 
wohnbare Lander der Erde so dicht mit menschlich 
Niederlafsungen besetzt, wie England und Belgie 
Indien und China, so würden etwa 10 Milliard 
Menschen auf der Erde Platz gefunden haben, ei 
Zahl, welche das Menschengeschlecht vielleicht no 
dielen Jahrhunderten erreicht haben wird. 
— Wer kann ausrechnen, wieviel Salz das Meqn 
d. h.salle Meere zusammen genommen) ungefäb— 
enthält? Dazu müßte man wissen: 1) wie großd 
Flächeninhalt des Meeres ist: 2) wieviel seir 
durchschnittliche Tiefe betrügt und 3) welchen Ge 
halt an Salz das Meerwasser besitzt. Der Flächen 
nhalt des Meeres beträgt annähernd 370 Million 
Quadrat-Kilometer oder 370 Billionen Quadra 
neter. Die durchschnittliche Tiefe sei gering g 
chätzt 100 Meter und wird der durchschnittlid 
Zalzgehalt des Meerwassers auf 23 Prozent an 
jenommen, so ist die Rechnung: 370 Billione 
⸗Meter 100 Meter 0,025 Prozent 
325 Billionen Kubikmeter Salz. Da nun 1 Ki— 
hzikmeter 3213 Kubikfuß enthält, so machen d 
325 Billionen Kubikmeter annähernd 30,00 
Billionen Kubikfuß aus, die, den Kubikfuß zu 1 Ct 
angenommen, ebensoviele Centner Salz ausmachte 
Diese 30,000 Billionen sehen so aus: 
30,000, 000, 000, 000, 000. 
Um dieses Quantum von einem Orte zum andere 
J. B. von Hildburghausen nach Meiningen, 
transportiren, dazu wären 150 Billionen Eise 
hahnwaggons von 200 CEtr. erforderlich. Da 
run aber in der ganzen Welt nur etwa 192 Mil 
Waggous gibt, so müßten dieselben 100 Millioue 
Fahrten machen. Rechnet man auf einen Tag 
eine Fahrt, so würde ein solcher Transport 27.40 
Zahre in Anspruch nehmen. 
F Die Wiener sind ganz toll! Sarah Beri 
jardt, die bekannte französische Schauspielerir 
zastirt eben dort, und man reist sich um die Bille 
u den Vorstellungen. Logen und Parquet-Plät 
varen gleich am ersten Tag für alle zehn Vorsteh 
ingen, in denen sie auftritt, verkauft; die ande 
ren Billete gingen am zweiten Tag auch reißen 
ab, und waren dann gleich jenen, auch nur no 
»on den Aufkäufern gegen bedeutendes Aufgeld z. 
»ekommen. Ein Parquetsitz kostete bei diesen Blut— 
saugern 10 fl. õ. W. am Werktag, am Sonnta⸗ 
höher. Sarah Bernhardt ist natürlich hoch erfreu 
iber das gute Geschäft, das sie macht, und wir 
so gefällig sein, im Januar den Wienern nochmal 
Gelegenheit zu geben, ihr Geld an sie los zu wer 
den. — Auch in Wien klagt man viel über di 
sichlechten Zeiten. 
F Zürich, 1. Nov. Aufsehen erregt ein w 
Bankgeschäft Walker im Centralhof letzte Nach 
»erübter Einbruch. Es wurden 75,000 Fr. ent 
vendet, die Bücher und andere Werthschriften ver 
zrannt. Der Einbruch geschah auf die raffinirtest 
Art, wie die nur wenig beschädigten Thüren und 
Schlösser beweisen. — Summe der bei'm Glarne 
rischen Hilfskomite und bei'm Bundesrath für Elr 
zisher eingegangenen Liebessteuern: 420,000 Fr 
F Claude, einer der Chefs der geheimen 
Polizei unter Napoleon III., hat einen Theil seine 
Erlebnisse veröffentlicht. Man sieht tief hinein 
vie's gemacht wurde, um Kaiser zu werden un' 
zu bleiben in Frankreich. Napoleon war ein Po 
lizeis Genie und Meister der Organisation, er traut 
Niemand als seinem Siern und machte jeden Po— 
sizisten zum Spion des andern. Die Polizei über 
wvachte alles in Staat und Kirche, in den Kasernen 
uind Kapellen, Kneipen und Ballsälen und überal 
vo drei beisammen waren. Die geheime Polize 
tostete viele Millionen; Frauen, sogar Prinzessinner 
ind Fürstinnen, spielten in ihr eine große Rolle⸗ 
und dienten abwechselnd zugleich dem Kaiser un 
einen Feinden. Die Denuntianten und Provoka 
eure holten sich im geheimen Kabinet den klingender 
Lohn ihrer Thaten und quittirten sehr eigenthuͤmlich 
Sie hauchten auf die Fensterscheibe in der Thür 
des schwarzen Kabinets und schrieben dann mi 
dem Finger die jeweilige Ziffer und den Namen 
Der Kassirer des Kaisers zahlte auf diese Anweisun— 
jin, und wenn der Empfänger erhalten hatte, ver— 
vischte er wieder mit dem Aermel die seltsame Quit 
ung. Die Schilderung der furchtbaren Korruption 
n jener Zeit ist so widerlich, daß man sie kaun 
esen mag. Auch ein oberflächlicher Blick genüc 
u der Einsicht, daß eine Regierung, die sich nu 
auf die Verderbtheit der Gesellschaft stützte, unmöglid 
von Dauer sein konnte, auch wenn das Jahr 1870 
nicht gewesen wäre.