Full text: St. Ingberter Anzeiger

Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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Sonntag, 13. November 1881. N 1686. Jahrg. 
Politische Ueberfsicht. 
De”utqsches Reich. 
München, 10. Nov. Der Umstand, daß nicht 
veniger als 18 Mitglieder unserer Abgeordneten⸗ 
ammer“ zugleich Mitglied des Reichstages sind, 
wird, da letzterer schon auf den 17. d. M. einbe⸗ 
cufen ist, voraussichtlich sehr störend auf den Gang 
det Verhandlungen unseres Landtages einwirken. 
Der größere Theil der betreffenden Abgeordneten 
wird sich indessen zunächst nur zur Theilnahme an 
der Präsidentenwahl nach Berlin begeben und dann 
wieder hierher zurückkehren. Wenn aber der weitere 
Verlauf des Reichstages die Theilnahme aller seiner 
Mitglieder aus Bayern erforderlich machen sollte, 
dann müßte wohl eine, wenn auch nur kurze Unter⸗ 
—X 
intreten .. * 
München. Der Abg. Frhr. v. Hafenbrädl 
jat mit mehreren Genossen einen den Bau und die 
Anterhaltung der öffentlichen Staatsstraßen betref⸗ 
enden Antrag eingebracht. 
Müunchen, 10. Noo. Am Tage der Reichs⸗ 
agswahl kam es im Orte Tettenwang (Oberbayern) 
zu einem bedeutenden Excesse, der traurige Folgen 
zach sich zog. Nach Beendigung des Wahlakles 
varen im dortigen Wirthshause mehrere Wähler 
ersammelt, die, ziemlich betrunken, in Streit ge⸗ 
iethen. Einer derselben wurde hinausgeworfen, 
am zaber alsbald mit einem Gewehr bewaffnet vor 
das Wirthshaus und feuerte durch das Fenster ei— 
gen scharfen Schuß in die Wirthsstube, der fünf 
Personen, darunter zwei lebensgefährlich, verwundete. 
— In Stadtamhof wurde außer dem Faktor Lö⸗ 
venberg, ehemaligen Redakteur eines sozialdemokra— 
lischen Blattes in München, auch ein Schriftsetzer 
in Regensburg verhaftet. Beide Verhaftungen 
bringt man mit der Thatsache der Saisirung einer 
stiste sozialdemokratischer Schriften bei einem Frauen⸗ 
immer in Regensburg in Zusammenhang.— 
Zum ersten Male seit dem Bestehen der Reichs⸗ 
agswahlen sendet Bayern einen Sozialdemo⸗— 
raten in den Reichsstag. Im Reichstagswahl⸗ 
kreis Nürnberg ist bekanntlich der Sozialdemo— 
krat Grillenberger mit 12,344 Stimmen 
jegen die auf den fortschrittlichen Dr. Siegmund 
Bünther gefallenen 11,212 Stimmen gewählt wor⸗ 
den. Schon einmal, 1877, war Herr Grillenberger 
zegen Herrn Dr. Frankenburger in Stichwahl; mit 
hülfe der Nationalliberalen siegte letzterer. Am 30. 
Juli 1878 wurde Dr. Günther als liberaler Kom— 
romißkandidat mit 18,486 Stimmen gegen die 
10,162 Stimmen Grillenberger's gewählt. Am 27. 
Olt. d. J. hatte Grillenberger 9069, Dr. Günther 
3464 Stimmen. Beide Ziffern haben also beinahe 
Jeichmäßig, die jetzt siegreiche um 2675, die in 
Minderheit gebliebene um 2748St. zugenommen. Ge⸗ 
orne Bayern sind im Reichstage als Sozialdemokraten 
schon mehrere gewesen: der verstorbene Rheinpfälzer 
Beib, Herr Most ans Augsburg, Herr Auer aus 
Niederbahern, Herr Wiemer aus Nuͤrnberg. Zum 
erster Male aber entsendet ein bayerischer Wahlkreis 
einen Sozialdemokraten in das an der Leipziger⸗ 
traße Nr. 4 zu Berlin belegene Parlamentshaus. 
Berlin, 10. Nov. Es gilt jetzt als bestimmt, 
daß bis zur Wahl des Präsidiums als Alters- 
dräsident im Reichstage der Abgeordnete für Memel⸗ 
Heydekrug, Graf Moltke, fungieren wird. 
Es wird bestätigt, daß der Reichskanzler 
zu einem ehemaligen konservativen Abgeordneten ge⸗ 
iußert hat, daß zur Herstellung einer konservativ⸗ 
lerikalen Mehrheit eventuell der Generalfeldmarschall 
on Elsaß⸗Lothringen, Frhr. v. Manteuffel nur 4 
jein Nachfolger sein könne. 
Die große politische Bedeutung der Errichtung 
ines kaiserlichen Residenzgebäudes in der Haupt⸗ 
tadt der wiedererrungenen Westmark des Reiches 
iegt auf der Hand - und leider haben auch die 
Waählen in den Reichslanden gezeigt, .daß aller 
Anlaß dazu da ist, mindestens die änßexen Sym— 
»ole der unwiderruflichen Zusammengehörigkeif 
Elsaß⸗Lothringens mit Deutschland zu verstärken 
Wie wir hören, ist dem Etat des Reichsschatzamtes 
»eine Denkschrift beigefügt, welche diese Etatsposition 
ingehend motivirt. Die Gesammtbaukosten des 
Palastes find auf 2,660,000 Mark veranschlagt. 
Man wird übriges nicht fehl gehen, die Gerüchte 
yetreffs der beabsichtigten Einverleibung Elsaß⸗ 
dothringens in Preußen auf den in Aussicht ge⸗ 
sommenen; Bau des Straßburger Kaiserpalastes 
urückzuführen. Die Verhandlungen mit der Stadt 
Straßburg über das Bauterain haben offenbar zu 
den weitergehenden übrigens ganz uabegründeten 
Gerüchten Veranlassung gegeben. 
Ausland. 
Petersburg, 7. Nov. Der Polizei ist es 
n den letzten Tagen gelungen — so wird der 
Schl. Zig.“ geschrieben — einen außerordentlich 
vichtigen Fang zu machen. Auf indirektem Wege 
atte sie erfahren, daß sich zur Zeit einer der 
daupt⸗ Agenten der nihilistischen Partei, welcher sich 
llexandrowitsch nennt, vielleicht auch wirklich so 
eißt, hier aufhalte und daß derselbe im Besitz einer 
zroßen, zu Parteizwecken bestimmten Summe Gel— 
des sei. Nachdem, wie man sagt, mehrere, jenen 
stamen führende Persönlichkeiten irrtümlich festge— 
iommen worden, gelang es endlich, des richtigen 
llexandrowitsch auf dem Newski⸗Prospelt in den 
ebhaftesten Tagesstunden habhaft zu werden. Der 
Henannte hatte, um jeder Verfolgung zu entgehen, 
die Offiziers-Interimsuniform eines der hiesigen 
Harderegimenter angelegt. In seiner Wohnung 
and man Dynamit in beträchtlicher Menge und, 
vie man von zuverlässiger Seite bestimmt versichert 
— doch mag etwas Uebertreibung dabei im Spiel 
ein — die Summe von 800, 000 Rubel in russi⸗ 
chen Staatspapieren. Durch diese Arretirung soll 
nan außer anderen Ermittelungen auch in Erfah— 
ung gebracht haben, daß die Moskau⸗Petersburger 
zahn an einer Stelle, die bisher jedoch nicht be⸗ 
annt, unterminirt ist. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
— Kusel, 11. Nov. Marktbesucher brachten 
sjeute die Kunde hierher von einem grausigen Fa— 
niliendrama, das sich in Eßweiler heute früh 4 Uhr 
ibgespielt haben soll. Einer der vermögendsten 
Männer des Ortes soll seiner Frau einen Schlag 
nit dem Beile versetzt und dann sich selbst erschossen 
saben, als er die betäubt daliegende Gattin für 
odt hielt. Wir geben die Nachricht, wie sie uns 
rzählt wird, wünschend, sie möge sich nicht be— 
tätigen. Kuseler Zig.) 
— Aus Pirmasens schreibt man der „Pf. Z.“: 
In dem benachbarten Lemberg wurde der Schuster 
Leies mit einem Prügel derart mißhandelt, daß 
an dem Aufkommen desselben gezweifelt wird. 
— Speyer. die Pfarrwittwen der 
Pfalz haben vor einiger Zeit folgendes Gesuch 
in das kgl. Konsistorium gerichtet: „Die ehrerbietigst 
interzeichneten Pfarrwittwen wagen es, an hoch— 
vürdiges Konsistorium die ganz ergebenste Bitte zu 
ichten, hochdasselbe wolle der demnächst zusammen⸗ 
tretenden Generalsynode eine Vorlage himnpichtlich 
Aufbesserung der Pensionen für sie und eventuell 
ür ihre unverforgten Kinder unterbreiten. Wir 
erkennen es dankbar an, daß hohe Kirchenstelle je 
ind je darauf bedacht war, die Hinterlassenen der 
ofälzischen Geistlichen nach Maßgabe der vorhan⸗ 
denen Mittel aufzubessern, und daß eine hohe Ge⸗ 
neralsynode auf die freundlichen Absichten derselben 
ingegangen ist. Allein die Vermögensverhältnisse 
zer meisten Pfarrwittwen sind derari, daß es den⸗ 
elben unter den nach allen Seiten so gesteigerten 
Ansprüchen, welche auch an sie in unsern Tagen 
gemacht werden, äußerst schwer wird, sich und die 
yhrigen mit Ehren durchzubringen. Deshalb er⸗ 
cheint es sicherlich nicht ungerechtfertigt, wenn die 
ergebenst Unterzeichneten die Bitie an hohe Kirchen⸗ 
telle bringen, dieselbe wolle im Einvernehmen mit 
her Generalsyhnode die Pensionsbezüge für die Pfarr⸗ 
Relikten der Pfalz, so weit die Mittel der Pfarr⸗ 
wittwenkasse es gestatien, erhöhen. In der Hoff⸗ 
aung auf Erhörung ihrer Bitte zeichnen ꝛ⁊c. ꝛc.“ 
— Frankenthal, 8. Nov. In den jüngsten 
Tagen wurde hier mehrfach falsches Geld ausgegeben, 
besonders Fünfzig⸗Pfennigstücke, Ein⸗ und Zwei⸗ 
Markftücke. Nach den Verbreitern wird gefahndet. 
Gun 3 
— Pas deutschkonservative Zentral— 
komitee der Pfalz richtet an die Parteige— 
rossen folgende Aufforderung: „Wir ersuchen unsere 
Parteigenossen, bei der bevorstehenden Stichwahl 
zwischen Janson und Herz über die mancherlei 
ränkungen, die uns von Seiten der Liberalen 
viderfahren sind, wegzusehen und die höheren In⸗ 
teressen des Vaterlandes im Auge zu behalten. Da 
zilt es denn um jeden Preis zu verhüten, daß ein 
weiterer Republikaner in den Reichstag gewählt 
wird, ein Todfeind des Reichskanzlers, ein Mann, 
der es auf Abschaffung der für den Bauersmann 
nothwendigen und nützlichen Getreide⸗ und Vieh⸗ 
zölle und auf Schwächung der deutschen Wehrkraft 
abgesehen hat. Es scheint uns in dieser Hinsicht 
ein Grundbesitzer wie Janson viel geeigneter zur 
Vertretung der Interessen unseres Bauernstandes, 
als ein jüdischer Advokat aus Mannheim. Wir 
ersuchen deshalb alle unsere Parteigenossen, am 
Samstag ihre Stimmen für Guftsbesitzer Jan son 
in Harrheim abgeben zu wollen. Ebenso wird 
es fich empfehlen, daß die Konservativen in dem 
Wahlkreise Neustadt⸗ Landau zur Verhütung der 
Wahl eines Forischrittlers ihre Stimmen dem Se⸗ 
natspräsidenten Peterseen in Colmar zuwenden.“ 
Vermischtes. 
Trier, 10. Nov. Gestern Vormittag 8 
Uhr wurde im Posthofe von einem hiesigen Regie— 
rungs⸗ Hauptkassendiener ein Portefeuille von 
ichwarzem Leder mit Wechseln, wie die „Saar⸗ u. 
M.⸗»Z.“ hört, in der Höhe von 19,000 Mark 
perloren. Wie vermuthet, wurde dasselbe von einem 
Mädchen gefunden. 
fF München, 8. Nov. Das Schöffengericht 
in Fürth hat unter Annahme von Fahrlässigkeit 
einen dortigen Weinhändler, der Wein verkaufte, 
welcher „gegypst“ war, zu einer Geldstrafe von 30 
Mark und in die Kosten verurtheilt. 
FIn Wuürzburg wettete ein Bursche mit 
einem andern, daß er in 10 Minuten mit einem 
Eßlöffel 10 Schoppen (7) Wein aus einer Schüssel 
zu sich nehme. Der so nach Wein Hungernde be⸗ 
gann seine Arbeit, führte dieselbe zum Erstaunen 
aller anwesenden Gäste in 6 Minuten zu Ende, 
gewann somit die Weite und war nebenbei so ge⸗ 
sund wie zuvor.