Full text: St. Ingberter Anzeiger

ole SElrenge Jut ic lis Geido juünten, mit welchet 
seinerzeit der Hauptagitator unter den englischen 
Sozialdemokraten von den Gerichten dieses Landes 
für seine aufreizenden und aufrührerischen Schriften 
bestraft würde. Leider hatte auch diesen Sozial⸗ 
demokraten Deutschland hervorgebracht. Die bis⸗ 
her getroffenen Maßregeln haben wenigstens den 
Erfolg gehabt, die Sozialdemokratie, wenn auch 
nicht auszurotten, so doch auf den eigenen Herd 
zu beschränken. Ist dies konstatirt, so wird man 
auch nicht annehmen dürfen, daß die Reichsregie⸗ 
rung gerade jetzt die Rührigkeit und Ausdehnung 
der Sozialdemokratie betent, um zu zeigen, daß 
ihre sozialistischen Reformmethoden eingeführt wer— 
den müßten, um dem Uebelstande ein Ende zu 
machen. Wir werden die letzten sein, welche die 
schlimme Lage unserer Arbeiter-Klasse verkennen 
und sich verhehlen wollen, daß gerade in den ge— 
sellschaftlich niedriger stehenden Kreisen für Refor— 
men zwingende Gründe vorhanden sind, wir aber 
wollen diese Reformen auf einem anderen Wege 
als die Regierung erstreben. Hoffentlich wird die⸗ 
sen Widerspruch der Meinungen nicht der Arbeiter⸗ 
stand entgelten mussen dadurch, daß die Reform⸗ 
Ideen, wenn auch nicht fallen gelassen, so doch 
verschoben werden. Die Regierung scheint schon 
etwas nachgegeben zu haben, an einem gleichen 
Nachgeben auf gemäßigt liberaler Seite, natürlich 
nur unter Wahrung der liberalen Grundsätze, wird 
es nicht fehlen. (Irkf. Pr.) 
Ausland. 
Aus Rom fignalisiert ein Telegramm der 
Wiener „Presse“ die Entdeckung einer internationalen 
tepublicanischen Berschwörung, an der itali⸗ 
enische und französische Arbeiter betheiligt sein sollen. 
Vielleicht hängt damit auch der Revolver zusammen, 
welcher während der Sitzung der Deputirtenkammer 
am Montag von der Tribüne in den Saal siel. 
Zwischen Türkei und Griechenland ist 
wieder einmal ein Konflikt ausgebrochen. Krieg 
wird's deßhalb wohl nicht geben, aber er hat inso⸗ 
fern einiges Interesse, als der Streit sich diesmal 
wenigstens nicht um Land⸗Annexionen, sondern nur 
um — Poffämter handelt. 
Tunis, 23. Nov. General Saussier rückte 
in Gafza ein. Die Aufständischen unterwarfen sich. 
Algier, 23. Nop. General Delebecque 
kam am 21. November in Moghar sataine 
an, zerstörte das Haus Bu⸗Amenas und vernichtete 
seine Palmbäume. Die Truppen, welche in den 
vorhergehenden Tagen die Berge durchstreiften, er⸗ 
beuteten zahlreiche Heerden. Sie verloren dabei 2 
Todte und 5 Verwundete. Der Feind ließ 16 
Todte auf dem Platz und führte noch eine Anzahl 
Todter mit fort. In Südtunis vertreiben die 
Truppen die Aufständischen und nehmen ihre Heerden 
weg. Fast alle Stämme bieten ihre Unterwerfung an. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
St. Ingbert, 25. Nov. Nächsten Sonntag 
Abend veranstaltet der Verein „Gemüthlichkeit“ 
für seine Mitglieder eine mußsikalischtheatralische 
Unterhaltung. (Siehe Inseratentheil.) 
* St. Ingbert, 25. Nov. In der letzten 
Strafkammersitzung des kgl. Landgerichts Franken⸗ 
thal wurde u. A. auch, wie wir dem „Pf. K.“ 
entnehmen, gegen Rudolph Strack aus St. Ing⸗ 
bert, jetzt in Freiburg, früher Inspektor der Lebens⸗ 
verficherungsgesellschaft „Iduna“ in Potsdam ver⸗ 
handelt. Derselbe kam im Juli abhin auf einer 
Inspektionsreise nach Speyer, vereinnahmte ohne 
Vorwissen des dortigen Gesellschaftsagenten vor— 
schriftswidrig Geld (122 M.) das er dann, um 
das Uebel fertig zu machen, in seinem Nutzen ver⸗ 
wendete, unterschlug. Und dies trotz der von ihm 
bezogenen beträchtlichen Reisespesen und der dem 
Gastwirth zum „Rheinischen Hof“ hinterlassenen 
großen Zechschuld. Er wurde wegen Unterschla⸗ 
gung zu 4 Monaten Gefängniß vernrtheilt. We⸗ 
gen dieser und anderer Unregelmäßigkeiten wurde 
er auch von seiner Gesellschaft entlassen. 
x* Wie bekannt, tagt gegenwärtig in Speyer 
die protestantische Generalsynode der Pfalz. Offen⸗ 
bar die wichtigste Sitzung der ganzen diesmaligen 
Session fand am letzten Mittwoch stant. Es han⸗ 
delte sich in derselben hauptsächlich um den Antrag 
des Konsistoriums auf Erhebung einer stän⸗ 
digen einprozentigen Umlage bei den 
protestantischen Cultusgemeindender 
Pfalz zum Zwede der Aufbesserung 
der Pfarrbesoldungen durch Gewähr— 
ung weiterer Dienstalterzulhagen. Der 
Referent, Anwalt Keller, deantragte hierzu Ramens 
des Ausschusses: „Es sei die Vorlage abzulehnen, 
hem Kirchenregimente aber zur Erwägung anheim— 
ugeben, ob der Gegenstand weiter verfolgt, und 
nsbesondere, ob nach Vernehmung der neugewählten 
Presbyterien und der Diözesansynoden einer außer— 
yrdentlichen oder der nächsten ordentlichen General— 
ynode etwa eine neue Vorlage gemacht werden soll.“ 
Er führte aus, die Ablehnung sei nicht definitiv, 
»ie gegenwärtige Zeitlage sei jedoch für eine neue 
—A 
nerschiedene eingehende Erhebungen über die Wirk— 
ing der neuen Steuer, auch greife sie zu tief in 
insere gegenwärtigen Verhältnisse ein, um eine 
chnelle Erledigung räthlich erscheinen zu lassen. 
Nach längerer Debatte fand der Ausschußantrag 
instimmige Annahme. 
t. Blieskastel, 24. Nov. Welche Wirk⸗ 
ingen die heurigen warmen Novembertage auf die 
Insektenwelt ausüben, beweist der Umstand, daß 
nir heute von einem Knaben zwei vollständig ent— 
vickelte lebende Maikäfer überbracht werden konnten. 
Die warmen Tage sind auch für unsere ärmere 
BZevölkerung eine wahre Wohlthat, indem sie da⸗ 
zei das Holz resp. die Kohlen zur Heizung der 
Zzimmer erspart. — Die Apotheke von Hrn. Richter 
»ahier wurde kürzlich von einem Apotheker aus 
der Rheinprovinz käuflich erworben. 
— Durch öffentliche Bekanntmachung des k. Be⸗ 
zirksbbergamtes Zweibrücken wurden Verleih— 
ings⸗Urkunden für Bergwerksbetrieb verliehen: 1. 
»em Kaufmann K. Weisenburger in Mann— 
jeim für 120 Hektar Feld bei Dielkirchen und 
Steingruben zur Gewinnung von Bleierzen; 2. 
»em Bergwerksdirektor Rudolph Härsche in Kreuz⸗ 
—XD 
ind Imsbach, als auch für die gleiche Grundfläche 
zei Imsbach und Börrstadt zur Gewinnung von 
upfer⸗ und Kobalterzen. 
— Homburg, 23. Nov. Unsere Feuerwehr 
ccheint nicht mehr zur Ruhe kommen zu sollen, denn 
12 Slunden nach dem in vor. Nr. berichteten Brand 
auf dem Schloßberg haben wir schon wieder einen 
zu verzeichnen. Heute Mittag brannte Scheuer⸗ 
und Stallgebäude des Wagners Biehl von hier zu— 
sammen und war es ein Glück, daß der Brand 
naicht des Nachts ausbrach, da derselbe sonst be— 
denkliche Dimensionen angenommen hätte, da daß 
Hebäude mitten zwischen andern Wohnhäusern und 
dem Spritzenhaus liegt, welche in großer Gefahr 
waren. (Pf. Pr.) 
— Wilgartswiesen, 22. Nov. Am ver—⸗ 
gangenen Sonntag wurde hier bei einer Schlägerei 
der jüngste Seohn des Zimmermanns Grub ganz 
unmenschlich zugerichtet. Derselbe soll mehr als 
30 Messerstiche im Kopfe und überdies ca. 10 
Stiche in Händen und Rücken haben, so daß an 
einem Aufkommen gezweifelt wird. 
— In Neustadt hat sich in der Nacht zum 
letzten Mittwoch die 19 Jahre alte Dienstmagd 
Maria Rohr von Deidesheim aus Furcht vor 
Strafe und auch aus Scham erhängt, nachdem 
ie überführt worden war, ihre Dienstherrin, Wwe. 
Fuchs, längere Zeit hindurch um nicht unbedeutende 
Beträge bestohlen zu haben. 
— Auch den Stadtrath von Neustadt beschäf⸗ 
tigt die Frage, ob eine Revision der Hausmieth⸗ 
teuer angezeigt sei. Am Dienstag wählte er eine 
dommission, welche Ermittelungen darüber anstellen 
oll, ob ein Rückgang der Mietherträge in den sog. 
Musterhäusern eingetreten sei. 
— Diedesfeld, 22. Nov. Der hiesige Ein— 
vohner Jakob Friedr. Sch alkubeging vorige Woche 
mit seiner Gattin Maria Elisabeth geb. Dekinder 
seine diamantene Hochzeit (ojährige Ehe). 
Der Jubilar zählt 82, die Jubilarin 81 Jahre, 
und es sind dem Bunde 3 Kinder, 10 Enkel und 
4 Urentel entsprossen. 
— Kaiserslautern, 23. Nov. Was der 
Zufall doch oft eigenthümliche Rollen spielt! Im 
Sommer d. J. wurde auf der Neumühle bei 
datzweiler ein sehr bedeutender Diebstahl unter er⸗ 
chwerenden Umständen verübt. Weder der Dieb 
noch die Effekten konnten ermittelt werden. Da 
ommt am letzten hiesigen Martinimarkt der bestohlene 
Eigenthümer hierher, stellt sich rein zufallig vor eine 
Trodlerbude und erblickt seine gestohlenen Hemden. 
Anzeige und Konfiskation waren das Werk einiger 
Augenblicke. (Pf. Pr.) 
— Mit Entschließnng vom 8. November hat 
das kgl. Staatsministeriun des Innern dem 
Zdirchenbauverein Kaiserslautern er— 
zffnen lassen, daß dem Letzteren eine Vrämiencol⸗ 
iecte in 0 Ziehungen genehmigt werde, wenn oe 
für 4 Ziehungen eingereichte Verloosungsplan hier— 
nach entsprechend modificirt würde. 
Vermischtes. 
4Saarbrücken. Am Dienstag wurde vor 
dem hiesigen Schwurgerichte der 82 Jahre alte 
verheirathete frühere Postverwalter Nikolas Pfeiffe, 
von Wallerfangen wegen in den Jahren 1878 
dis 1881 im Amte verübten Unterschlagungen zu 
.7 Monaten Gefängniß verurtheilt und gleich in 
Haft genommen. 
Ein Gehängter, der durchgeprügelt wird, das 
dürfte noch nicht dagewesen sein! Am Mittwoch 
Nacht wurden die Bewohner eines Hauses am 
Roßmarkte in Frankfurt am M. durch einen 
ürchterlichen Skandal im unteren Stock, den ein 
Zaufmann bewohnte, aus dem Schlafe geschreckt 
Man hörte Fluchen und Poltern, Klirren zerbrech 
»uden Geschirrs, das Krachen umstürzender Möbel 
und man wollte eben nach der Polizei schicken, als 
»lötzlich alles still wurde. Nach kaum zwei Minu— 
ten aber ertönte ein ganz erschreckliches Geschrei, 
und nun entschlossen sich die Bewohner, die Oeff— 
nung der Thüre zu fordern. Das Geschrei dauerte 
indeß noch ein Weilchen und geöffnet wurde gar 
nicht, sondern eine weibliche Stimme bat von 
Innen die Einlaß Begehrenden, sich zu beruhigen, 
norger würde Aufklärung erfolgen. Und sie ließ 
zum Gaudium Aller nicht auf sich warten. Der 
aufmann war gestern Nacht, wie schon oft, start 
angetrunken nach Hause gekommen, hatte mit seiner 
Frau Streit angefangen und ihr schließlich das 
Mobiliar klein geschlagen. Nachdem er so sein 
Müthchen gekühlt hatte, nahm er einen Strick und 
zing fich am Kronleuchter auf, gerieth jedoch mit 
en Händen zwischen Hals und Strick und erreichte 
eßhalb weiter nichts, als daß er hilflos in der 
zuft baumelte. Seine Frau faßte jetzt Muth, er— 
zriff einen Rohrstock und applicirte ihrem liebens⸗ 
vpürdigen, in adamitischem Costüme dahängenden 
hatten, der ganz erbärmlich dabei schrie, eine gründ⸗ 
iche Lection auf die Schattenseite des menschlichen 
daseins, in welcher angenehmen Beschäftigung sie 
ehr unliebsam durch das Sturmläuten der Haus— 
»ewohnerschaft gestört wurde. Noch ein Duztend 
räftige Hiebe und die Execution war beendet, 
vorauf die resolute Frau die Nabarn, wie oben 
erwähnt, beruhigte und dann den ganz zahm ge— 
vordenen Gatten aus seiner hilflosen Lage befreite. 
F In Hamburg hat sich in der Nacht zum 
etzten Montag der 30 Jahre alte Parfümerie-⸗ und 
Streichholzfabrikant Robert M. Müller nebst seiner 
27 Jaͤhre alten Ehefrau und zwei Kindern im 
Alter von 3 und 5 Jahren vergiftet,/ nachdem er 
durch Wucher finanziell ruinirt worden war. 
fpUeber einen Kampf mit einem 
Wolfe wird der K. Ztg aus Luremburg ge⸗ 
chrieben: Vor neun Wochen hörte ein in einer 
Wiese bei Itzig (5 Kilometer südlich von hier) be— 
chäftigter Mann in dem einige Schritte entfernten 
Walde Geräusch, wie von zwei sich balgenden großen 
dunden; als er näher trat, sah er zu seinem Er— 
launen, daß es zwei Wölfe waren, welche sich be⸗ 
ämpften. Kaum wurde die eine der Bestien, ein 
zroßer männlicher Wols, des Mannes ansichtig, als 
je schnaubend auf ihn losstürzte. Der äußerst kräftige 
Mann setzte sich zur Wehr und nach etwa viertel 
tündigem Ringen ließ der Wolf los und eilte fort. 
Am nächsten Tage wurde das Thier in dem Itzi 
nahe gelegenen Orte Alzingen erlegt. Der Manu, 
dessen Arm in gräßlicher Weise zerfleischt war, er⸗ 
zielt die sorgfälügste Pflege. Vor einigen Tagen 
iber stellten sich Zeichen von Wasserscheu und Toll⸗ 
vuth ein, und gestern (21. November) ist er nach 
entsetzlichen Leiden gestorben. An dem Wolfe soll 
teine Spur von Tollwuth gefunden worden sein, 
doch scheinen die Thierärzte das wirkliche Ergebniß 
trer Untersuchung nicht veröffentlicht zu haben, 
weil sie den armen Verwundeten nicht aufregen wollten 
4 Wie dem „Berl. Tagebl.“ telegraphirt wird, 
beabsichtigt der Schweiger Bundesrath die 
jür den Rest von Elm und das ganze Serufthal 
drohende Gefahr eines erneuten Bergsturzes durch 
ein eigenthymliches Mittel zu beseitigen. Der noch 
Jerabdrohende „Risi⸗Kopf“ soll, wie das Frkf. Irl. 
rfährt, durch ein Bombardement zum Nieder—⸗ 
turz gebrachi werden und ein entsendeter höherer 
Militaͤroffizier hat die Beschießung vom Doeriberge 
aus für möglich und erfolgreich erklart. 
p(Ein' Meleor.) Aus Vevey Echweiz) 
wird dem „Bund“ geschrieben, daß daselbst am 14. 
Robember Wwischen 4 und 5 Uhr Morgens auf