Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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Dder „Et. Ingberter OAnzeiger“ erscheint wöchenltich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unter haltungs 
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M 1988. Montag, 28. November 1881. —16. Jahrg. 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
Berlin, 26. Nob. Die „Nordd. Allg. Ztg.“ 
augt: Mit einem aus Bedauern und Heiterkeit ge⸗ 
nischten Gefühl ist hier der Versuch des „Paris 
Journal“ aufgenommen worden, die politische Welt 
zurch die Sensationsnachricht zu überraschen, wo⸗ 
nach Graf Herbert Bismarck beauftragt sei, der 
ritischen Regierung Egypten anzu— 
„ieten. Abgesehen von der Unmöglichkeit der 
Sache selbst, widerspricht es durchaus den Gewohn⸗ 
jeiten der deutschen Regierung, im diplomatischen 
herkehr andere als ihre offiziell beglaubigten Ver⸗ 
reter zur Ueberbringung politischer Aufträge zu 
»erwenden. Zu unserer Genugthuung erfahren wir, 
‚aß auch Lord Granville die Sensationsnachricht 
aur als eine erheiternde Episode der Tagesgeschichte 
ruffaßte; auch die Journale „Daily News“ und 
Daily Telegraph“, welche die Correspondenz des 
Paris Journal“ reproducirten, hüteten sich wohl, 
uuch nur ein Wort des Commentars daran zu 
nüpfen. — 
Berlin, 26. Nop. Die Budgetkommis— 
on erledigte mehrere kleine Etatsposten. Bei 
»em Etat über die Heerverwaltung wurden von dem 
bosten von 1,490,600 M. für die Ergänzung der 
Handfeuerwaffen auf Antrag von Maltzahn 490,600 
M. gestrichen. 
Berlin, 26. Nov. Der „Reichs-Anz.“ schreibt: 
Der Kaiser brachte die beiden letzten Tage voll⸗ 
tommen schmerzfrei und die Nächte in ruhigem 
Schlafe zu. Der Zustand seiner Kräfte erfordert 
edoch noch Schonung. Der Kaiser ist dadurch ge⸗ 
nöthigt, noch einige Tage das Zimmer zu hüten. 
Nach den aus dem Bundesrath an den Reichs- 
ag gelangenden Mittheilungen sind in nächster 
Zeit (Frühjahrssession) für den Reichstag folgende 
Vorlagen zu erwarten, welche augenblicklich sich noch 
m der Vorbereitung befinden: Der Entwurf eines 
Reichsversicherungsgesetzes, ein Gesetzentwurf über 
den Verkehr mit Nahrungs- und Genußmitteln, 
ein Gesetzentwurf über die Beschränkung der allge— 
meinen Wechselfähigkeit, ein Gesetzentwurf über die 
Revision des Titel UI der Gewerbeordnung (Ge— 
werbebetrieb im Umherziehen, Wanderlager) sowie 
der Bestimmungen über den Gewerbebetrieb der 
Auktionatoren, Concipienten ꝛc., ein Gesetzentwurf 
zur Abänderung der Bestimmungen über den Unter— 
tützungswohnsitz und das Armenwesen, sowie ein 
Gesetzentwurf über Abänderung der Bestimmungen 
über die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und 
Wirlhschaftsgenossenschaften. 
Der Reichskanzler liebt es bekanntlich, auf 
einen parlamentarischen Soiréen sich in zwangs⸗ 
oser Weise über die schwebenden Tagesfragen der 
nneren und äußeren Politik auszulassen. Auch auf 
den am Donnerstag beim Fürsten Bismark statt⸗ 
gefundenen parlamentarischen Diner, zu welchem 
u. A. anch das Reichstags⸗Präsidium, die Schrift⸗ 
führer, Quästoren und Abtheilungs-Vorstände des 
Reichstages Einladungen erhalten hatten, verbreitete 
ich der Reichskanzler über die gegenwärtige innere 
Lage. Aus den Mittheilungen des Reichskanzlers 
ist hervorzuheben, daß er nicht im Entserntesten an 
eine Auflösuug des Reichstages denke. Derselbe 
werde keineswegs alle in der kaiserlichen Botschaft 
angekündigten Vorlagen auf einmal zu erledigen 
haben. Der Kaiser wisse wohl, daß eine lange 
Zeit für die angekündigten Entwürfe erforderlich 
sei und auch ein späterer Nachfolger des Kaisers 
werde sich diesen Aufagaben nicht entziehen können, 
weil sie dem Wohle der Gesellschaft dienten. Der 
Kaiser halte fest an dein von ihm in der Botschaft 
eingenommenen Standpunkte und halte die Durch⸗ 
ührung dieser Reformen für nothwendig. Fürsi 
Bismarck betonte im Weiteren, daß er seit seinem 
Fintritt in die politische Carière stets an dem 
Brundsatze festgehalten habe, seiner politischen Ueber—⸗ 
eugung Geltung zu verschaffen und daß er dies 
zuch in Zukunft thun werde. Schließlich bemerkte 
der Fürst nochmals, daß es ihm gar nicht einfiele, 
den Reichstag aufzulösen, auch wenn derselbe seine 
Projekte ablehnen würde; man werde sich aber doch 
nach und nach mit den Grundzügen der neuen 
Vorlagen befreunden. 
Einen in der parlamentarischen Geschichte Deutsch⸗ 
ands zohne Beispiel dastehenden Verlauf nahm im 
Reichstag die erste Lesung des Reichshaus— 
haltsetats für 1882/83. Der Regierungs— 
ommissar beleuchtete den Etat von vortheilhaftester 
Seite, der Führer der Fortschrittspartei, Eugen 
Richter, trat den Ansichten des Vorredners entgegen 
und nahm Anlaß zu einer herben Kritik der Politil 
des Reichskanzlers gegenüber dem Ausfall der 
Wahlen trotz aller Wahlbeeinflussungen und An— 
griffe auf die Fortschrittspartei. Darauf fand sich 
don der Regierungspartei kein Redner bereit, dem 
angreifenden Fortschrittsmanne zu antworten; ein 
Vertagungsantrag wurde abgelehnt und da kein 
sedner sich findet, die Debatte geschlossen. Das 
Resultat wäre dasselbe gewesen wie nach einer zwei⸗ 
oder dreitägigen Debatte, auf welche man allerdingẽ 
borbereitet war. Möglich auch, daß mehrere Red— 
ner, welche bei dem Fürsten Bismarck zu Gaste ge— 
aden waren, deshalb in so vorgeschrittener Stunde 
nicht mehr sprechen wollten. Während der ganzen 
Rede des Abg. Richter verhielt die klerikal⸗konser⸗ 
hative Coalition sich ziemlich ruhig und nur ver—⸗ 
einzelte mißbilligende Zwischenrufe wurden bei den 
Tonservativen laut. Möglich, daß von dieser Seite 
bei der Spezialberathung des Etats, welche noch 
in dieser Woche beginnen soll, nachgeholt wird, was 
man bei der ersten Lesung versäumte. 
Ausland. 
* Für Frankreich hat die vergangene Woche 
kein Ereigniß von hervorragender politischer Be— 
deutung gebracht. Gambetta versucht, sich auf dem 
Sessel des Ministerpräsidenten erst gehörig fest— 
zusetzen, ehe er daran denkt, der französischen 
Politik zunächst im Innern die lediglich im Inter⸗ 
»sse der Gambettisten liegende Richtung zu geben. 
* Die unfichern Verhältnisse zwischen Chile 
und Peru haben durch einen ernsten Zwischenfall 
eine neue Illustration erhalten. Die Chilenen haben 
den Präsidenten von Peru, Caldoeron, und 
dessen Minister des Auswärtigen, Galvez, plötz- 
ich verhaftet und nach Chile gebracht. An— 
cheinend wollen die Vereinigten Staaten von Nord⸗ 
Amerika in dieser Angelegenheit interveniren, so daß 
»s möglicherweise zu Verwickelungen zwischen Chile 
und Mord NMwmöorika kommen kann 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
DSt. Ingbett, 28. Nov. Die gestrige, im 
Jung'schen Saale stattgehabte Abendunterhaltung 
der „Gemüthlichkeit“ war außerordentlich 
ahlreich besucht. Das Programm zahlte 7 Ge— 
angspicen und ein Lustspiel. Die 3 von den 
Attiven sehr präcis und rein vorgetragenen Männer— 
höre zeugten von guter Schulung. Allgemein 
vurde der Fortschritt in den Leistungen der Sänger 
nnerhalb des letzten Jahres anerkannt. Von den 
Zolovorträgen war das Solo für Altstimme „Die 
Thräne“ von dem durchschlagendsten Erfolge. Rei— 
cher Beifall fanden übrigens auch das „Duo für 
Tenor und Bariton“, das Solo für vBariion 
(„Vater Noah“) und das Solo für Tenor. — 
Was den theatralischen Theil der Unterhaltung, 
das zweiaktige Lustspiel ,Junge Männer und alie 
Weiber“ betrifft, so müssen wir gestehen, daß das— 
elbe von einer geschulten Theatergesellschaft kaum 
zätte besser gespielt werden können. Die Darsteller⸗ 
nnen und Darsteller erfaßten mit großem Ver—⸗ 
tändniß die Pointe ihrer Rollen und erledigten sich 
hrer schwierigen Aufgabe in ganz ausgezeichnetet 
Weise, mehrfach von der Heiterkeit und dem Beifall 
der Zuschauer unterbrochen. — Besondere Aner— 
ennung sei hier noch dem Dirigenten des Vereins, 
herrn Lehrer Schlaudecker, ausgesprochen, 
hessen Thätigkeit wir in großem Maße den genuß⸗ 
reichen Abend zu danken haben. 
* St. Inbert, 28. Nopd. Wie wir hören, 
oll demnächst in unserer Stadt die Gründung eines 
Abstbaumzuchtvereins stattfinden. Wir 
zaben hier an Vereinen keinen Mangel; aber gerade 
die Gründuag des in Frage stehenden, eminent 
praktischen Vereines müssen wir im Hinblick auf 
die von Obstbäumen fast gänzlich entblößte Umge⸗ 
bung unserer Stadt mit großer Freude begrüßen. 
In unserer Stadt geschah bisher fuür die Obstbaum— 
zucht gar nichts. Jahraus jahrein werden hier 
hunderte von Mark ausgegeben, die nach auswäͤrts 
wvandern, aber eben so gut in unsern Mauern bleiben 
könnten, wenn die Obstbaumzucht nicht zu sehr ver⸗ 
nachlässigt wäre. Hoffentlich gelingi es dem pro— 
ektirten Vereine, in diesem Punkte eine Besserung 
jerbeizuführen und das Interesse für die Obstbaum— 
zucht zu wecken. 
ct. Blieskastel, 27. Nov. Gestern Abend 
veranstaltete die rühmlichst bekannte Kapelle „Con— 
dordia“, aus Zweibrücken im Hotel Haufk da— 
hier ein Concert, das sehr stark besucht war. Der 
Verlauf des Concertes kann als ein vollständig ge⸗ 
ungener bezeichnet werden. Von den zehn Rum— 
nern des Programms verdient eine ganz besonders 
hervorgehoben zu werden, nämlich ,„Die türkische 
Schaarwache“ von Curth. In diesem Tongemälde 
vurde das Herannahen, Vorüberziehen und das 
allmählige Entfernen der Parade einer türkischen 
Schaarwache sehr treffend angedeutet. Indem wir 
mit Recht annehmen dürfen, daß gewiß Niemand 
—VDD— wünschen wir 
zugleich, diese meisterhaft geschulte Kapelle möge uns 
noch öfters mit ihren mnsikalischen Vorträgen er⸗ 
freuen! 
— Auch in Neustadt ist die Gründung eines 
Vereins gegen den Hausbettel der Handwerksbur— 
schen im Werke; der dortige Gewerbeperein hat 
die Anregung dazu gegeben. 
Vermischtes. 
— Scheidt, 27. Nov. Ein 68jähriger Tag⸗ 
löhner von hier, der in Saarbrücken arbeitete, ging 
am Mittwoch Abend von dort nach Hause. Auf 
der Schafbrücke hatte er das Unglück, an einen im 
Wege stehenden Wagen, den er in der Dunkelheit 
nicht sah, anzustoßen. Der Mann, der seider mit 
einem Leibesgebrechen (sogen. Leibschaden) behaftet 
war, hatte durch den Stoß sein Uebei so verschlim⸗ 
mert, daß er daran gestern Abend starb. 
x Nach der „Saarzeitung“ sind kürzlich von ver— 
schiedenen Orten des Wahlkreises OuweilereSt. 
Wendel-Meisenheim Proteste gegen die Wahl 
des Herrn Bergrath Täglichsbede nach Veclia 
abgegangen