Full text: St. Ingberter Anzeiger

einen Besuch ad und hatte eine lange herzuche 
Unterredung mit demselben. — Der französische 
Minister des Kultus, Paul Bert, ließ vom Pra⸗ 
sidenten Grevy ein Dekret unterzeichnen, welches den 
obligatorischen Religionsunterricht in den Gymna— 
sien aufheßt. Von nun an werder die Eltern am 
Beginne des Schuljahres erklären können, daß sie 
ihre Kinder nicht in der Religion unterrichten lassen 
wollen. 
Paris, 5. Dez. General Chanzy ist nach 
Petersburg abgereist. — Wie der „Siecle“ erfährt, 
hat der Minister des Innern Maßregeln getroffen, 
um die Rückkehr der in Folge der Decrete vom 
30. März 1880 vertriebenen ausländischen Con⸗ 
greganisten zu verhindern; den französischen, von 
diesen Decreten betroffenen Congreganisten würde das 
Verbot zugehen, in den Kirchen zu predigen. — 
Bei der gestrigen Nachwahl im X. Pariser Arron⸗ 
dissement wurde Lefevre, Administrator des Journals 
„Rappel“, zum Deputirten gewählt. In Lyon steht 
der Amnestirte Humbert zur Stichwahl. 
Eine Petersburger Depesche der „Wiener 
Presse“ bezeichnet den Rücktritt Ignatieff's 
als beschlossen und nennt den General Tschere— 
win als Nachfolger desselben. 
Der russische „Regierungsbote“ theilt mit, daß in 
Rußlanud ferner die Verhandlungen aller Pro— 
zesse wegen Staatsverbrechen, sowie Prozesse, welche 
besonders geeignet erscheinen, die Bevölkerung auf⸗ 
zuregen, bei verschlossenen Thüren stattfinden sollen. 
Lokale und vpfälzische Nachrichten. 
b St. Ingbert, 5. Dez. In Nr. 89 der 
„St. Ingberter Zeitung“ leert Herr P. das ganze 
Füllhorn seines Zorns gegen den i.Correspondenten 
aus, weil dieser so frei war, über eine Angelegen⸗ 
heit zu berichten, wie es jenem nicht gefiel, aber 
den Thatsachen entsprach. Seine Erwiderung zeigt 
uns, daß wir ihn erkannt haben; in Ermangelung 
einer ehrlichen Vertheidigung wirft er, vielleicht 
üblen Angewohnheiten folgend, seinem Gegner 
Schmähungen in's Gesicht. Dieselben lassen uns 
verzweifelt kalt; und Gemeinheiten mit Ihres gleichen 
zu dienen, ist nicht unsere Art. Lassen wir die— 
selben als das gelten, was sie sind, als Gradmesser 
der Gesinnung des Hrn. P. und wenden wir uns 
zu dem Diskutirbaren seiner Erwiderung. Was 
finden wir da? Abermals den Vorwurf, unser Bericht 
sei ein einseitiger gewesen, weil derselbe nur das 
brachte, was gegen das neu aufgenommene Mitglied 
P. sprechen und alles Andere, das in umgekehrtem 
Sinne auszulegen ist, verschweigen soll. Bedenken 
Sie doch Herr P., daß überhaupt nichts zu berichten 
war, was für Sie sprach. Auch der allergewöhn— 
lichste Mann hätte sicher für gut befunden, in einer 
Gesellschaft, in die er erst vor einigen Minuten 
aufgenommen wurde (wiitse Sie aufgenommen wurden, 
wissen Sie ja, Herr P.), zurückhaltender aufzutreten, 
als Sie in der mehrfach genannten Generalver⸗ 
sammlung des Gewerbe-Vereins es gethan haben. 
Und nun bilden Sie sich auch noch ein, daß der 
Neid eine Rolle gespielt habe, da das neue Mit⸗ 
glied besser unterrichtet war, als gewisse Herren! 
Als was zeigte sich denn Ihr Vesserwissen? Gerade 
in der Frage, um die es sich drehte, als ein Nichts⸗ 
wissen, als eitel Windmacherei. Was bedeuteten 
denn Ihre Redensarten wie „Gutem Vernehmen 
nach“, „wie ich hörte“, „ich bin zwar nicht beauf—⸗ 
tragt, zu erklaren“ u. s. w.? Damit wollten Sie 
die Meinung erwecken, als wüßten Sie wunders 
was, Sie wollten Stimmung für sich machen. Wie 
weit Ihnen das gelungen ist, überlassen wir Ihnen, 
zu beurtheilen. Wollen Sie künftig aber von sich 
reden machen, so geben Sie acht; Sie könnten 
leicht mehr ins Gerede kommen, als Ihnen lieb 
sein möchte. — Wir machten in unserer Corre—⸗ 
spondenz dem ersten Vorstande keinen Vorwurf; 
Sie brauchen also auch von demselben keinen ab⸗— 
zuweisen, auch wenn dieses Ihre Sache wäre. 
Wir behaupteten, die ganze Wahlhandlung in jener 
Versammlung war incorrekt, weil 1) von ihr nichts 
auf der Tagesordnung in der den Mitgliedern zu⸗ 
gegangenen Einladung gesagt war, weil 2) der 
Name des neu aufgenommenen Mitgliedes P. nicht auf 
der im Vereinslokale aufgehängten Tafel angeschrieben 
war und weil 3) die Aufnahmegesuche nicht dem 
Zusschusse vorgelegen waren. (Ihnen, Hr. P., ist 
freilich unbekannt, daß über die eingelaufenen Auf—⸗ 
nahmegesuche der Ausschuß zu beschließen hat, ob 
sie zur Ballotage zugelassen werden oder nicht.) — 
Zugeben will Hr. P. absolut nichts! „Wir haben 
aichts zugegeben!“ Warum nicht gar? Damit es 
Ihnen nicht so schwer fällt, wollen wir das Wort 
dermeiden. Zu dem 1. Punkt der eigentlichen Ta— 
zesordnung wurde doch nur ein Beschluß gefaßt; 
den berichteten wir, Sie ebenfalls. Nur daß Ihr 
Bericht hier vielseitige war, weil Sie auch 
zruchstückweise die einzelnen Ausführungen der 
Redner (Ihre eigenen nicht zu vergessen) brachten. 
And Ihre verschiedenen Versuche, den 2. Punkt 
der eigentlichen Tagesordnung nach Ihrem Sinne 
zu erledigen, sind ja bei Ihnen selbst zu lesen. 
Zugegeben? Und nun noch ein Wörtchen zu Ihrem 
vohlgemeinten Rath am Schlusse Ihrer Philippika; 
s ist unser letztes in dieser Auseinandersetzung 
Wir sind eben so frei von Verbissenheit, wie Sie 
yoller Voreingenommenheit und Unverträglichkeit 
ind und werden uns auch für die Zukunft erlauben, 
hne erst bei Ihnen anzufragen, dreistem, vorlautem 
ind hämischem Wesen, wenn nöthig, mit einem 
Treff zu dienen. — Die geehrten Leser dieses 
Zlattes aber bitten wir um gütige Entschuldigung, 
venn im Laufe der Diskussion von unserer Seite 
ein scharfes Wort fiel. Wo man Holz hackt, da 
zibt es eben Späne. 
*St. Ingbert, 6. Dez. Vom Schwurgericht 
n Zweibrücken wurde gestern der Bergmann Johann 
Deffland von hier wegen Körperverletzung mit 
ödtlichem Erfolge unter Ausschluß mildernder Um— 
tände in eine Zuchthausstrafe von 8 Jahren ver— 
urtheilt. Die That, welche Deffland vor die Schranken 
des Schwurgerichts führte, ist unsern Lesern bekannt 
ind brauchen wir nicht weiter darauf zurückzukommen. 
Deffland leugnete auch gestern noch, dieselbe begangen 
zu haben. 
— Die Gemeindeverwaltung zu Webenheim 
jat dem kgl. Oberpostamt eine Eingabe zur Er— 
richtung einer Posterpedition in der Gemeinde We— 
jenheim mit der Bitte unterbreitet, in diesem zu 
rrichtenden Postbestellbezirke die Gemeinden und 
Irtschaften der Bürgermeisterei Webenheim mit 
862 Seelen, die bis jetzt in den drei Bestellbe— 
irken Blieskastel, Zweibrücken und Herbitzheim in 
innatürlichster und unbequemster Weise zerstreut 
iegen, zu vereinigen. 
-·Bruchmühlbach, 4. Dez. Gestern wurde 
der Ackerer Jakob Blinn von Martinshöhe von 
einem Pferde (wie ich höre an die Brust) geschlagen 
ind starb heute Morgen in Folge der erhaltenen 
berletzungen. (Zw. 3.) 
Kaiserslautern, 4. Dez. Die General⸗ 
»ersammlung der Aktienbrauerei Kaisers— 
autern war äußerst zahlreich besucht. Das 
ktablissement machte außer einem Delkredere-Konto 
dpon 500 Mark im abgelaufenen Geschäftsjahr einen 
Reingewinn von 15030 M. 839 Pf. — Der Auf— 
ichtsrath schlug der Versammlung vor, 9000 M. 
»der 2 pCt. zur Verteilung zu bringen und den 
sest von 60830 M. 39 Pf. dem Reservefonds zu⸗ 
uweisen. Hierauf entspann sich eine lebhafte De— 
atte, indem aus der Versammlung der Vorschlag 
jemacht wurde, auf diese 2 pCt. für dieses Jahr 
nochmals zu verzichten, um das Geschäft immer 
nehr auf eigene Füße zu stellen; die Herren An— 
ragsteller sind der Ansicht, daß dann nächstes Jahr 
im so sicherer eine höhere Dividende zur Vertheilung 
zjelangen kann. Bei der hierauf erfolgten Abstim⸗ 
nung wurde genannter Vorschlag mit großer Majo— 
rität angenommen und der ganze Reingewinn 
dem Geschäft als Betriebskabpital überlassen. 
Kais. 3.) 
— Kaiserslautern. Ueber die neue Näh— 
naschinenfabrik hört die „Kaisersl. Z.“, daß Werk— 
ührer König aus seiner bisherigen Stellung dahier 
rusgetreten ist, und es erst seine Absicht war, in 
ein gleiches Geschäft in Frankfurt als Theilhaber 
inzutreten. Derselbe wird sich jedoch jetzt mit einem 
Hherrn von auswärts hier etabliren und unter der 
Firma König und Comp. eine neue Nähmaschinen⸗ 
abrik in's Leben rufen; zu diesem Zweck wurde 
hereits der in der Eisenbahnstraße liegende Holzhoj 
des Banquiers Kehr mit dem Maschinenhaus an— 
gekauft, und werden einige Geldgrößen von hier sich 
als stille Theilhaber an dem neuen Unternehmen 
betheiligen. 
— Als Landraths-Präsident wurde 
wieder Herr Dr. Jakob, in Zweibrücken wohn— 
haft, und als Sekretär Herr Heydenreich von 
Zpeier, beide mit 18 Stimmen vou 19 Abstimmenden, 
gewählt. 
— GECandrath der Pfalz.) Aus der Rede, 
mit welcher Herr Regierungspräsident v. Braun 
am Donnerstag den Landrath eröffnete, tragen wir 
noch folgende Stellen nach: „Der Person«,. 
stand des Landrathes hat dadurch eine Aenderunc 
erfahren, daß die Gnade Sr. Majestät des Konig 
den Kommerzienrath und Hüttenwerksbesitzer Gustaͤt 
Krämer von St. Ingbert zum lebensläng 
lichen Reichsrath der Krone Bayern berief. Eir 
langjähriges, durch volle Hingabe für die pfälzischer 
Kreisinteressen geleitetes Wirken sichert dem gemäß 
Art. 9. Abs. 2 des Landrathsgesetzes vom 28. Ma 
1852 ausscheidenden Mitglied unsere waärmste Sym 
»athie. Der an seine Stelle einberufene Erfatzmann 
Kaufmann Ludwig Wies in Bliestastel, fand 
sich leider in Folge von Krankheitsverhältnissen ver 
anlaßt, um Dispens für die bevorstehende Session 
des Landrathes unterm 15. v. M. nachzusuchen. 
Die Kreisumlagen, welche im Jahre 1877 
146 pCt. betrugen, mußten im Jahre 1873 weger 
yerschiedener auße rordentlicher Ausgaben und weger 
ieu herantretender Bedürfnisse auf 523 pCt., sonad 
um 8ihe pCt., erhöht werden. Im Jahre 1870 
fonnte der Umlagen-Prozentsatz nur um ein Minimum 
aämlich um 28 pCt., sonach auf 5123 pCt. ver 
nindert werden, weil auch in diesem Jahre be 
deutende Anforderungen zu befriedigen waren. Da 
zgegen ist für 1876 eine erfreuliche Minderung vor 
623 pCt. ersichtlich und betrugen die Umlagen fü 
dieses Jahr 45 pCt. Während nun in den Jahre 
1876 und 1877 noch eine kleine Erhöhung de 
Umlagen mit 123 und 254 pCt. erforderlich war 
st für die Jahre 1878, 1879, 1880 und 188* 
eine stetige Minderung eingetreten 
aämlich 1878 um 586 pCt., für 1879 um 284 
ↄCt., für 1880 um 2740 pCt., für 1881 un 
110 pCt. Der Umlagen-Prozentsatz für 188 
mit 37 pCt. ist auch für das Jahr 1882 zur Be— 
itreitung der Kreisausgaben erforderlich und aus 
reichend. Zwei kleine Nachpostulate dürften hierir 
Nichts ändern. 
In Bezug auf „Erziehungund Bildung 
ist Folgendes zu bemerken: Ungeachtet des nod 
fortdauernden Lehrermangels ist es den Bemühungen 
der Regierung und Schulbehörden sowie durch di 
aufopfernde Hingebung des Lehrerpersonals bei Er 
theilung eines mühevollen Abtheilungs-Unterrichte 
gelungen, das Volksschulwesen auf einen 
zurchaus befriedigenden Stand zu erhalten. Nu 
purch die rastlose Thätigkeit und den unermüdlicher 
Fifer aller berufenen Organe ist es unter der 
chwierigen Verhältnissen, wie sie ein so lange an 
dauernder Mangel an Lehrkräften nothwendige 
Weise hervorrufen mußte, möglich gewesen, erheblicher 
Schädigungen unserer Volksschule ferne zu halten 
Wenn nun auch im laufenden Jahr zahlreich 
Wünsche von Gemeinden in Bezug auf die Be 
etzung erledigter und Errichtung neuer Schulsteller 
noch unberücksichtigt bleiben mußten, so besteht dod 
gegründete Aussicht, daß schon in Jahresfrist de 
empfindliche Lehrermangel im Wesentlichen seir 
Ende, hoffentlich für immer, erreichen und di 
Regierung in die angenehme Lage versetzt werde 
vird, allen berechtigten Anträgen der Gemeinde' 
Rechnung zu tragen und — was besonders noth 
wendig ist — stabilere Verhältnisse i 
Betreff des Lehrerpersonals zu schafier 
Vermischtes. 
fDer zweite Hauptgewinn der Wohl 
hätigkeitslotterie des Vayerischen Veteranen-, Krieger 
und Kampfgenossenbundes im Betrage zu 10,00 
M. ist dem Söldner Martin Leiß von Neufahren 
bei Freising zugefallen. 
Mainz, 1. Dezember. Vorige Woche erschok 
fich hier der Zahlmeister des in Saarlouis garni 
onirenden 30. preußischen Infanterie-Regiments 
Das Motib, das ihn zum Selbstmord trieb, ist das 
denkbar sonderbarste. Der junge Mann unterhiel' 
chon einige Jahre mit der Tochter des Mannes 
in dessen Hause er sich erschoß, ein Verhältniß und 
oerlobte sich schließlich mit ihr, mit dem Versprechen, 
'obald er Zahlmeister geworden sein würde, sie zu 
Jeirathen. Heute vor acht Tagen erhielt er endlich 
seine Ernennung zum Zahlmeister des obenge— 
tannten Regiments, und da er fürchtete, sein Jung— 
zesellenthum nun anfgeben zu müssen, jagte er sich 
eine Kugel durch den Kopf. (Frkf. J.) 
F In eine Landapotheke unserer Gegend 
am kürzlich ein kleines Mädchen und verlangte 
ür 20 Pfennig „Dapperdummeldich“. Der 
perständnisinnige Provisor wußte, was das Kind 
vollte und füllte ihm das mitgebrachte Fläschchen 
mit — Opodeldock.