Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingbert siatt. In derselben referirte Hr. Lehrer 
Peill bon hier über das Thema: „Der Religions⸗ 
unterrichtet in der Unterklasse der Volkschule“ und 
Herr Lehrer Barth von Ommersheim über 
Cacilianischer Kirchengesang in der Volksschule.“ 
Nach der Kouferenz wurde im „Hotel zur Post“ 
Conrad) ein gemeinschaftliches Mittagessen einge⸗ 
nommen. 
*St. Ingbert, 18. Dez. Heute Vormittag 
wurde unter sehr zahlreicher Begleitung das ver— 
storbene Stadtrathsmitglied Herr Schreinermeister 
Johann Schmelzerr beerdigt. — An Stelle des 
Verstorbenen wird, wie wir hören, der nächste Er⸗ 
jatzmann, Herr Schreinermeister Johann Sch warz 
in den Stadtrath eintreten. 
St. Ingbert, 183. Dez. Das in vor. Nr. 
erwähnte, vorgestern Abend uud gestern in unserer 
Stadi zirkulierende Gerücht von einem Aufruhr in 
Paris u. s. w. hat sich als eine fette Ente der 
pariser Zeitung , Figaro“ erwiesen. (Siehe poli— 
tische Uedenficht dieser Nr.) 
St. Ingbert. Das Gesetz, betreffend den 
VBerkehr mit Nahrungmitteln, Genuß⸗ 
mitteln und Gebrauchsgegenständen vom 14. Mai 
1879 droht in 812 denjenigen mit Strafe, welcher 
vorsätzlich Rahrungsmittel, Genußmittel, Bekleidungs⸗ 
gegenstände, Spielwaaren, Tapeten, Kochgeschirr und 
Petroleum derart herstellt, daß der Genuß, bezw. 
Gebrauch die menschliche Gesundheit zu schädigen 
imstande ist. Ebenso ist derjenige mit Strafe be⸗ 
droht. wer wissentlich dergleichen Gegenstände ver— 
auft, freihält oder sonst in Verkehr setzt. Im 8 
14 sind diejenigen mit einer minderen Strafe be⸗ 
drohi, welche mit Fahrlässigkeit handeln, sei es bei 
der Herstellung oder im Verkauf, und in Verkehr 
setzen. Wann eine strafbare Fahrlässigkeit vorliegt, 
darüber bestanden Zweifel. Das Reichsgericht hat 
(Urt. vom 10. Okt. d. J.) sich dahin ausgesprochen: 
Die Bestrafung wegen fahrlässigen Verkaufs von 
gesundheitsschädlichen Nahrungsmitteln aus 8 14 
des Nahrungsmitielgesetzes vom 14 Mai 1879 tritt 
nicht schon dann ein, wenn der Verkäufer über die 
Beschaffenheit der fraglichen Nahrungsmittel leicht 
hätte Erkundigungen einziehen können, vielmehr ist 
zur Bestrafung noch weiter erforderlich, daß er 
durch das Unterlassen der Erkundigungen die im 
—DDD— 
welcher er als Verkäufer verpflichtet war, außer 
Auge gesetzt hat.“ Man ersieht hieraus, daß dem 
Verkäufer nicht durchaus eine Verpflichtung zur 
Untersuchung der Waaren rückhsichtlich ihrer Gesund⸗ 
heitsgefährlichkeit obliegt, bevor er sie zum Verkauf 
ftellt/ daß es vielmehr auf die Besonderheit des 
Falls ankommt. Eine Fahrlässigkeit wird z. B. 
dann vorliegen, wenn der Verkäufer erführt, daß 
zJesundheitsgefährliche Waaren einer bestimmten Art, 
B. grüne Tapeten, im Verkehr seien, und er es 
unterlaͤßt, die auf seinem Lager befindlichen unter⸗ 
suchen zu lassen. — Die Bestimmung des 8259 
St G.B. über die Hehlerei findet nach einem 
Urtheil des Reichsgerichts vom 27. September d. J. 
ꝛbenso auf den Ankauf von Sachen, die mittels 
einer Uebertretung erlangt sind, wie auf den An— 
kauf von Sachen, die mittels eines Verbrechens oder 
Vergehens erlangt find, Anwendung. Bringt also 
semand Sachen, von denen er weiß, oder den Um— 
tänden nach annehmen mußte, daß sie durch Betteln 
erlangt waren, seines Vortheils wegen an sich, so 
ist er we gen Hehlerei zu bestrafen. 
— (Pfälzisches Schwurgericht.) Am 
10. Dez. Vormittags Verhandlung gegen Johann 
Geis, 18 Jahre alt, Schuster in Pirmasens, 
wegen Todtschlagversuchs. Der Angeklagte ging 
Im' Abend des 11. September mit seiner Geliebten, 
der 19jährigen Dienstmagd Katharina Schäffing, 
und deren Freundin auf die Kirchweihe nach Fehr— 
bach, einem Orte in der Nähe von Pirmasens. In 
der Stadler'schen Wirtschaft war Tanzmusik; Geis, 
der nicht tanzen wollte, erlaubte seiner Geliebten, 
mit anderen Burschen zu tanzen, was diese auch 
hat. Nach einigen Tänzen gingen die beiden Mäd⸗ 
chen und der Angeklagte in die Wirtschaft von Helf⸗ 
rich, wo sie drei bis dier Tänze verweilten und von 
wo sie sich dann wieder in die Stadtler'sche Wirth⸗ 
schaft zurückbegaben. Die Schäffing tanzte längere 
Zeit und mehrere Tänze hintereinander mit dem 
Geschäftsmann Schütz don Pirmasens, was dem 
Angetlagten nicht gefiel. Als dieselbe mit Schütz 
in's Nebenzimmer ging und Wein trank, trat Geis 
auf sie zu und forderte sie auf, mit ihm hinaus 
zu gehen, da er ihr etwas zu sagen habe. Sie 
ging mit ihm bis zur Hausthüre, und da sie nicht 
Feiler wollle, zerrte sie Geis die Treppe hinunter, 
iber den Hofraum zu einem Nebengebäude, wo er 
hr mit einem scharfen, spitzen Instrument, wahr⸗ 
heinlich einem Messer, mehrere Stiche, darunter 
ine lebensgefährliche Wunde in die Brust, beibrachte. 
—X —— 
sier Wochen wieder für gesund und arbeitsfähig 
rklärt werden. 
Der Staatsanwalt stellte nun auf, daß Geis sich 
zurch diese That (er gesteht dieselbe zu) des Versuchs 
es Todtschlags schuldig gemacht habe, und zwar 
mter Ausschluß mildernder Umstände. 
SDer Verteidiger bestritt, daß ein Versuch der 
ködtung vorliege, vielmehr sei es nur eine schwere 
körperverletzung, deren Veranlassung, Eifersucht und 
zorn, die That gewiß in einem milderen Lichte 
rscheinen ließen. 
Die Geschworenen sprachen jedoch den Angeklagten 
es Todtschlagsversuchs unter Ausschluß von mil⸗ 
ernden Umständen schuldig und es wurde derselbe 
u einer Zuchthausstrafe von 5 Jahren verurtheilt, 
ym auch die bürgerlichen Ehrenrechte in gleicher 
Dauer aberkannt. 
10. Dezember Nachmittags. Der Leinwandhändler 
rebrecht Hein rich von Oppach, 36 J. a., zu⸗ 
etzt in Purmasens, wurde vom Schwurgericht 
es einfachen Bankerrotts schuldig befunden und zu 
Monaten Gefängniß verurtheilt. Seine der Bei— 
ilfe hierzu angeklagte Ehefrau Ida Sommer 
vurde freigesprochen. 
Der Landrath der Pfalz beschäftigte sich 
im Freitag und gestern (Montag) mit dem Ent⸗ 
vurf des Statuts für eine pfälzische Boden⸗ und 
gemeinde⸗Credit⸗Anstalt. 
— Am 2. Weihnachtstage ds. Is. wird in den 
xot. Kirchen der Pfalz eine Collekte zur Unterstütz⸗ 
ing der prot. Kirchengemeinde Otterberg behufs 
er Anschaffung einer neuen Orgel fuͤr die dortige 
dirche erhoben werden. 
— (Ein Herxrenprozeß in Gaugreh— 
veiler.) In Neustadt hat nach der „N. B.“ 
er pfälzische Kreisarchivar Schandein einen Vor— 
rag gehalten über einen Hexenproceß, der fich 1610 
n Gaugrehweiler abspielte. Die Angeklagte hieß 
lpollonia und war die Frau eines gewissen Leon⸗ 
ard Heß; leider sind, wie Herr Schandein be— 
ierkt, die Akten nicht ganz vollständig und es habe 
ym Mühe gekostet, den leitenden Faden stets her— 
uszufinden. Die Frau Apollonia war angeklagt 
vorden, eine Kuh verhext zu haben, auch wurden 
roch andere Beschuldigungen gegen sie vorgebracht, 
innter anderen die, mehrere Kinder durch bösen 
zauber krank gemacht zu haben. Die Angeklagte 
iugnete zuerst alle diese Beschuldigungen. Der 
zortragende schilderte den Gang des Processes mit 
ramatischer Lebendigkeit. Ein Rechtskundiger, Dr. 
zchön in Speher, wurde über seine Meinung hin— 
ichtlich der Schuld der Angeklagten, consultirt; er 
ah die Indicien nicht für genügend an und rieht 
u ferneren Zeugenbernehmungen, auch meinte er, 
nan könne je nach Gutachten die Tortur anwen⸗ 
en oder die Beklagte des Landes verweisen. Der 
Zroceß nahm nun zu Münsterappel seinen ferneren 
zßang, eine Bittschrift des Ehemannes der Apollonia 
m den Grafen von Rheingrafenstein, die Ange⸗ 
lagte frei zu lassen, blieb ohne Erfolg. Durch 
ine Reihe von Verhören sowie durch die Anwen⸗ 
ung der Tortur bekannte Apollonia alles, dessen 
nan sie beschuldigte, gethan zu haben. Auch ein 
inderer Jurist, Dr. Poland in Mainz, gab ein Gut⸗ 
ichten in dem Proceß ab und empfahl strenge Ein—⸗ 
jaltung der damals gebräuchlichen rechtlichen For—⸗ 
nen. Die Geständnisse der Angeklagten enthalten 
ine drastische Schilderung von Hexereien und Hexen⸗ 
änzen, welche sie mitgemacht haben will. Sie ent⸗ 
pdich auch einmal aus dem Gefängniß aus Angst 
yor dem Henker, wurde aber wieder ergriffen. Ein 
jach allen Seiten begründetes Endurtheil liegt nicht 
or, wahrscheinlich ist dasselbe verloren gegangen. 
dur aus einer noch vorhandenen Gerichtsrechnung 
rsieht man, daß Apollonia, die Hexe von Gau⸗ 
rehweiler, geköpft und dann verbrannt wurde. 
— In einem Preis-Courant einer Pfälzer Wein⸗ 
andlung ist denWeinen noch folgende Charakteristik 
eigegeben: frisch, gefällig, flüchtig, söffig, körnig, 
twwas kräftiger, zart, blumig, lieblich, mild, ruhig, 
ünn, pikant, aus Riesling-Trauben, bouquetreich, 
ehr fein, mit viel Art, Riesling, nicht schwer, 
vornehm. — elegante, reife, mollige Zärte, Bou—⸗ 
suet, hochfein, Riesling-Bouquet, zarte Süße, 
ammetig, hochfein, frisch, reife Zärte, hochedel, 
iobele Rasse (18 Jahre Flasche), bochedel, Gewürz⸗ 
kraminer Traube, feines Aroma und Bouquet, 
delste Nadel-Ausbeer, delicate Honig-Süße, nobles 
Bouquet und Aroma, Riesling. Mein Liebchen, 
vas zwillst du noch mehr? 
DRermischtes. 
.Berlin. Tie interessanteste Erscheinung unter 
den neugewählten sozialdemokratischen Abgeordneten 
st der 33jährige sich nur mühsam auf ein Paar 
drücken bewegende, im Uebrigen aber sich einer vor— 
refflichen Gesundheit erfreuende Herr v. Vollmar. 
den von ihm herrührenden biographischen Notizen 
ntnehmen wir, daß er in einem Benediktiner-Kloster 
ind darauf auf dem Augsburger Gymnasium er—⸗ 
ogen, aber schon im Jahre 1865, also kaum 15- 
ährig, in die bayerische Armee eingetreten ist. 
den Feldzug von 1865 hat er als Lieutenant mit⸗ 
emacht, ist dann aber aus dem heimischen Heeres— 
erbande ausgeschieden, um in die päpstliche Armee 
nzutreten. 1869 kehrte Herr v. Vollmar nach 
Heutschland zurück, um in den Dienst der baherischen 
zerkehrsanstalten zu treten. Während des Krieges 
870/71, den er als Telegraphenbeamter mitmachte, 
ourde er bei Blois schwer an den Beinen verwundet 
ind erlitt außerdem durch den Sturz eine Rücken⸗ 
narksverletzung. Natürlich wurde er dienstunfähig 
ind erhielt seinen Abschied mit Pension. Nun gab 
r sich philosophischen, national-ökonomischen und 
olitischen Studien hin, die ihn, wie er selbst sagt, 
ur sozialistischen Weltanschauung geführt haben. 
-„chon vom Jahre 1872 ab wurde Vollmar für 
ein neues Bekenntniß journalistisch thätig, büßte 
iber für verschiedene Preßvergehen, deren er sich 
ils Redakteur der später unterdrückten „Dresdener 
Lolkszeitung“ schuldig gemacht, mit einem Jahr 
vefängniß. Nach seiner Entlassung aus der Haft 
zurde er aus Dresden ausgewiesen und ging nach 
—XV 
u studiren. Jetzt hat ihn die sozialdemokratische 
Vählerschaft von Mittweida wenigstens für die Zeit 
er Reichstagssession zurückgerufen. 
FIm Waldenburger Kreise Echlesien) 
st in einigen Gehöften die Rinderpest aufgetreten. 
zerschiedene Anzeichen lassen es als wahrscheinlich 
rscheinen, daß die Kraukheit nicht eingeschleppt 
vurde, sondern sebstständig entstand, ein Fall, der 
isher noch nicht da war. 
Wien, 10. Dez. Heute Nacht brach im vierten 
5tock des Ring-Theaters, in einer Schneider⸗ 
Vohnung, abermals Feuer aus. Es verbreitete 
ich sofort nach dem dritten Stock. Es wurden 
eitern herbeigebracht, um theils mit diesen, theils 
ber die stehen gebliebenen Stiegen in das Innere 
inzudringen. Der Brand wurde dann gelöscht. 
n der Front ist das Feuer größtentheils gedämpft. 
die Thätigkeit der Dampfspritze, welche die ganze 
dacht arbeitete, wurde diesen Morgen eingestellt, 
neil durch die in das Mauerwerk eingeschleuderten 
Bassermassen sogar die Mauern unterwaschen sind, 
ddaß sie dem Einsturz drohen. Der Eintritt ins 
'heater ist Jedem, selbst der Feuerwehr, untersagt. 
mnen und außen hat daß Gebäude große Risse. 
eute wurden die wankenden Mauern gestützt. Im 
jarterre wird der Schutt aufgeräumt, soweit es die 
ßluth gestattet. Mit Steingeröll und Mauerstücken 
ius den oberen Stockwerken stürzen auch halbver⸗ 
ohlte Leichenstücke herab. 
F Wien, 10. Dez. Das Kaiserpaar spendete 
0,000 fl. zur Unterstützung der bei dem Brande 
»es Ringtheaters Verunglückten resp. in bedrängte 
zage gerathenen Bediensteten des Theaters. Die 
Nitglieder des kaiserlichen Hauses spendeten gleich— 
alls namhaftr Beträge; alle Kreise der Residenz 
ind bestrebt, den Hinterbliebenen der bei der 
estrigen Katastrophe Verunglückten und dem exi⸗ 
tenzlos gewordenen Theaterpersonal rasche Hilfe zu 
ieten. Im Gemeinderathe drückte der Bürger— 
neister in erschütternden Worten sein tiefstes Mit— 
efühl aus und beauftragte die Finanzsection, 
heunigst Anträge vorzulegen zur Linderung des 
zchmerzes und der Noth der betreffenden Familien 
zämmtliche Theater erklärten sich bereit, demnächst 
Zorstellungen zu Gunsten der Hinterbliebenen der 
gerunglückten zu veranstalter. Die Zahl der Ver⸗ 
aißten übersteigt 600. 
F Wien, 11. Dez. (Ringtheater.) Aus glim— 
nender Tiefe entsteigt widriger Geruch verbrannten 
rleisches. Von geretteten Personen verlauten fort— 
esetzt neue haarsträubende Details, welche beweisen, 
vie rasend schnell das Feuer um sich griff und wie 
in momentanes Zurückbleiben genügte, um die 
zurückgedrängten dem Tode zu weihen. Wie die 
fliehenden sich auf den Stiegen festkeilten, dafür 
eugt die Thatsache, daß viele Leichen buchstäblich 
erquetscht gefunden wurden.