Hl. Ingberler Anzeiger.
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Dienstag, den 15. Februar
1881.
Deutsches Reich.
(Bayerischer Landtag.) In der Sitzung der Abge—
xdnetenkammer vom 11. ds. stellte Abg. Land mann an die kal.
—VVV—— noch dem gegenwärtig
ersammelten Landtag einen Gesetzentwurf über Erxrichtung einer
mer staatlicher Verwaltung stehenden und wenigstens auf alle
rechtsrheinischen Kreise ausgedehnten Hagelversicherungsanstalt vor⸗
ulegen. Minister v. Pfeufer wies in seiner Antwort zunächst
arauf hin, daß der Wunsch nach einer solchen Anstalt im Landtag
chon in den Jahren 1861, 1866, 1873, dann später auch in
xr Zentralversammlung des landw. Vereins und in verschiedenen
dreisversammlungen desselben angeregt worden sei, und fuhr dann
uso fort: „Da die kgl. Staatsregierung den wohlthätigen Einfluß
ner geordneten, nachhaltigen und möglichst wohlfeilen Hagelber—
scherung auf die Landwirthschaft anerkennt, so glaubt sie der Frage
züher treten zu müssen, ob und in welcher Weise etwa den Wün⸗
chen der Grundbesitzer Rechnung getragen werden könnte. Hierbei
uͤrften aber die erheblichen Schwierigkeiten nicht außer Betracht
leiben, welche sich seither der Entwickelung des Hagelversicherungs⸗
geschäftes entgegengestellt haben.“ Da die Erhebungen über die
hagelschäden noch nicht zum Abschluß gelangt seien, auch noch das
hulachten des Zentralkomites des landwirthsch. Vereins über die
porschläge bez. der Organisation des Hagelversicherungswesens aus⸗
tehe, so sei die Einbringung eines solchen Entwurfs bei dem gegen⸗
värtig versammelten Landtag zur Zeit mit Bestimmtheit nicht in
Aussicht zu stellen.
Muͤnchen, 14. Februar. Die Abgeordnetenkammer nahm
seute das Richter-Disziplinargesetz mit 124 gegen 18 Stimmen
nit geringen Abweichungen von der Fassung der Reichsraths—
ammer an.
Der Wahlgesetz⸗Ausschuß der bayerischen Abgeordnetenkammer
zat die Diäten der nicht in München wohnenden Abgeordneten
mit 10 M. (statt der von der Regierung beibehaltenen 5 Gulden)
demessen. Für die Reise sollen die Abgeordneten Freikarten erhalten.
Se. Maj. der König von Bayern hat aus dem zu seiner
eigenen unmittelbaren Verfügung vorbehaltenen Gewinn-Antheil der
München⸗Aachener Mobiliar-Feuerversicherungs-Gesellschaft 19,170
Mark vertheilen lassen, und zwar für freiwillige Feuerwehren und
jür gemeindliche Zwecke der Feuersicherheit 12,370 Mark und
ö800 Mark für Wohlthätigkeitsanstalten.
Von heute, 15. Febr. an, werden deutscher Reichstag,
bayerischer und preußischer Landtag gleichzeitig tagen.
An parlamentarischem Stoff wird's also in Deutschland in der
nüchsten Zeit nicht fehlen.
Wir theilen nachstehend wegen ihrer Wichtigkeit im Auszuge
die Antwort mit, welche Staatsminister v. Lu tz im Namen des
Hhesammtministeriums in der Freitagssitzung unserer Abg.⸗K. der
zör g'schen Interpellation in Betreff des Reichsunfallver⸗
icheruugsgesetzes zu Theil werden ließ. Der Minister sagte
etwa: Die Frage könne jetzt nicht entschieden beantwortet werden,
da über den betr. Gesetzentwurf (Anfallversicherung) noch keine
Herathungen Statt gefunden und man sonach nicht wissen könne,
welche Modifikationen der Entwurf im Bundesrathe annehme oder
in Äussicht habe. Dennoch will derselbe als die Haltung der
Regierung kennzeichnen, daß das Ministerium, die Reichsberfassung
itreng beachtend, die berechtigte Selbstständigkeit Bayerns wahren
perde. Auf die Frage in der Interpellation, wofür, wenn eine
Zentral⸗Verficherungs⸗Anstalt gegründet würde, die Einzelstaaten
ioch gut und da seien, versichert die Regierung, es als ihre heiligste
pflicht zu betrachiten, für den Fortbestand des engeren Vaterlandes
inzutreten. Eine bloße Negation sei dazu nicht genügend und
unter Umständen sogar geeignet, die Existenz der Partikularstaaten
su untergraben. Auch muͤßten die berechtigten Desiderien (Wünsche)
der Arbeiter erfüllt werden, da mit Prohibitiv- und Strafgesetzen
Nichts geschehen könne. Ist das Projekt ein wünschenswerthes, so
müsse man sich mit der Reichskompetenz versöhnen und die Frage
über eine Reichss oder Einzelstaats-Versicherungsanstalt weiter er⸗s
drtern. „Wenn — so schließt der Minister — obwaltende Be—
denken gehoben werden und wir der Krone rathen können, die
fraglichen Bestrebungen des Reichskanzlers zu unterstützen, so glaubt
die Regierung nicht an den Grundvesten unseres Staates zu ruͤtteln,
sondern einen Akt eminent konserbvativer Politik zu üben.“
Ausland.
Zwischen Oestereich-Ungarn und Deutschland wurde
ein Vertrag abgeschlossen wegen der gegenseitigen Beglaubigung
der von öffentlichen Behörden und Beamten ausgestellten oder be⸗
zlaubigten Urkunden.
Die englischen Behörden ergriffen Vorsichtsmaßregeln gegen
ein angebliches Fenier-Komplott, das k. Schloß in Winsor in die
Luft zu sprengen.
Vermischtes.
8St. Ingbert, 15. Febr. — Gestern Abend war im
Bewerbe-Verein die „Gesetzvorlage über die staatliche Versicherung
der Arbeiter gegen Unfälle“ der Gegenstand lebhafter Besprechung
ind Erörterung. Dieser Frage, sowie der über das „Innungs-
wesen“ gegenüber dürfte der Verein demnächst Stellung nehmen,
vie dies auch andere pfälzische Vereine der Handelskammer gegen⸗
über schon zu thun beschlossen haben.
Der Musikverein Kaiserslautern wird am 14. Aug.
. J. unter Mitwirkung der Musikvereine von Landau, Neustadt
und Saarbrücken die Mendelssohn'sche Musik zur „Antigone“ zur
Aufführung bringen. Der verbindende Text wird von Mannheimer
Hhofschauspielern gesprochen werden; das Orchester wird von der
dapelle des badischen Grenadierregiments aus Karlsruhe sowie einer
Anzahl Dilettanten gebildet.
FIn Kaiserslautern ist dieser Tage ein falsches
Zweimarkstück mit der Jahrzahl 1876, anscheinend aus Blei, aus⸗
zegeben worden.
F Wie die „Pf. Pr.“ erfährt, will Frhr. v. Stauffenberg,
obald als es ihm möglich ist, nach Kaiserslautern kommen,
um seinen Wählern über die Thätigkeit des bayerischen Landtags
und seine eigene Bericht zu erstatten.
F Bei der gestern (Montag) Nachmittag in Kaiserslau—
dern Statt gehabten Versteigerung wurde das Hotel Karlsberg
im-101,000 Mark an Herrn Karl Reis, Konsul in Mannheim,
das Stallgebäude demselben um 9200 Mark zugeschlagen.
F.Im Spitale zu Kaiserslautern ist gegenwärtig ein
aus Westindien stammender Neger untergearacht, bis derselbe mit
Reisemitteln versehen nach England zurückgeschickt werden kann.
Derselbe wurde in Teutschland als derjenige Zulukaffer gezeigt,
welcher den Prinzen Napoleon erschlagen habe. Als er so viel
deutsch gelernt hatte, um zu erkennen, welche Rolle man ihn spielen
lasse, begab er sich zur Behörde, um hier Schutz und die Mittel
zur Rückkehr nach England zu suchen. Er ist ein intelligenter
Mensch, im Christenthum unterrichtet und mit der englischen Sprache
bollständig vertraut.
Die Unverschämtheit einzelner Bettler geht fast ins Un—⸗
aubliche. So berichtet die „K. Z.“: Vor einigen Tagen kam in
»er Mittagszeit ein Bettler in ein Haus und bat um etwas Mit⸗
agessen. Die Familie saß gerade beim Mittagtisch, die Hausfrau
üllte einen Teller mit Erbsen, legte noch ein Stück Pökelfleisch da—
zu und reichte dies dem Bettler vor die Thüre. Bald darauf klopfte
s8 an der Stubenthüre, und reichte der Bettler der Frau den leeren
Teller zurück. Später wollte der Hausherr, der vor dem Essen
eine Stiefel ausgezogen und auf den Gang gestellt hatte, sich wieder
mm die Arbeit begeben und die Stiefel anziehen. Dieselben standen
ioch an derselben Stelle; als er aber die Füße hineinschieben
vollte, spritzten ihm die Erbsen aus dem Schaft entgegen. Der
Bettler hatte nur das Stück Fleisch verzehrt, die Erbsen aber in die
Stiefel geschüttet.
Der Gewerbe-Verein in Edenkoben beschloß die Ver—
unstaltung einer im Sommer dieses Jahres Statt findenden Lokal⸗
Bewerbe⸗ Ausstellung, verbunden mit einer Lehrlingsarbeiten-Aus⸗
tellung. Die Zahl der Aussteller ist, wie die „Gg.“ meldet, be—
reits auf 130 — 140 anzunehmen. Von einem dortigen Mitbürger
vurden dem Vereine 100 Mark baar zu 5 Vreisen für die besten
dehrlingsarbeiten gespendet.