trunkenen Sklaven“ — wie Gambetta damals die
Herren Wähler von Belleville titulirte — werden
die Gelegenheit benutzen wollen, um sich an ihm
zu rächen. Findet die Versammlung noch statt,
jso kann sie, anstatt zur Auffrischung seines Prestige
zu dienen, leicht zu seinem vollständigen Fiasco
führen. Zieht er aber vor, nicht in Belleville
aufzutreien, so wird ihm der Vorwurf der Furcht
nicht erspart werden können, und der dortige Wahl⸗
kreis, den er bisder stets als eine wesentliche
Grundlage seiner populären Machtstellung angesehen,
wäre dann dauernd für ihn verloren.
Das Bneue französische Ministerium hat
seinen ersten Sieg errungen. Die Deputierten-
tammer hat ihm mit großer Mehrheit ein Vertrauens
votum gewährt und dies in einer so verbindlichen
Form, daß die Existenz des Kabinets für einen
längeren Zeitraum als gesichert gelten darf. Drin⸗
gend nothig ist es freilich auch, daß die Minister
her französischen Republik endlich beginnen, dauer⸗
hafter zu werden. Hat doch die dritte Republik in
der kurzen Zeit ihres Bestehens bereits 14 Mini⸗
sterien und 171 Minister gehabt. Was die Re—
formthätigkeit des Kabinets Freycinet anbelangt, so
joll dieselbe mit einem Gesetzentwurf über die
Selbstverwaltuna der Gemeinden eröffnet werden.
Lokale und pfälzische Nachrichten.
—n. St. Ingbert, 14. Febr. Wie in
diesem Blatte bereits mitgetheilt, kamen für das
laufende Jahr durch den Verwaltungsrath des
pfälzischen Lehrerwaisenstiftes an 135
einfache und Doppel⸗Lehrer⸗Waisen aus 67 Familien
5975 Mt. 50 Pf. aus genanniem Stifte zur Ver⸗
theilung. Von dieser Unterstützungssumme entfällt
auf den Bezirksverein St. Ingbert-Blies—
kastel der hübsche Betrag von 541 Mt. 50 Pf.;
davon erhielten 4 Waisen Bregel in Contwig
190 Mkc 2 Waisen Henrich in Gersheim
114 Mk. 8 Waisen Dellarge in Bliesdal—
heim 142 Mtk. 50 Pf. 1 Waise Hofmann
in Bliesbolgen (früher Ommersheim) 47 Ml.
50 Pf. und 1 Waise Stemmler in Kirkel—⸗
Neuhäusel 47 Mtk. 50 Pf. Die von Jahr zu
Jahr sich steigernde wohlthätige Wirksamkeit des
Waisenstiftes laͤßt es schwer begreifen, daß es immer
noch Lehrer gibt, die den kleinen Jahresbeitrag von
1 int. scheuen und dem Stifte nicht angehören,
sich so alfo für ihre Relicten aller Ansprüche an
die Kasse desselben begeben.
—
mittag brachen auf der Eisbahn zwei Knaben ein.
Während es gelang, den einen noch rechtzeitig ans
dand zu bringen und zu retten, verschwand der
andere unter der Eisfläche und konnte nur todt
wieder aus dem Wasser gezogen werden.
— Kaiserlautern, 12. Fedrt. In der
heutigen Gemeinde-Versammlung — der Fruchthall
jaal war vollstandig gefüllt — wurde der Antrag
des Stadtrathes (Aufnahme eines Anlehens von
600,000 M. behufs Ausführung größerer stadtischer
Arbeiten) mit Ausnahme des Betrags für Pflaster⸗
ung des Stiftsplatzes von 26,000 M. nach länge⸗
rer Debatte mit überwiegender Maiorität ange⸗
nommen.
— In Neustadt wurde am letzten Sonntag
unter dem Vorsitze des Herrn Dr. Deurer⸗Lambs⸗
heim eine Versammlung pfälzischer landwirthschaft⸗
lcher Konsum⸗Vereine abgehalten. Herr Haas, der
Präsident des hessischen landwirthschaftlichen Konsum⸗
Verbandes, war anwesend und wurde die Errichtung
eines eben solchen Verbandes, nach dem Muster des
hessischen, für die Pfalz beschlossen.
p'Hambach, 12. Febr. Der 38 Jahre alte
Winzer Johannes Glas und der 51 Jahre alte
Winzer Theobald Glas, beide von Hambach, ge⸗
riethen am 10. ds. in der Wirthschaft von Fried⸗
rich Mohr zu Hambach in einen Wortwechsel. Als
Theobald Glas die Stiege heruntergehen wollte,
gab ihm Johannes Glas einen Fußtritt, daß er
die Stiege herunter fiel. Durch diesen Sturz be⸗
kam derselbe eine solch erhebliche Verletzung am
sopf, daß er in Folge dessen am 12. ds. seinen
Geist aufgab. Das Untersuchungsgericht hat sich
wegen dieser Sache an Ort und Stelle begeben.
(N. B. Ztg.)
— Ludwigshafen, 13. Febr. Nicht nur,
daß der Wasserstand des Rheins immer niedriger
wird, auch die Brunen verfiegen mehr und mehr.
In vielen Häusern unserer Siadt geben shon die
Brunnen seit mehr als einer Woche kein Wasser
mehr. Pf. K.)
— Aus Ludwigshafen geht der „Frkth.
Ztg.“ folgende, der Bestätigung bedürftige Nachricht
cu: Man spricht davon, daß in Mannheim eine
Kaufmannsgesellschaft in der in begriffen sei,
deren Aufgabe es werden soll, Kohlen, welche aus
einer Zeche im Kohlendistrikte der Ruhr gefördert
werden, über Mannheim nach der Schweiz und durch
den Gotthardtunnel nach Italien zu expediren. Es
derlautet, ein Gesammtkapital von 2 Millionen M
sei hiezu bereits gezeichnet.
— BSBSA ——
Verm ischtes.
München. Die Streusel-Petitionen der
Rheinpfalz sind vom Petitionsausschuß mit dem
Antrage vor das Plenum verwiesen, sie zur Würdi—
jung an die kgl. Staatsregierung hinüberzugeben.
Oberforstrath Ganghofer wies auf die Widersprüche
sin, welche die sich bekämpfenden Petitionen zur
Schau tragen. Dr. Groß schildert das Bedürfniß
der acker⸗, tabake und weinbautreibenden Gegenden.
Der Bericht über die Verhandlung sagt über die
Petition von Enkenbach, Alsenborn und anderen
Orten der nördlichen und westlichen Pfalz, daß
diese von unrichtigen Behauptungen strotzen und
zaran knüpft sich ferner die Ftrage: „Glauben die
Petenten wirklich durch Uebertreibungen und solchi
iicht mißzuverstehende Drohungen ihre Sache zu
ördern? Die Abgeordneten aus der Pfalz, durch⸗
veg tüchtige Männer, welche bei jeder Gelegenheit
ein warmes Herz für die Landwirthschaft und den
Weinbau zeigen, namentlich die beiden eifrigen
ßfälzer Mitglieder des Petitions-Ausschusses Dr.
roß und Kuby bedürfen ihres ganzen Einflusses
im den üblen Eindruck zu beseitigen, welchen soiche
Fingaben machen
4 Vom Landgericht München Jl, wurde der
aufmann und Spiritusfabrikant S. Hamburger
vegen Weinfälschung zu 2 Monaten Gefängniß
ind 300 Mk. Geldstrafe (welche eventuell in 30-
ägige Haftstrafe zu verwandeln sind), verurtheilt.
Einen Bergmann aus St. Johann,
der Frau und 6 Kinder treulos im Stiche ließ,
Jat kürzlich in Essen eine harte, aher verdiente
Strafe ereilt. Derselbe wurde wegen im Jnli 1877
»egangener Nothzucht zu 12 Jahren Zuchthaus
derurtheilt. Damals war er schon in Unter⸗
uchung gezogen, doch wußte er durch meineidige
Freunde sein Alibi zu „beweisen“. Die Unter⸗
uchung gegen den Lustmörder Schiff führte zur
nochmaligen genaueren Nachforschung über jenen Fall.
7 Sulzbach, 11. Febr. Der von hier
—X
Zundlach ist am Donnerstag von dort hier einge⸗
zracht und nach dem Verhör nach Saarbrücken
ransportiert worden. Auf den Ausgang seines
Brozesses ist man gespannt.
FeIn For bach, wurde am Abend des 10.
Febr. Herrn Fabrikbesitzer Adt, welchem bekannt⸗
lich von Sr. Majestäf dem König von Preußen
der Kronorden verliehen wurden, von den Ar⸗
hbeitern und Bedienfsteten der Fabrik ein Ständchen
mit Fackelzug gebracht, wobei die Musik der Fabrik
den musikalischen Theil übernommen hatte.
f In dem sachsischen Stadtchen Adorf brannten
vor einigen Tagen 21 Häuser und 23 Scheunen
ab. Leider verunglückten drei Feuerwehrleute, der
eine lebensgefährlich. Man vermuthet Brandstiftung
48 Familien sind obdachlos geworden. Die Be—
wohner sind meist wegen Feuergefährlichkeit ihrer
dauser von Versicherungsanstalten nicht angenom⸗
men. — In Oesterreich ist das Dorf Lauterbach
abgebrannt. Zwei Menschen sind bei dem Brande
umgekommen.
F CDie angeblichen deutschen Kriegsgefangenen in
Algier.) Wir brachten kürzlich nach der „stob Ztg.“
unter der Rubrik „unglaubliche Geschichte“ die Notiz,
daß drei deutsche Soldaten nach 11jähriger Gefang—
enschaft aus Algier zurückgekeht seien. Dieses Ge⸗
rücht beruht, wie die „ob Ztg., jetzt berichtigt, aui
zinem Scherz dreier Hardwerksburschen,
F Berlin. Man erinnert sich, daß eines
Tages ein Sohn des Reichskanzlers plötzlich nach
Italien abreiste und der Gatte einer hochgestellten
Dame zu gleicher Zeit eine Scheidungsklage anhängig
nachte, weil zu derselben Zeit seine Gemahlin sein
daus verlassen und er Grund hatte, anzunehmen
daß sie mit dem jungen Mann im sonnigen Süden
zusammengetroffen sei. Es war jedoch keinesweg—
nur eine flüchtige Leidenschaft gewesen. was diesen
in jene Frau fesselte, sondern eine tiefe Herzens—
neigung, und mit der eisernen Zähigkeit, welch
ein Vater auf ihn übertragen, beharrte er auf den
Entschluß, sich nur diese Frau zur Gemahlin zu
wählen — ein Eutschluß, welchem von Seiten dee
Familienoberhauptes die energischste Opposition
entgegengesetzt wurde. Diese Opposition soll nun
einer versöhnlicheren Stimmung Platz gemacht, um,
der Entschluß des zweiten Sohnes, unvermählt zu.
bleiben, soll den Vater veranlaßt haben, seine Ein
willigung zu der ehelichen Verbindung der beiden
Liebenden zu geßden. Man erwartet demnächst di—
offizielle Ankündigung derselben.
F Berlhin. In Betreff des tragischen Vor
talls an der Invalidensäule theilt dem „Kl. Journ.
ein Augen⸗ und Ohrenzeuge mit, daß der dvor
den Jungen hart bedrängte, im Gesicht (vo
einem Steinwurf) blutende Soldat, der die exceß—
lustigen Knahen nicht verfolgen konnte, da sein
Instruktion ihm strenge verbietet, sich auf größen
Strecken von seinem Posten zu entfernen, mehren
der peinlichen Scene zusehende Erwachsende — meh
vorbeipassirende Arbeiter — um Schutz bat um
ersuchte, die Jungen auf die Folgen ihrer Hand
lungsweise aufmerksam zu machen. Die Antwon
war, daß die Angesprochenen den Posten auslachten—
und sich, ohne etwas zu thun, entfernten Dadurhee
ermuthigt, setzten die Knaben ihr Treiben nur un
so ausgelassener fort und endlich fiel der verhäng
nißbvolle Schuß. (Das läßt, wenn richtig, die Sach
allerdings in erheblich milderem Licht für den Sol—
daten erscheinen, Wie das „Kl. Journ“ ferne
nus bester Quelle versichert, ist Werner am Mittwoh
Abend bei'm Appell im Kasernenhof vor versam
nelter Mannschaft auf Grund der geführten Unter z
uchung von Schuld und Strafe freigesprochen wori de—
zen. Nach hiesigen Blättern sind am Mittwoh po
rüh die Schüler sämmitlicher städtischen Schulenn
zöherer und niederer Ordnung in einer Ansprach n.
nuf die schrecklichen Folgen jugendlicher Ausschreit i
ingen aufmerksam gemacht worden; auch sei jede
Schüler angewiesen worden, jeden zu Excessen geer
neigten Genossen, gleichviel ob die Ausschreitungen ar
hor oder nach der Schulzeit stattfinden, behuftn
dessen Bestrafung seinem Lehrer zur Anzeige 5
bringen.
F Studentenstreich. Dem ,„B. B. C.s
vird die anläßlich der Fröffnung der Berlingg
—AV
Studentenstreiches mitgetheilt. Der einer Berlintn
gurschenschaft angehörige Studiosus jur. R. hahmnu
nit einem Studiosen einer anderen Verbindunzé
gewettet, daß er, möge kommen was da wolle, dine
rste Fahrt der Stadibahn mitmachen werde. Den
Fontrahent dagegen verpflichtete sich, dies unsn
illen Umständen zu verhindern. Beide Wekhtend sun
ind Söhne begüterter Fabrikbesitzer und der Prei ber
zer Wette war deshalb kein geringer, denn de zurn
Verlierer war gehalten, den Corpsbrüdern des Get
vinners eines solenne Kneiperei zu veranstaltenqe
Am Montag Abend ging R. schon frühzeitig au— var
einer Kneipe nach Hause, um die Zeit nicht puyun
ꝛerschlafen, da er gedachte, den um 6 Uhr durs zwe
Station „Jannowitzbrücke“ kommenden ersten Zuz su
u erwarten. Wer beschreibt seinen Schreck un
Zorn, als er beim Erwachen Morgens sieht, dentm⸗
vährend seines süßen Schlafes seine ganze Garde hot
robe abhanden gekommen ist, welchen Umstand eineh
iuf seinem Tisch liegender Zettel, der ihm dibeu
Zurückgabe zusichert, hinlänglich erklärt. Zur sihh
leberfluß war die Thür von außen verschlossen urd bod—
durch zwei große Nagelbohrer extra versichert. Jde
seiner Verzweiflung rüttelte er energisch an der zu ün
Wohnung seiner Wirthin, einer bejahrten Witwe Ir
ührenden Mittelthür. In der Meinung, ihlen göh
Miether sei etwas zugestoßen, rückte diese schleuniti dure
die vor der Thür stehende Kommode weg, serbhu
iber vor Entsetzen in die Knie, denn R. ftürmt beah.
etzt allen Geseßen des Anstandes Hohn sprecherd her—
m Hemde zu ihr herein. Die alte Dame retirit dio
chreiend hinter einen Bettschirm, denn sie glaubr sahr
nicht anders, als der sonst so nette junge Nar heem
sei complett verrückt geworden. Unterdessen hatt
iich die Deputationen beider Verbindungen auf de wa
Centralbahnhofe, „Friedrichstraße“ eingefunden unn
erwarteten mit Spannung den bereits signalisicke pu.
ersten „Südzug“. Unter dem brausenden Hund i
der heiteren Musensoͤhne dampfte dieser endlt dom
herein und ein unauslöschliches Gelächter ettorn hnp
in welches auch die Berliner mit einstimmten, der
angethan mit Sammetmantel und Damenfederhn
grüßte nickend der Commilitone aus einem Coub
heraus. ...
Der Acceptant von Wechseln
dieselben durch Teilzahlungen getilgt, dabei w
Me