vATt. Junherter Amzriger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
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A 38.
Dienstag, 21. Februar 1882.
17. Jahrg
— 2—
“
B. T. Ueut Kriegsbilder?
Unter den Schlachtenbildern des russischen Malers
Wereschagin, diesen grimmigen Protesten gegen den
Zrieg, ist ein einziges, wo weder Blut noch Leichen
eine stumme, erschütternde Sprache sprechen, und
dennoch ist das Bild wohl das packendste in der
zanzen Sammlung. Es stellt den Czaren Alex⸗
ander II. dar, wie er im Feldsessel auf einem
abseits gelegenen Hügel der Erstürmung von Plewna
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höhen wallt der Pulverdampf des Kampfes empor
Oben auf dem geschützten Hägel sitzt der Czar⸗
Befreier, und mit dem Krimstecher vor den Augen
nustert er aus dem schußsicheren Hintergrunde der
hof⸗ Loge des Kriegstheaters das furchtbare Schau⸗
hiel, das zu Ehren seines Geburtstages veranstalte!
wurde. Und dieser Mann ist derselbe, welcher
allenthalben als eia wahrer Apostel der Mensch-
ichkeit gepriesen wird und dem seine Zeitgenossen
as Zeugniß ausstellen, daß er eine der fried
iebendsten Charaktere gewesen ist, der fich nur mit
ꝛem größten Widerftreben in den Krieg drängen
ieß!
Also nicht dem starken, selbstbewußten Willen
„es Czaren Alexander II. ist es zur Last zu legen,
aß ein großer Orientkrieg Blut und Flammen
iber die Balkan-Halbinsel wälzte, sondern der
Schwäche und Unfähigkeit des russischen Selbft⸗
derrschers, dem kriegsdrängenden Panslavismus die
Epitze zu bieten. Heut nun erheben sich dieselben
hesorgnisse wegen einer von Rußland her drohenden
kriegsgefahr für Europa. Wie damals erscheint
die Kraft und Macht des Czaren nicht mehr als
ine ausreichende Gewähr für die Aufrechterhaltung
xs Friedens. Von allen Seiten schwillt in Ruß⸗
and der Strom kriegslüsterner Ideen. Graf
Ignatieff, dieser große Intrigant und Unruhestifter
n der Diplomatie, reckt gierig die Hand nach dem
hortefeuille eines Ministers des Aeußern, während
der deutschfreundliche und friedliebende Herr von
Hiers seine Demission giebt, weil er seinen Eiufluß
zjegenüber der abenteuernden Politik der Pansla—
isten immer mehr schwinden fühlt. General Sko—⸗
veleff, der Sieger von Geoktepe, welcher dem fried⸗
nebenden Czar⸗Befreier die blutrauchende Morgen⸗
jabe des Heeres von Plewna darbrachte, entflammt
mit wilden Reden die Herzen seiner Kampfgenossen
zu einem neuen Feldzuge, der aber nicht, wie im
Jahre 1876, dem einen Erbfeinde Rußlands, der
Türkei, gilt, sondern der diesmal gegen den andern
Erbfeind des Moskowiterthums, gegen die Bildung
ind Intelligenz des Westens, gegen Oesterreich und
deutschland sich richten soll.
Betrachtet man mit kühler Erwägung die Ele—
nente, welche in Rußland zu einem Kriege gegen
)en europäischen Westen drängen, so muß man in
der That eingestehen, daß sie recht zahlreich und
nit jener Entschlossenheit erfüllt sind, welche den
Friedensfteunden, zu denen wir auch den Czaren
echnen, leider abgeht. Da ist zuerst die zahlteiche
vruppe Derjenigen, welche in einem Kriege gegen
desterreich das Rachegefühl löschen möchten, das
tnen seit der Zerreißung des San Stefano⸗Ver⸗
dages in der Seele brennt. Zu ihnen gehört Graf
Janatieff in erster Reihe. Nicht minder zahlreich
ind von Einfluß sind die, welche in einem aus—
därtigen Kriege das einzige Heil sehen, vm mit
nem Schlage aus den schrecklichen inneren Wirren
xxtauszukommen, die das Lebensmark Rußlands
erqiften und zerstören. Sie sind nach ihrem Sinn—
—XEXV—
Baterland damit vor einer inneren Zersetzung zu
ꝛechüten. Mit viel weiter schweifenden Gedanken
und wilden Eroberungsplänen erfüllt sind dagegen
die Panslavisten, welche in Rußland im Augenblid
mohl die bedeutsamse Rolle spielen. Ihnen steht
die Racenfrage obenan. In Bosunien und der
herzegowina kämpfen Slaven gegen Nicht⸗Slaven
das genügt für sie, um den unterdrückten slabischen
Brüdern zu Hilfe zu eilen und den großen Brand
zu entfesseln, der die germanischen Reiche zerstören
ind dem einen großen Weltreich der Slanen mit
russischer Spitze“ Raum schaffen soll.
Und wie in diesen drei Gruppen Ehrgeiz, Er—
»berungslust und Nationalstolz sich verquicken, so
isst allen dreien auch noch ein anderer finsterer
Bundesgenosse gemeinsam: der Nihilismas. Die
virklichen Nihilisten schauen mit grimmigem Be—
jagen dem Eifer der Kriegsschürer zu, denn sie
vissen, daß aus den Trümmern eines großen Krieges
hnen allein die reichlichste Beute winkt. Auch
vährend des Orientkrieges schwieg unter dem Larm
der Waffen der Nihilismus; erst als die traurigen
Sieger heimkehtten, begann jene Reihe grausiger
Attentate, gegen welche der Czar-Befreier nicht ge⸗
eit war, trotz des blutgetränkten Lorbeers. den ihm
Stobeleff. Kattoff, Aksakoff und Genossen mit Ge—
valt auf das Haupt gedrüdt hatten.
Man sagt, daß Czar Alexander UL ein festerer
Tharakter sei, als sein hingemordeter Vater. Früher
prachen für diese Annahme mancherlei Ueine Züge
deut ist der Glaube daran stark erschüttert, und e⸗
wäre ja auch erklarlich, wenn die verhaltene Sorg
ind die stete Spannung, die den Herrscher Ruß
ands seit den nihilistischen Anschlagen sagtäglich
jeimsucht, die Kraft seines Geistes gedeugt hätten.
Dennoch vermögen wir nicht zu glauben, daß Czar
Ulexander III. bereits die Herrschaft über sich und
eine Umgebung so sehr verlor, daß er nicht mehr
m Stande wäre, der pansjlavistischen Hochfluth
venigstens bei einer gewissen Grenze Hall zu ge⸗
hbieten.
Es ist nicht wohl anzunehmen, daß der jetzige
derrscher Rußlands, der doch noch un der Fülie
einer Jugendkraft steht, schwächer fein sollte,
als sein betagter, von körperlichen Leiden ge⸗
»rochener Vorgänger. Als Czar Alexander II. sich
ndlich dazu entschloß, dem gewaltsamen Drängen
einer Umgebung nach Krieg Folge zu leisten, ge⸗
chah es unter Umständen, welche immerhin ein
Jewisse Bürgschaft des Erfolges in sich trugen
wegnerin war die Türkei. Montenegro und Serbien
varen bereits insurgirt, in Bosnien nad der Herze⸗
jowina war gleichfalls der Aufstand gegen die
ürkische Oberherrschaft entflammt. Rumänien zeigte
ich nicht minder geneigt, den Türken entgegenzu—
iehen. Kurzum alle Balkanvölker jubelten den
Russen als ihren Bundesgenossen und Befreiern
ntgegen. Dazu kam, daß Rußland in langer
Friedenszeit Gelegenheit gehabt hatte, sich mit Gelt
ind Ausrüstungen zu einem Kriege vorzuhereiten
Endlich — und das war wohl das Ausschlag—⸗
gebende — war der Czar nach der berühmten
daiserzusammenkunft in Reichstadt sicher, daß Ruß
and weder von Oefterreich-Ungarn noch von Deutsch⸗
jand in der Flanke oder im Rücken bedroht werden
würde. Das Dreikaiser-Verhältniß gab dem Gzaren
den Muth, die Sicherheit und den Schutz, Ruß—
ands Kräfte mit denen der Türkei zu messen. Ob
der letzte russische Orientkrieg trotz dieser denkbar
zünstigen Umstände ein besonderes Ruhmesblatt in
der Geschichte Rußlands bildet, das mögen die
russischen Todten entscheiden, welche regimenter⸗ und
armeekorpsweise in wahnsinniger Nutzlosigkeit vor
Plewna und im Schipka von ihren talentlosen
Führern geopfert wurden
Noch kann Rußland keinen Krieg beginnen, so
lange der Czar nicht will, oder — eine Revolution
den Herrscher gestürzt hat. Hat General Skobeleff
den Muth zu einer solchen Revolution? Es ist
möglich, aber vorläufig gebricht ihm trotz aller hoch⸗
tönenden Reden die Kraft dazu. Hat der Czar
den Willen und die Absicht zu einem Kriege? Wir
hezweifeln es, denn ein Krieg unter heutigen Ver⸗
jältnifsen kann dem Hause Romanoff die Krone
kosten. Vielleicht wagte auch er den Krieg, wenn
er wie sein erlauchter Vater durch ein Gegenstück
zu der Reichstädter Konvention gedeckt ware. Viel⸗
eicht würde auch Alexander II. sich zum Kriege
zegen den „europäischen Westen“, gegen „diese
Deutschen“ drängeu lassen, wenn ihm von Frank⸗
reich her eine praktische Unterstützung winkte. Aber
ein französisches Allianz⸗Vrrsprechen würde doch erfi
Halt und Sicherheit gewinnen, wenn es von einem
diktatorisch regierten Frankreich abgegeben würde.
kin Imperator Gambetta müßte dazu vorhanden
sein. Wie Frankreich heut regiert wird, bietet es
zinem so zerrüttelen Reiche wie Rußland keine ernste
Bewähr für abenteuerliche Allianzen, denn wer heute
als mächtiger Ministerpräfident Frankreichs eiwas
versprechen will, befindet sich morgen vielleicht schon
us einfacher Deputirter auf einer Vergnügungs⸗
reise nach Nizza. Das ist der Vortheil der jetzigen
ranzösischen Republik.
Rußland hat im Augenblick kein schützendes
Dreikaiser⸗Verhältniß zur Seile. Es hat ferner
eine finanziellen Mittel durch den Orientkrieg er⸗
chopft, und zum Kriege gehört Geld, viel Geld!
Seine Gegner wären europäische Armeen, keine
rürkischen. Also ohne Bundnisse und ohnc Mittel,
nit noch nicht voöllig ergänztem Kriegsmaterial sollte
Rußland einen Kampf gegen eine, vielleicht auch
zegen zwei europäische Machte aufnehmen? Wir
vermögen vorläufig nicht daran zu glauben. We—
aigstens so lange nicht, als uns nicht der elektrische
Funke von einem Staatsstreich in Paris, von einer
Thron⸗Revolution in Rußland oder davon erzählt,
daß der Geist des Czaren sich umnachtet babe.
Politische Uebersicht.
Deutsches Reich.
Abg. Schels hat folgenden Initiativ-Antrag bei
der bayerischen Abgeordnetenkammer eingereicht:
„An Stelle des Z 17 des Gesetzes vom 21. März
1881. die Abänderung einiger Bestimmungen des
Gesetzes über die Wahl der Landtagsabgeordneten
vom 4. Juni 1848 betr., tritt folgende Bestim⸗
mung: 1) Jeder Abgeordnete erhält für je einen
Kilometer Entfernung seines Wohnsitzes vom Ort
—D— zum Land⸗
jag und einen gleichen Betrag für die Heimreise
nach Beendigung des Landtages. (Gegenwärtig
haben sie freie Fahrt auf den bayerischen Eisen
bahnen und 50 Pf. für jeden Kilometer Entfernung
außerhalb derselben.) 2) Jeder nicht am Ort der
Versammlung wohnende Abgeordnete erhält wäh⸗
rend der Dauer derselben für jeden Tag, den er
zanz oder theilweise am Ort der Verfammlung
zubringt, dann für den dem Beginn der Ver—
ammlung vorangehenden und dem Schluß nach—