Full text: St. Ingberter Anzeiger

Für die verbliebenen 87 Gesuche wurden 1152 M. 
genehmigt. 
Saargemünd, 7. März. Ein Reisender 
dritter Klasse bemerkte auf der Strecke von hier 
aach Berthelmingen durch einen in der Coupeewand 
befindlichen Riß, wie in dem anstoßenden Postraum 
der Posischaffner Michel Schmitt von hier zuerst 
oerschiedene Briefe gegen das Licht hielt, um sie auf 
ihren Inhalt zu untersuchen, einen auch sehr ge— 
schickt mittelst eines Hölzchens öffnete und wieder 
zuklebte. Nicht zufrieden mit dem Ergebniß dieses 
Zeitvertreibs, offnete er nunmehr ein an einen 
Soldaten in Saarburg adressirtes Körbchen, ent⸗ 
rahm demselben eine Wurst und verzehrte sie. Der 
inbemerkte Spaher machte hievon in Berthelmingen 
und Saarburg Anzeige, worauf die gerichtliche 
Untersuchung eingeleitet wurde. Am 3. d. Mis. 
erfolgte die Verurtheilung des Angeklagten zu 
Jaͤhr Gefängniß und 2.Jahren Ehrverlust. 
p'Saarlouis, 11. März. Neue Kartoffeln 
im März geerntet, nicht in Algier, sondern in un— 
serm Nachbarort Lisdorf, im Garten des Herrn 
Nikolaus Görg gezogen, wurden der „Saarztg.“ 
in ziemlicher Anzahl vorgezeigt. Es sind dies nicht 
etwa im Garten bei der Herbsternte im Boden 
zurückgebliebene Kartoffeln, sondern im Monat 
August eigens dazu gelegte und nach einem be— 
sondern Verfahren gezogene. Die Knollen sind 
vollständig ausgewachsen und gesund. 
Ein in St. Arnual wohnender, in einer 
Saarbrücker Eisenbahnwerkstätte beschäftigter Schmied 
hat einen unerwarteten und schrecklichen Tod er— 
ütten. Derselbe war in der Nacht zum Sonntag 
beschäftigt, in die Felswand hinter seinem Hause 
einen Raum für einen Schweinftall auszubrechen, 
als er von dem herabfallenden Gestein erdrückt und 
am Morgen todt aufgefunden wurde. (Saarbr. 3.) 
F In Stuttgart hat der 20jährige Schrift⸗ 
setzer Albert Buch in einem Anfalle von Geistes⸗ 
störung ein furchtbares Blutbad angerichtet. Er 
drang in die Wohnung des in demselben Hause 
vohnenden Schneiders Wahl und verletzte diesen, 
dessen Ehefrau und Schwägerin mit einem Rajsir⸗ 
nesser sehr schwer. Nach der That brachte sich der 
Moͤrder mit dem Messer eine tiefe Schnittwund⸗ 
in der rechten Halsseite bei. 2 
Die Ott'sche Millionen-Erbschaft 
wurde nach jahrelanger Untersuchung (Martin Ott 
starb am 27. März 1879) den noch in Baden 
sebenden Verwandten der Mutter des Erblassers, 
Johann Adam Henneberger und Anna Barbara 
Henneberger, geb. Merkel, resp. deren Kindern und 
dindestindern, zugesprochen. Die Zahl der Erben 
deträgt 5, der geringste Erbantheil 10,000 fl. 
FDie Maschinenfabrik Augsburg hat eine 
Druckmaschine erfunden, mit der mit Wandtapeten 
n verschiedenen Farben und Mustern man einem 
Mal drucken kann. Bei dem bisherigen Verfahren 
nußte das Tapetenpapier meist so oft durch die 
Presse laufen, als Farben zu drucken sind. Der 
zroße Vortheil, den diese neue Maschine bietet, 
liegt auf der Hand. — 
München, 10. März. Se. Maj. der Konig 
haben (wie bereits lurz erwähnt) den Minister Dr. 
o. Luß in einem Allerhöchsten Handschreiben beauf⸗ 
rragt, der Generaloberin des Instituts der 
barmherzigen Schwestera des hl. Vinzenz 
von Paula, welche heute das Jubiläum seinet 
fünfzigiährigen Thätigkeit in Bayern feiert, zu er⸗ 
zffnen, daß Seine Majestät dem segensreichen Wirken 
des Ordens im Dienste der Menschheit vollste An⸗ 
erkennung zollen, und daß Allerhöchstdieselben dem 
Orden ssets die huldvollsten Gesinnungen bewahren 
werden. Heute Vormittag verfügte sich zur General⸗ 
oberin des Ordens der barmherzigen Schwestern 
eine stüdtische Deputation, um aus Anlaß dieses 
Jubilaͤums der Generaloberin mit einer gemeindlichen 
Dankadresse ein (von Harrach gefertigtes) Silher⸗ 
ruzifix zu überreichen. 
Muünchen, 13. März. Infolge des Bruchs 
eines Radreifs an der Maschine entgleisten heute 
Nacht fünf Wagen des Berlin⸗Münchener Kurier⸗ 
Zuges kurz vor Bamberg. Vier Reisende erlitten 
unerhebliche Contusionen, einige Wagen wurden be⸗ 
schädigt. Die Reisenden treffen heute 1 Uhr 35 
Min. Mittags in München ein. 
Eine Schlangengeschichte erzählt die 
„Dorfzeilung'. Der Oberst von Gemmingen in 
Ingolstadt leß einmal einen Schlangenhändler zu 
ich kommen und sich die interessanten Reptilien 
zeigen. Nach einer Stunde padte der Handler 
feine Thiere wieder cin und empfahl sich. Plötzlich 
türmt er athemlos wieder zur Thüre hinein und 
ruft: „Herr Oberst, die Kupfernatter fehlt mir, sie 
muß hier sein! Das war kein Spaß, denn diese 
Natter gehört zu den giftigsten und gefährlichsten. 
Man durchsuchte alles und fand nichts. Einige 
Wochen später liegt der Oberst im Bett, die Sonne 
cheint so schön in's Zimmer und die wärmsten 
Strahlen fallen auf den Teppich vor seinem Bett. 
Vas glänzt und glitzert da? — Die Schlangen— 
jaut! Mit einem Satze ist der Oberst aus dem 
Bette und in die Stiefel hineingefahren, aber auf 
dem Teppich liegt nur die Schlangenhaut, das 
Thier, das sich gehäutet hat, ist nirgends zu finden. 
Die Sache ist unheimlich, aber nichts zu machen. 
Wieder nach Wochen will der Oberst in die Stiefel 
fahren die er lange nicht gebraucht hat. Da bäumt 
ich die lange gesuchte Natter zischend und züngelnd 
uus dem Rohr heraus. Wie der Blitz fliegt 
Stiefel und Schlange in die Ecke; das Thier wird 
jefangen und seinem Herrn zurückgebracht. Der 
Oberst hat aber oft erzählt, seitdem sei er nie 
inders als gestiefelt und gespornt aus dem Bette 
gestiegen. 
Der meteorlogischen Station in Hildbur g⸗ 
hausen wurden dieser Tage sämmtliche Thermo⸗ 
neter gestohlen. Der Vorstand dieser Station er⸗ 
ieß nun nachstehende wörtliche Aufforderung: „Der 
erehrliche Herr Spitzbube, welcher so unliebens⸗ 
oürdig war, die Thermometer der Hildburghausener 
neteorologischen Station sich anzueignen, wird auf⸗ 
jefordert, wenigstens die Beobachtungen fortzusetzen 
und das Resultat am Monatsschluß, wenn auch 
monym, einzureichen, damit keine Unterbrechung 
n der Beobachtungsreihe stattfindet.“ Ob wohl 
zer verehrliche Spitzbube so rüchsichtsvoll sein wird, 
zieser freundlichen Aufforderung nachzukommen! 
— Eine interessante Heirathsanzeige finde! 
ich in einer der letzten Nummern der „Frankf 
Machr.“ unter den standesamtlichen Meldungen. 
Es heißt dort: „Getraute: Walter, Otto, Dr. med., 
don Limbach GKöonigr. Sachsen) praktischer Arzt 
dahier, mit Adams, Hope Bridges, von London, 
Dr. mod. und praktische Aerztin dahier.“ 
F Bei der am 15. Mai in Berlin statt⸗ 
iindenden hygienischen Ausstellung werden auch die 
freiwilligen Sanitätskolonnen durch Wagen, Aus—⸗ 
rüstung und Mannschaften vertreten sein. Jeder 
zer acht bayerischen Kreise stellt hierzu nach 
iner Mittheilung der „Pf. Pr.“ zwei vollständig 
riegsmäßig ausgerüstete Sanitäter. 
7 Als bezeichnendes Curiosum verdient erwähnt 
u werden, daß neuerdings eine Frau in Berlin 
eim Polizeipräsidium um die Erlaubniß, Waffen 
u tragen, eingekommen ist. Sie motivirte ihr 
Hesuch, daß sie einen Revolver führen müsse, dahin, 
aß sie sich gegen Mißhandlung durch ihren Gatten 
hützen müsse. 
F GNicht aufs Maul gefallen.) „Junge, was 
sast Du vor kurze Beene!“ rief dieser Tage ein 
Zerliner Schusterjunge mit langen Beinen seinem 
tameraden zu. — „Schaafskopp“, lautete die 
reundliche Antwort, „meine reichen jrade so jut uf 
die Erde, als Deine ollen langen Stelzen!“ 
* Alle Achtung vor folgendem Riesenprojekt, 
velches vor Kurzem ein westfälischer Ingenieur dem 
Fürsten Bismardk unterbreitet hat. Dasselbe schlägt 
yor, eine Riesenbahn zu bauen, die von Ruhr⸗ 
yzxt nach Berlin gehend, nur etwa fünf bis sechs 
Ztationen (Dortmund, Wanne, Minden, Hannover, 
zraunschweig, Magdeburg) erhalten würde, eine 
Spurweite von 5 Metern, statt wie jetzt 14 
Metern, hätte, und mit Lokomotiven zu versehen 
väre, welche mit 1500 bis 2000 Pferdekräften 
ingeheure Lasten wie spielend bewältigen könnten. 
Der Autor denkt sich die Schnelligkeit auf mehr als 
»as Doppelte der jetzigen Kurierzugs⸗Geschwindigkeit 
rhöht (von Ruhrort bis Berlin nur 4 bis 5 Stun 
)en), und er will die Tragfähigkeit des Waggons 
von 200 auf 2000 Zentner steigern, derart, daß 
zanze Flußschiffe über Land befördert werden könnten, 
im an den Stromlaͤufen wieder ins Wasser gesetz 
u werden. 
4 In der „Speyerer Ztg.“ wird darauf auf⸗ 
nerksam gemacht, daß am 20. August v. Is. am 
dafenquai zu Bremerhafen ein Coloradokäfer 
jefunden wurde, den wahrscheinlich ein Passagier 
‚on Amerika dahin gebracht hatte. Es wird daher 
ie Mahnung an die Landwirthe gerichtet, im kom⸗ 
nenden Sommer in ihren Kartoffelackern fleißig 
Amschau zu halten, da ein paar solcher verschleppter 
käfer sich rasch gar sehr vermehrt. 
F (Millionen verloren.) Das 1869 
mit großen Kosten angelegte Salzbergwerit 
Segeberg ist nun vollständig aufgegeben. Die Berg 
leute kehren nach Clausthal zurück. An das ver 
fehlte Unternehmen sind nahezu sechs Millione, 
Mark angewendet. Die unterirdischen Wassermasser 
waren so groß, daß sie nicht überwunden werden 
konnten. 
F (Bedauernswert.) Der 9gjährige Ve— 
teran Kühn in Tuchel, ein Kämpfer aus den Frei— 
Jeitskriegen, welcher vom Schwurgericht in Konis 
im Herbste v. J. wegen Brandstiftung, verleite 
hierzu durch seinen Sohn, zu einer sechsmonatlicher 
Gefängnisstrafe verurteilt wurde, ist in vorige 
Woche im Gefängnisse gestorben, nachdem er noe 
ein offenes Schuldbekenntnis abgelegt hatte. Dew 
Unglücklichen, welcher bereits 1806 bei Jena um 
in der Völkerschlacht bei Leipzig gekämpft hätt⸗ 
väre doch ein heiterer Lebensabend zu wünscher 
gewesen. 
F Der neueste Hutschmuck der Pariserinne; 
ist die Taube, eine Anspielung auf den biblischer 
Spruch: seid klug wie die Schlange und unschuldie 
wie die Taube. In allen Putzwaarenhandlungen 
iind ausgestopfte Tauben ausgestellt. Es schein 
aber nicht genug dieser unschuldigen Thierlein in 
Frankreich zu geben; denn eine Pariser Handlung 
hat mit einem Berliner Wildhändler einen Vertrag 
uuf Lieferung von 30,000 Tauben abgeschlossen 
Dieses Berliner Haus läßt die Tauben zumeist in 
Schlesien aufkaufen, in Berlin tödten und die Bälg 
nach Paris schicken. Das Fleisch wird in Berlin 
um 15 Pfennig verkauft. 
FParis ist zweifelsohne eine der reichsten 
Städte und die Höhe der hier im Umlauf begriffener 
Kapitalien eine kaum zu berechnende. Daß es trotz 
dem an Noth und Armuth nicht fehlt, beweisen di 
eigentlich überraschenden Veröffentlichungen des 
Pariser Leihauses. Nach diesem sind in 
Jahre 1880 nicht weniger als 2,400,000 Pfand 
cheine ausgefertigt worden, also etwa ein Pfand 
ichein auf jeden Einwohner, oder drei Pfandschein 
auf jede der 800,000 Haushaltungen. Bedenb 
man hierbei, daß außer dem städtischen Leihhaus 
noch eine Menge ähnlicher privater Anstalten be 
stehen, so kann man sich einen Begriff davon machen 
wie viel Personen, meist unter dem Drucke augen 
dlicklicher Verlegenheit, zur Verpfändung ihrer Habi 
zenöthigt wurden. Ein sehr ungünstiges Ergebniß 
erhält man, wenn man den Prozentsatz der er⸗ 
aeuerten Pfänder mit dem in früheren Jahren ver 
zleicht. Man findet dann, daß der Prozentsatz der 
Erneueruagen von Jahr zu Jahr im Steigen be— 
zriffen ist: 1860 betrug er etwa den vierten, jetz 
chon den dritten Theil, woraus herborgeht, daß es 
der nothleidenden Bevölkerung immer schwierige 
vird, im Laufe der Zeit die in einem Augenblich 
der Verlegenheit eingegangene Schuld wieder aus⸗ 
ugleichen. Die ihre Pfandscheine immer erneuerndt 
undschaft des Leihhauses enthält aber sicher di 
noralisch achtungswerthen Elemente, welche liebe' 
ahrelang Zinsen zahlen, als daß sie sich von einem 
iebgewonnenen Andenken oder werthgehaltenen 
Familienstück trennen. Nach der Rechnung vor 
880 befanden sich im Leihhause mehr als 10,000 
Begenstaände, die, vor 1870 verpfändet, jährlich er⸗ 
ieuert worden sind und 450, welche seit dem Jahr 
860 unter steter Erneuerung im Pfandhause liegen 
Im Jahre 1880 wurde sogar, wie die K. Ztg. mit 
heilt, ein seit 1842 jährlich erneuerter Gegenstand 
vegen endlichen Ausbleibens der Zinszahlung ver 
teigert. Höchst interessant würde es sein, wen 
die Statistik über den Stand der Darlehensempfän 
ger genaue Auskunft geben würde. 
(Einsonderbares Inserat.) Eine junge, 
Jübsche und reiche Wittwe, die in Paris lebt, hatte 
yor Kurzem den barocken Einfall, sich in einem 
Heirathsbureau unter falschem Namen als reiche, 
iber — blinde Heirathskandidatin eintragen zu 
lassen. Die Zahl der ihr Herz und Hand anbietenden 
derren war Legion. Die Wittwe hatte vollau 
Belegenheit, die interessantesten Beobachtungen zu 
machen, als der Direktor des Etablissements sie mi 
den Bewerbern zusammenbrachte. Die Herren, welch 
die Dame für blind hielten, ließen sich in ihre' 
Gegenwart vollständig gehen; manche kamen in zer 
lumptem Zustande, andere legten sich mit den Stiefelt 
rufs Sopha, alle aber sprachen sehr gewählt und 
zärtlich. Die Wittwe war genöthigt, dem phanta⸗ 
tischen Scherze ein Ende zu machen, als einer der 
sandidaten in seiner zarten Liebeswerbung so wei' 
zing, seine Hände in ihre Tasche zu versenken. — 
B 
4