Full text: St. Ingberter Anzeiger

einem redlichen Wollen, dem wir unsere Anerkennung 
nicht versagen wollen. 
Petersburg, 16. April. Der „Herold“ 
bespricht sehr scharf eine von einem Beamten des 
Ministeriums des Innern, namens Trubnikow, 
herausgegebene, offen die Ausweisung der 
Deutschen fordernde Broschüre und fragt, 
was man denken solle, wenn ein Ministerial- 
beamter die Aufforderung zum Mord deutscher 
Reichsangehöriger unbeanstandet wage und die Bro⸗ 
schüre unbeanstandet von allen Buchhandlungen 
bdertrieben würde? 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 18. April. Gutem Ver— 
nehmen nach veranstaltet der Verein „Gemüth⸗ 
lichkeit“ für seine Mitglieder auf nächsten Sonn⸗ 
tag im Lokale von Horst eine musikalisch 
theatralische Unterhaltung. Den Mittel⸗ 
punkt des Programms bildet das Lustspiel mit 
Gesang: „Lott ist tot.“ Der musikalische Theil 
besteht aus Mannerchören, daruuter Schon⸗ 
Rothtraut“ und „der schwere Traum“ von Seitz, 
Soloquartetten für Sopran, Alt, Tenor und 
Baß und zwei Citherpiécen für 2 Prim⸗ und 
1 Elegiecither. Die Vorbereitungen zur Unter⸗ 
haltung sind recht gut getroffen; daß die Aus 
führung dem entsprechend von statten gehen wird, 
bezweifeln wir nach den bisherigen Leistungen des 
Vereins nicht. Für die Mitglieder desselben ist 
darum wohl mit der geplanten Unterhaltung ein 
gemüthlicher und angenehmer Abend in Anssicht 
zu ftellen. 
*St. Ingbert, 18. April. UÜber die am 
Sonntag Nachmittag im Poller'schen Gartensälchen 
stattgehabte Genera lbversammlung des 
Kriegervereins wird uns von geschätzter Hand 
berichtei, daß dieselbe sehr zahlreich besucht war. 
Obwohl nur zwei Gegenstände (Aufnahme neuer 
Mitglieder und Errichtung eines Gesangchores) zur 
Verhandlung auf der Tagesordnung standen 
so füllten diese doch den ganzen Nachmittag aus. 
Anfgenommen wurden 17 neue Mitglieder. Eine 
längere Debatte rief die Errichtung des Gesangchors 
hervor; dieselbe wurde jedoch fast einstimmig beschlossen 
Die Bedenken, die gegen die pekuniäre Seite des projek⸗ 
türten Unternehmens anfänglich gehegt wurden, ver⸗ 
schwanden bald, nachdem der Ausschuß über die 
Art und Weise dee Aufbringung der ersten Kosten, 
ohne damit die Vereinskasse zu belasten, genügende 
Aufklärung gegeben hatte. Schließlich wurde die 
Frage einer Commission von 4 Mitgliedern über⸗ 
wiesen, die die weitere Schritte einzuleiten und 
datüber der nächsten Generalversammlung Bericht 
zu erstatten hat. — An einem der ersten Sonntage 
des Monats Mai wird der Verein einen orgen⸗ 
ausflug arrangiren, dem bald darauf eine Wald⸗ 
parihie in „Tochtermann's Anlage“ folgen soll. 
Die Mitgliederzahi des Vereins, die innerhalb eines 
Jabres sehr stark zugenommen hat, beträgt heute 152. 
— In dem Jahresberichte der pfälzischen 
Bahnen wird u. A. bemerkt, daß mit Beginn 
des Sommerdienstes ein neuer Schnellzug über die 
Alsenzbahn geleitet werden wird, der durch die Pfalz 
einen durch die Konkurrenzrouten nicht einzuholenden 
Vorsprung für den Verkehr von Belgien, Holland 
und dem Niederrhein nach der Schweiz und Italien 
sichern soll. Dieser Schnellzug schließt sich an den 
morgens 9 Uhr von Koln abgehenden Schnellzug 
an uͤnd ist die direkteste und schnellste Verbindung, 
unter Benützung der St. Gotthardbahn mit Italien. 
— Eine fuͤr die pfälzischen Branntwein— 
brenner wichtige Ministerialentschließung ist er⸗ 
lassen worden. Danach kann den Brennereibesitzern, 
weiche gepreßte Weinhefe verarbeiten, gestattet werden, 
daß an einem Brenntage nur ein Blasenabtrieb 
vorgenommen wird, sowie daß in einem Monate 
weniger als 10 Heltoliter Material angemeldet und 
die Brennereirüdstände (sog. Schlempe) behufs Wein⸗ 
steingewinnung mehrere Tage uad Nächte hindurch 
(nicht über vier Tage) in der Brennblase aufbewahrt 
werden. Die von dieser Begünstigung Gebrauch 
machenden Brennerei Innhaber sind jedoch ver—⸗ 
pflichtet, nach jedem Abtriebe den Blasenhelm oder 
das Schlußstüce von der Brennblase abzunehmen 
und bis zur nächsten Destillation in einer von der 
Brennerei möglichst entfernten, den Aufschlagebe⸗ 
diensteten stets zugänglichen Räumlichkeit zu ver⸗ 
wahren, sowie die Zeit, während welcher die Brenn⸗ 
blase mit Schlempe gefüllt sein soll, in Spalte 10 
der Betriebsyläne vorzutragen! 
— Otterberg. Es heißt, daß die hiesige 
Fabrik demnächst in den Besitz zweier Herren von 
döln übergehen werde. Dicselben sollen beabsich— 
igen, in den stattlichen und wohl conservirten 
Fabrikräumen eine Baumwoll⸗-Weberei zu etab— 
iren. Kyrl. Ztg.) 
— Kaiserslautern, 14. April. Am Oster⸗ 
sonntag sind auf der Ruine „Frankensteiner Schloß“ 
Rutschungen eingetreten. Das k. Landbauamt da⸗ 
dier, welches die Ruine zu erhalten hat, ergriff 
ofort die nöthigen Maßregeln, um einer Gefähr⸗ 
zung des Bahnkörpers vorzubeugen. G. Z3.) 
— Dem pfälz. Feuerwehr-Verbande gehören 
zur Zeit 364 Feuerwehren an und sind weitere 44 
angemeldet. Der Feuerwehrtag findet dieses Jahr 
anfangs Juli in Neustadt statt. 
— Wie die „Sp. Zig.“ hört, hat Herr F. 
Becker in Frankenthal die dortige ehemals 
Heller und Peters'sche Cichorienfabrik kauflich an 
aͤch gebracht und wird daselbft eine Pianofortefabrik 
in qrößerem Maßstab errichten. 
— Ludwigshafen, 15. April. Aus einer 
Ausschreibung der kgl. Regierung der Pfalz ersehen 
vir, daß dieselbe der Ansicht des hiesigen Stadt—- 
raths über die Entbehrlichkeit einer dritten Apotheke 
n hiesiger Stadt, beziehungsweise auf dem Hems⸗ 
jof, nicht beigetreten, sondern gewillt ist, die Kon⸗ 
ession zu verleihen. Bewerber ist Herr Klemens 
dausler aus Edenkoben. 
— Ludwigshafen, 17. April. S. M. 
der König hat genehmigt, daß als amtliche Oris— 
zezeichnung für unsere Stadt künftig der Name 
Ludwigshafen a / Rh.“ gebraucht werde. 
— Mußbach, 15. April. Ein betrübendes 
rreigniß setzt unsere Gemeinde in Bewegung. 
Borgestern Morgen, am 13. d., starb nämlich der 
iesige Einwohner Moses Deutsch, ein lediger Mann 
on etwa 50 Jahren, infolge der thätlichen Miß— 
jandlungen, die er am Abend des vorhergehenden 
Tages von seinem Bruder, dem Handelsmann 
genjamin Deutsch nach übereinstimmenden Zeugen⸗ 
zussagen erlitten hatte. Eben befindet sich das 
Bericht zur Untersuchung des Thatbestandes hier. 
Ddie Aufregung ist um so größer, als der Verlebte 
ils harmloser, friedlicher und fleißiger Mensch all⸗ 
zemein bekannt und beliebt war. 
Vermischtes. 
Die Gemeinden des Koönigreiches Bayern 
haben zusammen ein recht nettes Sümmchen 
Schulden, nämlich 119,913,121 Mark. Ver—⸗ 
heilt man diese Summe auf die Seelenzahl Bayerns, 
—— 
Auf die acht baherischen Regierungsbezirke vertheilen 
ich die Gesammtschulden folgendermaßen: 
Dberbayen.... 41,222,868 M 
Niederbayen... 4,848,630, 
Pfalzz. 6,993, 08688, 
Oberpfalz und Regensburg. 6,148, 508, 
Oberfranken.. 8,063, 560, 
Mittelfranken. 15,752, 442, 
Unterfranken u. Aschaffenburg 18,043,3468, 
Schwaben und Neuburg 18,845,686, 
119,913, 121 M. 
Stellt man diese Zahlen in Verhältniß zu der 
Zeelenzahl der einzelnen Kreise, so ergibt sich, daß 
Oberbayern bei einer Seelenzahl von 949,899 der 
am meisten mit Schulden belastete Regierungs⸗ 
bezirk ist. An diesen reihen sich an:. 
Schwaben u. Neuburg hei einer Seelenzahl von 
6za,798 
Unterfranken bei einer Seelenzahl von 625,478 
Mitttelfranken, „ F 642,344 
Oberfranken 574,090 
Oberpfalz ꝑ“ 526,967 
Pfalz — 676,098 
u. Niederbayern , 643,847 
Wir Pfälzer sind demnach hinsichtlich der Schul⸗ 
den am zweitbesten dran, bemerkt die „Pf. Pr.“, 
der wir das Vorstehende entnehmen. 
4 Gebel.) Die in Nürnberg erscheinende 
Fränk. Tagespost' theilt mit, daß der Reichs⸗ 
agsabgeordnete Bebel seit einiger Zeit mit Familie 
n Nürnberg sich befindet, um im Gewerbemuseum 
die Erzeugnisse seiner Fabrik auszustellen. Der 
Aufenthall Bebels soll nur auf 8-14 Tage be⸗ 
rechnet sein. Wie die „Fränk. Tagespost“ ferner 
miitheilt, wird Herr Bebel von der Polizei scharf 
heobachtet; so sei in der Gießereistraße 8 eine Art 
Polizeistation in der Wohnung eines Fabrikarbeiters 
tablirt, um die Hausthüre Gießereistraße 5, 
Bebel wohnt, beobachten zu können. 
Straßburg, 15. April. Der „Elsqp 
rothringischen Zeitung“ zufolge ist zur Herbe— 
ührung eines geregelten, wirksamen Sicherheits 
dienstes gegen Rhein-Ueberschwemmungen die Hep 
tellung einer telegraphischen Verbindung von — 
ningen den Rhein entlang bis Straßburg 
Vorbereitung begriffen und wird mit Arbeiten fi 
derstellung einer neuen Linie binnen Kurzem de 
jonnen werden. Auch mit der badischen Regierun— 
ind die behufs Regulierung der Stromverhälmiß 
bei Rheinau gepflogenen Verhandlungen zum Ab 
schluß gelangt. 
Mainz. An den Tagen des 19. und 2 
Mai findet hier der siebente deutsche Schmiedeta 
Verein selbständiger Schmiedemeister Deutschland 
statt. Gleich den übrigen Gewerben haben sig 
schon seit einer Reihe von Jahren die Schmiede 
meister in Deutschland zusammengethan, um au 
dem Wege der Zentralisation die Hebung des Ge— 
werbes nach allen Richtungen hin zu erstreben. 
Jeder selbständige Meister ist berechtigt, die Ver— 
ammlung, welche in dem herrlichsten Renaissancebeu 
Deutschlands, in dem ehemaligen Akademiesaal des 
Residenzschlosses der Kurfürsten von Mainz, abge— 
hJalten wird, zu besuchen, um sich von den Ve— 
trebungen, die der Verband der Schmiedemeil⸗ 
»ezweckt, zu überzeugen. 
F In Heringen Massau) ist vor einige 
Tagen ein Israelite, der alte „Dickstein,“ im 107 
Lebensjahre gestorben. Der Verstorbene hatte der 
ruffischen Feldzug gegen Napoleon 1. als Kosaden 
ffizier mitgemacht. 
Großes Aufsehen hat in Frankfurt derr 
Folge eines Versehens eines Apothekers durch Ver⸗ 
ziftung eingetretene Tod eines Kindes erregt. De 
Apotheker hatte statt Chinin Morphium gegeben. 
Der herbeigerufene Arzt, der die Medizin verschrieben 
jatte, wollte dem Vater beweisen, daß das Kind 
nicht in Folge der Medizin gestorben sei und tranl 
ihnungslos den Rest derselben. Durch schleuni— 
uingewandtes Gegengift gelang wenigstens die Ref 
ung des Arztes. 
4 Der Stadtrath von Falken st ein in Sachser 
hat ein neues Mittel zur Eintreibung von Steuer 
ückständen eingeführt. Als der dortige Turnverein 
einen Ball abhalten wollte, verweigerte der Stadt 
rath so lange seine Genehmigung, bis die bei einzelnen 
Mitgliedern des Vereins noch rückständigen Steuern 
ezaglt seien. Der Vorstand des Turnvereins lies 
ich auch wirklich dazu herbei, den Steuer-Executo 
zu spielen und die säumigen Mitglieder durch ge⸗ 
druckte Mahnbriefe zur Zahlung aufzufordern. 
Der Halseisenschlosser Eduard Wilke r 
Berlin ist von den Aerzten der Charité fuür un 
Jeilbar geisteskrank erklärt worden. Demzufolge iß 
dei dem Untersuchungsgerichte die Ueberführung 
zesselben in eine Irrenanstalt beantragt worden. 
Wilte wollte durch ein Halseisen, das sich um den 
dals der Opfer legte und denselben durch Drue 
auf eine Kurbel immer fester zuschnürte, Geld und 
Wechselaccepte von den in die Falle Gelocten 
Jerauszwingen. Die neueste Leipziger „Illust. Zig. 
dringt die Abbildung des Halseisens.“ J 
F Der Import japanesischer und chinefische 
LAuxus⸗Artikel nach Berlin hat in leßter Zeit se 
aberaus großartige Dimensionen angenommen, der 
die Einfuhr dieser Waarer sich im vergangener 
Jahre auf nahezu sieben Millionen Mark beziffer 
hat. Vorzugsweise sind es die lackirten Holzwaaren 
die Vasen und Service aus Porzellan und — 
heim Herannahen der Sommersaison die Palmfächer 
velche besonders stark begehrt sind. Von leßzteren 
hat ein Berliner Haus über 350.000 Dutzemn 
iefern lassen. 
Emin originelles Aushängeschild ist 
rinem Barbierladen der Königgrätzerstraße zu Berlin 
ufgefallen. Hinter der Scheibe der Cingangethit 
ijeht man auf einer Papptafel die Namensfitma 
Inhabers, welche don der Ferne betrachtet au 
lanken elfenbeinernen Lettern zu bestehen scheint 
krin man aber nuüher, so entdeckt man, daß de 
himmernden Buchstaben aus lauter — ausgezogenen 
Zaͤhnen zusammengesetzt sind, die der Barbier gu 
diese Weise als Trophäen seimer Heilllunstler · Thätiglei 
berwertet, just wie die Indianer in ihrem Wigwan 
die Skalpe der besiegten Gegner aufhängen. — 
Ein Monogramm aus Zahnwurzeln ist jedenfal 
der kurioseste Beweis dasuir, wie der Naturalismus 
mmer weitere Gebiete erobert! 
, Wegen Beschimpfung einer Einrichtung