Full text: St. Ingberter Anzeiger

der nächsten Beerdigung mit begraben zu lassen. 
Dort war sie einem Pfründner übergeben worden 
mit dem Auftrage, dieselbe dem Todtengräber zu 
übermitteln. Ersterer begnügte sich damit, das 
Kistchen auf dem Friedhofe niederzulegen ohne dem 
Todtengräber ein Wort darüber zu sagen. Durch 
diese Vummelei entstand die gestern mitgetheilte 
auf den ersten Blick allerdiugs etwas mysteriös 
aussehende Geschichte. (Eilbote. 
Zum Kapitel der Weinschmiererei wird dem 
„L. T.“ aus Gräfenhausen Folgendes berichtet: 
Eine Karlsruher Weinhandlung hatte kürzlich an 
eine Firma in Holstein 4000 Liter angeblich reinen 
ächten Gräfenhauser geliefert für 2800 Mk. (700 
Mi. pro 1000 Liters. Den Herren im Norden 
schien aber der Wein nicht sauber; sie ließen ihn 
chemisch untersuchen, und da stellte sich denn heraus, 
daß man es mit geschmierter Waare zu thun hatte. 
m nun den Lieferanten zu überführen, schrieb die 
Firma in Holstein an das hiesige Bürgermeisteramt 
und fragte an, ob und wie viel Gräfenhauser die 
Karlsruher Firma in der letzten Zeit erworben. Die 
Antwort lautete für das Karlsruher Haus derart 
ungünstig, daß die Firma in Holstein den „ächten“ 
Gräfenhäuser zur Verfügung stellte. 
Am Pfingstsonntag Abends fand in Fran— 
kenthal (und 'an anderen Orten der Vorderpfalz) 
die Verbreitung eines sozialistischen Flug⸗ 
blattes statt. Dasselbe ist verfaßt von einem 
Theilnehmer am Hambacher Fest 1832, Namens 
Johann Philipp Becker, gebürtig von Frankenthal, 
J. Z. in Genf verweilend. Die Einleitung bildet 
die Reminiszenz an Das, was vor 50 Jahren ge⸗ 
schehen, während der eigentliche Kern eine Ver⸗ 
himmelung der Sozialdemokratie bildet, begleitet 
von den in derartigen Flugblättern üblichen Phrasen 
und Drohungen. Wer die Verbreiter des Flug⸗ 
blattes gewesen, ist bis jetzt noch nicht bekannt. 
Dem Fuhrmann Naubinger in Fra nkenstein 
derendeten in der vergangenen Woche drei Pferde. 
Die Untersuchung ergab, daß dieselben durch ver— 
giftete Kleien gelödtet worden waren. Wer diese⸗ 
Zuͤbenstück veruͤbte, ist zur Zeit noch nicht ermittelt. 
Vermischtes. 
München, 25. Mai. Seit dem 22. ds. 
Mis. ist für die Telegramme nach Nordamerika 
ine bedeutende Taxerhöhung eingetreten. Ein Wort 
nach Newyork kostet 2 Mk. 5Pf. gegen früher um 
1 Mk. mehr. 
GMilitärisches) Die Herbstübungen 
der bayerischen Besatzungsbrigade in Metz (4. und 
8. Infanterieregiments) haben dieses Jahr in folgender 
Weise vorgenommen zu werden: Die Regiments⸗ 
übungen haben vom 26. August mit 1. September 
bei Metz siattzufinden, wo auch vom 2. bis 6. Sep⸗ 
tember die Brigadeexerzitien vorgenommen werden; 
die Tage vom V. mit 13. September sind zu De— 
tachementsubungen in der Gegend von Bigy be— 
stimmt. Für die vom 16. mit 28. September an 
der Straße Chanville — St. Barbe— Vigy statt⸗ 
findenden Divisionsmanöver ist die Brigade der 30. 
preußischen Division zugetheilt. Auf die Dauer der 
Uebungen werden der bayerischen Brigade nachstehende 
preußische Truppentheile unterstellt: Das Dragoner- 
regiment Nr. 9, das Ulanenregiment Nr. 4, die 
2. Abtheilung des Feldarlillerieregiments Nr. 31 
mit 3 Batterien und eine Compagnie des 15. Pionir⸗ 
bataillons nebst Traindetachement; das in Saarge⸗ 
münd stehende 5. Chevaurlegersregiment übt mit 
der 31. preußischen Division. 
Das Militärbezirksgerich Würzburg ver⸗ 
urtheilte am 26. Maĩ den Secondelieutenant Frhen. 
d. Crailsheim vom 2. Ulanen⸗Regiment in Ans⸗ 
bach wegen Mißbrauch der Dienstgewalt und Miß 
handlungen seiner Untergebeuen zu 412 Monaten 
Festungshaft. 3 
Augen Pulv er. Aus Kitzingen wird 
berichtet, daß der dort lebende Bauchredner Herr 
Wirth eine Korrespondenzkarte mit 7200 Worten, 
„Die Chronik Kitzingens“ enthaltend, zur Nürn⸗ 
herger Landesausstellung angefertigt. Die bei der 
Stuͤttgarter Ausstellung ausgelegte Postkarte ent⸗ 
hielt nur über 5000, und eine gleiche, welche z. 3. 
in Nürnberg bereits ausgestellt, nur 6069 Worte. 
Somit dürfie die kalligraphische Leistung des Herrn 
Wirth unübertoffen dastehen. 
Aus Bayern wanderten im Jahre 1881 
nach dem Berichte des Reichskommissärs 12,492 
Personen aus. 
Aus Saargemünd erhält die Redaktion 
der „Zw. Ztg.“ folgende beachtenswerthe Zuschrift: 
„In RNr. 118 Ihres Blattes bringen Sie uus 
Ihrem Obst- und Gartenbauvereine verschie— 
dene Mittel zur Vertilgung des Uugeziefers 
in den Gärten in Vorschlag, die aber theils um— 
tändlich, theils etwas theuer sind und den Zwech 
doch nicht erreichen. Das einfachste und billigste, 
zugleich aber auch das sicherste Mittel gegen Schnecken 
ec. ist Sal z, und zwar Bieh⸗ oder Kochsalz, wo— 
von ersteres den Vorzug verdient, weil dies das 
Ungeziefer nicht allein abhält, sondern tödtet, ohne 
für die Pflanzen schädlich zu sein. Nemen Sie 
z. B. eine Schnecke — groß oder klein — und 
destreuen Sie solche mit Salz, so wird sie binnen 
veniger Minuten todt sein; bestreuen Sie den 
Boden mit Salz, namentlich bei feucher Witterung, 
vo das Ungeziefer am meisten zum Vorschein 
ommt, so wird das Ungeziefer nicht blos von den 
Oflanzen abgehalten, sondern es verschwindet voll⸗ 
tfändig. Selbst gegen die Raupen im Kraut, gegen 
»en Erdfloh und gegen die Blattläuse in den Rosen⸗ 
töcken habe ich Salz in der Weise angewendet, daß 
ch solches in Wasser auflöste und die Pflanzen 
espritzte, und den besten Erfolg gehabt. Den 
Iflanzen schadet das Salz gar nicht, vorausgesetzt, 
aß es nicht bei heißem Wetter in zu großer 
Menge gestreut wird; im Gegentheil habe ich ge— 
iunden, daß die Pflanzen sich viel schneller und 
esser entwickeln.“ 
F Eisenindustrie.) Aus Fachkreisen wird 
der „Frkf. Ztg.“ geschrieben: Hinsichtlichtlich der 
Saar⸗ und Moselwerke ist zu konstatieren, daf 
ämmtliche Werke gegenwärtig sehr beschäftigt sind, 
daher an ein Heruntergehen der Preise vorerst nicht 
zu denken ist. Die alten Kontrakte find nun bald 
alle erledigt und die Abnehmer müssen sich verstehen, 
die jetzigen Preise zu bezahlen. Die Schleuderei bei 
Verkäufen aus zweiter Hand hat so gut wie auf⸗ 
zjehört. Die Werke haben beschlossen, an den 
Januar⸗Preisen für Bleche, Stabeisen, Träger ꝛc. 
estzuhalten. 
F Metz. Der Kaiser hat, dem „Schwäb. 
Merk.“ zufolge, der Gemeinde Rezonville zur 
Verschönerung und innern Ausstattung der Kirche 
eine Beihilfe von 5000 M. bewilligt. Auch die 
Glocken sind ein Geschenk des Kaisers, der den ge⸗ 
chichtlich berühmten Ort in seinem Gedächtnisse 
»ewahrt hat. Hier war es nämlich, wo nach der 
Schlacht von Gravelotte⸗St. Privat der greise, von 
den Strapazen des Tages übermüdete Feldherr sein 
Nachtquartier nahm. Das mehr als bescheidene, 
am Ende des Dorfes stehende Häuschen ist durch 
ine, vom Kriegervereine gestiftete, mit ensprechender 
Inschrift versehene Marmorplatte für den Fremden 
enntlich gemacht. In der Nähe liegt das Quartier 
Bismarcks, eine kleine Herberge, in welcher den 
Touristen das nicht eben sehr geräumiqge Schlaf⸗ 
jimmer gezeigt wird. 
F Heidelberg. Für die voraussichtlich sehr 
hedeutenden Schadenersatzansprüche, welche 
aus Anlaß der durch den am Pfingstmontag erfolgten 
Zusammenstoß zweier Bahnzüge herbeigeführten 
Tödtungen und Verletzungen erhoben werden dürften, 
wird ausschließlich die großh. badische Eisen— 
bahnverwaltung aufzukommen haben. 
FHeidelberg, 30. Mai. In der Nacht 
vom 28. auf 29. ds. erhängte sich in seiner 
Wohnung in Neuenheim ein Student aus Bayern 
Namens L. Fischer bei verschlossener Thüre am 
Fensterriegel. Ursache, laut hinterlassenem Brief: 
zerrüttete Vermögensverhältnisse. 
Aus der hessischen Pfalz, Bodenheim, Lauben⸗ 
heim, Mombach, Kastel, Mainz, Bingen bis Frank⸗ 
urt wird über den ungeheueren Schaden, welchen 
das mit Hagelschlag verbundene Gewitter vom 30. 
Mai angerichtet hat, gekllagt. Der Regen ist wolken⸗ 
bruchartig gefallen und Hagelkörner bis zur Größe 
don Taubeneiern haben die Saaten und die Wein⸗ 
berge verheert. Möchte der Landmann endlich doch 
einsehen, wie dringend die Versicherung gegen den 
dagel noth thut. 
F Koblenz, 31. Mai. Nach einem soeben 
eingetroffenen Berichte aus Cochem ist dort gestern 
Nachmittag gegen 5 Uhr Feuer ausgebrochen, wel⸗ 
hes 15 Häuser auf dem Burgfrieden, am Fuße 
der Burg Cochem, einäscherte. 
Wesel. Eine nicht geringe Ueberrasch 
ung wurde, wie die Krefelder Zeitung berichtet, 
dieser Tage einer Waschfrau zu Theil, als sie in 
hr Schlafzimmer trat und dort zwei fremde Kinder 
m ihrem Bette vorfand. Die Untersuchung stellte 
fest, daß eine Zigeunermutter in dem Schlafzimmer 
zewesen war und, um sich ihrer Kinder zu ent—⸗ 
edigen, dieselben dort untergebracht 
Schicksal überlassen hatte. Die Kinder well 
Atlerlich und schrieen nach ihrer Mutter 
Rabenmutter hatte sich iedoch aus dem Sc 
gemacht. 
F(Der Wolf des Reichskanzlert 
Fürst Bismarck hat dem Zoologischen Gatten 
Düsseldorf einen gezähmten sehr großen Wol 
chenkt, denselben, welchen der Reichskanzler — 
einiger Zeit von einem russischen Fürsten 8 
Beschenk erhalten hatte. Bisher hatte der 9 
in Friedrichssruh an einer Kette gelegen und 
hort durch gute Aufführung die allgemeine d 
aeigung in so hohem Grade erworben, daß 3. 
vor dem Eintreffen des Thiers in Düsseldorsn 
Fürstin Bismarck dort telegraphisch angefragt ha 
ob der Wolf auch wohlbehalten angelangt sei. 
FGerufsstatistik.) Welche außerordeh 
lich große Arbeit mit der am 5. Juni stattfindem 
Erhebung einer Berufsstatistik im Deutschen Re— 
oerbunden sein wird, ergibt sich u. A. auch g. 
)er Menge der Drucksachen, welche zu diesem Zue 
jaben angefertigt werden müssen. Es sind gedrit 
vorden: ca. 18 Millionen Zählbogen, ca. 800,09 
Bogen Anweisung für die Behörden, Zählerinstem— 
tionen und Controllisten, 33 Millionen Zahlblaitha 
und 2 Millionen Bogen Hilfsformular. Die Kosr 
für diese Drucksachen belaufen sich auf ungesih 
272,000 Mk.; außerdem sind noch fernere 40,0 
Mk. als Druckkosten, behufs Veröffentlichung d 
Zusammenstellung sämmtlicher Reichsübersichten h 
Voranschlag gebracht. Die Herstellung all die 
großen Menge von Druchksachen ist im Submission 
wege einer Berliner typographischen Anstalt üb 
tragen worden, welche jedoch ihrerseits 40 Diu 
maschinen in anderen Officinen in Anspruch ud 
men mußte, um den Auftrag auszuführen. 
FGroviant-Verbrauch eines Ocea 
Dampfschiffes auf der Reise vice versa gor 
»urg und New-York. Der Hamburger Pop 
dampfer „Gellert“ hat während seiner letzten Rei⸗ 
zum eigenen Bedarf als „schwimmendes Hotel erste 
Ranges“ folgende Massen Proviant mit sich gefüht 
Die Mannschaft besteht aus 112 Personen, m 
1116 Passagiere waren vorhanden. Dieses erg 
für eine 13tägige Fahrt resp. Rundreise von? 
Tagen 21,268 Rationen. Hierzu wurden gebraugt 
23000 Pfund frisches Fleisch, Salzfleisch un 
onstige Fleischsorten, 1410 Pfund Fische, Lush 
Pfund Geflügel, 564 Pfund Rauchfleisch und ge 
räucherte Zungen, 993 Pfund geräucherter n 
564 Pfund Mettwurst, 920 Pfund Käse, 168 
Dosen Sardinen, 13.988 Eier, 441 Dosen Milth 
5200 Pfund Butter, 42000 Pfund Karloffen 
21268 Pfund Brot, 4200 Pfund Hülsenfritht. 
780 Pfund Hafergrütze, 2800 Pfund Kaffee, oi 
Pfund Thee und eine Unmasse von Detikatesen 
als eingemachte Gemüse und frische Gelees, Sust 
Thotolade, Cakes ꝛtc., ferner frische Gemüse. Us 
Betränken verkonsumirte der „Gellert“ 820 Flasthen 
ranzosische und 850 Rheinweme diverser Marn 
290 Flaschen Champagner, 150 Flaschen Desn 
wveine, 860 Flaschen Spirituosen, 100 Flasto 
Porter und Ale, 9800 Flaschen diverse Biere sor 
Flaschen Sodawasser und 800 Flaschen Sele— 
und Sauerbrunnen. 
(Moltke, ein Spion in Poler 
Vor einiger Zeit hatte sich in der unweit Warjtt 
Jelegenen polnischen Goubernementsstadt Lubl 
das Gerücht verbreitet, Graf Moltke sei dehthh 
zu Spionirzwecken eingetroffen. Veranlassung 
dem Gerücht hatte das aufsallende Benehmen ein 
sehr alten Mannes in einem Lubliner Gasthoe 
Jeben.“ Derselbe plauderte viel () über tusne 
Holitit, über die Judenderfolgungen, und sol dun 
uinter Anderem geäußert haben: „Die Deutth 
verden den Russen schon Menschlichkeit e 
Außerdem wollte man bei ihm einen ganzen — 
mit Reichskassenscheinen gesehen haben, Kutz. 
Zache giag so weit. daß der Poligeimeister in ku 
dzersönlich alle Gasthäuser besuchte, um den v 
derlichen Alten zu bekommen. Umsonst! Et 
»erschwunden. Jetzt schwören viele Lublinen 
redselige Alte sei kein Geringerer gewesen, e 
Heneral⸗Feldmarschall von Moltke, der als 7 
nach Polen und Rußland gekommen, um persoꝛ 
zu „rekognosziren“. 4. 
Eine Weberin aus töniglig, 
Blute — das dürfte doch wohl eine seltene 
cheinung sein. Als im Jahre 1831 sich e 
jen der polnischen Revolution allmälig vr 
Alten. veeßen viele polnische Adelige ihr B