Full text: St. Ingberter Anzeiger

desten Pflege erfreuen, sich tummeln zu sehen und 
wird deshalb der Eichelscheid faft täglich von den 
Bewohnern der Umgegend besucht. 
Dahn, 6. Juni. Am 1. Juni wurde 
unser Nachbarort Busenberg durch einen Besuch 
überrascht, der sich wohl selten wiederholen möchte. 
Der vor ca. 70 Jahren ausgewanderte, ehemals 
in Busenberg beheimathete Georg Gebel suchte 
seine alte, von ihm immer geliebte Heimath noch 
einmal auf, nachdem er ganz Europa, Nordamerika 
und Californien bereist und in San Franzisco ge⸗ 
lebt hatte. Hauptsächlich war es die mitten im 
Orte stehende von seinem Vater Andreas Gebel im 
Jahre 1802 gepflanzte Linde, welche ihn sehr anzog 
Ind die jetzt einen Umfang von 2 Meter 50 Centi⸗ 
meter erreicht hat. Der alte Mann, welcher 88 
Jahre zurückgelegt, erfreut sich noch der besten Ge— 
sundheit und soll in guten Verhältnissen im Kloster 
Barbara zu Straßburg leben. (A. W.) 
— Die Versammlung des „Vereins pfälzischer 
Schriftsteller und Künstler“ wird erst am 25. d 
in Annweiler stattfinden. 
— Auch in Frankenthal wurden bereits 
am Samstag die ersten neuen Kartoffeln 
geerntet. Dieselben besaßen schon eine respektable 
Größe; auch die Qualität war über Erwarten sehr 
befriedigend. 
Den Adressen, welche aus der Pfalz an den 
Reichskanzler in Sachen der Einführung des 
Tabakmonopols gerichtet wurden, hat sich eine 
aus der Gemeinde Haßloch, Bezirksamt Neustadf 
a. H., angeschlossen. Dieselbe trägt 641 Unter⸗ 
schriften. 
Vermischtes. 
München, 6. Juni. Die Nummer 156 
der Frankfurter Zeitung (Morgenblatt) wurde auf 
richterliche Verfügung wegen eines im Feuilleton 
dieses Blattes enthaltenen, das Andenken Se. Maj 
des Königs Ludwig J. von Bayern beschimpfenden 
Gedichtes beschlagnahmt. 
p'augsburg, 7. Juni. Der „Postzeitung“ 
zufolge haben ca. 300 Arbeiter der Buntweberei 
wormals Rieginger) die Arbeit eingestellt wegen 
derweigerter Aufbesserung der niedrigen Löhne. 
JNürnberg, 7. Juni. Dem Fränkischen 
Kurier“ zufolge wird der deutsche Aerztetag 
hierselbst am 30. Juni abgehalten werden. 
F In dem Dorfe Kammern (Niederbayern) 
hrannten der Pfarrhof und weitere 7 Wohngebäude 
mit ca. 20 Firsten ab, unter welchen das Schul⸗ 
haus. Es sind auch ca. 50 Stück Vieh (Pferde. 
Hornvieh und Schweine), sowie die werthvolle 
HZibliothek des Pfarrers mitverbrannt. Man glaubt 
als bestimmt annehmen zu dücfen, daß der Brand 
von ruchloser Hand angelegt worden sei. 
Saarbrücken, 7. Juni. Der Raubmoͤrder 
Mathias Lorenz, 31 Jahre alt, Schreiner und 
Stellmacher aus Trier, wohnhaft in Koln, zuletzt 
in Wilsberg bei Pfalzburg sich aufhaltend, welcher 
am 2. Febtuar ds. Is. dem Ackerer und Krämer 
Andreas Schütz den Hals durchschnitten und dessen 
Geld geraubt hatte, sich dann hierher flüchtete und 
in St. Johaun verhaftet wurde ist am Montag 
vom Schwurgericht des Unterelsasses zu Straßburg 
zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe verurtheil⸗ 
worden. Dieses Urtheil nahm der Angeklagte mit 
cynischer Ruhe entgegen, er konnte sich eines bos⸗ 
haften Lächelns nicht enthalten, als er aus dem 
Saale geführt wurde. (Sbr. Ztg.) 
Am Sonntag Morgen schlug nach der 
„S.'u. Bl.Ztg.“ bei einem Gewitter der Blitz in 
das Seminargebäude zu Ottweiler. Zum Glüch 
hlieben die mehr als 100 Bewohner desselben alle 
unbeschädigt und kamen mit dem bloßen Schrecken 
der freilich nicht gering gewesen sein mag, davon 
Weißenburg, 3. Juni. Bei dem Pfingst 
moniag⸗Rennen ließen sich der Statthalt er Feld 
marschall v. Manteuffel und sein Sohn wiegen 
Der Valer wiegt 116 Pfd., der Sohn 208 Pfd 
(Bedenkliche Namen.) In Straß⸗ 
burg erscheint eine neue Zeitung, welche gedruckt 
wird von Herrn Wurst, der finanzielle Dirigen 
heißt Schmutz und die Druckerei ist auf dem Sau⸗ 
markt. 
4 (Ein neuer Shylo) Die Straßburger 
Landwirthschaftliche Zeitschrift“ bespricht einen 
Prozeß, der zwischen einem Taglöhner und einem 
Wucherer stattfand. Der Taglöhner erhielt ein 
Darlehen von 150 Mk. und verpflichtete sich schrift⸗ 
lich, jene 130 Mk. in 10 Jahreszielen zu 90 Mk. 
sage und schreibe neunzig Mark, wohlverstanden im 
Ganzen 900 Mk. zurückzubezahlen. Als der erste 
Termin nicht bezahlt wurde, forderte der Halsab⸗ 
chneider die 900 Mk. auf ein Mal. 
Kreuznach, 5. Juni. Wie der „Kobl 
Ztg.“ geschrieben wird, hat sich der Minister der 
yfentlichen Arbeiten den vielfach kundgegebenen 
Wünschen und Gesuchen der Bewohner des Huns- 
rückens wegen Anlage einer Eisenbahn-Verdindung 
wischen der Rhein⸗Nahe- und der Moseselbahn über 
—ADV— 
Trier entgegenkommend gezeigt und nunmehr die 
VBornahme genereller Untersuchungen über die Her— 
jellung von Meliorationsarbeiten im Hundrück und 
Hochwald angeordnet. Mit den diesbezüglichen 
Arbeiten hat derselbe die königk. Cisenbahndirektion 
linksrheinische) zu Köln, in deren Bezirk das be— 
prochene Gebiet gelegen ist, beauftragt. 
4(Millionenerbschaft.) Noch ist die 
Itt'jche Millionenerbschaft, welche in ganz Deutsch⸗ 
—V 
erledigt, und schon taucht eine neue Erbschaft, welche 
jene noch an Bedeutung übertreffen soll, am Hori⸗ 
jont auf, die in Karssruhe und Umgegend vie! 
hon sich reden macht. Die Sache ist kurz folgende: 
Der am 1. Dezember 1753 zu Bulach, Amts 
Karlsruhe, geborene Sohn des dortigen Landwirthe 
Lorenz Traub und der Katharina, geb. Merz, Na⸗ 
mens Johann Georg Traub, ging mit 16 Jahren 
als Schlossergeselle in die Fremde und ließ lange 
Zeit nichts mehr von sich hören. Erst in den 
dreißiger Jahren schrieb er aus der Umgegend von 
London an eine Großnichte, worin er diese benach⸗ 
richtigte, er besitze daselbst eine große Schifferhederei 
und habe ein bedeutendes Vermögen erworben und 
den Wunsch äußerte, es solle ein männliches Mit— 
glied der Familie von jüngeren Jahren zu ihm 
dehufs dessen Ausbildung kommen, weil er keine 
Nachkommen habe. Letzteres unterblieb jedoch, wei⸗ 
sich Niemand zu der großen Reise in das fremde 
Land verstand. Johann Georg Traub, der mit 
einer adeligen Dame verheirathet war und sich 
selbst den englischen Adel erworben hatte, starb 
tInde der dreißiger Jahre mit Hinterlassung eines 
Testaments, worin er seine Anverwandten in Süd⸗ 
westdeutschland zu Erben seines bedeutenden Nach— 
lasses einsetzte. Diese Erben sind Groß⸗ und Ur— 
zroßneffen, bezw. Nichten, welche in verschiedenen 
Dörfern des Amtsbezirks Karlsruhe in theilweise 
dürftigen Verhältnissen leben und denen die Erb— 
schaft wohl zu gönnen wäre. Erst in der letzten 
Zeit haben dieselben Kenntniß von dem Ableben 
hres Groß⸗ resp. Urgroßonkels und dem zu ihren 
Hunsten lautenden Testament erhalten, worauf sie 
selbstverständlich nicht ermangelten, die einleitenden 
Schritte zur Hebung dieses Schatzes zu unternehmen 
Bereits haben sie einen tüchtigen Anwalt mit Ver— 
folgung ihrer Ansprüche betraut und allenthalben 
ist 'man neugierig, welchen Erfolg die Sache haben 
wird. Hoffentlich werden die Reichsbehörden, wenn 
nöthig, dem Unternehmen ihre nachhaltige Unter— 
stützung nicht versagen. 
Aus dem Markgräflerland, 1. Juni. 
Eine Weinversteigerung höchst eigenthümlicher Art 
wurde dieser Tage in Mülheim abgehalten. Dort 
wurden nämlich durch die großherzogl. Obereinnehmerei 
die s. Z. von der Strafkammer Freiburg in dem 
Weinfalschungsprozeß des Weinhändlers Thomas in 
Mühlheim mit Beschlag belegten gallisirten Weine 
ziner öffentlichen Versteigerung ausgesetzt, nachdem 
zuerst im Amtsblatt bekannt gegeben wurde, daf 
die „Weine“ vor Abfüllung unter Aufsicht eines 
Beamten ungenießbar gemacht werden. Das Quan⸗ 
um dieses einst von der Chemie so gepflegten und 
aun so verfolgten „Kunstproduktes“ betrug nicht 
weniger als 1100 Hektoliter und wurde für den 
Hektoliter durchschnittlich 30, sage dreißig Pfennig 
rlöst, trotzdem sich unter den meisten Fässern auch 
reiner Rebensaft befunden haben soll. 
4 Die Nachricht vom neunten Lustmord bei 
Bochum hat sich Gottlob nicht bestätigt. 
F Ein Forstmann in Preußen lag lange 
und hart an der Gicht darnieder und kein Mitte 
wollte anschlagen. Da schrieb ihm ein Kollege: 
aß Dich von Bienen stechen! — Er that's. Drei 
Bienen setzte er kurz nach einander an die schmerz 
vaftesten Stellen seines Fußes, ließ sich stechen und 
jog die Stacheln aus. Es, that weh, aber doch 
aicht so weh, wie die Gicht. Andern Tages stand 
er auf von seinem Schmerzenslager, und wieder 
nach einigen Tagen ging er seinem Berufe nach 
Eine Woche lang spürte er noch leichtes Brennen 
am Fuße, das ihn aber gar nicht genierte. Die 
Biene war sein bester Gichtarzt geworden. So 
zählte er selbst; wir vermissen nur seinen —R 
Zur Uebervölkerung in Deuif 
Kand. In einer Polemik gegen das ———— 
über die Frage der Ehebeschränkungen wendes jr 
die „Nordd. Allg. Ztg.“ gegen die Behauptu 
des erstgenannten Blattes, daß eine Uebervhitern 
gefahr für Deutschland nicht vorhanden sei. 4 
weist u. A. darauf hin, daß Tausende und ab⸗ 
Tausende von Menschen an den direkten Woign 
—V J 
Erwerb elend zu Grunde gegangen sind, und —— 
dann fort: „Auf den Leichensteinen steht das sa 
lich nicht geschrieben, aber für den denkenden At 
ist die kolossaie Kindersterblichkeit in den aärmu— 
Volksklassen nur ein Resultat der mangelnden Pfleh⸗ 
der Neugeborenen. Und dieser Mangel resul 
wieder nur aus dem Umstande, daß die —— 
um ihre Erxistenz kämpfende Arbeiterfrau nicht a 
hat, in geziemender Weise für ihre Kinder 
jsorgen. So wird menschliches Elend massenhoa 
weiter verpflanzt und keine Verbesserung in bu 
staatlichen Intentionen kann Armuth, die aus vo— 
zeitigen Ehen und massenhafter Vermehrung ha 
rührt, beseitigen. Ein sozialistischer Schrifistele 
Karl Kautsky, hat diese Wahrheit unlängst seine 
Parteigenossen in Oesterreich gepredigt, nalürhi 
aber keinen Beifall gefunden. Die sonstigen dolge— 
der Uebervölkerung hat Dr. O. Zacharias in 
Aprilheft der internationalen Zeitschrift „Auf de 
Höhe“ eingehend behandelt, und vor Allem darau 
dingewiesen, daß das Ueberhandnehmen der Geistes 
krankheiten (des Irrsinns und der Hypochondrie 
in den höheren Ständen ebenfalls mit der zuneh— 
menden Uebervölkerung insofern zusammenhäng 
als diese jeden Einzelnen nöthigt, seine geistigen 
und körperlichen Kräfte über das hygienisch zu 
lässige Maß hinaus anzustrengen, um seine Stel 
im Existenzkampfe zu behaupten. So wirkt ein 
übermäßig zunehmende Bevölkerung drückend au' 
alle Stände und Volksklassen, und es ist dringen 
geboten, diesen Druck zu beseitigen oder wenigsten 
zu mildern, indem man die wirthschaftlich Zureu 
nungsfähigen über die Folgen zu früh geschlossene 
khen aufklärt und so auf ihre Entschlüsse zu wir 
ken sucht, während man sich den zahlreichen prolt 
arischen Existenzen gegenüber lediglich auf du 
kinspruchsrecht stützen muß. Ein drittes gibte 
nicht. Die namhaftesten Volkswirthe, darunte 
Roscher und Rümelin, sind der festen Ueberzeugunt 
daß zur Zeit die Gefahr einer Uebervölkerung jü 
Deutschland drohend ist, und wer — wie der Ler 
artikelschreiber des Berliner Tageblattes — * 
Uebervölkerung für ein bloßes Gespenst hält, do 
man nicht zu fürchten brauche, der muß die kind 
liche Vorstellung hegen, daß zuviel Menschen erß 
dann in einem Lande seien, wenn sie sich gegen 
seitig wie Sardinen in einer Blechdose drücen 
daß keiner mehr vorwärts kann. Dieses Uebermu 
kann und wird natürlich niemals erreicht werden 
Raum für mehr Menschen als da sind, wirde 
stets geben, aber nicht Arbeitsgelegenheiten genu 
um sie produktiv zu beschäftigen.“ 
pDer alte Gottlebt noch. Eine,G 
schichte voll interessanter Details erzählte dies 
Tage ein Berliner sehr angesehener Bürn 
und reicher Fabrikant seinen Freunden: Vor fünh 
undzwanzig Jahren war er, der Erzähler, ubr 
Schilder⸗Maler und hatte sich ein Jahr früher du 
heirathet. Das Geschäft brachte nur sparliche Ein 
nahmen, die eben nur zum Leben hinreichten. 
fam eines Tages ein Kollege zu ihm in gioß 
Aufregimg und bat um Gotleswillen, für ihn gun 
Wechsel uͤber zweihhundert Thaler nur als w 
steller zu unterschreiben, da er, der Bedrängte. n 
zum Schuldarrest wandern müsse und vollig 
nirt sei. S., so wollen wir den Bürger bezehun 
der damals die Bedeutung eines Wechsels not 
nicht kannte, unterschrieb ünd hatte schon in 
Tagen die ganze Geschichte vergessen. Inne 
starb der Acceptant am Herzschlag, seine Hinter 
schaft dedte kaum die Begräbnißkosten und 6. 8 
am Verfalltage zur Bezahlung des Wechsels 
urtheilt. Beim Erscheinen des Exekutors war 
sunge Ehepaar wie vom Donner gerührt; das 
Vermögen des S. bestand grade an diesem * 
aus einem Sil bersechser. Da genügende 7 
objekte zur Dedung der Schuld nicht vorh * 
waren, so zahlte der Gläubiger, einer der 5 
herzigsien Wucherer, zum Schuldarrest tin n 
lief S. voll Verzweiflung bei allen seinen Ft 
hilfesuchend umher; aber wer würde ihm