oↄ.. Jlherter Alzeiler.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Inabert.
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115. Dienstag, 13. Juni 1882. 17. Jahrg.
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Politische Uebersicht.
Deutsches Reich.
Berlin, 11. Juni. Das Centrum brachte
arch Windthorst den Antrag ein, beide Theile der
iesolution Lingens abzulehnen und dafür zu setzen:
der Reichstag wolle erklären. daß, da erst neuerlich
uch Gefetz vom 16. Juni 1879 die Erhöhung
Tabakbesteuerung stattgefunden und der finan—
zele Erfolg dieser Erhöhung noch nicht vollständig
xcliegt, jedenfalls noch nicht vollständig übersehen
derden kann, von weiterer Belastung der Tabak—
ndustrie Abstand zu nehmen sei. Der Antrag ist
terschrieben von 51 Mitgliedern des Centrums,
welches mit den Welfen 102 Mitglieder zählt.
die gestern Abend stattgehabte Fraktionssitzung des
dentrums soll sehr bewegt verlaufen sein; auf Ver—
engen fand' namentliche Abstimmung statt. Es
leidt abzuwarten, ob die Konservativen, welche für
ie höhere Tabakbesteuerung sind, in der morgen
gattfindenden Fraktionssitzung sich für den Antrag
Windthorst erklären werden. Die Polen hatten
gestern Abend abermals eine Fraktionsfitzung und
wurde beschlossen, beim Monopol sich der Abstim⸗
ming zu enthalten und gegen den Antrag Lingens
u stimmen.
Bestern (Montag) begann im Reichstags⸗
plenum die zweite Lesung des Tabakmono—
jols. Fürst Bismarck wird sich an derselben be—
heiligen, dann aber wahrscheinlich schon Ende der
Woche zur Kur in Kissingen eintreffen. Der
Echluß des Reichsstages wird in der letzten Juni—
voche erwartet.
Den Berichten fortschrittlicher Blätter zufolge
at die Fortschrittspartei sich bei der Berathung
er Versicherungsgesetzentwürfe nahezu einstimmiç
jsegen das Prinzip der Zwangsver—
icherung erklärt. Das Prinzip galt bisher als
riner derjenigen Punkte, über welche allgemeines
kinberständniß unter allen Parteien bestand; dasselbe
ag auch der von den liberalen Parteien unter
Mitwirlung der Fortschrittspartei entworfenen Re—
vrm des Haftpflichtgesetzes zu Grunde. Die ver—⸗
inderte Stellungnahme der Forischrittspartei muß
ouher die Hoffnung auf die Mitwirkung dieser
— bei einer Regelung der Unfall- und Kran—
nversicherung sehr derringern.
Gesetz zur Verhütung von Zollde⸗
tauvation vermittelfst Poftsendungen.)
der Reichskanzler hat beim Bundesrath folgenden
Untrag gestellt. 1) Von der Zollbefreiung des 84
dit a des Zolliarifgesetzes vom 18. Juli 1879
diejtrigen Waarensendungen im Einzelgewicht von
brutto 50 Gramm und darüber auszuschließen,
uren Einfuhr mit der Post über die Grenzen gegen
desterreich Ungarn oder die Zollausschlüsse erfoigt,
mweit diese Sendungen einem Zollsatze von 100
VN mehr für 100 Kilogramm unterliegen;
die zu 1 bezeichneten Sendungen der Verpflich⸗
. zur Inhaltserklärung und der zollamtlichen
kehandlung nach den Bestimmungen des Regula⸗
n über die zollamtliche Behandlung der mil der
aus⸗ oder durchgehenden Gegenstände
aihee Maßgabe zu unterwerfen, daß die die Be⸗
ung von Waarenproben betreffenden, durch
* Beschlüsse des Bundesrathes aufgehobenen
mmungen des Zolltarifs wieder in Kraft zu
7 haben; 3) dem 8 2 des Postregulalivs fol⸗
n Zusatz zu geben: „Liegt Grund zu der
9 huna vor, daß mit den Briefposten zoll
iqe Gegenstände in zollpflichtiger Menge ein—
zjeführt werden, so sind die Zoll⸗ und Steuerbe—⸗
imnten befugt, in den Dienstlokalen der betreffenden
Postanstalten der Eröffnung der Brief- und Fahr⸗
vostbeutel oder Packete beizuwohnen, um von —
Inhalte Ueberzeugung zu nehmen; die etwa vor
jefundenen Briefe oder Packete, bei welchen sich
»ie Vermuthung zollpflichtigen Inhalts rechtfertigt,
owie zollpflichtige Waarenproben von mehr als
250 Gramm sind der zollamtlichen Vorabfertiqung
u unterwerfen.
Aus Frankfurt, 12. Juni schreibt das
Frankf. Journal: Also bis zum Vorabende des⸗
enigen Tages, an welchem Fürst Bismarck im
Reichstag seine politischen Gründe für die Noth—
vendigkeit größerer Reichseinnahmen entwickeln wollte,
jat sich Ignatieff zu halten vermocht. Bestern
Ubend stürzte der ‚,Vater der Lüge“. Dessen freuen
vir uns aufrichtig: es ist der erste Entschluß des
zZaren Alexander III., den ganz Europa mit unge—
heilter Freude begrüßen wird, zumal dem einen
Act eine Reform, die Abschaffung der Kopf⸗
teuer, vorausgegangen ist, welche die Gewähr da⸗
ür leistet, daß mit Ignatieff auch dessen System
u Ende sein soll. Und noch eins ist es, was
ins ganz besondere Genugthuung bereitet, weil es
)em sehr wacklig gewordenen europäischen Frieden
vieder größeren Bestand verbürgt: daß unser Kanz⸗
ier heute im Reichstag nicht mehr nöthig hat, auf
die von Osten drohende Gefahr hinzuweisen, um
die politische Nothwendigkeit des Tabakmonopols
damit zu erhärten. Höchsftens retrospectiv braucht
ex die bis gestern vorhanden gewesene Gefahr zu
detonen. Was wir noch wissen möchten, aber
vahrscheinlich so rasch nicht erfahren werden, sind
die Gründe. welche den Zaren bestimmt haben, die
Befahr fortbestehen zu lassen just bis zum ersten
Hlockenschlag der zwölften Stunde, wir möchten
sagen, bis unser Kanzler mit einem Fuß schon auf
der Tribüne stand, von der aus er Europa an den
Ernst des Augenblicks mahnen wollte! Ob die
ieueste Wandlung der Kreuzzeitung aus einer
Freundin des Ignatieff'schen Ausland zu einer
Begnerin desselben vielleicht auf Schritte hinweisen
ollte, welche nicht sowohl von Cabinet zu Tabinet,
sondern von Hof zu Hof bis zum letzten Moment
unternommen wurden, um die Veranlassung zu des
Kanzlers Warnung noch zu beseitigen?
Die Confelralien des Freiburger Ecbisch⸗
ofs dürfte erst im Juli erfolgen, da der Consekrator,
Bischof Hefele, bis 8. Juli auf Firmungsreisen be—
griffen ist, die nicht unterbrochen werden sollten.
Der Unterschied in der Bevölkerungszunahme
in Deutschland und Frankreich erfüllt die
ranzösischen Politiker mit steter Sorge. Charles
Richet rechnet in det ‚Revue des deux mondes“
aus, daß im Jahre 1932 Deutschland 83, Frank⸗
reich aber nur 44 Millionen haben werde. Zur
debung der Bevölkerungsziffer Frankreichs, das bei
dem jetzigen Zustande in politischer und wirth—
schaftlicher Begutachtung einer schweren Zukunft
entgegengehe, schlägt Richet verschiedene Mittel vor,
vie Begünstigung kinderreicher Familien bei der
Steuerveranlagung, eine Junggesellensteuer, die
Bewährung einer Rente für das sechste und jedes
olgende Kind.
Ausland.
London, 12. Juni. Große Erregung herrscht
n allen Kreisen. Ein Ministerrath wurde soeben
einberufen. Die Truppen, welche in Alexandria
ins Land gegangen, beschützen das englische Consu⸗
sat daselbst. Man fürchtet, es werde der Khedive
abgesetzt und auch unser Vertreter Malet verjagt
werden. Die Presse fordert einmüthig, daß die
kräftigsten Maßregeln zum Schutze der Europäer
ergriffen werden. (F. J.)
Nom, 7. Juni. Die „Gazzette Piemontese“
cheilt mit, daß Zollwächter unweit der Grenze bei
San Remo einen Bauer festgenommen haben, welcher
Fortificationen abzeichnete. Er wurde nach Remo
zebracht, entpuppte sich hier als ein französischer
Beneralstabs-Capitän Namens Fictor Didier, und
da er auch verbotene Waffen bei sich führte, so
vurde er vom Correctionsgericht zu drei Monaten
Befängniß verurtheilt.
Konstantinopel, 11. Juni. Die Vertreter
von Oesterreich⸗Ungarn, Deutschland, Rußland und
Italien begaben sich heute zur Hohen Pforte, um
daselbst die von den westmächtlichen Botschaftern
u Gunsten des Conferenzprojects unternommenen
Schritte zu unterstützen und die Pforte zum Bei⸗
ritt zu bewegen. Minister Said Pascha empfing die
Botschafter, antwortete jedoch einftweilen noch aus⸗
veichend und glaubte dieselben ebenso wie die Ver—⸗
reter der Westmächte auf das Rundschreiben der
— ( Damit
st der Vorschlag natürlich nicht abgethan. Dem
inigen Europa gegenüber kann der Sultan nur
Biderstand leisten, wenn er mit seinem egyptischen
Feuerwerk zuerst selbst in die Luft fliegen will.
Beiläufig bemerkt, widerlegt übrigens dieses ein
müthige Handeln der Mächte nachdrücklich genug
den Unsinn der Gambetiistischen Blätter, welche
dem deutschen Reichskanzler nachsagen, er treibe
nacchiavellistische Politik und reize insgeheim die
Pforte zu einer gegensätzlichen Stellung wider die
Westmächte.)
Petersburg, 12. Juni. Auf allerhöchsten
Befehl soll die Enthebung Ignatieff's und die Er—
iennung des Akademiepräsidenten Grafen Tolstoi
um Minister des Innern erfolgt sein.
Alerxandrien, 12. Juni. Gestern Nach—⸗
nittag sin Unruhen gegen die Europäcer
usgebrochen. Um 7 Uhr Äbends, fünf Stun—
den nach deren Beginn, erschien Militär,
erstreute die aufrührerischen Eingebornen und stellte
die Ordnung wieder her. Der englische Konsul
TFookson wurde schwer verwundet, ein Ingenieur
)es englischen Panzerschiffes Superb“ durch einen
bistolenschuß getödtet.
Alexandrien, 12. Juni. Während der
jestrigen Ruhestörungen wurden auch der griechische
donsul und der italienische Vizekonful schwer ver⸗
vundet. Das englische Schiff „Superb“ wird
Jeute Nacht in den Hafen einlaufen, 200 Mann
zum Schutz des Konsulats ausschiffen und
zie englischen Unterthanen an Bord nehmen. Die
Zahl der Getödteten wird auf 20 geschätzt.
Rairo, 11. Juni. Derwisch Pascha hat seine
zestimmte Hoffnung auf eine baidige Lösung der
zegenwärtigen Schwierigkeiten ausgesprochen. (Die
Zoffnungen sind heutzutage wohlfeil wie Brombeeren.
Das Wie der Lösung ist die Haupisache.)
Kairo, 12. Juni. Die Ruhe wurde Nachts
vieder hergestellt. Die Stadt ist von Truppen
hesetzt. Man versichert, daß die Unruhen an drei
herschiedenen Orten der Stadt ausbrachen und
Jlaubt deshalb, daß dieselben vorbereitet gewesen
varen. Derwisch Pascha begab sich in Begleitung
der Unterstaatssecreiäre des Kriegs und der Justiz,
owie eines Flügeladjutanten des Khedivas mittelst
ẽxtrazugs nach Älexandrien. Man nimmt an, daß,
alls die Unruhen sich wiederholen, die Gehern.