Full text: St. Ingberter Anzeiger

xt. Justberter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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116. 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
Berlin, 13. Juni. Die Monopoldebatte 
mder heutigen Reichstagssitzung, die bereits eine 
aerlliche Abspannung zeigte, eroͤffnete Abg. Richter⸗ 
Hagen) mit einer langen, polemischen Erwiderung 
zuf die gestrigen Ausführungen des Reichskanzlers, 
die der fortschrittliche Redner Punkt für Punkt zu 
viderlegen versuchte. Seine Rede kam zu dem 
Schluß, daß neue Reichssteuern überhaupt kein Be— 
ürfniß seien und daß man daher den Antrag 
uingens annehmen müsse, damit nicht nur die Tabak— 
ndustrie, sondern das wirthschaftliche Leben der 
latien überhaurt endlich einmal Ruhe gewinne. 
in den Drohungen mit fortgesetzten Landlagsauf— 
oͤsungen im Falle der Widersetzlichkeit in der Steuer⸗ 
eformfrage und andern Aeußerungen des Reichs⸗ 
anzlers erblickte der Redner absolutistische Bestre— 
ungen, die Neigung zu einem Staatsstreich und 
Vergewaltigung des Volkswillens. Schatzsekretär 
zcholz widersprach verschiedenen Ausführungen des 
wrijchrittlichen Parteiführers und hob die reform⸗ 
edürftigkeit der direkten Steuern hervor, die aber 
hne neue Reichseinnahmen nicht reformirt werden 
önnten. Abg. von Minnigerode führte die Debatte 
us der Region der hohen Politik und der Steuer— 
eform im Allgemeinen wieder mehr auf die spezielle 
fzrage des Monopols zurück und unterwarf die 
berathung und den Bericht der Kommission einer 
eht absprechenden Kritik. Die Monopoffrage sei 
reine Parteifrage; auch von den Konservativen werde 
ie Hälfte gegen das Monopol stimmen. Auch 
Abgeordneter Windthorst erkärte das Monopol mit 
einen zerstörenden wirthschaftlichen Folgen für ver— 
derflich, erkannte aber an, daß der Steuerdruck im 
dande vorhanden sei und der Abhülfe bedürfe. 
leber die Wege zu einer solchen Abhuülfe und über 
eine Stellung zu den steuer⸗ und sozialpolitischen 
Plänen des Reichskanzlers drüdtte sich der Führer 
cs Centrums im übrigen in recht geschraubten 
Vendungen aus. Abgv. Kardorff und Unter⸗ 
wnatsselretär v. Mayr suüchten in wenig wirkungs⸗ 
oller Weise verschiedene gegen das Monopol erhobene 
bedenken zu entkräften. Abg. v. Magdzinski er⸗ 
äuterte die Beweggründe, welche die polnische Frak⸗ 
„¶n veranlaßten, sich der Abstimmung zu enthalten. 
Usdann wurde die Verhandlung auf morgen vertagt. 
Berlin, 14. Juni. Beim Fürsten Bismarck 
ind heute die Abg. von Bennigsen, von Minnige⸗ 
inde. don Frankenstein und von Kardorf gewesen, 
m fich wegen der Vertagung des Reichs— 
ags mit dem Reichskanzler zu desprechen.Sie 
nden den Fürsten in frischer Gesundheit und bester 
küimmung. Er theilte die Ansicht, daß der Reichs⸗ 
ag fich vertagen solle. Doch werde er den Reichs⸗ 
n erst im Dezember oder in den beiden eissen 
Nonaten von 1888 einberufen können. Vorher, 
ahe unmiltelbar bei den Wahlen, müsse erst der 
—0 Landtag zusammentreten, um sich, wie 
danzler auch in seiner Rede es angekündigt, 
it dem Verwendungsgesetz zu beschäftigen. Man 
re uun, daß das Schreiben des Kanzlers an 
Prasidium des Reichstags. worin die Vertagung 
prochen wird, am Samstag eintreffen werde. 
der Vertagung will der Kangler das Gesetz 
— für die Hinterbliebenen des Offizierz 
s feruͤggestellt sehen. —Von anderet Seit⸗ 
ich der Kanzler habe es im Zweifei gelassen, 
den Reichstag im Herbsiede J. oder erst 
ma 1883 einberufen werde. Im Reichslag, we 
Donnerstaa, 15. Juni 1882. 17. Jahrg. 
Bismarck soeben eintrifft, wurden alle Berichte von 
dem Gespräch der genannten Abgeordneten mit dem 
anzler mit hoher Befriedigung aufgenommen. 
Fürst Bismarck hat für dieses Jahr end⸗ 
zültig von der Badereise nach Kissingen Abstand 
genommen. Der Reichskanzler wird sich zu seiner 
Erholung der Ruhe des ländlichen Aufenthaltes in 
Varzin hingeben. 
Die Schuldenhast der Straßburger 
Tabakmanufaktur soll, wie in parlamen⸗ 
arischen Kreisen verlautet, 2,734, 000 M. betragen. 
Ausland. 
VParis, 14. Juni. Die Abreise des Khedive 
und Derwisch Pascha's nach Alexandrien läßi hier 
die subjektive Meinung aufkommen, daß die Türkei 
heimlich Truppenlandungen vorbereite. 
London, 12. Juni. Die Fenier bedrohen 
jen Kardinal-Erzbischef von Dublin mit dem Tode. 
Es sind außerordentliche Maßregeln zu seinem 
Schutze getroffen. 
DSublin, 12. Juni. Die römisch-katholischen 
kischöfe von Irland haben eine Adiesse er⸗ 
assen, worin sie es als großes Unrecht erklären, 
venn Diejenigen, welche die Mittel dazu haben, 
— noch 
Andere davon abhalten; außerdem werden die Ge— 
valtakte, sowie die Bildung von geheimen Gesell⸗ 
schaften auf das Strengste mißbilligt. Erst wenn 
die nationale Bewegung von diesen Flecken befreit 
jei, werde der katholische Klerus von Irland dieselbe 
nit aller Energie unierstützen. . 
Petersburg, 13. Juni. Der größte Theil 
der hiesigen Presse äußert sich mit Genugthuung 
üüber den Rüucktritt Ignatieffs's, dessen einjährige 
Ministerthätigkeit im Allgemeinen angesichis der 
schwierigen Lage als wenig fruchtbar bezeichnet 
vird. Bezüglich der Ernennung Tolstoi's halten 
ich die Blätier reservirt 
Aus Petersburg wird dem Tageblatt mit⸗ 
etheilt, daß dort ein Vataillon Garde, welches zur 
Zewachung der in der Peter⸗Paul-Festung sitzenden 
dihilisten commandirt war, die Correspondenzen der⸗ 
elben mit Hilfe der Beamten an die Außenwelt 
eförderte und Schriftstücke für die Nihilisten diesen 
ushändigte. Nach deren Entdeckung am letzten 
A—— Mittheilung 
jemacht, der, ohne sich lange zu besinnen, unver. 
üglich den Befehl gab, diejenigen Mannschaften, 
velche bei der Entdeckung gerade die Wache gehabt, 
dreißig an der Zahl, sofort zum Richtplatz zu führen 
uind sie dort aufzuknüpfen, was noch am selben 
Tage geschah. Man sagt, daß auch der wachthabende 
Offizier mit den Mannschaften den Tod durch den 
Strang erlitten hat. Der üͤbrige Theil des Bataillous, 
irca 600, wurde sofort abgelöst und nach Sibirien 
geschickt. 
Laut Nachrichten aus Alexandrien haben 
sich mehr als 1000 Europäer in das französische 
Consulat geflüchtet; die Notabeln der verschiedenen 
zuropäischen Colonieen in Aegypten haben an ihre 
Regierungen Telegramme geschickt, worin sie um 
Entsendung von Schiffen und Truphen gebeten haben. 
richt über diese. Der Staud der Kasse ist ein 
außerordentlich günstiger und hat sich die Zahl der 
Mitglieder im letzten Jahre merktich gehoben. Der 
Pensionsverein „Bavaria“ bietet aber auch seinen 
Mitgliedern bei verhältnißmäßig geringen Beiträgen 
gegenüber anderen Vereinen solche Vortheile, daß 
der Eintritt in denselben einem jeden auf das Wohl 
seiner Angehörigen bedachten Familiendater nicht 
odringend genug empfohlen werden kann. 
*St. Ingbert, 15. Juni. Gestern Nach— 
nittag entstand, wahrscheinlich durch ein schadhaft 
zewesenes Kamin, in dem der prot. Kirche gegen- 
überliegenden, an den Handelsmann Hrn. Isaak 
Löb vermietheten Hause des Weinhändlers Herrn 
Farl Hofmann ein Brand, durch den der 
dachstuhl, wie die auf dem Speicher lagernden 
Begenstände des Miethers, als Stroh, Hafer, Klee⸗ 
amen ꝛc. zerstoͤrt wurden. Das Feuer hatte sich, 
zevor es bemerkt wurde, schon auf dem ganzen 
Speicher ausgebreitet und das Holzwerk des Daches 
ergriffen. In dem Hause befindet sich zur Zeit 
nuch die israelitische Schule. Lehrer und Kinder 
varen noch darin beschäftigt, als von Außen Feuer—⸗ 
ärm ertönte und sie auf die Gefahr aufmerksam 
nachte. Dem wirksamen Eingreifen der Feuerwehr 
jelang es bald das verheerende Element auf seinen 
derd zu beschränken und die anstoßenden Gebäude 
u schützen. Löb hat versichert. Lobende Aner— 
ennung verdient, daß auch gestern wieder, wie bei 
rühern Bränden, die Becker'sche Bierbrauerei ein 
zroßes Faß mit Wasser zum Speisen der Spritzen 
nuf die Brandstätte hatte bringen lassen. 
*— Gfälzisches Schwurgericht.) In 
»er Nachmittagssitzung vom · Montag wurde der 29 
Jahre alte Maurer Valentin Barie von Hö⸗ 
ningen wegen Vornahme unzüchtiger Handlungen 
nit Gewalt, nachdem er seine verbrecherische That 
elbst eingestanden hatte, unter Ausschluß mildernder 
UImstände zu einer Zuchthausstrafe von 8 Jahren 
zerurtheilt und ihm zugleich die bürgerlichen Ehten— 
techte auf die gleiche Dauer aberkanni. — Dienstag 
Pormittag wurde der 21 Jahre alte Schreiner und 
Blaser Joh. Adam Schäfer von Schwegen⸗ 
Jeim, angeklagt der Körperverletzung mit nachge⸗ 
olgtem Tode, unter Annahme mildernder Umstände 
u 2 Jahren Gefängniß verurtheilt. — In der 
Pachmittagssitzung desselben Tages wurde die ledige 
Dienstmagd Sibylla Heß von Nußdorf, 21 
Fahre alt, unter Annahme von mildernden Um— 
tänden des Kindsmords sowie der Uebertretung des 
367 Ziffer J, GBeseitigung einer Leiche) schuldig 
zesprochen und demgemäß zu einer Gefängnißstrafe 
von 4 Jahren und einer Haftstrafe von 8 Tagen 
derurtheilt. 
*— Die Berufszählung vom 53. do. er⸗ 
jab für die Stadt Homburg mit Sanddorf 
und Bruchhof 841 Familien mil 3955 Seelen. 
510 Familien betreiben Ackerbau und 90 betreiben 
zrößere Gewerbe. Bei der Volkszählung vom 1. 
Dezbr. 1880 hatte die Seelenzahl 4031 und die 
zahl der Familien 871 betragen, so daß seitdem 
ine Verminderung um 76 Seelen und 30 Familien 
eingetreten ist. 
— In der Nähe von Zweibrücken (im 
Zirkhauser Park) erschoß sich am Montag Abend der 
hemalige und unmehr pensionirte Rittmeister im 5. 
Lhevauxleger⸗Regiment Sax. Derselbe war vor 
nehreren Jahren Adjutant beim kgl. Landwehrbe⸗ 
irkscommando Landau. 
— In Zweibrücken soll nach einer Meld— 
ina des F. J am Montagqg ein Ssbelduesl 
Lokale und vpfälzische Nachrichten. 
St. Ingbert, 15. Juni. Die gestern 
Abend in der Heusser'schen Wirchschaft stattgehabte 
ßeneral-Versammlung des hiesigen 
zweigvereins des Pensionsbereins ‚Bavaria“ 
var sehr gut besucht. Zunächst erstatteie der Dele— 
irte des Vereins auf der Hauptversammlung zu 
Nünchen. Herr Lebhrer Samter, ausführlich Be—