Full text: St. Ingberter Anzeiger

Imu sie mit dem Auslande konkurrenzfahig 
m landwirthschaftlichen Vereinen erweitert 
mi Debatten und lebhaften Ideenaustausch 
nnd Vorträge und Lektüre guter Schriften 
danteis des Besitzers, man regt zu ra⸗ 
aer Obstkultur, Fischzucht, zu Hopfenplantagen, 
uil habau, zur Mast von Rindvieh und 
n Fl 
sen, zur Pferdeanzuch und noch manchen 
u moglichen oder unmöglichen Kulturen an; 
n den Export zu heben und hält Indu⸗ 
uzstellungen ab, um die Gewerbethätigkeit zu 
sn man schafft neue Absatzwege und Verkehrs- 
Chausseen und Sekundärbahnen; man ist 
m das Kunsthandwerk wieder zu Ehren zu 
damit es neben der Großindustrie bestehen 
und alljährlich wird eine große Anzahl 
b Dampfmaschinen aufgestellt, durch welche das 
dulfionzvermögen wesentlich gefördert wird. 
aalles ist gewiß recht löblich und wird ja auch 
—— zeitigen. Doch eine Grenze ist überall 
at; milderes Klima kann man nicht einführen 
J halbsterilen Flächen nun und 
metmehr in Weizenboden erster Klasse umwan⸗ 
JDie drückenden Ausgaben für das Militär 
man nicht einschränken können, solange im 
sen der Franzose mit seinen immerhin doch 
Aüchen Revanchegelüsten, im Osten der künstlich 
ie Panslavismus lauert, die kleineren Staaten 
g gerechnet, die Neid und Furcht zum Deut—- 
hcz anstacheln. Mit jedem Jahrzehnt werden 
die früher schon erwähnten Uebelstände der 
hewolkerung unangenehmer erweisen; die Armuth 
ig nothwendig anwachsen: Deutschland besitzt jetzt 
pn vielleicht über 300,000 Landstreicher. Rech⸗ 
nan hierzu die Bevölkerung der Gefängnisse, 
agibt sich eine ganz erstaunliche Anzahl von 
ijonen, die zu einer zwangsweise veranstalteten 
zwanderung recht geeignet wären. Greifen wir 
Exempels halber eine Provinz unseres nörd⸗ 
m Deutschlands, Schleswig⸗Holstein, heraus. 
a ist, wie wohl überall, das Uebel der vaga⸗ 
direnden Bettelei trotz aller Gegenanstalten von 
ihr zu Jahr größer geworden. Die Ausgaben 
Reawig⸗Holsteins für das Landarmenwesen sind 
42258 Mark (1874) auf 257,328 Mark 
681) gestiegen. Im Jahre 1878 wurden 7578 
qzeiiche Verhaftungen vorgenommen, im Jahre 
z01 bereits 12,806.. Die Vagabondage ist eine 
lamität geworden; der Reichstagsabgeordnete 
ruf Holstein gab unlängst im Provinziallandtage 
ne sehr düstere Schilderung der bestehenden Zu⸗ 
inde; wenn ihnen nicht bald ein Ende gemacht 
uerde, so würde die Provinz sehr bald ein Land⸗ 
icherthum haben, wie es schlimmer nicht nach 
endigung des dreißigjährigen Krieges gewesen 
In Mecklenburg⸗Schwerin wurden im Jahre 
73 wegen Bettelns und Landstreichens 1652 
tjonen verhaftet, im Jahre 1881 dagegen 9955! 
us ist doch eine höchst bedenkliche Progression! 
uistralien hat als Verbrecherkolonie begonnen und 
ein jährlich mehr aufblühendes Gemeinwesen 
dorden; aus den Nachkommen der Züchtlinge, 
sich später mit freien Einwanderern vermischten, 
ein hochst ehrenwerthes Geschlecht herangewachsen. 
an sagt so oft: Beispiele aus der Geschichte leh⸗ 
— warum wollen wir Deutsche denn durchaus 
e Warnungen in den Wind schlagen? Immer 
uhr küchtige Arbeitskrafte werden fortziehen, und 
m immer größeres Kapital wird das Land ver⸗ 
isen, und da die ganz Mittellosen und die Strolche 
sahrungsgemäß zurüdbleiben, wird sich der sittliche 
ufand der Nation schwerlich heben. Der Kinder- 
een wird nicht nächlassen; und während man 
saus jahrein an dem berühmten grünen Tisch 
nitet daruͤber diskutirt, wie den drückenden Ver⸗ 
ulmissen, deren Bestehen nur der leugnen darf, 
tnicht sehen und hören will, abgeholfen werden 
ann, fließt der breite Strom der Auswanderung 
ritet und wird immer lolofsaler. 
An und für sich betrachtet ist die Auswanderung 
dem Zustande der Uebervoͤlkerung, der sich in 
euschsand immer fühlbarer macht, iein Unsegen; 
wvirlt nur deshalb so schädigend, weil das Va⸗ 
land von den Scheidenden keinen Gewinn mehr 
u Seit den lehten großen Kriegen soll uns das 
sren gegangene Nationalgefühl wiedergekehrt 
b aber von seiner Bethätigung sind doch nur 
ige Spuren aufzufinden. Der deutsche Chauvi⸗ 
n, über den sich so manche jeztt schon be⸗ 
va wollen, ist ein sehr zahmer uͤnd beschränkt 
Muf einige, hier und da dielleicht undassende 
umationen. Wie wäre es sonst denkbar, daß 
N 
ein Funfundvierzigmillionenoolt es ruhig mi uue 
sehen darf, wie seine Kinder ihm zu hunderttau⸗ 
enden entfremdet werden! Ein unseliger Trieb 
iegt in uns Deutschen, objektiv bis zur Lacherlich— 
eil, unparteiisch bis zur schnödesten Ungerechtigkeit 
jegen uns selbst sein zu wollen. Von mancher 
Seite wird angeführt, daß Deutschlands Export 
rach Amerika erfreulich zugenommen habe, das 
omme, so heißt es, von der zahlreichen, in den 
Pereinigten Staaten ansässigen deutschen Bevölker⸗ 
uing. Ja, aber um welchen Preis hebt sich dann 
der Export! 
Den Strom der Auswanderung in ein anderes 
Bette lenken zu wollen, ist keine kleine Aufgabe; 
iber es müßte denn doch energisch versucht werden. 
Ib die Regierung allein dies auszuführen habe, 
der ob sich nicht die Bildung einer mit reichen 
Mitteln ausgestatteten Aktiengesellschaft empfehlen 
dürfte, wollen wir hier nicht besprechen; vielleicht 
väre beides am Plahe. Es gibt eine Reihe von 
Heillionären bei uns, und die könnten sich um ihr 
gaterland nicht besser verdient machen und die Ar— 
nuth nicht wirksamer bekämpfen, als durch Unter⸗ 
tützung der Kolonisation. Ob das Deutschthum 
ich in den Vereinigten Staaten erhalien wird, ist 
ehr ungewiß. Es könnte nur dann geschehen. 
venn sich die verschiedenen deutschen Vereine und 
Besellschaften, deren geradezu zahllose dort existiren, 
u einer festen, einheitlichen, großen Organisation 
ereinigten und ihr Augenmerk wenigstens auf Er⸗ 
jaltung der deutschen Sprache richteten, oder falls 
zie Wogen der deutschen Auswanderung nach Ame— 
ifa zu einer solchen Höhe anschwellen und sich 
auernd auf derselben erhalten würden, daß sich in 
jewissen Staaten, so in Minnesota, Wisconsin, 
— 
hums festsetzten, die nicht mehr amalgamirt und 
on dem großen Schwamme aufgesogen werden 
onnten. Leider wohnt den Deutschamerikanern 
eine große Begeisterung inne, der Nationalstolz ist 
in noch junges Produit. Doch was sollen wir 
ber die Ausgewanderten klagen, wenn es in 
Deuischland selbst noch so erbärmlich steht, daß 
er Schwabe und der Sachse den Preußen haßt 
ind mancher Hannoveraner nichts von ihm wissen 
vill! Vielleicht wird in späteren Geschlechtern ein 
ebhafteres Gefühl für deutsche Ehre heranreifen. 
Die keineswegs unbedeutende deutsche Aus— 
vanderung des verflossenen Jahrhunderts, die sich 
nach Amerika wandte, ist nahezu spurlos in der 
zroßen Völkerfluth, die sich in Amerila angesam— 
nelt hat, aufgegangen. Nur selten trifft man auf 
chüchterne Sputen dieses Deutschthums. Im Be— 
inn der siebziger Jahre, als ich durch Südkarolina 
danderte, stieß ich auf ein Dorf, dessen Bewohner 
ast sammilich von Deutschen abstammten; aber 
niemand redete mehr die Sprache seiner Väter. 
sur eine nahezu neunzigjährige Frau behauptete 
noch deutsch zu verstehen; sie besaß eine deutsche 
Bibel, und als ihr mein Reisegenosse, ein evange⸗ 
ischer Prediger, einen Psalm daraus vorlas, ver⸗ 
joß sie Thranen der Fteude und des Dankes. Auf 
nanchen Kirchhöfen kann man in Amerika ziemlich 
jenau die Zeit bestimmen, da die deutsche Sprache 
intergegangen ist; auf den Friedhofssteinen ver⸗ 
inderien sich in den ersten Jahrzehnten dieses Jahr⸗ 
zunderts die deutschen Namen Koch, Zimmermann, 
Ztein, Kuhn in: Cook, Carpenter, Stine oder 
ztons und Coon. Waährend der napoleonischen 
Zriege und bald nach denselben stockte die Aus— 
vanderung, und als sie in den zwanziger Jahren 
angsam wieder zu wachsen begann, war es zu 
pat, die alten Deutschen waren amerikanisirt. Zu 
velchen unwürdigen und unfittlichen Zuständen das 
Aufgehen der Deutschen in den Amerikanismus 
ührt, das illustrire hier nur ein Beispiel. Ein 
dehrer fragte in einer amerikanischen Volksschule 
inen ziemlich erwachsenen Jungen, der das eng⸗ 
ische Idiom nur unvollkommen meisterte, ob er 
nicht ein Deutscher sei. „Nein“, sagte das Frücht⸗ 
hen frech, „ich bin ein Amerikaner, ich bin hier 
seboren, aber meine Eltern find „damned Putch- 
nen!“ — gottverdammte Deutsche! (Duteh ist 
in Spottname für German.) Solche Vorkomm⸗ 
isse find durchaus nicht selten. Die Eltern spre— 
hen deutsche Dialekte, die Kinder, die fich der 
Sprache ihrer Altwordern schämen, den amerika— 
ischen Straßenjargon — und so verstehen sich 
zltern und Kinder kaum! Wie unendlich viele 
eutsche Familien habe ich während eines zehn— 
ahrigen Aufenthaltes in den amerikanischen Lan— 
ern kennen gelernt, deren Kinder kein deufsche— 
Worr mehrt verstandeln: Ju 2Uubnufitien, vg 
120,000 Deutsche leben, sieht es etwas besser aus 
und doch schreibt ein Beobachter dortigen Lebens: 
„Die deutsche Sprache hat sich in den deutschen 
Ansiedelungen bis heutigen Tages, also theilweis 
noch in der zweiten und dritten Gegeration er⸗ 
halten; jedoch sprechen die in den brasilianischen 
Städten, wie Porto Alegre, aufgewachsenen Kinder 
deutscher Eltern mit Vorliebe das Portugiesische.“ 
Ganz ähnlich verhält es sich bei den deutschen am 
Kap, an der Wolga und in Australien. 
Sterbefälle. 
Gestorben: in Neustadt Elise Kernberger, 
2120 J. a.; in Zweibrücken Joh. Christian Mayer, 
Monteur, 50 J. a.; in Neunkirchen a/Bl. der 
Bäckermeister Friedrich Koch, 263 J. a. 
Dienstesnachrichten. 
Der interimistische Verweser der protest. Schul⸗ 
herweserstelle in Otterberg, Peter Rieger, wurde 
zum Schulberweser, der Lehrer Johannes Nord 
in Hinterweidenthal zum Lehrer an der protest. 
—Schule in Insheim ernannt, der protest. Schul⸗ 
ehrer Jakob Hurtig in Edenkoben in den bleibenden 
Ruhestand versetzt. 
An Stelle des zum Distriktsrechner ernannten 
Bezirksamtsoberschreibes Schmalenberger in 
Bergzabern wurde der bisherige zweite Bezirksamts⸗ 
zehilfe und Einnehmerei⸗Kandidat Konrad Göhring 
hefördert. 
— 
Marktberichte. 
Zweibrücken, 18. Juli. (Fruchtmittelpreis und Vik— 
ualienmartt.) Weizen — M. — Pf. Korn 10 M. 40 pf., 
Spelz 0O M. — Pf., Spelzkern — M. — Pf., Dinkel 
— He. — Pf. Mischfrucht — M. — Pf. Hafer 7 M. 
30 Pf. Erbsen — M. — Pf., Wicken — M. — Pf., 
Gerste zweireihige O M. — Pf. vierreihige d M. — Pf. 
arioffeln 2 M. 60 Pf., Heu 4 M. 50 Pf., Stroh 8 M. 
50 Pf., Weißbrod 1/3 Kilogr. 62 Pf., Kornbrod 3 Rilo. 
72 Pf., Gemischtbrod 83 Kilogr. 86 Pf., paar Weck 90 Gr. 
b PPf. Rindfleisch J. Qual. 60 Pf., Il. Qual. 56 Pf. Kalb⸗ 
leisch 50 Pf. Hammelfleisch 60 Pf., Schweinefleisch 88 Pf., 
Butter /3 Kilogr. — M. 95 Pf. Wein 1 Liter 80 Pf., 
Bier J Liter 24 Pf. 
Homburg, 12. Juli. (Fruchtmittelpreis und BViktu⸗ 
ilienmartt.) Weizen 12 M. 70 Pf., Korn 10 M. 42 Ppf., 
Spelzkern — M. — Pf. Spelz 0 M. -- Pf., Gerste 
dreihige — M. — Pf., Gecste 4reihige O M. — Pf. 
Hafer 7 M. 98 Pf., Mischfrucht 10 M. 60 Pf., Erbsen 
— M. — Pf., Widen O M. — Pf., Bohgen 0 M. 
— Pf., Kileesamen — M. — Pf. Kornbrod 6 Pfund 
— Pf. Gemischtbrod 6 Pfund 85 Pf. Ochsenfleisch — Pf., 
Rindfieisch 56 Pf., Kalbfleisch 40 Pf. Hammelfleisch 56 Pf., 
Schweinefleisch 56 Pf., Buiter 1 Pfund - M. 90 pf., 
Kartoffeln per Ztr. 2 M. 60 pf. 
Landstuhl, 10. Juli. (Fruchtmittelpreis und Vik⸗ 
tualienmarkt.) Weizen — M. — Pf. Korn9 M. 80 Pf., 
Spelz — M. — pf. Hafer 7 Mk. 95 Pf., Gerste — M. 
— Pf., Wicken — M. — Pf. Erbisen — M. — Pf., 
Linsen — M. — Pf., Kleesamen — M. — Pj., Kartoffeln 
per Ztr. O M. — Pf., Kornbrod 6 Pfd. 70 Pf., Weis⸗ 
brode8 Pfd. — Pf. Gem. Brod 8 Pfd. — Pf. Butter 
per Pfd. — M. 88 Pf. Eier per Dutzend 60 Pf. 
Kaiserslautern, 11. Juli. (Fruchtmittelpreis und 
BViktualienmarkt.) Weizen 12 M. 33 Pf. Korn 9 M. 
89 Pf. Spelzkern — M. — Pf. Spelz 8 M. 89 Pf., 
Gerste 8 M. 78 Pf., Hafer 7 M. 62 Pf. Erbsen — M. 
— ppf. Wicken O M. — Pf. Linsen O M. — Pf., Klee⸗ 
samen — M.—- vVf., Schwarzbrod O Pfund 78 Pf., do. 
Z Pfd. 39 Pf., Gemischtbrod 3 Pfund 44 Pf., Butter pro 
Pfd. 92 Pf., Eier 1 Stück O5 Pf., Kartoffeln pPro Zentner 
2 M. 21 Pf., neue 5 M., Stroh 2 M. 25 Pf. Heu pro 
Ctr. 2 M. 90 Pf., Kleeheu neues 3 M. 30 Pf. 
Neueste Nachrichten. 
Berlin, 13 Juli. In den Pfortenkreisen 
zezeichnet man, laut telegraphischer Meldung aus 
donstantinopel, das Vorgehen Englands als ein 
oölkerrechtswidriges und hält den offenen 
Bruch zwischen England und der Tärkei 
für unvermeidlich, deshalb aber auch jede sich 
noch an die Möglichkeit einer Fortsetzung der Con⸗ 
ferenzberathungen knüpfende Combination für illu⸗ 
orisch. 
London, 13. Juli. Wie die Daly News 
erfährt, nahmen sämmtliche Großmächte den Vor— 
ichlag an, die Türkei aufzufordern, die Herstellung 
der Autorität des Khedive zu übernehmen. Eine 
in diesem Sinne abgefaßte Note werde der Pforte 
m Laufe der Woche überreicht werden. Als wahr⸗ 
cheinlich wird betrachtet, daß die Türkei, ohne nunmehr 
ine Aufforderung Europa's positiv abzulehnen ver⸗ 
uchen werde, um durch Wiedereroffnung der Unterhand⸗ 
ungen Zeit zu gewinnen. In diesem Falle werde 
England in der Conferenz geltend machen, daß das 
Verfahren der Pforte einer Weigerung gleichkomme.