Full text: St. Ingberter Anzeiger

ↄl. Justherter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Inabert. 
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— 
M 141. 
Donnerstag, 20. Juli 1882. 
i7. Jahr g. 
J 
Politische Uebersicht. — 
Deutsches Reich. 
München, 19. Juli. Dr. Schliemann ist 
on der hiesigen Academi zum Mitgliede ernannt 
vorden. 
Berlin, 18. Juli. Dem Staatsminister Dr. 
acius ist vom Könige von Bayern das Groß— 
reuz des Verdienstordens vom heiligen Michael 
erliehen worden. 
Wie verlautet, haben sich wieder in letzter Zeit 
me Anzahl preußischer Offiziere gemeldet, 
mm in fürkische Militärdienste zu treten. Es heißt, 
saß seitens der preußischen Militärverwaltung der 
zefehl ergangen ist, keine weiteren Einreihungen 
on Offizieren in das türkische Heer zu ge— 
jatien. 
In einer vom 18. ds. datirten offiziösen Notiz 
iet „Köln. Ztg.“ zur egyptischen Angelegenheit 
geißt es: Deutschland wird für Niemand Par⸗ 
ei nehmen und einem Jeden gestatten, seine eigene 
zuteressen nach seinem eigenen Ermessen zu wahren, 
orausgesetzt, daß die deutschen Interessen und die 
deutsche Ehre nicht verletzt werden. Die Gefahr 
iner solchen Verletzung ist nicht vorhanden. Unter 
olchen Umständen würde eine jede Betheiligung an 
iner etwaigen Einmischung von Seiten Deutschlands 
als eine nicht zu rechtfertigende Raschheit zu be— 
eichnen sein, da dieselbe Verwicklungen nach sich 
ehen und Geldopfer erheischen würde. Wer in 
zghhpten jetzt mitsprechen will, der wird dafür in 
held, wenn nicht in Menschenleben, theuer zu zahlen 
saben. Deutschland kann um so mehr auf die 
e ͤste verzichten, seine Stimme jetzt schon vernehmen 
zu lassen, als nach Lage der Verhältnisse der euro⸗ 
Jäische Friede glücklicherweise nicht bedroht ist. Der 
von den Westmächten herbeigeführte Konflikt zwischen 
hnen und Egypten, beziehentlich der Pforte, wird 
für Rechnung und Gefahr der Westmächte allein 
uich wieder auszugleichen sein. Diese werden sich 
chließlich, möglicherweise erst nach längerem Hin⸗ 
und Herreden, über die Art des Vorgehens einigen, 
infach, weil eine solche Einigung gewissermaßen 
iine Lebensfrage für Enaland sowohl wie für 
zrankreich geworden. 
Ausland. 
London, 19. Juli. Nach Nachrichten aus 
lexandrien steht Arabi mit seinem Corps 15 
eilen, die Avantgarde aber 7 Meilen entfernt, 
* ist aber unwahrscheinlich, daß er einen Angriff 
iachen wird. 
London, 19. Juli. Aus Alexandrien wird 
on heute Morgen gemeldet, daß Derwisch Pascha 
m 8 Uhr am Vord der Yacht „JIzzedin nach 
donstantinopel abgereist sei, um der Pforte Berichi 
uerstatten. Der Khedive soll Arabis Freunden 
rerdächtige Andienzen ertheilt haben. In Kairo 
sertscht Aufregung, die einzigen Europäer, welche 
'och anwesend sind. beziffern sich auf etwa 24 
deutsche. 
London, 19. Juli. In Alexandrien herrscht 
e beste Ordnung. Die Araber werden zum Weg⸗ 
iumen der Trümmer angehalten und dadurch be— 
deftigt. Es wird eine inländische Polizei organisirt. 
das Hostamt ist wieder eroffnet worben und be— 
& einen regelmäßigen Dienst einzurichten. — 
tabi Bey macht keine Miene, seine Position zu 
Fctlassen; seine Truppen haben Zuwachs erhalten 
w er erwartet ofienbar noch weiteren. Er droht, 
ie Wasserleitung abzuschneiden. Es geht das Gerücht, 
n 5000 Mann siarker Beduinensistamm habe ihm 
dilfe zugesagt. — Die Nachrichten von Cairo lauten 
sehr beunruhigend; heilige Männer ziehen im Lande 
umher und predigen den Krieg für Arabi. — Das 
Fort Aboukir hat die weiße Flagge aufgezogen und 
der Capitain des davorliegenden Panzerschiffes, Mino— 
laur“ erklärte, er werde es nöthigenfalls sofort zum 
Schweigen bringen. 
Moöoskauer Berichte melden: „Drei Sappeur⸗ 
Abtheilungen durchwühlen den Boden des ganzen 
Kreml, um Minen zu suchen. Im Personal 
der Hofbedienten des Kreml steht ein vollständiger 
Wechsel bevor. Kiewer Privatbriefe melden die 
Verhaftung eines Staatsanwalts, des Sohnes eines 
iewer Wilitär-⸗Intendanten; derselbe wird der 
Angehörigkeit zum Nihilismus beschuldigt. Schon 
Ztrelnikow soll demselben arg mißtraut haben, 
önne jedoch keine Beweise erbringen. Die Wirkung 
nuuf das Gerichtspersonal ist die peinlichste, weil 
diese Branche als die einzige dem Nihilismus un— 
zugänglich erachtet wurde. Nun gibts keinen Stand 
mehr, welcher nicht seine nihilistischen Repräsen— 
lanten in der Peter⸗Pauls-Feste besäße. 
Konstantinopel, 18. Juli. Der Sultan 
herief den nach Egypten gesandten türkischen Kom— 
missär Derwisch Pascha nach Konstantinopel zurück. 
Es scheint hiernach, der Sultan weigert sich, mit 
England und Frankreich, oder mit einer dieser 
Mächte allein Egypten militärisch zu besetzen; er 
läßt die Franzosen und Engländer, welche allem 
Vermuthen nach bereits eine Alliaunz geschlossen ha⸗ 
»en, gewähren, und behält sich, indem er einer 
Okkupation Egyptens für jetzt keinen Widerstand 
entgegensetzt, die Politik der freien Hand vor.) 
Aus Algier wird telegraphisch gemeldet: Der 
mnuselmännische Fanatismus, von Emissären, die 
aus verschiedenen Gegenden herbeigekommen waren, 
aufs Aeußerste gereizt, scheint im Begriff, neue 
Unruhen im Süden der Provinz Oran herbeizu⸗ 
führen. Si⸗Sliman unternimmt einen Vorstoß auf 
die Alfa⸗Pflanzungen von Kahrum. Die kleinen 
französischen Beobachtungsposten haben Befehl er— 
halten, sich zurückzuziehen. Den mit der Alfa⸗Ernte 
beschäftigten Arbeitern ist von der Militärbehörde 
bedeutet worden, daß man ihnen ihre Sicherheit 
nicht garantiren könne und daß sie wohl daran 
häten, sich nach dem Kreider zurückzuziehen. Die 
hefreundeten Stämme sind aufgefordert worden, 
sich in der Richtung von Ain⸗Sfirifa zu concen⸗ 
triren. Man ist auf neue feindliche Angriffe der 
drei Marabuts gefaßt, welche sich durch die egyp⸗ 
tischen Verwickelungen in ihrem Thun nur aufae⸗ 
muntert fühlen können. 
Es coursiren hier beunruhigende Gerüchte be— 
züglich Tripolis. Man fuͤrchtet, daß die Ein⸗ 
wohner, durch die Vorgänge in Egypten aufgestachelt, 
den Europäern ein schlimmes Loos bereiten. Eine 
gewisse Anzahl der letzteren hat sich schon nach 
Malta und Tunis geflüchtet. 
Alexandrien, 18. Juli. Die Absicht, 
Ramleh zu besetzen, ist aufgegeben worden. Die 
englischen Machthaber haben erklärt, daß ihr ein⸗ 
iger Zweck sei, Frieden und Ordnung ohne neues 
Bluwergießen wieder herzustellen. Die Matrosen 
verden vom Lande zurückgezogen. 500 Mann 
Marine⸗Infanterie besetzen heute an sieben Punkten 
die Stadt, um eine wirksame Ueberwachung hand⸗ 
haben zu können. Die Bildung einer einheimischen 
Polizei ist begonnen worden. Den englischen Pa— 
rouillen wurde anbefohlen, alle verdächtigen Indi⸗ 
»iduen zu entwaffnen, selbst Europäer, wenn die⸗ 
elhen Messer oder Revolver tragen. Die Einge— 
borenen kehren in großer Anzahl in die Stadt 
zurück, auch wurden mehrere europaische Läden heute 
vieder geöffnet. 
Alexandrien, 19. Juli. Meldung des 
Keuterschen Bureau's. Kurz nach der Abreise 
Derwisch Paschas traf eine wichtige Depesche für 
hn aus Konstantinopel ein. Seymour schickte einen 
Dampfer mit der Depesche nach um womöglich Derwisch 
Bascha einzuholen. Die Gerüchte von Christen⸗ 
Massacres in Tanlah und Rafrezayat haben sich be—⸗ 
tätigt. In Kairo herrscht große Aufregung, obgleich 
zis jetzt keine Ruhestörungen vorgekommen sind. 
Die Polizei in Kairo macht große Anstrengungen, 
im die Ordnung aufrecht zu erhalten, aber man 
st um die Sicherheit des europäischen Eigenthums 
»esorgt, da alle Truppen nach Rafrezayat geschickt 
ind. Alle Consuln und alle Europäer haben Kairo 
berlassen, mit Ausnahme von 20 Deutschen, welche 
ich weigern, abzureisen. 
Alexandrien, 19. Juli. Derwisch Pascha 
nach Alexandrien zurückgekehrt. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 20. Juli. Wie gestern 
zurch die Ortsschelle bekannt gegeben wurde, sind, 
ei Vermeidung von Unkosten, noch im Laufe dieser 
WVoche die fälligen Steuern zu entrichten. 
* St. Ingbert, 20. Juli. Vorgestern und 
gestern wurde von Hrn. Dachdeckermeister Wagner 
das eiserne Kreuz auf der Thurmspitze der protest. 
dirche gereinigt und angestrichen. Die gefährliche 
ind schwierige Arbeit in der luftigen Höhe, bei 
»eren Anblick den Zuschauer ein Gruseln überkam, 
zerlief glücklicher Weise ohne den geringsten Unfall. 
—t. Blieskastel, 19. Juli. Gestern Nach⸗ 
nittag verstarb dahier der pens. Lehrer Heinrich 
Dietrich nach langjährigem Leiden im Alter von 
37 Jahren. Derselbe wirkte lange Jahre in 
Ohmbach bei Kusel. Er war auch ais Imker 
vohl bekanrt. Möge ihm die Erde leicht sein! 
s. Blieskastel, 19. Juli. Die Getreide⸗ 
ernte hat in unserer Gegend bereits ihren Anfang 
jenommen. Qualität und Quantität lassen infolge 
der vielen Regengüsse zu wünschen übrig. Auch 
den neuen Kartoffeln wird, besonders was die Güte 
derselben anlangt, nicht das beste Lob gespendet. 
Man hört allenthalben über Wässerigkeit derselben 
lagen. Auch will man schon die Karioffelfäulniß 
ntdedt haben. 
— In der am 16. d. zu Kaiserslautern 
ibgehaltenen Vorstandssitzung des pfälzischen Ver⸗ 
chönerungsvereines wurde u. A. Folgendes mitge⸗ 
heilt: Der von Herrn Hilgard-New⸗ York gestiftete 
Zavillon auf dem 680 m hohen Kalmit bei Eden⸗ 
oben ist aufgestellt, Wege und Anlagen daselbst 
ast vollendet; eine gußeiserne Tafel erinnert an 
)en edlen Spender. Der Ausschuß des Vereins 
vill am 17. September ds. Is. auf der leider 
ntwaldeten Höhe des Kalmit zusammenkommen. 
luch die beiden anderen neuen Vereinsunternehm⸗ 
uingen, Anlagen auf der Ruine Stauf bei Eisenberg 
ind Errichtung eines russischen Blockhauses auf dem 
Donnersberg, oberhalb des Moltkefelsens, gehen 
»aldiger Verwirklichung entgegen. 
— Wie der „Pf. Vztig.“ mitgetheilt wird, hat 
die 82 Jahre alte Frau Margaretha Schwarz in 
daiserslautern was gewiß als Seltenheit bemerkt 
zu werden verdient, einen neuen Bachzahn erhalten. 
— Als Kuriosum in der Blumenzucht verdient 
rwähnt zu werden, daß Herr Stationsverwalter 
deinhard in NRiedermohr in seinem Garten ein