st. Iugherter Amzeiger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
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—A
Politische Uebersicht.
Deutsches Reich.
Berlin, 29. August. Der bisherige Com—
andeur des Gardecorps, Prinz August von Würt⸗
berg, hat sich in einem von gestern datirten
xhreiben vom Gardecorps verabschiedet. Er hat
enselben ein halbes Jahrhundert angehört. Mor⸗
zn erwartet man die Ernennung des Nachfolgers
strafen Rrandenburg, sowie des Commandanten
in Verlin, von Winterfeldt, zum Commandeur
u Garde⸗Cavallerie-Divifion.
Dem Vernehmen nach liegt es in der Absicht
apreuß. Regierung, verschiedene, das Geudar⸗
neriewesen betreffende Fragen, u. A. das Ver⸗
ahten bei der Ladung von Gendarmen als Zeugen
gerichtlichen Terminen gesetzlich zu regeln.
(Zur Deutschen⸗Hetze in Paris.)
der den geplanten Ueberfall des deutschen
urnvereins in Paris und die sich daran
ühfenden Vorgänge erhält das „Berl. Tagebl.“
gende Mittheilung: „Nur der außerordentlich
wollen und geschickten Handlungsweise der Vor⸗
dsmitglieder des deutschen Turnvereins, der Hrn.
düller und Wolff, haben wir es zu verdan⸗
walm, daß bedenkliche Szenen, ähnlich wie sie seiner⸗
it ind Marseille zwischen Franzosen und Italienern
uttfanden, vermieden wurden. Ein Theil der
ariser Abendblätter ist rechtlich denkend genug, die
rhige und besonnene Haltung unserer Landsleute
nuerkennen. In verschiedenen Blättern, nament⸗
ih im „Gil Blas“ wird es sogar als ein großes
lück bezeichnet, daß der beabsichtigte feige Ueber⸗
ul durch Deroulede und Genossen nicht gelang.
die Einladungskarte, welche Deroulede angeblich
chielt, kam folgendermaßen in seine Hände. In
gem Hause wohnen zwei Meyer, der eine ein
deutscher, der andere ein Franzose. Der erstere
dMitglied des Turnvereins, der zweite Mitglied
Patriotenliga. Der Bote mit der Einladung
wechselte diese beiden Meyer, und der Franzose
solcher Weise irrthümlich in den Besitz der Karie
langend, nahm dieselbe nicht nur an, sondern
ib sie auch seinem Kameraden Deroulede als Agi⸗
iionsmaterial. — Auf den Boulevards hört man
in nichts Anderem, als von dem Vorfall mit
m deutschen Turnverein sprechen, und selbst
sgesprochene Chauvinisten geben ihrer Ent⸗
isung über den so feige geplanten Ueberfall einer
enden geschlossenen Gesellschaft Ausdruck. —
n kleiner Trost für uns Deutsche mag es sein,
»wir nicht allein hier dem Angriff der Fran⸗
en ausgesetzt sind. Die Italiener sind längst ge⸗
it, als Briganten und Messer⸗ und Dolchhelden
der französischen Presse titulirt zu werden.
»m den Deutschen und Italienern werden
nen letzten Tagen auch die Engländer auf das
düügste insultirt. Größere englische Gesellschaften
n 60 bis 60 Personen machen taglich im eigenen
metheten Wagen Rundfahrten in Stadt und Um⸗
end. So hielten vor zwei Tagen vier Omnibus⸗
wen Engländer vor der Börse, um das Treiben
anzusehen. Die Insassen, ungefähr 50 eng⸗
he. Damen und Herren, zeigten sich innerhalb
Vörse auf der Gallerie und wurden sofort mit
uem Geschrei, Pfeifen und den Rufen: „Nieder
n England!“ und „Hoch Lesseps!“ empfangen.
Besonnenheit det Eugländer, welche sofort mit
en Damen die Börse verließen, ist es zu danken,
icht die ganze Gefellschaft durchgeprügelt wurde.
oer herrscht ebenso große Aufreqgung in der eng⸗
Tde
ne
Donnerstag, 31. August 1882.
17. Jahrg
ischen Kolonie wie in der deutschen.“ — Diese
Mittheilungen, bemerkt das „Tagebl.“, bestätigen
einfach unsere gestrige Behauptung, daß ein Theil
der franzoͤsischen Nation noch so tief im Barbaren⸗
chum steckt, daß er gleich Patagoniern, Chinesen,
Bus hmännern ꝛc. sich nicht mit dem Gedanken des
wischen allen Kulturvolkern gleichmäßig bestehenden
Bastrechtes vertraut machen kann. Im Uebrigen
sei bemerkt, daß die offiziöse Pariser Agence Havas
vereits eine entschuldigende Erklärung abgegeben hat.
Bemerkt sei auch, daß laut anderen Nachrichten die
Pariser Polizei schon vor einiger Zeit dem deutschen
Turnverein das Absingen deutscher Lieder in seinem
geschlossenen Lokale verboten hat, weil dieselben
„Aergerniß“ erregten.
Es verlautet, die französische Regierung habe
in Berlin ihr Bedauern über die Affaire der
deutschen Turner ausdrücken lassen und ihren Ent⸗
schluß kundgegeben, ähnliche Vorfälle, so weit an
ihr sei, energisch zu verhindern.
Ausland.
Paris, 30. August. Der Wirth in der Rue
St. Marc hat dem deutschen Turnverein das Local
zekündigt, und die Ligue des patriotes für heute
Abend zu einem Banket geladen. — Die France
deröffentlicht den Brief des Elsässers, nach welchem
dieser eine Unterredung zwischen zwei Deutschen
helauscht haben will, in welcher diese den Ankauf
don Schlössern in der Nähe der französischen Manöver
berichtet hätten. Wenn die Hetzerei nicht nachläßt,
hürfte die deutsche Regierung einen kalten Wasserstrahl
nach Paris lanciren, und zwar umsomehr, als die
Ohnmacht des Cabinets Duclerc erwiesen ist. —
Aus Ismailia werden Fälle von Sonnenstich ge—
meldet.
London, 29. August. Aus Ismailia 1 Uhr
40 Min. Morgens meldet eine Depesche des Gene—
rals Wolseley nunmehr offiziell, daß General Gra—
jam gestern Abend stark angegriffen wurde. Die
Cavallerie von der Mahsameh⸗-Station kam rasch
zur Hülfe herbei und erzielte einen brillanten Erfolg.
Elf Kanonen wurden erbeutet, aber mit einem Ver—
lust von über hundert Verwundeten. General
Wolseley ist im Begriff, zur Front abzugehen.
Athen, 29. August. An der türkisch-griech—
ischen Grenze erfolgte zwischen griechischen und
türkischen Soldaten ein Zusammenstoß, wobei drei
Unteroffiziere und vier griechische Soldaten getödtet
woͤlf verwundet wurden. Die Regierung beorderte
die „Amphitrite“, mit zwei Kompagnien und zwei
Batterien nach Volo abzugehen. (Aus Athen wird
veiter berichtet, daß in Folge dieser Vorkommnisse
—AVV—
verde und daß drei Reserveklassen eingezogen
verden sollen.)
Versammlung des Cäcilien-Vereins haben sich be⸗
reits 200 Personen gemeldet.
— In Miesenbach fiel das dreijährige
sind des Musikanten Johann Fritz in einen auf
dem Boden stehenden Hafen heißes Wasser und
derbrannte den Unterleib so, daß das Fleisch buch-
ttäblich gekocht war. Unter den gräßlichsten Schmer—
zen starb das Kind bald.
— Kaiserslautern, 30. August. Das
Spielen in Lotterien, welche in Bayern nicht zuge⸗—
assen sind, z. B. in der „Braunschweiger und
Zamburger“, ist bekanntlich gesetzlich verboten. Gestern
Morgen 6 Uhr nahm nun unsere Polizei einmal
Veranlassung, bei Leuten Haussuchung vorzunehmen,
velche ais mit dem Vertrieb von verbotenen Lot⸗
terie⸗Loosen verdächtig erschienen. Der Erfolg der
holizeilichen Razzia war ein sehr ergiebiger; nicht
illein eine Menge noch nicht abgesetzter Loose wurden
ronfiscirt, sondern auch die Listen der „Spielenden“
jefunden, welch' Letztere sich auf ihre „Strafman⸗
date“ jetzt schon freuen können. —XW
— Vom Gebirg, 209. August. Wie weit
die Diebe heutigen Tages ihre Frechheit treiben,
geht daraus hervor, daß in voriger Woche einem
Wirthe, der am Vorgebirg Wein kaufte, bei seiner
deimfahrt des Abends ein Faß Wein vom Wagen
gestohlen und auf die Seite geschafft wurde. Erst
zu Hause merkte er den Verlust. Dem Thäter soll
man jedoch auf der Spur sein. (Bztg.)
— Die landwirihschaftliche Kreisversammlung
der Pfalz verbunden mit landwirthschaftlichem Be⸗
irksfeste findet am 30. September 1. und 2. Okto⸗
her in Kirchheimbo landen statt. Den Festbe—⸗
uchern, welche sich als Mitglieder des landwirth⸗
chaftlichen Vereines ausweisen, wird Fahrpreiser⸗
mäßigung mittelst Ausgabe einfacher, zur freien
Rückfahrt berechtigender Fahrbillette mit viertägiger
Zültigkeit gewährt. Die Billette werden auf allen
ofälzischen Bahnstationen am 30. Sept., 1. und
2. Okt. ausgegeben.
— Der Stadtrath von Speier hat den bis⸗
herigen Steuer⸗ und Gemeinde-Einnehmer von Haß⸗
och, Herrn Stempbel, zum städtischen Einnehmer
gewählt.
— In Speier wird der Sedantag wieder fest⸗
icch begangen, u. A. durch Beflaggen, Glockenge⸗
äute, Böllersalven, Musikzug, Festzug des Krieger⸗
vereins und der Liedertafel nach dem alten Fried⸗
hof, Gesang, Festrede, Schmückung des Krieger⸗
denkmals und Festgottesdiest.
— Mundenheim, 29. August. Die hiesige
Kirchweihe ist durch einen brutalen Act eingeweiht
und durch einen Mord beschlossen worden. Heute
früh wurde auf offenem Feld zwischen hier und
dudwigshafen die Leiche eines jungen Mädchens
aufgefunden. Die Verletzungen, welche am Körper
ichtbar waren, sind derart, daß ein Mord ange⸗
nommen werden muß. Agnoszirt ist die Ermordete
noch nicht; wie behauptet wird, war die Unglückliche
in einer Mannheimer Fabrik beschäftigt. (Pf. K.)
Lokale und pfälzische Nachrichten.
— Auf der Bahnstrecke zwischenRheinheim
ind Bliesbrücken wurde einem Bahnwärter
heim Begehen der Strecke ein nicht geringer Schrecken
ingejagt, indem demselben plötzlich ein Bär be⸗
gegnete. Der Bahnwärter erreichte glücklich sein
WBärterhäuschen, welches er noch schleunigst ver⸗
perren konnte, ehe der Bär ihn zu erreichen im
Stande war. Glücklicherweise wurde der Wärter
hald von seiner Angst erlöst, indem zwei wandernde
Zigeuner den ungeschlachten Burschen Meister Petz,
—AV
— Zur Betheiligung an der für den 25. Sept.
in Homburg anberaumten Svpeierer Diözesen—
Vermisßchtes.
F München, 30. August. Generallieutenant
Freiherr von Horn ist in Augsburg bei der Trup⸗
Heninspection vom Pferde gestürzt und hat einen
Rippenbruch erlitten.
— In dem bekannten Münchener Landesver⸗
cathsprozeß Reeser, genaunt Graillet und Kreit—
nayer beantragte der Staatsanwalt gegen Graillet
16 Monate, gegen Kreitmayer 1 Jahr Gefängniß.
Die Vertheidiger Arnold und Siegel plaidirten für