Full text: St. Ingberter Anzeiger

st. Iugherter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
St. Ingberter Anzeiger“ erscheint woͤchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs⸗ 
n und Sonntags mit Sfeitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 1.46 40 2 einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1 60 H, einschließlich 
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auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 13 B, bei Neclamen 30 —. Bei 4maliger Einruckung wird nur dreimalige berechnet. 
—A 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
Berlin, 29. August. Der bisherige Com— 
andeur des Gardecorps, Prinz August von Würt⸗ 
berg, hat sich in einem von gestern datirten 
xhreiben vom Gardecorps verabschiedet. Er hat 
enselben ein halbes Jahrhundert angehört. Mor⸗ 
zn erwartet man die Ernennung des Nachfolgers 
strafen Rrandenburg, sowie des Commandanten 
in Verlin, von Winterfeldt, zum Commandeur 
u Garde⸗Cavallerie-Divifion. 
Dem Vernehmen nach liegt es in der Absicht 
apreuß. Regierung, verschiedene, das Geudar⸗ 
neriewesen betreffende Fragen, u. A. das Ver⸗ 
ahten bei der Ladung von Gendarmen als Zeugen 
gerichtlichen Terminen gesetzlich zu regeln. 
(Zur Deutschen⸗Hetze in Paris.) 
der den geplanten Ueberfall des deutschen 
urnvereins in Paris und die sich daran 
ühfenden Vorgänge erhält das „Berl. Tagebl.“ 
gende Mittheilung: „Nur der außerordentlich 
wollen und geschickten Handlungsweise der Vor⸗ 
dsmitglieder des deutschen Turnvereins, der Hrn. 
düller und Wolff, haben wir es zu verdan⸗ 
walm, daß bedenkliche Szenen, ähnlich wie sie seiner⸗ 
it ind Marseille zwischen Franzosen und Italienern 
uttfanden, vermieden wurden. Ein Theil der 
ariser Abendblätter ist rechtlich denkend genug, die 
rhige und besonnene Haltung unserer Landsleute 
nuerkennen. In verschiedenen Blättern, nament⸗ 
ih im „Gil Blas“ wird es sogar als ein großes 
lück bezeichnet, daß der beabsichtigte feige Ueber⸗ 
ul durch Deroulede und Genossen nicht gelang. 
die Einladungskarte, welche Deroulede angeblich 
chielt, kam folgendermaßen in seine Hände. In 
gem Hause wohnen zwei Meyer, der eine ein 
deutscher, der andere ein Franzose. Der erstere 
dMitglied des Turnvereins, der zweite Mitglied 
Patriotenliga. Der Bote mit der Einladung 
wechselte diese beiden Meyer, und der Franzose 
solcher Weise irrthümlich in den Besitz der Karie 
langend, nahm dieselbe nicht nur an, sondern 
ib sie auch seinem Kameraden Deroulede als Agi⸗ 
iionsmaterial. — Auf den Boulevards hört man 
in nichts Anderem, als von dem Vorfall mit 
m deutschen Turnverein sprechen, und selbst 
sgesprochene Chauvinisten geben ihrer Ent⸗ 
isung über den so feige geplanten Ueberfall einer 
enden geschlossenen Gesellschaft Ausdruck. — 
n kleiner Trost für uns Deutsche mag es sein, 
»wir nicht allein hier dem Angriff der Fran⸗ 
en ausgesetzt sind. Die Italiener sind längst ge⸗ 
it, als Briganten und Messer⸗ und Dolchhelden 
der französischen Presse titulirt zu werden. 
»m den Deutschen und Italienern werden 
nen letzten Tagen auch die Engländer auf das 
düügste insultirt. Größere englische Gesellschaften 
n 60 bis 60 Personen machen taglich im eigenen 
metheten Wagen Rundfahrten in Stadt und Um⸗ 
end. So hielten vor zwei Tagen vier Omnibus⸗ 
wen Engländer vor der Börse, um das Treiben 
anzusehen. Die Insassen, ungefähr 50 eng⸗ 
he. Damen und Herren, zeigten sich innerhalb 
Vörse auf der Gallerie und wurden sofort mit 
uem Geschrei, Pfeifen und den Rufen: „Nieder 
n England!“ und „Hoch Lesseps!“ empfangen. 
Besonnenheit det Eugländer, welche sofort mit 
en Damen die Börse verließen, ist es zu danken, 
icht die ganze Gefellschaft durchgeprügelt wurde. 
oer herrscht ebenso große Aufreqgung in der eng⸗ 
Tde 
ne 
Donnerstag, 31. August 1882. 
17. Jahrg 
ischen Kolonie wie in der deutschen.“ — Diese 
Mittheilungen, bemerkt das „Tagebl.“, bestätigen 
einfach unsere gestrige Behauptung, daß ein Theil 
der franzoͤsischen Nation noch so tief im Barbaren⸗ 
chum steckt, daß er gleich Patagoniern, Chinesen, 
Bus hmännern ꝛc. sich nicht mit dem Gedanken des 
wischen allen Kulturvolkern gleichmäßig bestehenden 
Bastrechtes vertraut machen kann. Im Uebrigen 
sei bemerkt, daß die offiziöse Pariser Agence Havas 
vereits eine entschuldigende Erklärung abgegeben hat. 
Bemerkt sei auch, daß laut anderen Nachrichten die 
Pariser Polizei schon vor einiger Zeit dem deutschen 
Turnverein das Absingen deutscher Lieder in seinem 
geschlossenen Lokale verboten hat, weil dieselben 
„Aergerniß“ erregten. 
Es verlautet, die französische Regierung habe 
in Berlin ihr Bedauern über die Affaire der 
deutschen Turner ausdrücken lassen und ihren Ent⸗ 
schluß kundgegeben, ähnliche Vorfälle, so weit an 
ihr sei, energisch zu verhindern. 
Ausland. 
Paris, 30. August. Der Wirth in der Rue 
St. Marc hat dem deutschen Turnverein das Local 
zekündigt, und die Ligue des patriotes für heute 
Abend zu einem Banket geladen. — Die France 
deröffentlicht den Brief des Elsässers, nach welchem 
dieser eine Unterredung zwischen zwei Deutschen 
helauscht haben will, in welcher diese den Ankauf 
don Schlössern in der Nähe der französischen Manöver 
berichtet hätten. Wenn die Hetzerei nicht nachläßt, 
hürfte die deutsche Regierung einen kalten Wasserstrahl 
nach Paris lanciren, und zwar umsomehr, als die 
Ohnmacht des Cabinets Duclerc erwiesen ist. — 
Aus Ismailia werden Fälle von Sonnenstich ge— 
meldet. 
London, 29. August. Aus Ismailia 1 Uhr 
40 Min. Morgens meldet eine Depesche des Gene— 
rals Wolseley nunmehr offiziell, daß General Gra— 
jam gestern Abend stark angegriffen wurde. Die 
Cavallerie von der Mahsameh⸗-Station kam rasch 
zur Hülfe herbei und erzielte einen brillanten Erfolg. 
Elf Kanonen wurden erbeutet, aber mit einem Ver— 
lust von über hundert Verwundeten. General 
Wolseley ist im Begriff, zur Front abzugehen. 
Athen, 29. August. An der türkisch-griech— 
ischen Grenze erfolgte zwischen griechischen und 
türkischen Soldaten ein Zusammenstoß, wobei drei 
Unteroffiziere und vier griechische Soldaten getödtet 
woͤlf verwundet wurden. Die Regierung beorderte 
die „Amphitrite“, mit zwei Kompagnien und zwei 
Batterien nach Volo abzugehen. (Aus Athen wird 
veiter berichtet, daß in Folge dieser Vorkommnisse 
—AVV— 
verde und daß drei Reserveklassen eingezogen 
verden sollen.) 
Versammlung des Cäcilien-Vereins haben sich be⸗ 
reits 200 Personen gemeldet. 
— In Miesenbach fiel das dreijährige 
sind des Musikanten Johann Fritz in einen auf 
dem Boden stehenden Hafen heißes Wasser und 
derbrannte den Unterleib so, daß das Fleisch buch- 
ttäblich gekocht war. Unter den gräßlichsten Schmer— 
zen starb das Kind bald. 
— Kaiserslautern, 30. August. Das 
Spielen in Lotterien, welche in Bayern nicht zuge⸗— 
assen sind, z. B. in der „Braunschweiger und 
Zamburger“, ist bekanntlich gesetzlich verboten. Gestern 
Morgen 6 Uhr nahm nun unsere Polizei einmal 
Veranlassung, bei Leuten Haussuchung vorzunehmen, 
velche ais mit dem Vertrieb von verbotenen Lot⸗ 
terie⸗Loosen verdächtig erschienen. Der Erfolg der 
holizeilichen Razzia war ein sehr ergiebiger; nicht 
illein eine Menge noch nicht abgesetzter Loose wurden 
ronfiscirt, sondern auch die Listen der „Spielenden“ 
jefunden, welch' Letztere sich auf ihre „Strafman⸗ 
date“ jetzt schon freuen können. —XW 
— Vom Gebirg, 209. August. Wie weit 
die Diebe heutigen Tages ihre Frechheit treiben, 
geht daraus hervor, daß in voriger Woche einem 
Wirthe, der am Vorgebirg Wein kaufte, bei seiner 
deimfahrt des Abends ein Faß Wein vom Wagen 
gestohlen und auf die Seite geschafft wurde. Erst 
zu Hause merkte er den Verlust. Dem Thäter soll 
man jedoch auf der Spur sein. (Bztg.) 
— Die landwirihschaftliche Kreisversammlung 
der Pfalz verbunden mit landwirthschaftlichem Be⸗ 
irksfeste findet am 30. September 1. und 2. Okto⸗ 
her in Kirchheimbo landen statt. Den Festbe—⸗ 
uchern, welche sich als Mitglieder des landwirth⸗ 
chaftlichen Vereines ausweisen, wird Fahrpreiser⸗ 
mäßigung mittelst Ausgabe einfacher, zur freien 
Rückfahrt berechtigender Fahrbillette mit viertägiger 
Zültigkeit gewährt. Die Billette werden auf allen 
ofälzischen Bahnstationen am 30. Sept., 1. und 
2. Okt. ausgegeben. 
— Der Stadtrath von Speier hat den bis⸗ 
herigen Steuer⸗ und Gemeinde-Einnehmer von Haß⸗ 
och, Herrn Stempbel, zum städtischen Einnehmer 
gewählt. 
— In Speier wird der Sedantag wieder fest⸗ 
icch begangen, u. A. durch Beflaggen, Glockenge⸗ 
äute, Böllersalven, Musikzug, Festzug des Krieger⸗ 
vereins und der Liedertafel nach dem alten Fried⸗ 
hof, Gesang, Festrede, Schmückung des Krieger⸗ 
denkmals und Festgottesdiest. 
— Mundenheim, 29. August. Die hiesige 
Kirchweihe ist durch einen brutalen Act eingeweiht 
und durch einen Mord beschlossen worden. Heute 
früh wurde auf offenem Feld zwischen hier und 
dudwigshafen die Leiche eines jungen Mädchens 
aufgefunden. Die Verletzungen, welche am Körper 
ichtbar waren, sind derart, daß ein Mord ange⸗ 
nommen werden muß. Agnoszirt ist die Ermordete 
noch nicht; wie behauptet wird, war die Unglückliche 
in einer Mannheimer Fabrik beschäftigt. (Pf. K.) 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
— Auf der Bahnstrecke zwischenRheinheim 
ind Bliesbrücken wurde einem Bahnwärter 
heim Begehen der Strecke ein nicht geringer Schrecken 
ingejagt, indem demselben plötzlich ein Bär be⸗ 
gegnete. Der Bahnwärter erreichte glücklich sein 
WBärterhäuschen, welches er noch schleunigst ver⸗ 
perren konnte, ehe der Bär ihn zu erreichen im 
Stande war. Glücklicherweise wurde der Wärter 
hald von seiner Angst erlöst, indem zwei wandernde 
Zigeuner den ungeschlachten Burschen Meister Petz, 
—AV 
— Zur Betheiligung an der für den 25. Sept. 
in Homburg anberaumten Svpeierer Diözesen— 
Vermisßchtes. 
F München, 30. August. Generallieutenant 
Freiherr von Horn ist in Augsburg bei der Trup⸗ 
Heninspection vom Pferde gestürzt und hat einen 
Rippenbruch erlitten. 
— In dem bekannten Münchener Landesver⸗ 
cathsprozeß Reeser, genaunt Graillet und Kreit— 
nayer beantragte der Staatsanwalt gegen Graillet 
16 Monate, gegen Kreitmayer 1 Jahr Gefängniß. 
Die Vertheidiger Arnold und Siegel plaidirten für