Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Jutberter Amzriger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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M I8. 
Das Gesetz betreffend die Ent— 
schädigung hei Unfällen und die 
Unfallversicherung der Arbeiter, 
wie es von den Vertrauensmännern der drei liber⸗ 
alen Fraktionen ausgearbeitet, dem Reichstag vor⸗ 
gelegt und von diesem nach der ersten Berathung 
an eine Kommission von 21 Mitgliedern verwiesen 
worden ist, hat folgenden Wortlaut: 
J. Abschnitt. Allgemeine Grundsätze. 
8 1. Wenn durch Unfall bei dem Betrieb einer 
hder im folgenden Paragraphen genannten Unter⸗ 
nehmungen ein darin beschäftigter Arbeiter oder 
Beamter getödtet eder körperlich verletzt wird, so 
hat hiefür der Unternehmer Entschädigung nach 
Maßgabe dieses Gesetzes zu gewähren. Für die 
fsich hieraus ergebende Verpflichtung hat der Unter⸗ 
nehmer Sicherheit zu bestellen. Die Sicherheitsbe⸗ 
tellung erfolgt, vorbehaltlich der im dritten Ab⸗ 
schnitt enthaltenen Bestimmungen, durch die von 
dem Unternehmer zu bewirkende Gesammtversicherung 
aller in seinem Unternehmen beschäftigten Arbeiter 
und Beamten. 
8 2. Die Unternehmungen, auf welche 
sich dies Gesetz bezieht, sind: 1) Bergwerke, Salinen, 
Aufbereitungsanstalten, Brüche, Gräbereien und 
Bruben, Hütten- und Walzwerke, Fabriken; 2) 
Werften, gewerbsmäßiger Baubetrieb in Bauhöfen 
und an Bauten; 3) gewerbsmäßige Herstellung von 
Farben, Chemikalien und Exrplosivstoffen; H ge—⸗ 
werbsmäßige Beförderung von Personen oder Gütern 
zu Wasser oder zu Lande; 5) gewerbliche, forst⸗ 
wirthschaftliche und landwirthschaftliche Unternehm⸗ 
ungen, soweit darin dauernd oder vorübergehend 
ein durch elementare Kräfte bewegtes Triebwerk 
oder ein Tampfkessel zur Verwendung kommt. 
Für solche Arten von Unternehmungen, deren Be— 
trieb mit Unfallsgefahr für die darin beschäftigten 
Personen nicht verknüpft ist, kann durch Beschluß 
)es Bundesraths die Verpflichtung zur Sicherheits- 
zestellung ausgeschlossen werden. 
33. Als Unternehmer gilt die Person 
oder die Vereinigung von Personen, für deren 
Rechnung das Geschaäft betrieben wird. Für Bau— 
arbeiten gilt als Unternehmer Derjenige, welcher 
die Ausführung der Bauarbeiten fuͤr eigene Rech⸗ 
aung bewerkstelligt. War ihm die Ausführung 
»on einem andern Unternehmer überlassen, so in 
letzterer für die Erfüllung der dem Unternehmen 
durch dieses Gesetz auferlegten Verpflichtungen 
ubsidiär verantwortlich. 
slI. Abschnitt. Von der Eutschädigungspflicht. 
84. Die Fntschädigung in den Fällen 
des ersten Abschnitts erfolgt ausschließlich nach 
Maßgabe folgender Bestimmungen. 
8 5. Die Entschädigung soll im Falle der 
Berletzung bestehen: 1) in den Kosten des Heil- 
herfahrens; 2) in einer dem Verletzten für die 
Dauer der Erwerbsunfähigkeit zu gewährenden 
Rente. Dieselbe ist nach Maßgabe desjenigen Ar⸗ 
Aeitsverdienstes zu bemessen, welchen Arbeuer der⸗ 
selben Art in demselben Betriebe oder in gleich⸗ 
artigen Betrieben nach den örtlichen Verhälinissen 
regelmäßig beziehen. Uebersteigt dieser Arbeitsver— 
dienst 2000 Mk. jährlich, so bleibt der Mehrbetrag 
außer Berechnung. Personen, welche wegen noch 
nicht beendeter Ausbildung keinen oder eimen nied— 
cigeten Arbeitsverdienst beziehen, sind dabei mif 
dem niedrigsten Betrage des Arbeitsberdienstes voll 
gelohnter Arbeiter derjenigen Beschäftigung, für 
Dienstag, 24. Januar 1882. 
17. Jahrg. 
welche die Ausbildung erfolgt, jedoch höchstens mit 
einem Jahresarbeitsverdienste von 600 Mk. in An⸗ 
'atz zu bringen. Die Rente beträgt: a im Falle 
pölliger Erwerbsunfähigkeit und für die Dauer 
derselben 66*8 Prozent des Arbeitsverdienstes; 
b. im Falle der theilweisen Erwerbsunfähigkeit 
und für die Dauer derselben einen Bruchtheil der 
Rente unter a, welche nach dem Maße der ver—⸗ 
bliebenen Erwerbsfähigkeit zu bemessen ist. 
86. Die Entschadigung soll für den Fall 
der Tödtung bestehen: 1) im Ersatz der orts⸗ 
üblichen Beerdigungskosten; 2) im Ersatz der auf 
das Heilverfahren aufgewandten Kosten und in einer 
für die Zeit der Krankheit zu gewährenden, nach 
den Vorschriften des 85 zu berechnenden Rente; 
3) in einer den Hinterbliebenen des Getödteten 
zom Todestage an zu gewährenden Rente. Die⸗ 
elbe beträgt: a. für die Wittwe bis zu deren Tode 
»der Wiederverheirathung 20 Prozent, für jedes 
hinterbliebene vaterlose Kind bis zu dessen zurück— 
gelegtem 15. Lebensjahre 10 Prozent des Arbeits⸗ 
derdienstes, wenn das Kind auch mutterlos ist oder 
vird, 15 Prozent des Arbeitsverdienstes. Die 
Renten der Wittwe und der Kinder dürfen zusam⸗ 
nen 50 Prozent des Arbeitsverdienstes nicht über⸗ 
teigen; ergibt sich ein höherer Betrag, so werden 
die einzelnen Raten in gieichen Verhältnissen ge— 
kürzt. Der Anspruch der Wittwe ist ausgeschlossen, 
venn die Ehe erst nach dem Unfall geschlossen 
vorden ist; b. für Aszendenten des Verstorbenen, 
venn dieser ihr einziger Ernährer war, für die 
zZeit bis zu ihrem Tode oder bis zum Wegfall der 
Zedürftigkeit zusammen 20 Prozent des Arbeits- 
erdienstes. Wenn mehrere Berechtigte vorhanden 
ind, so wird die Rente der Eltern vor den Groß⸗ 
ltern den männlichen Berechtigten vor den weib⸗ 
ichen gewährt. Wenn die unter bebezeichneten 
nit den unter a bezeichneten Berechtigten konkur⸗ 
ciren, so haben die ersteren einen Anspruch nur, so 
veit für den letzteren der unter a bezeichnete Höchst⸗ 
hetrag der Rente nicht in Anspruch genommen wird. 
8 7. Dem Verletzten und seinen Hinterblie—⸗ 
zenen steht ein Anspruch in Gemäßheit dieses Ge⸗ 
etzes nicht zu, wenn der Verletzte den Unfall po r⸗ 
sätz lich herbeigeführt hat. 
88. Ist der Unfall durch Vorsatz des 
Unternehmers oder im Falle seiner Hand⸗ 
ungsunfähigkeit durch Vorsatz seines Vertreters oder 
»adurch herbeigeführt, daß eine für die Betriebs⸗ 
inlage gesetzlich vorgeschriebene, zur Sicherheit 
dienende Einrichtung unterlassen ist, so bleibt der 
UInternehmer nach den bestehenden gesetzlichen Vor— 
chriften für den vollen Schaden verhaftet, auch so 
veit derselbe die nach Maßgabe dieses Gesetzes 
estgesetzte Entschädigung übersteigt. In gleicher 
Beise haften Aktiengesellschaften, eingetragene Ge— 
iossenschaften und Handelsgesellschaften, wenn der 
Unfall durch ein Mitglied ihres Vorstandes oder 
einen der Liquidatoren vorsätzlich oder durch eine 
in Absatz 1 bezeichnete Unterlassung herbeigeführt 
ist. Die Haftung eines Dritten, welcher den Un—⸗ 
all vorsätzlich oder durch Verschnlden verursacht 
hat, bestimmt sich nach den bestehenden gesetz 
ichen Vorschriften. 
(Fortsetzung folgt.) 
Ausgaben der Staatseisenbahnen für ein 
Jahr der 16. Finanzperiode ist nun vertheilt. Der 
Abschluß würde sich nach den Anträgen des Refe— 
enten in folgender Weise gestalten: 1. Einnahmen 
iach dem Regierungsentwurf 83,821,238 M., nach 
»er vom Referenten beantragten Erhöhnng im Ge— 
ammtbetrage von 340,000 M. dagegen 84,161,238 
Nark. 2. Ausgaben nach dem Regierungsvor—⸗ 
chlage 50,770,160 M.; Referent beantragt Kürz⸗ 
ingen im Betrage von 168,192 M., würden also 
Ausgaben verbleiben 50,60 1,968 M., mithin Ueber— 
chuß 33,559,270 M. 
München, 22. Jan. Graf Paumgarten, k. 
bayer. Gesandter beim Vatikan. hatte das Unglück, 
sich in Rom bei einem Falle im eigenen Zimmer 
die Hüfte zu brechen. Der schon lange kränkelnde 
derr soll nach Wiener Blättern in Folge dessen 
ehr gefährlich krank darniederliegen. 
München. Minister v. Lutz hai die 
fFinladung der Universität Würzburg zu ihrem 
m August zu feiernden 300jährigen Jubiläum an⸗ 
zenommen. Herr Sigl schließt ganz richtig da⸗ 
aus, daß Herr v. Lutz offenbar im August noch 
MNinister zu sein gedenke. 
*Heute, Dienstag, wird voraussichtlich bei Ge— 
egenheit der dritten Etatsberathung der königliche 
Frlaß vom 4. Januar im Reichstage zur 
Sprache gebracht werden. Von der Forischritts- 
pariei wird der Abg. Hänel, von den Secessionisten 
der Abg. v. Stauffenberg, von den Nationalliberalen 
der Abg. v. Benmigsen das Wort nehmen. Fürft 
Bismarck hat die Absicht, sich an der Debatie zu 
detheiligen; es ist jedoch noch zweifelhaft, ob sein 
GBesundheitszustand es ihm erlauben wird. 
Eine Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 
21. Januar erklärt, daß die Rinderpest im 
zanzen deutschen Reichsgebiete als erloschen anzu⸗ 
ehen ift. 
Ausland. 
Wien, 23. Jan. Der Wiener Bürgermeister 
demissionirte und der Polizeipräsident wurde pensionirt. 
Wien, 23. Jan. Aus Trebinje wird ge— 
neldet: Bei Biletsch fand ein heftiges Gefecht statt 
wischen einer Compagnie des 67. Regiments 
Schmerling und Osman Bey. Die Aufständischen 
wurden geschlagen und verfolgt; sie ließen ihre 
Berwundeten zurück. Unter den Toden soll Swe— 
ezar Angyelics sein. Der von den österreichischen 
Behörden sistirte Güterverkehr von Mostar nach 
Serajewo ist wieder freigegeben, da die Straße 
icher ist. — Die Ungarische Creditbank schloß mit 
dem General-Commando beteutende Lieferungsver- 
räge ab, besonders über Mehl. 
Nicht weniger als 82 Bataillone öster⸗ 
reichischer Truppen stehen mit den jüngst abge⸗ 
endeten Verstärkungen in Bosnien und der 
Herzegowina. Werden dieselben, wie beschlossen 
st, mobilisirt, d. h. auf den vollen Kriegsstand 
zebracht, so ergiebt das die respectable Macht von 
78,390 Mann (956 Mann pro Bataillon). Diese 
Zahlen beweisen am besten. daß sich Oesterreich 
auf verhältnißmäßig ernste Dinge vorbereitet. 
Wien, 23. Jan. Officielle Nachrichten aus 
der südlichen Herzegowina melden das Auftreten 
mehrerer Insurgentenbanden in der Stärke von 
1000, 500 und 200 Mann, welche theilweise mit 
Znidergewehrey bewaffnet sind. 
Paris, 22. Jan. Ein heftiger Zwischenfall, 
der sich gestern vor der Kommission der Dreiund— 
dreißig ereignete, hat das Verhältniß zwischen 
dammer und Gambetta aufs Aeußerste zu⸗ 
Politische Uebersich. 
Deutsiches Reich. 
München, 21. Jan. Der zehu Bogen um⸗ 
assende Bericht des Abg. v. Schlör an den Finanz⸗ 
russchuß über den Voranschlag der Einnahmen und