Full text: St. Ingberter Anzeiger

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8. vk 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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der „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wochentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs⸗ 
zlatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 1 40 einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 146 60 H, einschließlich 
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auf welche die Erxpedition Auskunft ertheilt, 13 . bei Neclamen 30 . Bei 4mualiger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
M 211. 
Domnerstag, 26. Oktober 1882. 127. Jahrg. 
Politische Uebersicht. 4 
Deutsches Reich. 
Berlin, 25. Okt. Der Kaiser ist wohlbe— 
zaltex um 8*84 10 Uhr hier eingetroffen; derselbe 
wurde von der Wildparkstation hierher durch den 
ronprinzen und die Kronprinzessin geleitet. 
Berlin, 25. Okt. Die Nachrichten einiger 
Blätter über den Rücktritt des Fürsten von Hohen⸗ 
lohe⸗Schillingsfürst von seinem Posten in Paris er⸗ 
weisen sich als unzutreffend, dagegen wird der längete 
Urlaub des diesseitigen Botschafters Generals von 
Schweinitz in St. Petersburg als ein Uebergang 
auf einen andern Posten, um den er nachgesucht 
zaben soll, gedeutet. 
Der Bundesrath beschloß, den kleinen 
Belagerungszustand über Ha mbur g auf ein Jahr 
u verlängern. 
Ausland. 
Paris, 25. Okt. Die dem gegenwärtigen 
Assisenhof überwiesene Aburtheilung der Anstifter 
»er Ruhestörungen in Montceau⸗les⸗mines ist wegen 
den Drohungen, welche den Geschworenen zugingen, 
zis zur nächsten Geschworenen⸗-Session vertagt worden. 
Paris, 25. Okt. Abendblätter bezeichnen die 
UInterdrückung des Prozesses von Montecau⸗les⸗mines 
uls eine Verfassungsbverletzung von Seiten der 
Regierung. Die France ruft dem Cabinet Duclere 
zu: „Packt euch!“ Im Ministerium selbst herrscht 
Zwiespalt und ist deßhalb eine Cabinetskrisis schon 
etzt moͤglich. 
London, 25. Okt. Unterhaus. Gladstone 
ckärte, auf Anfrage, Englands Stellung in Egyp⸗ 
en insofern wesentlich verändert, daß die Sache 
nehr in Händen Englands liege. Die Regierung 
sei jetzt nicht mehr in solcher Weise durch Verpflicht⸗ 
ungen gefesselt wie vor sechs Monaten; die bestehen⸗ 
den Beziehungen seien aber delicat, schwierig; einen 
ystematischen Plan könne er aber vor Ablauf der 
Session nicht vorlegen. 
Aus London treffen seltsame Nachrichten ein, 
wvelche die Stellung der Engländer in Egypten in 
teineswegs rosiger Beleuchtung zeigen. Der bekannte 
yeutsche Gelehrte Dr. Georg Schweinfurt erhielt die 
Nachricht, daß der aufständige falsche Prophet in 
Ober⸗Egypten ein eghptisches Heer von 7000 Mann 
im 15. September totat vernichtete. Karthum ist 
»edroht. Die dortige Garnison ist demoralisirt. 
die Einwohner sympathisiren heimlich mit dem 
dropheten Mahdi. Die Verbindung mit Darsur 
örte auf. Gegen diese Gefahren sind, nach Schwein⸗ 
urt's Ansicht, diejenigen, welche Arabi's jüngste 
Revolution mit sich führen konnte, gar nichts. Der 
zanze Islam glaubt, der falsche Prophet Mahdi 
verde am 12. November zum König proclamirt 
verden. Die englischen Blätter melden nun in— 
pirirter Weise, Arabi Pascha erkläre jetzt, er sehe den 
Wahnsinn seiner nationalen Bestrebungen ein; auch 
sei er thöricht gewesen, auf den Sultan zu ver— 
rauen. Egyptens künftiges Giück beruhe auf der 
Herrschaft Englands über Egypten. Möglich ist es, 
daß der Aufruhr prompt niedergeschlagen wird. In 
diesem Falle würde Arabi verbannt und seine Ge— 
nossen amnestirt werden. 
Eondon, 25. Okt. Wie man exrfaährt, sollen 
die Kosten der egyptischen Expedition sich auf rund 
dier Millionen Pfund Sterling belaufen. 
F Die russische Kriegsbverwaltung beabsichtigt, 
vor Warschau ein doppeltes Festungsdreieck auf⸗ 
zuführen. Das kleinere wird die Punkte Warschau, 
Modlin und Serock umfassen, das arößere aus detr 
Vereinigung Warschau⸗Modlin, Serock-Demblin und 
der Fesiung Brzesc⸗ Litewski bestehen. Die Be— 
estigungsarbeiten sollen, so weit dies mit Rüchsicht 
nuf die vorgerückte Jahreszeit überhaupt noch mög— 
ich ist, unverzüglich in Angriff genommen werden, 
edenfalls sollen alle Vorarbeiten, namentlich die 
Zufuhr des Baumaterials, sofort beginnen, damit 
»ei Anbruch des Frühjahrs ohne Verzug an den 
Bau gegangen werden kann, der im Laufe des 
nächsten Jahres durchgeführt werden soll 
Auf König Mitan von Serbien wurde am 
Montag Vormittag, als derselbe die Kathedrale zu 
velgrad verließ, von einer Frau Namens Helene 
Markovich ein Revolverschuß abgefeuert, der aber 
ehlging; als sie einen zweiten Schuß abgeben 
vollte, fiel ihr der Adjutant in den Arm und sie 
vurde unter ungeheuerem Volksandrang festgenommen. 
die Ruhe blieb ungestört. Die Attentäterin ist die 
Wittwe des anläßlich der Topolje Angelegenheit 
yon dem' Kriegsgerichte zum Tode verurtheilten und 
zingerichten Obersten Markovich. 
die aufgefangene Correspondenz zwischen Arabi 
ind dem Sultan soll sehr compromittirende 
Schriftstücke enthalten. 
das Nahrungsmittelgesetz. Die betreffenden Ver— 
Jjandlungen hierüber haben den ganzeu Vormittag 
ind den ganzen Nachmittag in Anspruch genommen. 
Nach demselben ist ꝛc. Avril überführt erklärt, 
n den Jahren 1880 und 1881 Wein zum Zwecke 
der Täuschung im Verkehr, nachgemacht und ver—⸗ 
älscht zu haben und wird deshalb — 8 10 Ziffer 
l— zu 1000 Mark Geldstrafe event. 100 Tagen 
HZefängnis verurtheilt; ferner, daß er in 49 Fällen 
»on diesem Wein wissentlich, unter Verschweigung 
des Umstandes, daß derselbe gefälscht und nicht 
Naturwein sei, an seine Kunden verkauft hat und 
vird derselbe deshalb in je 30 M., zäsammen 
370 M., event. 57 Tage Gefängnis verfällt. Der 
Angeklagte hat ferner sämmtliche sehr erhebliche 
dosten des Verfahrrns zu tragen. 
— Von der Lauter. Aus Veranlassung 
eines 50jährigen Doktor⸗Jubiläums hat der kgl. 
Bezirksarzt Her Dr. Reisch in Neu dadt dem 
Pensionsverein für Wittwen und Waisen bayer—⸗ 
ischer Aerzte ein ahnsehnliches Geschenk zugewendet, 
was rühmliche Anerkennung verdient. (Pf. K.) 
— (Pfälzisches Dienstbotenstift.) 
Nach den Statuten für das pfälz. Dienstbotenstift 
verden aus den Zinsen des Kapitalstockes zur Be⸗— 
ohnung braver Diestboten der Pfalz alljährlich in 
der ersten Woche des Monats Januar Preise ver⸗ 
zeben. Nach einer Bekanntmachung der k. Regier⸗ 
ing der Pfalz K. d. J. E Kreisamtsblatt Nr. 74), 
n welcher die Bedingungen zur Erlangung einer 
Belohnung genau angegeben sind, müssen die Ge⸗ 
uche im Laufe des Monats November und — bei 
Vermeidung des Ausschlusses — spätestens bis 30. 
dei dem Bezirke des Dienstortes eingereicht werden. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 26. Okt. Für die Wetter⸗ 
beschãͤdigten im Bezirksamt Kusel wurden aus 
der hiesigen Stadtkasse 50 Mark bewilligt. 
*St. Ingbert, 26. Okt. Gestern Mittag 
verbrühte sich hier ein etwa 2jähriges Kind mů 
heißer Suppe derartig Gesicht, Mund und Hals, 
daß von Seiten der besorgten Eltern die Hülfe des 
Arztes in Anspruch genommen werden mußte. 
— Kaiserslautern, 25. Okt. Gestern 
Abend 8 Uhr fand in der Gasanstalt durch die 
Unvorsichtigkeit eines Arbeiters eine Explosion statt, 
wobei dieser und zwei andere Mitarbeiter mehr 
oder minder erheblich beschädigt wurden. Die Be— 
schädigung am Gebäude ist von keiner Bedeutung 
(Kaisersl. Zig.) 
— Das Erträgniß der Sammlungen für die 
Wetterbeschädigten im Bezirke Kusel belduft sich 
bis jetzt auf M. 283,973.81. 
— Dürkheim, 25. Okt. Herr Apotheker 
Lipps in Freinsheim hatte die Güte, uns 
ein gewichtiges Präsent aus seinem Garten zu über⸗ 
mitteln; nämlich einen Rettig in der Schwere 
jon 6850 Gramm, d. i. rund 1394 Pfund. Zu⸗ 
zleich theilt uns genannter Herr freundlichst mit, 
daß er 25 solcher Rettig⸗Goliaths geerntet, welche 
das respectable Gesammtgewicht von 4 Centnern 
58 Pfund ergaben. Der „kleinste“ aus dieser 
Rettig⸗Riesenfamilie erfreute sich immer noch eines 
13pfündigen Daseins, wogegen der bestgediehenste 
nicht weniger als 22 Pfund zu verzehren giebt — 
und hoffentlich so zart ist und so gut mundet, wie 
der unserige. Was würden die Durstigen im Hof⸗ 
bräuhause zu einem solchen „Radi“ sagen? Und 
da rede uns noch Jemand von schlechten Zeiten! 
GO. A.) 
— Das Land. Tagbl. konstatirt, daß in Folge 
der Verbindung mit der Gotthardbahn fast täg— 
ich größere Transporte stattlicher Ochsen die Station 
randau passiren, und daß solche meist für 
Schlächtereien und Viehhändler in Mainz bestimmt 
ind. 
— Frankenthal, 25. Okt. In der gestri⸗ 
jen Strafkammersitzung des hiesigen Landgerichts 
dand Adam Abvril, 33 Jahre alt, Weinhändler in 
Inastein unter der Anklage eines Vergehens gegen 
— 
Vermiĩichtes. 
F München, 24. Okt. S. M. der König 
haben für das Jahr 1882 an 15 Aerzte zum 
Zwecke ihrer weiteren prakt. Ausbildung Reisesti— 
pendien verliehen. 
fIn Müncheen ist ein Wohltätigleitsbazar 
drei Tage lang geöffnet gewesen, bei welchem sich 
die schoͤnsten jungen Damen aus den ersten dortigen 
Gesellschastskreisen als Verkäuferinnen betheiligt 
hatten. Der Ertrag hat auch die entsprechende un⸗ 
gewöhnliche Höhe von 11,000 M. erreicht, trotzdem 
der Eintrittspreis nur 50 Pf. betrug. 
4 GODer 25. Oktober, ein militäri— 
scher Erinnerungstag.) Als Prinz Otto 
on Bayern im Jahre 1882 zum König von Grie⸗ 
henland gewählt worden wor, hatte sich sein Va⸗ 
er, König Ludwig, u. a. verpflichtet, ihm ein aus 
Freiwilligen zu recrutirendes Hilfscorps von 3300 
Mann mitzugeben. Da sich die Zusmmensetzung 
desselben durch allerlei Umstände verzögerte, wurde 
eine bayerische combinirte Brigade unter Oberbefehl 
des Generalmajors Frhrn. von Hertling gestellt 
und einstweilen dem König Otto zur Verfügung 
übergeben. Die Brigade landete als Begleitung 
des mit unendlichem Jubel aufgenommenen neuen 
Fönigs der Hellenen im Dezember in Nauplia. 
Einige Tage darauf war große Parade und es 
strömten zu dieser von allen Seiten die Führer des 
zriechischen Unabhängigkeitskampfes herbei, um ihre 
Ergebeheit zu bezeugen. Nach wenigen Wochen 
wehte die bayerische Flagge von den Hauptpunkten 
des Landes. Die bayerischen Truppen wurden in— 
dessen nach etwa 1/e Jahren zurückberufen und 
zwar in dem Maße, als das durch Werbung rec— 
rutirte bayerische Hilfscontingent vollzählig wurde