Full text: St. Ingberter Anzeiger

empfangen hätten, da dieselben nicht nur Nichts 
zu fordern, vielmehr von Munzinger im Voraus 
mehr Geld empfangen hätten, als sie nach ihrer 
Arbeit zu beanspruchen gehabt hätten. Nach dem 
Mißlingen ihres Planes setzten die beiden Ange— 
schuldiglten die Arbeit bei ihrem Dienstherrn nicht 
mehr fort. Dieselben sind geständig, fragliche 
„Bescheinigung“ zusammen fälschlich verabredet und 
angefertigt zu haben, welche der Beschuldigte Hein— 
rich auch geschrieben hat. Deßwegen sind beide 
Angeklagte einer Privaturkundenfälschung angeklagt, 
und erhielt jeder eine Freiheitsstrafe von 4 Mo— 
naten Gefängniß. (3w. 3.) 
— Kaisersltautern, 29. Okt. Heute 
Vormittag fand im Pfälzischen Gewerbemuseum die 
3. ordentliche Generalbersammlung des Pfälzischen 
Bewerbemuseums-Vereins statt und war der Besuch 
yon Seiten auswärtiger Mitglieder ein ziemlich 
guter, während die Betheiligung solcher aus der 
Stadt Kaiserslautern selbst eine auffallend geringe 
war. Nach Ankunft des Protektors des Vereins, 
Sr. Exc. des Herrn Regierungspräsidenten v. 
Braun, eröffnete der Vorsitzende des Verwaltun gs⸗ 
rathes, Hr. Commercienrath J. Schoen die Ver— 
sammlung und bewillkommte vor Eintritt in die 
Tagesordnung den Herrn Protector und die er—⸗ 
chienenen Mitglieder auf's herzlichste. Hierauf 
olgte der Rechenschaftsbericht des Herrn Directors 
Spatz. Derselbe entrollte ein erfreuliches Bild 
über die Entwickelung des jungen Unternehmens; 
o hat z. B. der Besuch des Museums gegen das 
Vorjahr um mehr als das Doppelte zugenommen. 
Zahlreiche Geschenke von Kunstgegenständen von 
Seiten der Privaten bekunden das rege Jinteresse, 
dessen sich der Verein erfreut. Auch nahmhafte 
Beldgeschenke wurden übermittelt und ist nament⸗ 
ich Herr Hilgard mit einer Spende von 25,000 
M. zu erwähnen. Der Herr Berichterstatter schloß 
seinen Vortrag mit aufmunternden Worten, damit 
der Ausspruch des Herrn Regierugspräsidenten von 
Braun, welchen derselbe bei der seinerzeitigen Grün⸗ 
dungsfeier aufstellte, in Erfüllung gehe: „Der 
Pfalzzum Nutzen, der Stadt zur Ehre.“ 
Im Anschluß hieran ersuchte der Vorsitzende dem 
Herrn Hilgard den Dank der Versammlung durch 
Erhebung von den Sitzen auszudrücken, was ge⸗ 
schah. Nun folgte Rechnungsborlage und Erthei⸗ 
ung der Decharge. Der Verwaltungsrath wurde 
der Acclamation wiedergewählt und an Stelle von 
wei Ausgetretenen Herr Benzino in Kusel und 
Herr Bezirksamtmann Sch mitt in Kaiserslautern 
Jewählt. Die früheren Herren Revisoren wurden 
wieder aufgestellt. Nun folgten noch Wünsche und 
Anträge, worauf der Herr Regierungspräsident für 
die Unterstützungen, welche dem Vereine zu Theil 
wurden, herzlichst dankte und besonders die Thätig⸗ 
leit des Ausschusses des Verwaltungsrathes lobend 
hervorhob. (Pf. K. 
— Neustadt, 29. Oktober. Die General⸗ 
versammlung der Neustadter Volksbank (eingetragene 
Benossenschaft) erklärte sich in gestriger Sitzung im 
Prinzip für Aufstellung eines Revisors. Der ac⸗ 
reptirte Antrag lautet: „Die Generalversammlung 
erklärt sich im Prinzip für Aufstellung eines Re— 
aisors und ersucht den Vorstand und Aufsichtsrath 
jierfür energisch einzutreten und die Bestellung eines 
olchen entweder im Verein mit Nachbarverbänden 
oder für den pfälzischen Verband allein mit thun⸗ 
lichster Beschleunigung herbeizuführen.“ 
— Mußbach, 29. Oklt. Heute wurde der 
62 Jahre alte Winzer Johannes Behrer von hier 
in seiner Wohnung erhängt aufgefunden. Die Ur⸗ 
jache hiezu soll Vermögungsrückgang sein. 
(N. B. 3.) 
— Bergzabern, 25. Okt. Unter den 
Passagieren, welche von den am 9. Okt. bei Cap 
Race gescheiterten Dampfer „Herder“ gerettet wur⸗ 
den, befand sich auch Carolina Hertle, geb. Wintz, 
don Bergzabern. Die Geretteten wurden am 16. 
Ott. in St. Johns — wo sie untergebracht waren, 
oom Dampfer „Gebert“ aufgenommen und treffen 
dieser Tage in ihrer Heimath ein. 
— Bergzabern, 27. Okt. Und wenn der 
Most auch schon gekeltert ist und das Schlachtfest 
nahe bevorsteht, soll man sich dennoch nicht so sehr 
nuf die behaglichen Stunden freuen, die man bei 
Wein und Dürrfleisch im Winter verleben kann; 
venn sonst könnte es einem gehen, wie einem ge⸗ 
wissen Weinbergbesitzer hier. Derselbe hatte einige 
Ohm „Neuen“ gekeltert und ins Faß geworfen, 
mit dem einzigen Wunsche, „Wenn er nur bald zu 
gähren anfängt.“ In das untere Zapfenloch hatte 
erselben statt einen hölzernen Zapfen eine Kartof⸗ 
el gesteckt, im guten Glauben, dieselbe werde halten. 
Her Neue, der, wenn auch noch jung, doch schon 
m Stande ist, den stärtsten Mann zu werfen, drückte 
edoch mit Leichtigkeit den Kartoffelzapfen, als der 
rigenthümer nicht im Keller war, zum Fasse hinaus, 
uinter großem Getöse und Jubel die erlangte Frei— 
jeit preisend. Wie viele Flüche dem „Flügellosen 
nachgefahren sein mögen, konnten wir nicht erfahren. 
(S. W.) 
(Grandversicherungs-Anstalt der 
Pfalz.) In Folge hoher Regierungs-Entschließ⸗ 
ing ist die Erhebung der Beiträge, welche zur 
deckung der Brandschäden bekanntlich auf 14 Pf. 
xo 100 M. Vers.⸗Kapital fixirt wurden, sofort zu 
Ende zu führen, wenn es noch nicht geschehen sein 
ollte. 
Die Kreisregierung macht bekannt, daß zu 
Anfang künftigen Jahres wieder eine Preisever— 
heitungdes Dienstbotenstifts stattfindet. 
die Preise bestehen: in Ehrenbriefen, Geldbelohn⸗ 
ingen und Präbenden. Ehrenbriefe werden den⸗ 
enigen Dienstboten zugesprochen, welche bis 1. Nov. 
rächsthin eine ununterbrochene fünfjährige Dienstzeit 
jei ein und derselben Dienstherrschaft bei treu und 
ifriger Dienstleistung und gänzlich fleckenlosem Lebens⸗ 
vandel durch von der Ortspolizeibehörde zu beglau⸗ 
zigende Zeugnisse der Herrschaft nachzuweisen ver⸗ 
nögen. Diese Dienstjahre werden bei männlichen 
Personen vom vollendeten 16. und bei weiblichen 
»om 14. Lebensjahr ab gerechnet. Die Dienstboten 
nüssen mit der Herrschaft im Familienverband leben, 
inverheirathet sein und von derselben Kost und Lohn 
»eziehen. Wer 1878 bereits einen Ehrenbrief er⸗ 
jalten und eine 10jährige Dienstzeit unter obiger 
Loraussetzung bei derselben Dienstherrschaft zurück⸗ 
zelegt hat, kann einen weiteren Ehrenbrief, außer⸗ 
»em eine Geldbelohnung und bei Verheirathung 
ine Aussteuerprämie ansprechen. Präbenden können 
olchen Dienstboten verliehen werden, welche nach 
anger treuer (mindestens 10jähriger) Dienstleistung 
nei einer Herrschaft Anspruch auf ein ruhiges und 
»or Mangel geschütztes Alter haben, oder im Dienste 
erunglücken. Die Gesuche um Preise aus dem 
dienstbotenstift sind bis Ende November beim Bür⸗ 
germeisteramt des Wohnorts einzureichen. 
Vermischtes. 
F Wie die „Münch. Corr.“ erfahren haben 
vill, ginge die baye rische Staatsregierung mit 
em Gedanken um, im Nürnberger Zellengefängniß 
ine größere Druckerei zu errichten, in welcher 
immtliche, bei den bayerischen Behörden eingeführten 
formulare angefertigt werden sollen. Dadurch solle 
inerseits die Berwendung der vorhandenen Ar—⸗ 
eitskräfte, anderseits die Hebung der Rentabilität 
her genannten Anstalt, endlich ein finanzieller Vor⸗ 
heil für den Staat erziehlt werden. 
FIn Reichenhall hat am 24. d. Vits. 
die Besitzerin einer am füdlichen Stadttheile ge— 
egenen Villa, eine 34jährige Frau, ihr Anwesen, 
nachdem sie das Mobiliar mit Petroleum über⸗ 
zossen hatte, angezündet und sich dann in der be⸗ 
aiachbarten Klosterlirche St. Zeno durch 5 Revol⸗ 
erschüsse entleibt. Die Kirche ist gesperrt worden, 
da sie auf's Neue geweiht werden muß. 
F Aus St. Wendel wird solgende Geschicht: 
nerichtet: Eine alte Dame in W. konnte wrotz aller 
Beschicklichkeit der Aerzte nicht von ihrem lang⸗ 
vierigen Fieber befreit werden. Da rühmt ihr 
ine Bekannte die Kunst eines alten Weibes an. 
Zie ließ dieselbe kommen. In drei Tagen muß 
zas Fieber weg sein, sprach die Alte zu der ver⸗ 
rauungsvollen Dame, wenn Sie ein geschlossenes 
Zdapierchen an ihrem Halse tragen und dann solches 
jach drei Tagen rückwärts in ein Wasser werfen 
assen. Madame trugs und nach drei Tagen be— 
ahl sie ihrem Mädchen das Zettelchen nach Weis⸗ 
ing der Alten in das Wasser zu werfen. Auf 
em Wege dahin begegnete ihr zufällig der die 
Nadame behandelnde Arzt und wußte dem Mäd— 
hen durch Geschenke und Versprechungen das frag⸗ 
iche Papier abzuschwatzen. Er öffnete es und was 
tand darin? „Die Madame is a Narr in Folio 
ind wers nicht glaubt ist auch a so.“ Indessen 
vich das Fieber ganz und Madame wollte ihren 
Arzt seine Schwäche fühlen lassen. Sie lud ihn 
u einem Essen ein und setzte die alte Frau an 
hre Seite. Wissen Sie, fragte die Dame den 
Ddoktor, wer mir geholfen hat? Das weiß ich, er⸗ 
viederte der Doktor, aber wissen Sie auch, wie 
zhuen geholfen wurde? Er zog das Zerttelchen 
hjeraus und las es ihr vor. Die alte Dame fiel vor 
AUerger in Ohnmacht und in das alte Fieber. Die 
alte Betrügerin aber kam vor das Zuchtpolizeige 
eicht und wurde auf einige Zeit ins Trockne gestellt 
FKreuznach, 28. Ott. Auf eine bi— jest 
unaufgeklärte Weise verschwand gestern der 18jaͤhr 
ge Knabe eines hiesigen Einwohners. Der Knabe 
var noch den Vormittag zur Schule gegangen 
vurde aber nach Beendigung derselben, da er mcht 
nach Hause kam, vermißt. Die Vücher des Knaben 
vurden gestern Abend in der Nähe des Ellerbaches 
zufgefunden. Ob hier vielleicht ein Unglüdsfall 
vorliegt, ist bis jetzt noch nicht aufgeklärt, da alle 
»is heute Nachmittag angestellten Nachforschungen 
nach dem „Krzn. Tgbl.“ erfolglos blieben. 
F Mannheim, 26. Okt. Wegen Wucher 
ind Erpressung wurde heute der Handelsmann Maier 
sNeu von Lützsachsen zu 1 Jahr 9 Monate Gefang⸗ 
niß, Sjahrigem Ehrverlust und Kosten verurtheiü. 
Er trieb ähnliche Geschäfte wie Kaufmann aus 
Viernheim, nur nicht so schlau wie dieser. 
fF Elberfeld. (Taubenpost.) Das Resultat 
der Abgeordnetenwahl für den Wahlkreis Barmen— 
ẽUberfeld wurde der „Barmer Zeitung“ durch Brief⸗ 
auben übermittelt. Diese Verwendung der Brief⸗ 
auben zu journalistischen Zwecken ist originell. 
F Für geraubte sechs Pfennige sechs Jahre 
zZuchthaus! Diese empfindliche Strafe nebst 10 
zahren Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und 
er Zulässigkeit von Polizeiaufsicht war vom Schwur—⸗ 
jericht über den bereits 5mal vorbestraften 27 Jahre 
ilten Färber Karl Wilh. Kegeler von Elberfeld 
»erhängt und zwar laut der „Rh. W. P.“ in der 
That um nicht weniger als 6 Pfennige willen, 
velche er am 22. Juli einem neunjährigen Mäd⸗ 
hen gewaltsam aus der Hand genommen hat. 
F (EEin Stückchen aus der tollen 
Zeit in Weimar.) Unter der tollen Zeit sind 
die Jugendjahre des Großherzogs Karl August und 
die „Suiten“ zu verstehen, die er mit seinem Goethe 
zemacht. In gar mancher Winternacht wurden die 
guten Weimaaraner, die streng Bürgerstunde hiel— 
ten, aus dem ersten sanften Schlaf plötzlich durch 
Peitschengeknall, Schellengeklingel und Hundegebell 
aufgeschreckt, wenn die lustigen Herren vom Hofe 
in sausenden Schlitten von einer Landparthie heim⸗ 
kehrten. In Sommer- und Herdstnächten ersetzten 
rasseilnde Jagdwagen und Hifthorntöne die Wed⸗— 
uhr. Bei einem solchen Jagdausfluge kamen der 
Fürst und sein Dichter zufällig vom Gefolge 
ib und kehrten in ein einsames Bauerngehöft ein, 
im ihren Durst zu löschen. Eine ländische Matrone 
tand am Butterfaß in voller Thätigkeit, unterbrach 
dieselbe jedoch sofort auf Bitten der Gäste und 
solte ihnen frische Milch aus der Kammer. Den 
ꝛandesherren im unscheinbaren Jagdrock, erkannte 
ieselbe keineswegs, ihre Dienstwilligkeit galt nur 
den beiden verschmachteten und verirrien Menschen ˖ 
indern. Kaum hatite sie die Siube verlassen, als 
der Großherzog einen feisten Kater, den er schon 
vorher auf der Ofenbank bemerkt, mit raschem Griff 
eim Fell nahm, in das Butterfaß stopfte, den 
deckel darüber stülpte und seine schwere Waidtasche 
iuf diesen warf, so daß der unglückliche Hinze sich 
inmöglich befreien lonnte. Die Bäuerin trat arg 
os wieder ein, reichte den Jägern den Labetrank 
ind wurde von beiden wechselweise, bis die Glaset 
jeleert waren, dergestalt mit Fragen nach allerlei 
iberhäuft, daß sie weder ihren Kater vermißte, noch 
zeit gewann, nach dem Butterfaß zu schauen. 
dann empfahlen sich die Nimrode auf's Geschwin⸗ 
zeste und vergnügten sich in dem Gedanken, welche 
ugen ihre Wirthin bei der Endeckung des geliebten 
Zausthieres in dem improvisirten Kafig machen 
bürde. Bei nächster Gelegenheit sollte die biedere 
Frau reichlich für den Buiterverlust entschädigt 
verden, so nahm Karl August fich vor. Wenige 
Wochen später, als wieder eine Jagd in der Gegend 
lattfand, suchte er absichtlich mu Goethe das ab⸗ 
zelegene Häuschen auf. „Ei Herr je“ rief die 
zesitzerin ihnen entgegen, „das sind ja die Hertten 
—*, Die Euch,“ fiel der Großherzog ein, „da⸗ 
nals den kleinen Schabernad gespielt, Mutterchen, 
aber hier nehmt Euren Entgeli dafür, mit der 
Buttet konntet Ihr doch nichis mehr anfangen! 
Die ehrliche Alte strich zunächst schweigend 
das dargebotene Goldstück ein, dann binzelte 
sie schlau und erklärte lächelnd: „Die Butter ist au 
den Hof von Weimar gekommen, da freten sie 
Alles!“ Einen Augenblick standen die Hörer start 
vor Ueberraschung, und Einer sah den Andern 
dumm an, bis Karl Augufst schaudernd sich schüttelte,