Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
Der St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wochentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonutag; 2mal woͤchenilich mit Unterhaltungs⸗
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M 218. Sonntag, 5. November 1882. 17. Jahrg.
Politische Uebersicht.
Deutsches Reich.
Mürnchen, 2. Nob. Wie wir vernehmen,
zat Se. Majestät der König die Genehmigung zur
Sammlung von Beiträgen für die gemeinnützigen
gwecken gewidmete Spende zur Jubelfeier des deut⸗
chen Kronprinzenpaares, zu ertheilen geruht.
Berlin, 2. Nov. Gegenüber den Versuchen
der Pforte, sei es, England von der Mission Duffe⸗
rins nach Egypten wieder abzubringen, sei es,
diese Misfion durch die Absendung eines türkischen
Commissärs zu beantworten, hält man in diplo⸗
matischen Kreisen das bezügliche Vorgehen der
Pforte für durchaus ungerechtfertigt, England kann
iich unmoöglich veranlaßt sehen, es von der Pforte
abhangig zu machen, ob es Herrn Dufferin nach
England senden solle oder nicht. Und ebensowenig
lann diese Mission als ein außerordentlicher Schritt
mngesehen werden, der geeignet sei, von der Pforte
mit der Entsendung eines türlischen Commissärs
zach Egypten erwidert zu werden.
Berlin, 2. Nop. Im Reichstage wird, wie
herlautet, der Versuch gewagt werden, noch einmal
nuf die Nothwendigkeit hinzuweisen, das Reichs⸗
zericht nicht von dem Siß der übrigen Reichs⸗
hehörden zu trennen und dasselbe nach Berlin
u verlegen.
Der Reichsanzeiget“ veröffentlicht eine konig⸗
liche Verordnung, welche den preustischen Land⸗
tag auf den 14. November einberuft.
Von der Vorlegung einer Militärstrafprozeß⸗
ordnung an den Meichstag ist keine Rede. Falsch
ist, daß die bayerische Regierung ihr öffentliches
Herichtsverfahren aufgeben will.
Dem Bundesrath ist, wie der „Fr. Zig.“
jemeldet wird, der Entwurf einer Verordnung zu⸗
jegangen, der das Verbot der Einfuhr von Schweinen,
Schweinefleisch und Wursten amerikanischen Ur⸗
prunges ausspricht, sowohl wegen der häufig vor⸗
tommenden Trichinenkrankheit, als auch weil für
Menschen und Thiere Gefahr vorhanden sei.
Ausland.
Pest, 2. Nop. Dem „Fr. J.“ wird gemeldet
Bei der gestrigen Hofjagd stürzte des Kaisers Pferd.
Der Kaiser fiel herab, blieb aber unverletzt, bestieg
ein anderes Pferd und setzte die Jagd fort.
Paris, 2. Nowß. Der Prinz Napoleon
Jerome will nach Beilegung der Arbeitseinstellung
in der Pariser Vorstadt Saint Antoine ein Manifefi
über die sociale Frage an die Arbeiter richten,
worin er zu zeigen versuchen wird, daß ein demo⸗
iratisches Kaiserihum mehr für sie thun könne, als
die gambettistifche stramme Republik. Auch ist von
Jahlreichen Gründungen des Prinzen Napoleon in
der Provinzialpresse die Rede; man fabelt sogar
don 46 Blättern.
Paris, 2. Nov. Die Polizei verhaftete ein
Individuum, welches in den Pariser Centralhallen
Plakate mit Todesdrohungen gegen alle Bourgeois,
dapitaliststen und Exploiteurs anschlug. Aehnliche
Plakate wurden auch in Marseille verbreitet.
Lokale und pfälzische Nachrichten.
— Zweibrücken, 2. Nov. Vergangene
Woche verreisste unter Vorwänden der Wirth und
rühere Unteroffiziet Jakob Lichti von hier,
Pachter der Maher'schen Bierwirthschaft, ein ver⸗
zeiratheter junger Mann von vielleicht 26 Jahren,
ine seiner mit einem erst einige Wochen alten
Zäugling zurückgelassenen Frau bis jetzt Nachricht
don sich zu geben. Da L. sich mit Geld wohl
dersehen, vermuthet man Verduftung, welche fur
inige Gesang⸗Vereine, denen L. als stimmbegabter
Tenorist und fermer Solosänger oft begehrte und
ngeschätzte Dienste leistete, ein fühlbarer Verlust wäre.
Als Triebfeder für die Handlungsweise des L. hört
nan allerhand namhaft machen; der junge Mann
var ziemlich leichtlebig und soll mit seiner jungen
Frau, einer Badenserin, die mir übrigens als
urchaus achtbar und fleißig bezeichnet wird, nicht
janz einig gelebt, auch soll dem jungen Ehemanne
ein Mädchen nachgestellt haben, die früher zu ihm
in Beziehungen gestanden. Das Gerücht läßt den
d. die Reise übers große Wasser nach Amerika an⸗
getreten haben. wo er schon früher gelebt hat.
EPf. K.)
— Zweibrücken, 3. Novbr. (Zw. Ztg.)
Der heutige Tag ist für einen unserer Mitbürger
ein interessanter Jubiläumstag. Heute sind es
zämlich 50 Jahre, daß Hr. Philipp Georg Etzel
als Soldat des bayerischen Hilfskorps, welches dem
ungen Konig ˖ Otto nach Griechenland mitgegeben
vurde, dahin ausmarschirte. Der Jubilar hat dem
senannten Korps (im 6. Inf.⸗Reg.) in den Jahren
1832, 1833 und 1834 angehört; unter der Fahne
tander vom 12. April 1881 bis 9. Mai 1835
und von da bis zum Ende seiner Dienstzeit, 12
April 1837, war er ständig beuxlaubt. Hr. Etzel
besitzt das griechische Militar⸗Denkzeichen und einen
Abschied, auf den er heute noch stolz sein darf.
— Nach der „Zw. Zig.“ erhielten durch den
zortigen Verein gegen Hausbettel“ im
dritten Quartal ds. Is. 560 Handwerksbursche
Anterstützung, 192 wurden wegen nicht geeigneter
degitimationspapiere und Mangels an Arbeitsaus⸗
weis abgewiesen und 13 Stromer dem Gericht
üͤbergeben, welche zusammen mit 388 Tagen Haft
abgeurtheilt worden sind.
— Vom mittleren Gebirg berichtet der
‚Pf. K.“: Die Weinlese ist nun im allgemeinen
unter ungünstigen Witterungsverhältnissen zu Ende
jebracht. Die Preise gestalteten sich indeß im
Lergleich zu ähnlichen Jahrgängen für die Produ—⸗
enten nicht ungünstig. Ueber die Qualität läßt
ich jedoch erst nach vollendeter Gaährung ein be⸗
timmtes Urtheil füllen. Doch ist heute schon an⸗
unehmen, daß am mittleren Gebirg eine kleine
Mittelqualität erzielt wurde, während das obere
Hebirg, sowie die Gegend unterhalb Kallstad ein
Prodult erzeugte, das den Namen Klein⸗Mittel
aum verdient. Bei Beginn der Lese waren die
Zreise ziemlich fest. Doch schon im Laufe der
exsten Tage entwickelte sich infolge bedeutenden An⸗
jebotes und mangelnder Nachfrage ein erheblicher
kückgang. So wurden bezahlt: in Maikammer 8
zis 6 Mk., Diedesfeld 9 bis 6 Mk., Hambach 9
zis 7 Mk., Mußbach 10 Mk. bis 8 Mk. 50 Pf.
Bimmeldingen 11 Mk., Koönigsbach 12 bis 11 Mlk.,
Ruppertsberg 14 bis 12 Mk., Deidesheim je nach
Lage 16 bis 12 Mt., Forst desgleichen, Wachen⸗
jeim vermöge seiner Kies- und leichten Böden etwas
nehr gesucht 14 bis 12 Mt., Dürkheim 15 bis
11 Mk., Ellerstadt 10 Mk., Ungftein 14 bis 12
Mark, Kallstadt 12 bis 10 Mk., Leystadt 9 bis
s Mk. Am Untergebirg zeigte sich eine ziemlich
ebhafte Nachfrage nach den kleinen Qualitäten.
Hekelterter Most wurde verkauft in Großlarlbach
ind Umgegend zu 150 bis 160 Mk. das Fuder,
n Mußbach zu 300 bis 330 Mlk., in Haardt zu
350 Mk., ebenso in Gimmeldingen.
Vermischtes.
F Landshut, Ende Okt. Das hiesige Spital
»eherbergt zur Zeit einen Kranken, dessen Namen
nan in allen fünf Welttheilen kennt. Es ist das
—AV
herg, der nach erlittenem Schiffbruch bei der Ueber⸗
ahrt von Amerika nach Europa und nach man⸗
herlei Irrfahrten in Rußland körperlich wie be⸗
uniär vollständig fertig ist. Einstmaliger Befitzer
ines Vermoögens, welches nach Hunderttausenden
ählte, mußte der fieche Abenteurer, welcher von
Wien kommend, in Landshut nicht mehr weiter
onnte, die Wohlthätigkeit der Stadt in Ansprnuch
nehmen, bis die Reconvalescenz des Kranken seine
leberführung nach der zur Unterstützung des Ver⸗
armten verpflichteten Gemeinde im Rudolstädtischen
gestatten wird.
FMainz. 3. Nov. Eine eigenthümliche In⸗
zustrie ist hier ans Tageslicht gekommen, nachdem
ie Jahre hindurch im Geheimen blühte, und wird
die Gerichte zu beschäftigen haben.“ Es handelte sich
darum, Elsässer vom Militärdienst zu befreien,
indem man untaugliche, gemiethete Indibiduen für
die Tauglichen substituirte und denRekrutixungs⸗
ommissionen vorführte. Mainz erschienwegen seiner
kntfernung von der Heimath der Kekruten als be⸗
onders geeignet, da man dieselben hier nicht kannte.
Das Geschäft wurde sehr schwunghaft betrieben,
etzt aber entdeckt. Der Hauptunternehmer ist ˖ flüch⸗
tig. In wie weit Aerzte sich dabei betheiligt haben
können, steht noch nicht fest, dagegen sollen die ver⸗
ichiedenen sonstigen Helfershelfer bekanunt sein.
FGMordmanie bei einem Kinde.)
Aus Pasris schreibt man dieser Tage: Dr. Legrand
du Saulle wurde berufen, einen eigenthümlichen
Fall von Mordmanie bei einem Kinde, und zwar
zei dem fünfjährigen Sohne einer ehrenhaften Dame
einer Musikerin, zu studiren. Das Kind ist im
Jahre 1877 geboren, hat einen rosigen Teint, ein
ceizendes Gesicht, schwarze Augen und sehr sanfte
Züge; dennoch ist es schon sehr verderbt, naseweis,
diebisch und heftig. Dies gefährliche kleine Wesen
lechzt föormlich nach Blut, und um diese Lust zu
defriedigen, hat es bereits mehrere Attentate auf
ein kleines einjahriges Brüderchen gemacht. Der
Junge hat sogar schon seiner Mutter versprochen,
daß er ihr den Garaus machen werde, sobald es
ihm seine Kräfte und seine Gestalt erlauben. Leider
steht der Fall, über den Dr. Legrand du Saulle
sich aussprechen soll, nicht vereinzelt da. Unter
den jüngsten Pensionären der Privat⸗Irrenanstalt
zu Paris gibt es einige, die zu verschiedenen Malen
bersucht haben, ihre Gefährten zu erdrosseln.
London, 2. Nov. Gestern Nachmittag
wurde London sowohl, wie ein großer Theil des
Landes von einem neuen Sturm heimgesucht; der
Wind war so heftig, daß in Plymouth ein Knabe
ind in Cowes ein älterer Mann in das Wasser
geschleudert wurden, wo sie ihren Tod fanden.
Durch die dem Sturme folgende Ueberschwemmung
vurden in Athelneh und Bourroughbridge neun
häuser zerstoͤrt und viele andere sind dadurch bau⸗
fällig geworden.
F Manila. Die am 20. v. M. über Ma⸗
aila hereingebrochene Typhon⸗Katastrophe hat wieder
einmal die allgemeine Aufmerksamkeit auf jenes ent⸗
legene Eiland hingelenlt, und darum dürften nach⸗
tehende Bemerlungen von allgemeinerem Interesse
sein. Manila oder Luzon ist bekanntlich die groößie
der Philippinen, welche 1821 von Magelhaens
entdeckt und 1565 von Lopez erobert wurden. Seit