Full text: St. Ingberter Anzeiger

Wiener Blatter erzählen folgenden lleinen 
man: Seit einigen Tagen wird der Geschäfts— 
a einer Wiener Hutfabrik vermißt. Unter 
sen Bekannten circutirt das Gerücht, daß derselbe 
al seinem Leben freiwillig ein Ende gemacht 
n dürfte, und das aus Gründen, die inter⸗ 
jnt genug sind, um hier in Kürze erwahnt zu 
den. N., ein intelligenter Mann, war vor we—⸗ 
hen Jahren noch in Prag. Dort nahm er ein 
es, tugendhastes Mädchen zur Frau. Die 
he war nichtsdestoweniger keine glückliche, und N. 
hloß, obgleich seine Gattin ihn leidenschaftlich 
ic sich von derselben zu trennen. Die arme 
zau siedelte nun gebrochenen Herzens von Prag 
h Wien über. Hier miethete sie in einer Vor⸗ 
It eine kleine Wohnung, arbeitete fleißig und 
ihrie unter dem Namen einer „Wittwe Sz.“ ein 
pst zurückgezogenes Leben bis zu einem Tage, 
welchem sie durch Zufall die Bekauntschaft 
es jungen außergewöhnlich schönen Mädchens 
uchte. Dieses eine arme, verlassene Waise, ver⸗ 
iud sehr bald die junge, bleiche Ftau und wurde 
ich von dieser verstanden. Unglück kettet die 
Jenschen leicht aneinander; die Waise und die 
im ihrem Manne Verlassene wurden die besten 
reundinnen. Die Waise zog zur Frau N., und 
n nun an theilten sie Leid und Freude, wie die 
tlichsten Geschwistet. Das währte etwas über 
n Jahr. Da erzählte eines Tages das Mädchen 
Frau N., daß es die Betkanntschaft eines 
Jannes gemacht habe, der es zu heirathen wünsche. 
it sei wohl schon über die Dreißig, aber noch 
umer ein stattlicher Mann, und er habe sein gu— 
Auskommen als Geschäftsführer einer hiesigen 
jabrik, welche Stelle er erst vor wenigen Monaten 
agenommen. Das Mädchen gestand ferner, daß 
'die Liebe dieses Mannes erwidere und kaum 
den nächsten Morgen erwarten könne, wo er es 
hesuchen werde, um bei der mütterlichen Freundin 
m es anzuhalten. Und am andern Morgen schrie 
as am Fenster stehende Mädchen plötzlich auf: 
x kommt! Sie flog an die Thür und alsbald 
ichien in der Wohnung der „Wittwe Sz.“ der 
ofehnlichst erwartete Geliebte des Mädchens, der 
diemand anders war, als — der Gatte der Frau 
... Die Scene die hier folgte, muß hier 
dergangen werden. Am Tage darauf fand man 
zrau N. als Leiche. Der Polizei⸗Anzeiger brachte 
amals die kurze Notiz: „Frau N...- gemel⸗ 
et unter Wittwe Sz... bergiftete sich durch 
bosphor.“ Aus einem Schreiben der Frau N. 
rar ersichtlich, daß sie ihrem Leben ein Ende ge— 
zacht, damit sie ihrem Gatten, den sie noch immer 
edie, und ihrer Freundin, die ja nicht wußte, an 
an sie eigentlich ihr Herz verschentt, nicht im 
wVege sei. Seitdem verstrichen mehrere Wochen. 
dor einigen Tagen nun erschien N. vor der Ge— 
edten mit der so oft schon gemachten Erklärung. 
etz er ohne sie nicht leben könne, und daß sie 
ndlich einwilligen möge, seine Frau zu werden. 
das Mädchen gab ein entschiedenes „Nein“, indem 
hinzufügte: „So räche ich die todte Freundin 
r das Verbrechen, das Sie an der sanften, duld⸗ 
men Frau, an Ihrer von Ihnen so herzlos ver⸗ 
genen Frau begangen haben!“ Seit jenem Tage 
N. verschollen. 
In Ungarn richtet sich die Aufmerksam⸗ 
eit auf den Mordproceß wegen der verschwundenen 
vsther Solymossy. Nach verschiedenen Zwischen— 
ällen ist der Proceß endlich auf den Anfang De— 
ember anberaumt, und zwar mit der Anklage auf 
Nord gegen vier, auf Beihilfe gegen drei Israe— 
iten. Wie es kürzlich hieß, liegt die Unschuld der 
Angeklagten klar am Tage. 
Zürich, 1. Nov. Zu Glattfelden (am Rhein). 
uurde das Pfarrhaus, waährend Pfarrer Jäggli hier 
ur Synode war, von Räubern erbrochen und aus— 
eraubt; die Frau des Pfarers kam dabei schreck— 
ch ums Leben, während die Magd mit dem Kinde 
h durch ein Sprung aus dem dFenster rettete. 
f Ein aufregender Vorfall ereignete sich kürz⸗ 
q auf der Eisenbahnlinie Genf-Lausanne. 
der Zug hatte eben die Station Vorges verlassen, 
ein fürchterlicher Schrei aus einem Wagen 
titter Classe erionte. In Morges war nämlich 
in Reisender in aller Hast in ein Coupè einge— 
liegen, in welchem sich eine Frau R. aus Lau— 
annne mit zwei Kindern befand. In der Eile 
utte der Reisende bergessen, den Riegel der Thüre 
vorzuschieben. Ein sechsjahriger Knabe lehnt sich 
9 die Wagenthüre an, diese öffnete sich und das 
ind stürzte auf den Bahnkörper. Die Mutter 
sößt cmen furcbaten Schrei aus and wl 
hinausstürzen. Sie wäre unbedingt getödtet wor⸗ 
ben, hätte der Fremde sie nicht noch rechtzeitig zu— 
rückgehalten. In Renens stieg Frau R. aus und 
nahm sofort einen Wagen, um nach Morges zu— 
rückzufahren. Wer schuldert die Freude, als sie in 
dem Häuschen eines Bahnwärters ihr Kind gesund 
und heil und ohne die mindesten Verleßungen an⸗ 
traf! Ein Bahnwärter hatte den Knaben auf der 
dinie gefunden, weil derselbe dem Zug nachlief und 
Mama! Mama! schrie. Er hatte ihn dann zu sich 
jenommen, wohl vermuthend, daß man bald nach 
m fahnden werde. 
Im „Mon. ind.“ macht Herr de Vauthebret 
den Vorschlag, um zwischen dem Mont Cenis und 
dem St. Gotthard einen Alpenübergang zu schaffen 
den Großen St. Bernhard zu durch— 
»o ren. Die Länge der Bahnlinie, welche von 
Aosta in Italien nach Martiguy in der Schweiz 
ühren soll, würde 96,5 km. betragen. Von Aosta 
»is zum Tunneleingang würde sie eine Steigung 
don 24 bis 26 min, pro m. erhalten; im Tunnel 
elbst auf der Südseite O0,0043 und auf der Nord— 
eite O, 001 pro m. Die Kosten der ganzen Linien 
ind auf 50 Millionen Francs geschätzt. Es wäre 
sies der kürzeste aller Alpenpaß⸗Tunnels, denn die 
rängen der übrigen betragen: Mont Cenis, 12,240, 
votthard 14,900, Mont Blanc (bprojectirt) 10,8300 
Simplon (proj.) 18,507, während am St. Bern⸗ 
jard nur 6625 m, zu durchstechen wären. Bei 
der Gotthardlinie waren außer dem Haupttunnel 
roch andere Tunnels von insgesammt 7123 m. 
dänge zu bauen. Wohl aber erreichte die Bern⸗ 
jardpaßbahn mit 1485 m. die höchste Scheitelhöh— 
inter allen übrigen, gegen 1335 des Mont Cenis, 
1145 des Gotthard, 1100 des Mont-Blanc und 
10 des Simplon. Die Entfernung von Calais 
aach Brindisi durch den St. Bernhard würde mit 
2105 km. unter allen die kürzeste sein. 
FGEin musterhafter Ehemann.) Die 
Frau eines polnischen Bauern in der Gegend von 
Sierpce litt an großen Zahnschmerzen. Man zog 
ein Barbier zu Hilfe, welcher rieth, den Zahn aus— 
eißen zu lassen. Die Bauerfrau hatte jedoch nicht 
o viel Muth, um sich dazu zu entschließen. Am 
aächsten Tage wurde der Schmerz noch größer, 
rotzdem gewann die Frau noch immer nicht den 
Muthe, sich der Operation zu unterziehen. Den 
janzen Tag über suchte sie der biedere Ehemann 
azu zu bewegen, schließlich aber, als seine Ueber— 
redungskünste nichts vermochten, ließ er sich selbst 
in Gegenwart der Frau den gesündesten von seinen 
igenen Zähnen ausreißen, um die Frau davon zu 
überzeugen, daß das nicht sehr weh thue. Der 
Barbier riß ihm den gesunden Zahn aus, und der 
Bauer zuckte nicht einmal dabei. Das half und, 
dem Beispiel des Mannes folgend, ließ sich die 
Frau ihren morschen Zahn nun ebenfalls ausreißen. 
F Petersburg, 6. Nop. Die Newa ist 
boll Eis. Der Eisgang aus dem Ladugasee dauert 
fort. Die Schifffahrt ist geschlossen. 
F (GCTürkische Liebenswürdigkeiten. 
Für einen verheiratheten Mann scheint es nicht 
mmer angezeigt zu sein, den Gesandtschaftsposten 
n Konstantinopel abzunehmen, wenigstens wider⸗ 
uhr dem General Wallace, Gesandten der Verein⸗ 
gten Staaten ein sonderbares Abenteuer. Der 
Sultan, der ihn mit seiner besonderen Freundschaft 
zeehrte, schickte eines schönen Tages dem Gesandten 
ein ebenso anmuthiges wie unerwartetes Geschent 
in die Wohnung, nämlich, von einigen Eunuchen 
eskortirt, eine junge prächtige Cirtassierin. Der 
Beneral war nicht zu Hause und Madame Wallace 
mpfing den Chef der Eskorte. „Was kann das 
unge Mädchen?“ fragte sie. „Sie ... sie wird 
dem General den Kaffee serviren,“ antwortete der 
kunuche in sichtlicher Verlegenheit, „und wird ihm 
iuch bei seinen Waschungen behilflich sein.“ Die 
Frau des Generals weigerte sich, ein Mädchen, 
velches ein so lebhaftes Interesse an der Toilette 
hres Mannes nehmen sollte, in ihr Haus aufzu⸗ 
iehmen und dem Gesandten blieb nichts übrig, 
ils dem Sultan das gutgemeinte Geschenk zurück⸗ 
uschicken, auf die Gefahr hin, durch sein Refuß 
einen diplomatischen Kouflickt heraufzubeschwören. 
FKairo, 4. Nobbr. Jn Mekta ist 
die Cholera ausgebrochen. (Während des Zu—⸗ 
ammenstörens muhamedanischer Pilger in Metka 
st die Cholera dort schon häufig ausgebrochen. 
doffentlich wird es den Quarantäne-Maßnah- 
nen gelingen, die unheimliche Seuche vom euro⸗ 
Ȋdischen Voden fernzuhalten.) 
α, v. Ao. Am Vommerstag sino 
in dem hundert und fünfzig Meilen von hier ent⸗ 
ernten Distrikte bei Ain Taab mehrere Dörfer 
durch ein sehr heftiges Erdbeben zerstört worden. 
der Verlust an Menschenleben soll dem Vernehmen 
nach ein sehr bedeutender sein. 
F Ein Schauderdrama in New⸗-YPork.) 
Die Frau des Dr. Edward C. Segnin, eines der 
geschicktesten Aerzte von New⸗-York erschoß ihre drei 
dleinen Kinder und dann sich selbst. Der Tod 
muß übrigens bei Allen augenblicklich eingetreten 
sein. Frau Segnin war eine hübsche, zweiund⸗ 
dreißigiährige Ftrau, die ihre Kinder und ihren 
Batten, mit dem sie sehr glücklich gelebt hatte, 
zärtlich liebte. Der Gatte, eine der ersten Autori— 
äten im Lande für Geistes- und Nervenstörungen 
ind dabei ein allgemein geachteter Charakter, soll 
zurch diesen Schlag wie vernichtet sein. 
(ürheirathslustige Jungfrauen.) 
Rach Berichten amerikanischer Journale leidet das 
zedeihende und blühende Territorium von Idaho 
n den Verein. Staaten an einen Mangel, der bei 
ungen Pionirstationen nicht ungewöhnlich ist — 
s herrscht nämlich große Noth an dem schöneren 
Slemente der Schöpfung oder, um die Sprache des 
Lirginia Chronicle zu bebrauchen: „Der Vorrath 
in Frauen ist nicht entsprechend der Nachfrage der 
Junggesellen, und sie schreien nach Mädchen, die 
ommen mögen, um sie zu heirathen.“ Durch diesen 
Umstand bestochen, haben einige irregeführte Jour— 
iale von New-York und New⸗-England einsame 
Jungfrauen, aufgefordert, „ihre respectiven Wohnorte 
u verlassen und nach dem Westen zu reisen, um Gatten 
inzuheimsen.“ Hierauf erwiedert das energische Chro⸗ 
nicle: „Das unshuldige Blut falle auf das Haupt 
dieser unvernünftigen Redakteure!“ und fährt fort, 
alle Heirathsaspirantinnen von Idaho zu warnen, 
ndem es die Erfahrung stizzirt, die einer niedlichen, 
vohlgekleideten, gebildeten New⸗England-Maid un⸗ 
rusweichlich bei ihrem ersten Zusammentreffen mit 
hrem künftigen Idahogatten beschieden sein würden. 
„Er erwartet“, schreibt das Blatt, „ihre Ankunft 
zei der Eisenbahnstation, gegenüber dem „Cosmo⸗ 
zolitanhotel in der Mörderschlucht“. Für die be⸗— 
ondere Gelegenheit hat er fich einen neuen Anzug 
zekauft, auf dem die Falten der Neuheit noch 
iberall sichtbar sindd. Er hat auch dem Barbier 
einen Besuch abgestattet, sein Gesicht glanzt, und 
eine von Oel triefenden Haare sind vorn die Stirn 
jerab und hinten gegen den Scheitel hinauf ge— 
triegelt und gewachsst. Sein Hut ist keck einge— 
drückt und schief über ein Auge aufgesetzt und seine 
chweren Stiefel erglänzen von Hammelfett in einem 
Feiertagsleuchten. Für das bewundernde Auge der 
Bewohner der „Mordschlucht“ ist der Jüngling das 
Bild der höchsten Eleganz. Er besitzt eine Mine 
oder einen Viehranch, 50 Meilen von der Mord⸗ 
ichlucht entfernt, und einmal im Monat reitet er 
zu diesem Centrum der Civilisation, um — einen 
Zeitvertreib zu haben — d. h., er kommt, um sich 
rüchtig vollzutrinken, Pharao zu spielen und sich 
zu prügeln, andere Vergnügungsformen nicht zu 
erwähnen! Wenn die Maid aus Massachusets an⸗ 
langt und mit einem leichten Schütteln ihre Kleider 
dom Reisestaube befreit, spuckt der Idahojüngling 
einen letzten Strahl von Tabakssaft auf die Veranda, 
treicht dann mit dem Rucken seiner hornhäutigen 
hand über den Mund, setzt ein galantes Grinseln 
uuf und stolpert endlich vorwärts — seiner Braut 
entgegen. Sie blickt ihn an, erbleicht und hält 
nur mit Mühe einen Schieckensruf zurück, nimmt 
zögernd seinen linkisch dargebotenen Arm und trippelt 
ins Hotel. Dort wartet bereits der Pfarrer. 
Wenn es einen Idahojüngling heirathet, wird das 
Maäaͤdchen aus Massachusets in der Regel nach zehn⸗ 
ähriger Ehe in Folge harter Arbeit zu Grunde 
zehen und eine große Familie zurücklassen, von der 
zie Knaben wahrscheinlich ihrem Vater gleichen und 
nn ihren Stiefeln sterben werden.“ Nach dieser 
reizenden Schilderung kommt das Blatt zur Con⸗ 
lusion, daß das schreckliche Loos, welches ein Mädchen 
rwartet, das einem Idahojüngling angetraut worden, 
keine Einbildungskraft zu schildern im Stande sei.“ 
sterbefẽe lle. 
Gestorben: in Speier Margaretha, 24 J. a. 
T. v. A. Hofmann, Lehrer; in Landau Frau 
Margaretha Albertina Peters, geb. Bumüller; 
ebenda Frau Theresia Courret, geb. Auerbach 
58 J. a. 
Fur die Redaktion verantwortlich F. X. Demeg.