»*Bt. Iubherter Ahhzeiger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
der ‚St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wochentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs-
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Donnerstag, 9. November 1882. 17. Jahrg.
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Politische Uebersicht.
Deutsches Reich.
Das kgl. bayerische Ministerium hat an die
sammtlichen Handels- und Gewerbekammern des
Landes ein Circular gerichtet, worin auf die Be—⸗
deutung der für nächstes Jahr in Amsterdam pro—
jektirten Ausstellung für Kolonieen und Expori
hingewiesen und die Handelskammern aufgefordert
verden, auch ihrerseits für die Beschickung fraglicher
Ausstellung in ihren bezüglichen industriellen und
gewerblichen Kreisen thätig zu sein.
Trier, 8. Nov. Bischof Korum ernannte zu
domherrn Dr. Henke und Dr. Eberhard, beide
uus Trier. Jetzt hat der Staat noch eine Vacatur
besetzen: hiernach wird das Kapitel complet
cIui.
Berlin, 7. Nov. In der heute hier abgehal—
enen, aus allen Theilen Deutschlands beschickten
bersammlung der Delegirten des Deutschen Pro—
testanten ⸗Vereins wurden warme Einladungen aus
Halle a. S. und aus der Pfalz (Neustadt a. d.
Hardt oder Zweibrücken) zur Abhaltung des Teut⸗
schen Protestantentages im nächsten Jahre über—
bracht. Die Versammlung beschloß einstimmig, den
nächsten Deutschen Protestantentag nach der Pfalz
uu berufen.
Berlin, 7. Nov. Der Boischafter Fürst
Hohenlohe ist heute früh nach Varzin abgereist,
wohin sich, dem Vernehmen nach, demnächst auch
der Botschafter Graf Münst ex von Hannover aus
begeben wird.
Der Ausschuß des Zentralverbandes deutscher
Industrieller, der sich vor wenigen Tagen in Ber⸗
lin mit den beiden, dem Reichstage vorliegenden
sozialpolitischen Entwürfen beschäftigt hat, soll, wie
man der „National⸗Zeitung berichtet, Zweifel da⸗
rüber ausgedrückt haben, ob das Unfallgesetz auf
der Grundlage des Regierungsenwurfes zu stande
hommen könne; es sind verschiedene Abänderungs⸗
mträge angenommen worden; die Hauptopposition
in dem erwähnten Ausschuß stützt sich auf die an⸗
geblich zu hohe Belastung der Industrie.
Durch die bevorstehende Novelle zum deut⸗
schen Militärpensionsgesetze wird sich
ür Bayern die betreffende Quote aus
etwa 226,000 Mk. (unter im Ganzen 2,305,000
Mk. Mehrbetrag) erhöhen. Die genannie Summe
wird indeß nur in längerer Zeitdauer zur Ausgabe
gelangen und im ersten Jahre nur 131,500 Mk.
darunter für Bayern 15.000 Mk. betragen.
Ausland.
Wien, 8. Nov. Gestern Abend fand an⸗
aßlich der Auflösung der Schuhmacher⸗Genossen⸗
chaften der Kaiserstraße eine Volksdemonstration
tati. Da das Einschreiten der Polizei fruchtlos
war und die von den Agitatoren bearbeitete Menge
die verhafteten Rädelsführer mit Gewalt befreien
voslte, wurden die Straßen durch Militär gesäubert.
Paris, 8. Nov. Der Prinz Victor Napo⸗
ꝛon tritt Samstag als gemeiner Soldat in das
42. Artillerie Regiment ein.
Nach Londoner Nachrichten wird dorten un⸗
nittelbar ein Schritt Frankreichs erwartet,
im England zu veranlassen, daß es sich in be—
fimmter Weise über seine Pläne betreffend die
ünftige Gestaltung der Finanzkontrole in Egypten
ußere.
Die Kaiserin Eugenie hat, wie es heißt, ein
sestament gemacht, kraft dessen sie ihr Eigenthum
dem Sohne des kaiserlichen Thron⸗Prätendenten,“
dem Prinzen Victor Napoleon, vermacht hat.
London, 7. Nov. Admiral Seymour ist
unter dem Titel Lord Alcester, General Wolseley
unter dem Titel Lord Wolseley of Kairo in den
Pairsstand erhoben worden.
Alexandrien, 7. Nor. Lord Dufferimn
traf heute Morgen hier ein. — Die für die ägyp⸗
tische Gendarmerie angeworbenen Schweizer be—
klagen sich lebhaft über ungenügendes Tractement.
Die Regierung beschloß deshalb, dieselben auf ihre
Kosten zurückzusenden. Die Rückreise erfolgt schon
morgen.
New-NYortk, 7. Nov. Heute fanden in 29
Staaten die Wahlen der Congreßmitglieder und der
Beamten der Legislaturen der Einzelstaaten statt.
Die bisherigen Berichte constatiren große Gewinne
für die Demokraten. Als gewiß ist anzunehmen,
daß die Demokraten in Stadt und Staat Newyork
zesiegt haben; dieselben schreiben sich in den Staa—
sen Connecticut, New-Yersey, Pensylvanien eben⸗
falls den Sieg zu.
Hn
Lokale und pfälzische Nachrichten.
* St. Ingbert, 9. Nov. Wie wir hören
hat sich neuerdings unter den aktiven Mit—
gliedern des hiesige Turn-Vereins ein
Sängerchor konstituirt, um so innerhalb des
Turn⸗Vereins durch die Pflege des vierstimmigen
Männergesanges das Angenehme und Schöne mi⸗
dem Nützlichen zu verbinden.
*St. Ingbert, 9. Nov. (Pfälzische
Aussteueranstalt.) Ueber den Zweck derselben
haben wir bereits in Nr. 217 des „Anz.“ (vom
4. Nov.) ausführlich berichtet. Indem wir an das
dort Gesagte erinnern, bemerken wir ergänzend, daf
die Vertretung der Anstalt in unserer Stad'
dem kgl. Steuereinnehmer Herrn Ascker übertragen
ist. Ein Loos kostet 3 Mark; auf je 100 Loose
kommt ein Gewinn von 300 M. Wer an der
Anstalt Theil zu nehmen wünscht, der wende sich
bis längstens 15. ds. Mts. an Herrn Einnehmer
Acker; derselbe ist gewiß auch gerne bereit, nähere
Aufschlüsse zu geben.
— Durch hohe Verfügung des Herrn Präsi⸗
denten des kgl. Oberlandesgerichts der Pfalz wurde
die Eröffnung der pfälzischen Schwurgerichtssitzungen
am kgl. Landgerichte Zweibrücken pro viertes Quartal
des Jahres 1882 auf Montag den 4. Dezember
nächsthin festgesezt und zum Präsidenten des
Schwurgerichts Herr Oberlandesgerichtsrath O st⸗
helder und zu dessen Stellvertreter Herr Land⸗
zerichtsdirektor Herfeld ernannt. (In dem Ver⸗
eichnisse der Herren Geschworenen für die nächste
Session finden wir den Kanton St. IJnaber!
nicht vertreten.)
— In Homburg feierte der Bahnmeister
Hherr Becker in aller Stille die Feier seiner 25jähr
Thätigkeit als Bahnmeister der pfälz. Eisenbahnen.
Wie die Zw. Zig. mittheilt, wurde ihm von seinen
Kollegen eine goldene Uhr und von seinen Unter—
zebenen ein Ruhesessel zur Erinnernng an diesen
Ehrentag als Geschenk überreicht.
— In Schaidt bei Weißenburg wurde der
heurlaubte Soldat J. Huppert ohne jegliche Ver—
anlassung von zwei dortigen Burschen mit Messern
'örmlich massakrirt. Die Thäter wurden durch die
Gendarmerie sofort abgeführt.
— In Speyer wurde am Montag durch
den Hrn. Regierungspräsidenten Exz. von Braun
der Landrath der Pfalz eröffnet. Als Präsident
wurde Herr Dr. Armand Buhl mit 19 und als
Sekretär Herr Schneider mit 18 Stimmen von
22 Abstimmenden gewählt. Unter den Vorlagen
an die Kreisvertretung nennen wir eine solche be—
züglich Unterhaltung der Gebäulichkeiten und des
Mobiliars der Kreis-Realschule und der Kreisbau⸗
gewerbschule Kaiserslautern, Ertheilung von Er—
munterungspreisen für die Pferdezucht in der Pfalz,
Ankauf von hervorragend guten Beschälern für das
dandgestüt Zweibrücken.
— Die Herbstprüfung für Kandidaten des ein⸗
jährig⸗freiwilligen Militärdienstes hat am 6. do.
Mts. in Speyer ihren Anfang genommen. Von
22 angemeldeten Prüflingen waren 20 erschienen.
Die Themata für den deutschen Aufsatz (4 Stunden
Zeit zur Bearbeitung) lauteten: 1) Mit welchem
Rechte sagt Göthe: „Nichts ist schwerer zu ertragen,
als eine Reihe von guten Tagen“. 2) Warum
werden unsere Burgen auch in ihren Ruinen noch
gerne besucht? 3) Herbst und Abend — eine
varallele.
— Wie der „M. A.“ mittheilt, wurde Mon⸗
lag Abend in Mundenheim der Gemeinde—
schreiber K. Mehrle wegen Veruntreuung von
sirchengeldern verhaftet und nach Frankenthal ab⸗
geführt. Das Manco kann durch das Vermögen
des Verhafteten gedeckt werden.
— Das kgl. Landgericht Frankenthal ver—
urtheilte am Dienstag den Weinhändler Peter
Cawein von Ungstein wegen Weinfälsch—
ung zum Zwecke der Täuschung im Handel und
Verkehr zu einer Geldstrafe von 500 Mark, event.
50 Tage Gefängniß und den Schwiegersohn des
GBenannten, den Weinhändler Jakob Germann,
von Ungstein wegen Verkaufes wissentlich gefälschten
Weines als Naturwein in 15 einzelnen Fällen in
eine Geldstrafe von je 40 Mark, insgesammt 600
M.. event. 60 Tage Gefängniß, sowie die beiden
Angeklagten zur Tragung der ziemlich bedeutenden
Kosten. Auch in diesem Weinschmiererprozeß spielten
wieder Sprit, Traubenzucker,. Glycerin und Trester
die wichtigste Rolle.
— Der 27 Jahre alte praktische Arzt Hr. Dr.
Karl Dupré in Frankenthal wurde am
4. ds. von der dortigen Strafkammer wegen drei⸗
facher Beleidigung des Rechtspraktikanten und Re—
servelieutenants Hrn. Chormann, begangen in
zwei Briefen an das Kommando des 2. badischen
Dragoner⸗Regts. und in einem Schreiben an das
Landwehrbezirks-Kommando Mannheim, im Ganzen
zu 200 M. Geldstrafe und in die Kosten verur—⸗
theilt. Anlaß zu den Beleidigungen gaben Duell⸗
Angelegenheiten zwischen Dupré und den HH.
Rechtspraktikanten Walther und Kraft. Der Beleid⸗
iger warf in den Schreiben mit graven Insulten
wie „qualifizirter Lausbube“, „aufgeblasener Phra⸗
senheld“ u. s. w. nur so um sich.
— In Oggersheim wollte der Wirth
Buchert am Montag einen Fensterladen aufstoßen,
dekam dabei das Uebergewicht und fiel vom zweiten
Stock auf das Pflaster; der Verunglückte erlag den
bei dem Sturze erlittenen Verletzungen schon nach
wenigen Stunden.
— Unser pfälz. Landsmann Herr Componist
Vierling ist belanntlich bereits ordentliches Mit—
glied an der kgl. Akademie der Künste in Ber—
lin. Wie der Pf. K. erfährt, ist demselben nu«
auch die Auszeichnung zu Theil geworden, ls
Mitglied des Senates an der tal. Akademie ger
wählt zu werden.