Full text: St. Ingberter Anzeiger

ↄl. Aullberter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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M 222. 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
München, 8. Nop. Se. Maj. der König 
oird, wie wir vernehmen, am kommenden Freitag 
Nünchen wieder verlassen und sich nach Hohen⸗ 
ywangau begeben. — Unter den Beförderungen 
m Offizierkorps, die demnächst bekannt gegeben 
verden, wird auch jene des derzeitigen Commandeurs 
es JInfanterie-Leib-Regiments, Prinzen Arnulph, 
um Generalmajor erfolgen. 
Frankfurt, 9. Nov. Der Verein Berliner 
taufleute und Industrieller hat beschlossen, das 
Aeltestens Collegium zu ersuchen, der Petition der 
zrankfurter Handelskammer in der Postwerthzeichen⸗ 
Ingelegenheit beizutreten. 
Berlin, 9. Nov. Der Kaiser, der Kronprinz, 
owie die Prinzen Wilhelm und Friedrich Karl 
ind heute Nachmittag um *42 Uhr auf die Hof— 
agden nach Ohlau abgereist. 
Kaiser Wilhelm ist in Berlin am 
dienstag Abend aus dem Harz, wo er als Gast 
des reichen Grafen von Stollberg⸗Wernigerode dem 
tagdvergnügen huldigte, wieder eingetroffen. 
In den nächsten Tagen werden die Vertreter 
er Knappschaftsvereine in Berlin zu— 
inmentreten, um sich über ihre Stellung zur Un⸗ 
allversicherungsvorlage der Reichsregie— 
ung schlüssig zu machen. Man hegt in diesen 
dreisen den Wunsch, daß es den Knappschafts⸗ 
ereinen gestattet sein soll, für sich und ihre Knapp⸗ 
chaftsmitglieder besondere Versicherungsverbände zu 
ilden. Soweit bisher bekannt, hat sich die Reichs— 
egierung diesen Bestrebungen gegenüber mehr oder 
veniger ablehnend verhalten. Die Mehrzahl der 
dnappschaftsverbände besitzt nicht hinreichende Aus- 
ehnung und Leistungsfähigkeit, um im Stande zu 
ein, das Risiko von Unfallsgefahren zu über— 
nehmen. Das Vorkommen von Massenverunglück- 
ingen macht gerade für die Bergwerke die Ver— 
inigung einer sehr großen Anzahl von Betrieben 
nothwendig, wenn die Genossenschaften allen Even⸗ 
ualitäten gewachsen sein sollen. Die Bestrebungen 
er Knappschaftsvereine nach der hier angedeuteten 
stung. dürften also auf Erfolg kaum zu rechnen 
ahen. 
Die Mittel, die im nächsten Heeresbudget für 
Befestigung Wismars durch Panzerthürme 
efordert werden, dürften nach Andeutungen aus 
Marinekreisen nur die Vorläufer weiterer Forderungen 
ein, welche eine bessere Deckung des Kieler Kriegs⸗ 
afens durch befestigte Flankenstellungen zum End⸗ 
wech haben. Von Fachmännern wird nämlich schon 
eit Langem dafür plaidirt, das westliche Becken der 
Iftsee, an welchem Kiel belegen ist, einer feind— 
ichen Flotte so gut wie unnahbar dadurch zu machen, 
aß die Insel Alsen im Norden, Wismar im 
„üden und Kiel im Westen gewissermaßen als drei 
jorts einer gewaltigen Seefestung einander gegenseitig 
chützen. Es würde hiernach darauf ankommen, außer 
Dismar noch den Sonderburger Hafen derart zu 
efestigen, daß er als Basis einer Flottenoperation 
sienen könnte. Ob der Plan als ein Ganzes schon 
ebilligt ist und ob die Etats der nächsten Jahre 
hon auf denselben Rücksicht nehmen werden, ent⸗ 
ieht sich natürlich der genaueren Kenntniß. Man 
mochte diese Frage indessen zu bejahen geneigt 
ein, nachdem soeben die Mittel für die Armirung 
Wismars gefordert werden. 
Die Berliner Politischen Nachrichten, welche 
geulich die Berechnung brachten, daß der preuß- 
Samstag, 11. November 1882. 17. Jahrg. 
ische Etat pro 1883/84, auch ohne daß die Er— 
hohung der Beamtengehälter Aufnahme gefunden 
hat, mit einem 30 Millionen übersteigenden De—⸗— 
ficit abschließen müssen, bringen jetzt, einige Zahlen 
aus dem Extraordinarium, die fast vermuthen las— 
sen, der Etat bringe ein vierzig Millionen fast er— 
reichendes Defizit. 
Die nationalliberale Fraktion des preußischen 
Abgeordnetenhauses ist, dem Vernehmen nach, nich 
abgeneigt, bei der bevorstehenden Präsidentenwah 
eine Stelle im Präsidium anzunehmen und wil 
für dieselbe Herrn v. Benda in Vorschlag bringen. 
Der „Germania, wird geschrieben, das deutsche 
ruswärtige Amt habe der italienischen Regierung 
Vorstellungen über die Einmischung italienischer 
Berichte in die Angelegenheiten der durch das Ga⸗ 
rantiegesetz für exterritorial erklärten Residenz des 
Papstes gemacht. Der Kardinal-Staaitssektretär 
hatte in dieser Sache eine diplomatische Note an 
die Mächte gerichtet. 
Die Vergleichung der Auswanderung 
Deutschlands mit derjenigen anderer europä⸗ 
scher Staaten ergibt, daß der Antheil Deutschlands 
an der Gesammtauswanderung in den 1880er Jahren 
keineswegs ein besonders hoher ist. Im Jahre 1880 
waren 22.5 pCt. aller Einwanderer in den Ver— 
einigten Staaten von Nordamerika Deutsche, 1881 
34,6 pCt., im Durchschnitt also 28,5 pCt., 1862 
bis 70 dagegegen betrug der Procentsatz der Deut⸗ 
schen an der Gesammtzahl der Auswanderer 33,8 
pCt. 1871 30,9 1872 35,5 pCt., in dem Jahr⸗ 
zehnt unmittelbar nach dem französischen Kriege 
also erheblich mehr im Durchschnitt als späterhin. 
Der Handelsverkehr ist seitdem natürlich erheblich 
gestiegen, was zur einen Hälfte für eine thatsäch— 
iche Zunahme des Verkehrs, zur andern für die 
täglich genauer werdende Statistik spricht. 1872 
hetrug die Ausfuhr aus den Vereinigten Staaten 
nach Deutschland nur 41 Millionen, die Einfuhr 
nach dort nur 46 Millionen Dollars. Sie hob 
sich aber von 57 und 35 Millionen im Jahre 1879 
auf 70 *3 und 8413 Millionenen im Jahre 1881, 
die Ausfuhr aus Deutschland nach Amerika also in 
den zwei Jahren der jetzigen Wirthschaftspolitik um 
140 pCt. 
Die ganz plötzliche Reise des Großfürsten 
Wladimir, ältesten Bruders des Kaisers Ale— 
xander von Rußland, von Ludwigslust nach Wien 
hat, wie der „Köln. Ztg.“ aus Mecklenburg ge⸗ 
chrieben wird, eine entschieden politische Bedeutung 
und ist erst auf persönlichen Wunsch des Kaisers 
Wilhelm bei seiner jüngsten Anwesenheit in Meck— 
lenburg und nach wiederholtem lebhaftem Curier⸗ 
und Depeschenwechsel mit Petersburg beschlossen 
worden. „Wir glauben uns nicht zu irren“, heißt 
es in dem Schreiben, „wenn wir dem bedeutenden 
Einfluß des Großherzogs Friedrich Franz auf seinen 
—Schwiegersohn, den Großfürsten Wladimir, eine 
aicht geringe Wirkung auf dessen Entschluß, diest 
Reise nach Wien zu unternehmen, zuschreiben. Ge— 
rade der Großherzog, der, wie bekannt, das be— 
ondere Vertrauen seines greisen Oheims, des Kaisers 
Wilhelm, besitzt und mit dem russischen Kaiserhofe 
in den engsten verwandschaftlichen und persönlichen 
Beziehungen steht, hat in den letzten Jahren viel⸗ 
fach und dabei mit glücklichem Erfolge dahin zu 
wirken gesucht, daß zwischen den drei mächtigen 
zuropäischen Kaiserhöfen wieder ein möglichst freund— 
liiches Verhältniß hergestellt wurde. Für die Bürg— 
chaft des fernern Friedens in Europa dürfte dieser 
ersönliche Verkehr nicht ohne gaünstigen Einfluß sein.“ 
Ausland. 
Wien, 8. Nov. Heute Abend fand wieder 
ein Auflauf einiger hundert Schustergehilfen und 
Lehrlinge der Vorstädte Josephsstadt und Neubau, 
sowie der Vororte Lerchenfeld und Ottakring statt, 
welche mit Pfeifen und Johlen die Bewohner be— 
unruhigten. Das aufgebotene Militär, welches mit 
Steinen beworfen wurde, machte infolge dessen von 
den Seitenwaffen energisch Gebrauch. Es kamen 
beiderseits Verwundungen vor. Nachts 10 Uhr 
war die Ruhe wieder hergestellt. 
Paris, 8. Nov. Die ministerielle Erklärung 
bei der Eröffnung der Kammern wird folgendes 
besagen: Das Ziel der Regierung war und ist, die 
Spaltungen innerhalb der republikanischen Partei 
zu verwischen. Die Regierung wird alle factiösen 
Zundgebungen, woher dieselben immer kommen, 
unterdrücken. Auf wirthschaftlichem Gebiete werde 
sie sich nur mit allgemeinen Interessen beschäftigen. 
Im grunde billige sie das Finanzsyftem Tirards. 
Die Votirung der Gesetze über die Militär⸗Orga— 
nisation werde die Regierung entschlossen in die 
Hand nehmen. Die Beziehungen zu den Mächten 
seien gut. Die Politik Frankreichs werde weder 
eine Politik der Provocation, noch eine Politik des 
Verwischens sein. 
Frankreich will sich in Tunesien eben 
so wenig drein reden lassen, wie England in 
AÄgypten. Die von der Pforte gehegte Absicht, hin⸗ 
ichtlich der Investiturfrage dem Pariser Cabinete 
eine Prufung derjenigen Punkte vorzuschlagen, 
wegen welcher sie die Herbeiführung eines Einver⸗ 
nehmens für nöthig erachtet, hat nicht den Beifall 
des Ministers Duclerc gefunden. Vielmehr soll 
Letzterer die Eröffnung einer bezüglichen Discussion 
rundweg abgelehnt und darauf hingewiesen haben, 
daß die tunesische Unabhängigkeit unter allen Re— 
gierungen Frankreichs zugegeben worden sei. An— 
geblich will die Pforte gegen eine solche Anschau⸗ 
ung Verwahrung einlegen. 
Demnächst soll ein französisches Erpedi⸗ 
tionscorps nach dem Mzab gesendet werden, um 
dieses Land für Frankreich zu annectiren. Am 
äußersten Punkte der französischen Besitzungen in 
Algerien, im Süden zwischen jEl Aghuat und 
Uargla gelegen, ist der Besitz Mzab für Frankreich 
eine Notywendigkeit, um dessen Macht in diesen 
Gegenden zu befestigen und eine bessere Ueberwach⸗ 
ung der Stämme der Chambas und Tuaregs mög⸗ 
lich zu machen. Ist Mzab französisch, so können 
aller Wahrscheinlichkeit nach die Studien über den 
Bau einer Eisenbahn nach dem Senegal, welche 
durch den unglücklichen Ausgang der Msision 
Flatters vereitelt wurden, wieder aufgenommen 
werden. Wie verlautet, soll General de la Tour 
d'Auvergne, welcher die Subdivision von Medeah 
und, seit vier Jahren im Süden wohnend, Mzab 
bereits im Jahre 1879 besucht hat. das Erxpedi⸗ 
tionscorps führen. 
London, 8. Nov. Die „Daily News“ em⸗ 
ofehlen in einem heutigen Artikel, den Proceß gegen 
Arabi Pascha ganz fallen zu lassen und sämmtliche 
Führer des Aufstandes einfach des Landes zu ver— 
weisen. 
London, 9. Nov. Laut Nachrichten aus 
Kairo soll Lord Dufferin der Ansicht sein, daß die 
Wohlfahrt des Landes nur dann gesichert ist, wenn 
Egypten den Egyptern überlassen bleibt. Zu gleicher 
Zeit hat er aber die Absicht, jeden fremden Ein⸗ 
fluß neben dem enalischen zu beseitigen