Full text: St. Ingberter Anzeiger

über Anzweiflung klar zu stellen und so dem ge— 
hofften Institut zu einem baldigen Dasein zu ver— 
helfen. « 
Berlin, 12. Nob. Die nächste Reichstags- 
sitzung am 80. Nov. ist mit folgender Tagesord-— 
nuͤng angesetzt: 1) Dritte Berathung des Antrages 
der elsaß⸗loihringischen Abgeordneten wegen Ab— 
anderung des Sprachengesetzes, 2) Petitionen (u. 
a. betreffend Abänderung der Militärstrafprozeß 
ordnung, Einwechselung der Coupons der Reichs⸗ 
anlehen auch bei allen Kassen der indirekten Steuern, 
Zuschuß zum Körnermuseum in Dresden, anderweite 
Taxifirung der Anguilotti), 8) Interpellation Lasker— 
Hänel, betreffend die Vorgänge bei der Danziger 
Reichstagswahl, 4) Interpellation Schulze⸗Delitzsch, 
betreffend Abuünderung des Genossenschaftsgesetzes. 
Wie verlautet, werden dem Reichstag die Novellen 
zum Militärpensions⸗ und Reichsbeamtengesetz bei'm 
Zusammentritt zugehen. Dieselben werden vor— 
aussichtlich der Commission überwiesen werden, 
welche für das Militär-Relictengesetz ernannt ist. 
Berlin, 183. Nov. Wie die „Kreuzzeitung“ 
erführt, werde die Thronrede kurzgefaßt die Ver⸗ 
hältnisse erörtern und auf die Belebung des Ver— 
kehrs hinweisen, das Defizit von dreißig Millionen 
erwähnen, welches gegenüber der Gesammtlage kaum 
ins Gewicht falle. Ebenso werde dieselbe die Auf⸗ 
hebung der vier untersten Stufen der Classensteuer 
entschieden ankündigen. 
Nach der „Trib,“ ist der preußische Minister 
des Innern, Herr von Puttkamer, aus Varzin 
wieder nach Berlin zurückgekehrt; die Thronrede 
wird also nun in nächster Zeit officiell festgestell! 
werden. Darüber, wann Fürst Bismark nach Ber— 
lin kommt, gehen die Nachrichten der Eingeweihbten 
noch immer sehr auseinander. 
Die Reichseinnahmen an Zöllen und 
Verbrauchssteuern erweisen, für 1883/84 
veranschlagt, 334,958, 000 Mk. 2,679,780 mehr, 
als im laufenden Jahre. Davon jollen bringen 
Zölle 188,774,300, Tabaksteuer 183,650,590 
Rübenzucker 44,443,780, Salzsteuer 36,908,950, 
Branntiweinsteuer uund Uebergangsabgaben von 
Branntwein 357,049,400, Brausteuer und Ueber— 
gangsabgaben von Bier 15,452, 440 Mk., Aversoa 
342,401, 170 Mt., 3,302,890 Mk. mehr, als im 
Vorjahre. Ueberall sind Mehrerträge veranschlagt, 
nur bei Rübenzucker 2,977,680 M. weniger. 
Ausland. 
Wien, 12. Nov. Nach Untersu hung der 
jüngsten Tumulte findet sich die Regierung nicht 
beranlaßt, besondere Ausnahmemaßregeln zu ver⸗ 
fügen. 
Wien, 12. Nov. Die von einem slavischen 
Blatte, dem in Zara erscheinenden Norodni List, 
gebrachte Meldung, daß sich die Führer der Alba— 
nesen im Wege des österreichischen Consulates 
an den Kaiser gewendet hätten, er möge Albanien 
durch österreichische Truppen besetzen lassen, wird als 
eine Ente bezeichnet. Doch stimmen die Nachrichten 
von der albanesischen Grenze überein, daß der Zwie— 
spalt zwischen Albanesen uad Maontene— 
grinern in der Zunahme begriffen sei. — Der 
Reise Baron Nikolic's nach Bukarest wird jeder Zu⸗ 
sammenhang mit der Politik abgesprochen. 
Stockholm, 11. Novb. Soeben 7 Uhr ver⸗ 
tünden 84 Kanonenschüsse, daß die Kronprinzessin 
Victoria (eine Enkelin des deutschen Kaisers) mit 
einem Prinzen niedergekommen ist. Mutter und 
Kind befinden sich wohl. Der König hat dem Neu— 
geborenen den Titel eines Herzogs von Schonen 
verliehen. In der Stadt herrscht aroßer Ju— 
hel. 
Petersburg, 13. Nov. Der Zeitung 
Strana zufolge beabsichtigt das Kriegsministerium 
im Jahre 1883 zwei Panzerschiffe, drei Kreuzer 
und zwei Kannonenboote für das Baltische Meer 
sowie zwei Panzerschiffe für das Schwarze Meer 
bauen zu 275 — 
Tofale und pPfaͤlzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 14. Nov. Zum bezirks 
arztlichen Stellvertreter für den Kanton St. Ingbert 
wuͤrde der prakt. Arzt Dr. Bartholomae von hier 
ernannt. 
*Sit. Ingbert, 14. Nov. Hatte sich das 
Wetter an unserem ersten Kirchweihtag über 
Erwarten gut angelassen, so zeigte es sich gestern 
von der denkbar schlechtesten Seite. Den ganzen 
Tag ununterbrochen nichts als Regen und Schnee: 
wahrhaftig, es gehörte nicht geringer Muth dazu 
bei solchen Wetterlaunen sich die Herrlichkeiten det 
Kirnies- Morktes anzusehen. Tie zahlreichen Bu— 
denbesitzer machten denn auch hochst mißvergnügte 
Gesichter und packten ihre Siebensachen bald wie— 
der ein. 
* St. In gbert, 14. Nov. Der ,‚redliche 
Finder“ der am Sonntag verloren gegangenen 50 
Pit. hat sich leider bis jetzt in der Exped. d. Bl 
noch nicht eingestellt, trotz der verheißenen „guten 
Belohnung.“ Es scheint fast, als ob er auf diese, 
sowie auf den Ruhm der „Redlichkeit“ verzichtet. 
— Auch einer hiesigen armen Obsthändlerin ging 
am Sountag Nachmittag bei ihrem Verkaufe ein 
Ledergeldbeutel mit 18 Mark verloren. „Gefunden“ 
wird man ihn wohl auch schon haben. 
— Der auf dem Heimweg von Waldmohr be— 
Iriffene 60 Jahre alte Schuster Michael Pirrung 
bvon Oberbexbach ist vom 8. auf 9. November 
in einem kleinen Bache bei Kleinottweiler ertrunken. 
— Vor einigen Tagen passirte in der mecha⸗ 
nischen Spinnerei und Webere der Herren Aug. 
Süßdorf und Comp. auf der Oberschernau 
dei Landstuhl ein gräßliches Unglück. Ein junger 
Arbeiter von 16 Jahren wurde von einem Riemen 
erfaßt und mit hinaufgezogen bis an die Trans— 
nissionswelle, woselbst ihm Arme und Beine zer⸗ 
quetscht und mehrmals gebrochen wurden. Der 
rechte Arm wurde ihm vollständig abgecissen. 
— In dem soeben erschienenen Berichte des pfäl— 
zischen Gewerbemuseums in Kaiserslautern für 
das Jahr 1881 regt Herr Rector Spatz die 
Gründung einer Zeitschrift an, welche von Seite 
des Gewerbemuseums in engstem- Zusammenhang 
und unter Mitwirkung der in der Pfalz bestehen⸗ 
den Gewerbevereine herauszugeben wäre, um einen 
innigeren Verkehr mit den Gewerbetreibenden selbst 
zu erzielen. Mit ihrer Herausgabe könnten die 
in dem Museum entworfenen und gezeichneten 
kunstgewerblichen Arbeiten mehr in die Oeffentlich— 
keit gelangen, durch sie könnte man den Gewerb— 
treibenden und Industriellen mit praktischen Rath— 
schlääen und Erläuterungen an die Hand gehen, 
ihren technisch oft äußerst vollkommenen Ein⸗ 
richtungen und Erzeugnissen künstlerische Gedanken 
influiren, kurz einen wirklich geistigen Einfluß auf 
das gewerbliche Leben erlangen. So nur allein 
würde eine Wechselwirkung zwischen dem schaffenden 
fünstler als geistigem Concipienten und dem aus— 
ührenden Arbeiter erzielt, was nur einen durch— 
chlagenden Erfolg in gemeinsamem Wirken er— 
varten läßt, denn die Idee ohne ausführende That 
m Gefolge ist werthlos und wird Vollendetes nur 
n Ergänzung der einen durch die andere erreicht. 
Fine derartige Zeitschrift würde nicht allein dem 
zebildeten Kuͤnstler und Techniker eine Spalte öff⸗ 
den, um seine Gedanken und Ideen zur Sprache 
zu bringen, sondern auch dem praktischen Arbeiter 
Belegenheit geben, seine Eindrücke zu verwerthen 
— Das Caodpitalvermögen des Gewerbemuseums 
beträgt 61,062 Mk. 86Pf., der Werth der Samm⸗ 
ungsgegenstände und des Mobiliars 155,257 Mk. 
)9 Pf. zusammen 216,319 Mk. 95 Pf. Die 
Passiva beziffern sich auf 88,000 Mk. Die Ein— 
iahmen pro 1881 stellen sich auf 33,111 Mt. 
30 Pf., die Ausgaben auf 32,569 Mtk. 74 Pf. 
s verbleibt mithin ein Activrest von 542 M. 6 Pf. 
Im Jahre 1882 nahm die Mitaliederzahl um 
64 zu. 
— Albersweiler, 10. Nod. Das 9- 
dis 10jährige Söhnchen des Fuhrmannes Ludwig 
Jung 'wollte gestern Nachmittag die schmale Brücke 
in der Nähe der prot. Schulhäu ser überschreiten 
und fiel dabei — die Brücke ist ohne jedes Ge— 
——— 
heute konnte die Leiche nicht aufgefunden werden 
— Auf Anregung des Vorstandes des pfäl— 
ischen Hauptvereines der Gustav-Adolph-Stiftung 
Jat sich das kgl. Consistorium zu Speher ver— 
anlaßt gesehen, ein Rundschreiben an die Pfarr⸗ 
amter ergehen zu lassen, worin dieselben aufgeforder⸗ 
werden, am Sonntag den 19. November „in ihren 
Predigten der 50jährigen Wirksamkeit des Gustav⸗ 
Adolph⸗Vereines wie des Segens, den er auch so 
manchen Gemeinden der Pfalz gebracht hat, zu ge⸗ 
denken und dabei die Förderung dieser Vereins 
ache den Pfarrgenossen recht warm an das Herz 
zuu legen.“ 
— Dem L. A. zufolge ist der auf dem Ham⸗ 
nerwerke zu St. Martin auf so schreckliche Weist 
oerunglückte Arbeiter Jakob Straßener seinen Leider 
erlegen. 
— Im Laufe voriger Woche wurden der 
Sp. Z.“ zufolge am k. Landgerichte Franken— 
bhal über sechs verschiedene Ehescheidungsbrozesse 
verhandelt. Auch ein Zeichen der Zeit! 
— Die zu erwartende Einreihung von Mili— 
täranwärtern in den Dienst der kgl. Ver— 
kehrsanstalten hat bei den Unterbeamten und 
Subalternbeamten der Postanstalt Besorgniß erweckt 
daß die Beförderuugsberhältnisse sich ungünftigen 
gestalten möchten. In den Kreisen der pfalzer 
Postbeamten wird deshalb, wie die „Sp. Zig.“ 
erfährt, eine Petition an das Ministerium vorbe— 
reitet, in der um möglichste Rücksichtnahme der 
Civilbeamten gegen die Militäranwärter gebeten 
wird. 
— Die pfälz. Bahnverwaltung hat einen wei— 
teren betriebs⸗ und maschinen⸗technischen Beamten 
in der Person des seitherigen k. Maschinenmeisters 
A. Gayer bei der k. Generaldirektion zu Rünchen 
aufgestellt, welchem in Hinsicht auf Controle und 
Oberaufsicht des äaußeren Dienstes der Rang und 
die Dienstesstellung eines Oberbeamten der Direction 
eingeräumt worden ist. 
Vermischtes. 
München, 12. Nov. Der Professor de 
Mineralogie, Geheimrath v. Kobell, als oberbayer 
ischer und pfälzischer Dialektdichter weithin bekannt 
ist heute Nacht im Alter von 79 Jahr gestorben 
F In München zirkulirt folgende Anekdot 
aus dem Leben: Im Tramwaywagen hat ein Eng- 
länder einen Stehplatz. Da er sehr leidend aussah— 
bietet ihm ein Frl. H. mitleidig ihren Sitz an 
wofür zum Dank nach dem Aussteigen der Englän— 
der ihr seine Hand anbietel. Zurückgewiesen, er⸗ 
wartet er 4 Wochen hindurch Tag für Tag das 
Fräulein vor dessen Hausthür, um täglich einen 
abschlägigen Vescheid entgegenzunehmen. Endlich 
reist er ab und vor wenigen Tagen erscheint ein 
Telegramm aus London bei dem Mädchen, daß bei 
der Bank von England die Kleinigkeit von 1000 
ostr. (20,000 M.) für sie deponirt ist, auszahlbar 
in zehn Jahren, wenn Frl. H. bis dahin noch 
ledig ist! 
FNürnberg, 8. Novb. S. M. der König 
hat den Ankauf von 3000 Stück Loosen der Lot⸗ 
serie der Bayerischen Landesausstellung befohlen. 
der ohnehin nur geringe Rest unverkaufter Loose 
hat duͤrch diesen Akt königlicher Munifizenz eine 
veitere erhebliche Minderung erfahren. Die Ziehung 
iindet unwiderruflich am 15. ds. Vormittags 9 Uhr 
im Hörsaale des Bayerischen Gewerhemuseum⸗ 
sffentüch statt. 
p(Komplizirte Verwandischaftsverhältnisse.) 
Als Seitenstück zu dem jüngst von mehreren Zeit— 
ungen besprochenen seltenen Verwandtischaftsverhältniß 
in der Familie des Kommerzienrathes Schön in 
daiserslautern darf wohl das Verwandt- 
schaftsverhältniß zweier höherer Beamten, des früh— 
eren Oberpräsidenten von Posen, v. Puttkamer, 
und seines Sohnes, des jetzigen Ministers des 
Inneren, v. Putikamer, gelten. Ersterer hatte das 
Ünglück, seine Frau an der Cholera zu verlieren, 
und verheirathete sich zum zweiten Male mit der 
ilteren Tochter seines Bruders, des Landraths v. 
Puttkamer, während sein Sohn, der jetzige Minister, 
die jüngere Tochter seines Oheims als Gemahlin 
heimfühtte. Durch diese Heirathen ergeben sich 
jolgende Verwandtfchaftsverhältnisse: Landrath bv. 
P. sist der Schwager seiner älteren Tochter; der 
Schwiegervater seines Bruders, des Oberpräsidenten 
d. Pp.; der Onkel Schwiegervater und Stiefgroß⸗ 
datet des Ministers v. P.; Oberpräsident v. P. 
st gleichzeitg der Vater und der Schwager des 
Ministers v. P.; der Onkel seiner Frau und seiner 
Schwiegertochter; der Geoßvater und Onkel der 
stinder des Ministers v. P.; Frau Oberpräsident 
o. P. ist die Stiefmutter, Schwägerin und Cousin⸗ 
des Ministers v. P.; die Stiefschwiegermutter, 
Tunte und Schwester der Frau Minister v. P. 
die Großtante, Tante und Stiefgroßmutter der 
dinder des Ministers d. P., und, was das Merk— 
würdigste ist, die Cousine ihrer eigenen Kinder. 
Frau Minister v. P. endlich ist nicht nur die Tante 
ihres Mannes, sie ist auch die Großtante ihrer 
eigenen Kinder u. s. w. 
Karlsruhe, 18. Nowb. Der Rhein be⸗ 
Mannheim ist heute Morgen auf 715 fortgestiegen; 
ein Fallen ist aber zu erwarten, da der Rhein bei 
Maxcu heute früh 10 Centimeter gefallen ist. Der 
Neckar falli anhaliend. Der Main bei Wertheim 
ist auf 344 fortgestiegen. 
p'(um Tod und Leben.) Von Herzog 
Ulrich don Wäürttembera erzählt die Saqge, daß er