Full text: St. Ingberter Anzeiger

Sl. Junberter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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der St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wochentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sountag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs— 
zAatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljahrlich 14 40 2 einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 14 60 , einschließlich 
d A Zuftellungsgebühr. Die Einrückungsgebühr fur die 4gespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 , bei außerpfälzischen und solchen 
auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 13 , bei Reclamen 30 . Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
M 227. Samstag, 18. November 1882. 
17. Jahrg. 
Politische Uebersicht. l 
Deutsches Reich. 
Baden-Baden, 15. Nov. Dem Vernehmen 
ach wird der Großherzog sich nächsten Sonn⸗ 
bend nach Stockholm begeben. 
Berlin, 15. Nov. Der Provinzialkorrespon⸗ 
enz zufolge beabsichtigt die Regierung durch die 
lufhebung der vier untersten Klassensteuerstufen 
jen entstehenden Steuerausfall dadurch zu decken, 
aß der Vertrieb einer Reihe von Massenartikeln 
es Consums mit einer der Gewerbesteuer nachge⸗ 
ildeten Steuer belegt wird, welche sich innerhalb 
er Landesgesetzgebung hält. Das Reich wird so⸗ 
ann auf eine rationellere Besteuerung dieser Ar⸗ 
ikel im Wege der wirklichen Consumtionssteuer 
zedacht nehmen müssen, durch deren Erträge nicht 
ur eine provisorisch aufzuerlegende Landessteuer er⸗ 
brigt, sondern auch den Einzelstaaten aus dem 
leberflusse des Reiches die Mittel zur Deckung 
hrer durch eigene Einnahmen nicht zu deckenden 
gedürfnisse zufließen. 
Wie das „Berl. Tgbl.“ erfährt, soll eine stati⸗ 
usche Erhebung der in den einzelnen Bezirken der 
andwehrkommandos lebenden Landsturmpflich— 
igen, mit Unterscheidung solcher, welche dem 
hdeere angehört haben und solcher welche demselben 
iicht angehört, angestellt werden. 
Der Ausschuß des deutschen Aerztever⸗ 
uins hat eine Petition an den Reichstag um 
lufstellung einer deutschen Aerzteordnung ge⸗ 
ichtet. 
Das sogenannte Trucksystem, d. h. die 
ohnung der Arbeiter in Marken, Waaren, Wech—⸗ 
eln ꝛc. ist zwar durch 8S 115 der Gewerbeordnung 
erboten, und Zuwiderhandlungen werden gemäß 
146 der Gewerbeordnung mit Geldstrafe bis zu 
000 M. und im Unvermögensfalle mit Gefäng⸗ 
ziß bis zu 6 Monaten bestraft, aber es ist den 
zehörden immer noch nicht gelungen, diesem die 
Urbeiter schädigenden Lohnzahlungsmodus ein Ende 
u machen. Es liegen eine ganze Reihe von Mit⸗ 
neilungen vor, denen zufolge Verstöße gegen das 
zesetz zur amtlichen Kenntniß gebtacht worden sind; 
as Tollste in dieser Hinsicht ist aus Mecklenburg⸗ 
zchwerin zu berichten. Dort haben die in einer 
igarrenfabrik beschäftigten Kinder ihren Wochen⸗ 
ohn in Cigarren ausgezahlt erhalten und theilweise 
erraucht! Dergleichen Vorkommnisse müssen an die 
Aeffentüichkeit gezogen werden, wenn eine Abhülfe 
trfolgen soll. Gerade der Umstand, daß das Truck- 
Item bisher im Verborgenen geblüht und in der 
zrefse nicht gebührend gebrandmarkt worden ist, 
at den Polizeibehörden mit der Beseitigung des⸗ 
elben viel zu schaffen gemacht. 
dadurch bedingte enorme Umfang dieses Befestig⸗ 
ungsguͤrtels läßt es fast unmöglich erscheinen, je— 
nals Paris ähnlich einzuschließen, wie dies zuletzt 
rfolgt ist. Französische Stimmen protestiren gegen 
iese Ansicht und behaupten unter Aufftellung ge— 
iauer Berechnungen und unter planmäßiger Ver— 
heilung der Truppen in der angenommenen Cer—⸗ 
nirungs⸗Position, daß zu gedachtem Zweck nur 
)0000 Mann Truppen mehr nothwendig seien, als 
m Jahre 187071 zu gleichem Zwecke verwendel 
vurden. Man knüpft jedoch an eine solche Maß— 
iahme nur dann die Moöglichkeit eines wirk— 
amen Wiederstandes, wenn die Metropole 
zurch einen direkten Kanal mit dem 
ffenen Meere verbunden wird, um Proviant und 
kriegsmaterial ungehindert herbeischaffen zu können. 
Fin solcher Kanal sei sofort zu erbauen, und durch 
nichts weniger als 35 selbstständige Forts, welche 
nuf beide Seiten des Kanals zu vertheilen seien, 
zu decken. Man wird zugeben müssen, daß die 
etwaige Ausführung und fernere Erweiterung sol⸗ 
her Absichten, in Verbindung mit der Erklärung 
»es General Villot, des französischen Kriegsministers, 
velcher das Befestigungssystem an der Ostgrenze 
»es Reiches noch nicht für vollkommen genug er⸗ 
ichtet, bald dahin führen dürfte, schließlich ganz 
Frankreich als ein einziges großes verschanztes La⸗ 
jer erscheinen zu lassen. 
Nach einer amtlichen Mittheilung im „Genfer 
Journal“ hat die vom Genfer Staatsrathe im 
Auftrage des Bundesrathes angestellte Untersuchung 
eine Thatsache ergeben, welche mit den Ereignissen 
u Montceau⸗les-Mines (Frankreich) in Verbindung 
tände. Es scheint, daß die Anarchistenherde sich 
her in den großen Städten, namentlich Frankreichs 
und Englands, befinden und daß die revolutionäre 
Bewegung von dort ausgeht. Die Hartnägdigkeit, 
vomit man Genf zu einem Sammelpunkte der 
Anarchisten machen will, wird von den dortigen 
Behörden als ducchaus unberechtigt zurückgewiesen. 
Indessen werde das Justiz- und Polizeidepartement 
ortwährend ein wachsames Auge auf diese Ange— 
egenheit haben. 
ständnisse, das darauf zurückzuführen sein dürfte, 
daß von einer dem Herrn Baron nahestehenden Seite 
ein bezügliche Andeutung in der That gemacht 
worden isi. Richtig ist dagegen, daß Herr v. Roth⸗ 
schild ein kleineres Geschenk dem Kirchenbau⸗Vereine 
bat zukommen lassen. 
— Olsbrücken, 14. Nov. In der Nacht 
»on Montag auf Dienstag wurde dem Müller 
Philipp Frank von der Neumühle, Gemeinde Ols— 
zrücken eine Kuh gestohlen. Da dessen Stall ver⸗ 
chlossen war, erbrach der Dieb den Stallladen und 
ffnete von innen die Thüren. Der Dieb ist mit 
einer Beute bis jetzt spurlos verschwunden. Eine 
„om Bürgermeister angeordneie und von fast sämmt⸗ 
lichen Bürgern vorgenommene Streife verlief leider 
resultatlos. (Kais. Ztg.) 
Von Bergzabern wird eine ebenso kühne, 
ils edle That gemeldet! Dortselbst war das vor 
einen Karren gespannte junge feurige Pferd eines 
Ackerers aus der nahen Umgegend scheu geworden 
ind rannte mit vollem Galopp einem Haufen Kin⸗ 
der entgegen, die auf der Straße spielend das her⸗ 
mnahende Verhängniß nicht merkten, dem sie un⸗ 
ettbar verfallen wären, wenn nicht ein des Wegs 
ommender junger Kaufmann, Herr Buchert, (von 
der Fiẽma Gustav Jakob in Landau) kühn ent— 
chlossen dem Pferde in die Zügel gefallen, und 
chließlich unter eigener Lebensgefahr dasselbe zum 
Stehen gebracht hätte. 
— Ludwigshafen, 14. Nov. Es wird 
mir auf das Bestimmteste versichert, das „Frank⸗ 
furter Journal“ beabsichtige hier eine Druckerei zu 
gründen und ein größeres politisches Blatt für die 
Pfalz und Baden zu verlegen. Schritle zur Ver⸗ 
virklichung dieses Unternehmens sollen bereits ge— 
chehen und hervorragende Redaktionskräfte gewon⸗ 
nen sein. (Pf. Pr.) 
—Das von der Lehrerschaft in Lud wigs⸗ 
hafen zum Besten der Wetterbeschädigten des Be⸗ 
sirks Kusel gegebene Conzert hat den schoöͤnen Be— 
rag von 720 M. ergeben, wovon ungefähr 100 
M Ausgaben in Abzug zu bringen sind. 
— Die bisher bei der bayerischen Post 
iblichen Quittungsbücher behufs Empfangsbestäti⸗ 
zung von Werthbriefen und Postanweisungen haben 
zen Mißstand, dritten Personen Einsicht zu gestatten 
iber Werth und Herkunft von dergleichen Send— 
ingen. Auf eine diesbezügliche Vorstellung der 
Pfaͤlz. Handels- und Gewerbe⸗Kammer hat die 
Hdeneraldirektion der Verkehrsanstalten, Abtheilung 
ür Post und Telegraphie, nunmehr bestimmt, daß 
»om 1. Januar 1883 ab ein neues Zustell⸗ und 
»ezw. Bescheinigungsverfahren eingeführt wird. Da⸗ 
nach erfolgt die Empfangsbestätigung von Werth—⸗ 
hriefen auf Ablieferungsscheinen und jene von Post⸗ 
mweisungen in besonderen Büchern, deren Ein⸗ 
richtung im Zusammenhange mit der Art und 
Weise der Einträge es einem Dritten unmöglich 
macht, von der Große des Anweisungsbetrags oder 
der Herkunft der Anweisung Kenntniß zu nehmen. 
— 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 17. Nov. Das am Dienstag 
Abend von ihrem Bruder aus Unvorsihtigkeit und 
Inverstand erschossene Mädchen (Amalie Poller) 
vurde gestern Nachwittag beerdigt. Die Bethei⸗ 
igung am Leichenzuge war eine äußerst zahlreiche 
hesonders von Seiten der Frauen und Mädchen. 
Mitschülerinnen der Verstorbenen geleiteten zunächff 
den Sarg, den sie pietätvoll mit Bouquets und 
ränzen geschmückt hatten. Die ergreifende Trauer⸗ 
tede des Herrn Pfr. Ferkel ließ kein Auge ohne 
Thränen. 
„* St. Ingbert, 17. Nov. Dem Ver— 
iehmen nach, geht man hier mit der Absicht um, 
ine Schulsparkasse in's Leben zu rufen. So— 
‚ald wir Näheres über das gemeinnützige Vorha⸗ 
jen hören, werden wir noch einmal darauf zurück⸗ 
'ommen. An anderen Orien hat man die Schulspar⸗ 
assen schon langst und liest man über den Erfolg der⸗ 
elben nur Günstiges. Es ist also zu wünschen, 
zaß sich auch hier ihre Einführung vollzieht, ohne 
auf Schwierigkeiten zu stoßen. 
— Die Notiz, daß Herr v. Rothschild in 
Frankfurt hundert Loose der Kaiserslauterer 
—öXV 
tätigt und beruht wahrscheinlich auf einem Mißver— 
Ausland. 
Wunderliche Nachrichten aus Frankreich 
ind nichts Seltenes und vermögen kaum zu über⸗ 
aschen; dennoch verdient es Aufmerksamkeit, wenn 
ehauptungen, welche, von ehemaligen kriegsver⸗ 
bten Gegnern über die Wehrhaftigkeit und De— 
ensivkraft des Landes ausgesprochen, im wohler⸗ 
indenen patriotischen Interesse mit Stillschweigen 
bergegangen werden sollten, laute Widerlegung 
uden. Bekanntlich hat sich seit dem Kriege 1870,71 
er Befestigungsgürtel der französichen Hanpistadt, 
delcher im Allgemeinen die Grundrißform einer 
zllipse zeigt, fast um das Doppelte erweitert. Be— 
cug die Länge der großen Achse ehedem 22 Kilo— 
geter, so ist sie jetzt auf deren 44 zu schätzen. Der 
— SsÆæS——MÆæSMMEEx 
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Vermischtes. 
München, 15. Nov. Der Hauptmann a. 
D. Rudolph Eder von Schmid auf Holzhammer 
früher im 12. Infanterie-⸗Regiment), in den 
dämpfen bei Orleans vor 12 Jahren am Kopfe 
chwer verwundet, starb vorgestern an den Folgen 
dieser Wunde als der letzte männliche Sprosse 
einer Familie.