Full text: St. Ingberter Anzeiger

—o5n Uöhrenoorf bei Erlangen, wo ers 
bor einigen Jahren 2 Kinder in Folge Genusses 
don giftigen Schwämmen eines jammervollen Todes 
gestorben, dann bald darauf ein Kind in Folge 
leichtsinniget Warte umkam (das Kindsmädchen 
jatte es vom Arme fallen lassen und in der Mein⸗ 
ung, es sei todt, in seinem Wägelchen unter die 
Betten und den Strohsack geworfen, unter dem 
s, nachdem sie selbst entflohen war, erstickte), wurde 
am letzten Sonntag den 5. Nov. ein Kind beerdigt, 
das, ein frischer, kräftiger Knabe im Alter von 2 
Jahren, nach 193 tägigem furchtbaren Leiden in 
Folge Genusses von Kreosot gestorben war. Der 
Knabe hatte im Zimmer der Hausfrau unbemerkt 
ein auf dem Fenstergesims stehendes Gläschen er—⸗ 
zriffen, in der Meinung, es seien süße Tropfen, 
wie sie in der eigenen Wohnung für einen Säug— 
iing gerade im Gebrauch waren, den scharfen, ätzenden 
Inhalt in den Mund geschüttet und verschluckt. 
Alle sofort angewendeten Mittel blieben erfolglos. 
Hierhin läge wohl eine ernste Warnung vor leicht⸗ 
iinnigem Umherstehenlassen schädlicher Flüssigkeiten 
c und eine ebenso ernste Mahnung zur gewissen⸗ 
haften Ueberwachung der Kinder! 
F Welche Summen der Hopfen heuer in manche 
Bemeinde bringt, zeigt unter Anderem das Pfarr⸗ 
dorf Pfofeld bei Gunzenhausen, welches zwischen 
800,000 bis 1,000,000 M. aus Hopfen einge— 
nommen hat. Dabei ist der Hopfenbau im ge— 
nannten Orte mehr Nebenbau der Landwirthschaft, 
veßhalb auch in einem schlechten Hopfenjahre der 
Bauer dort noch lange nicht in Noth geräth. 
F In dem Dorfe Lorry in Lothringen wurde 
hor etwa 8 Tagen ein junger Mensch Namens 
Jean Hamés von seiner Stiefmutter, einer schon 
ziemlich bejahrten Frau, anscheinend durch einen 
Beilhieb ermordet. Man hatte sich damals gewun⸗ 
dert, daß die schwächliche Frau mit einem einzigen 
dieb auf die Brust ihres Opfers die That vollbracht 
haben sollte und die am Sonntag vorgenommene 
Obduktion hat die damals erhobenen Zweifel ge— 
rechfertigt. Nach der Ansicht der Aerzte war die 
Brustwunde zwar lebensgefährlich, doch würde sie 
nicht den sofortigen Tod des Verwundeten herbei⸗ 
geführt haben. Um das ohnmächtig am Boden 
liegende Opfer möglichst rasch aus der Welt zu 
schaffen, hat vielmehr die Stiefmutter demjelben in 
die Wunde noch eine Kugel geschossen, welche nach 
kurzer Zeit den Tod zur Folge hatte. Die Kugel 
vurde in dem Körper des bedauernswerthen Ge⸗ 
schöpfes aufgefunden. Wahrscheinlich war der Ver— 
»recherin bekannt, daß ihr Stiefsohn Jean eine Pi— 
stole besaß und geladen in einem Kasten aufbewahrte, 
zu dem ecr den Schlüssel stets vei sich trug. Diesen 
Schlüssel nahm sie ihm ab, wie man annimmt, 
etzte sich in den Besitz der Pistole, die sie auf den 
Sohn abschoß, und schloß diese dann wieder ein, 
worauf sie den Schlüssel dem Burschen wieder in 
die Tasche steckte. Die in der Leiche gefundene 
sugel paßte wenigstens genau in die abgeschossene 
blutbefleckte Pistole, und gleichwohl fand man den 
Kastenschlüssel in der Kleidung des Ermordeten. 
Nachdem die gerichtliche Leichenschau beendet war, 
wurde der Ermordete unter Betheiligung fast der 
zanzen Dorfgemeinde beerdigt. Die Anklage gegen 
die Verbrecherin wird aller Wahrscheinlichkeit nach 
schon in der nächsten Schwurgerichtsperiode, Ende 
Dezember, zur Verhandlung kommen. 
FMainz, 15. Nov. Aus zuverlässiger Quelle 
wird dem „Frankf. Journ.“ Folgendes mitgetheilt: 
„Die betrügerische Befreiung vom Militärdienst, 
deren sich eine Anzahl militärpflichtiger junger Leute 
schuldig gemacht hat, hat sowohl bei dem General⸗ 
kommando zu Kassel als auch bei dem Kriegsmini⸗ 
terium zu Berlin zu lebhaften Erörterungen ge⸗ 
führt, und haben die Behörden unzweideutige Nach— 
richten darüber erhalten, daß nicht allein im Elsaß, 
sondern auch in einer ganzen Reihe anderer Aus⸗ 
hebungsbezirke ähnliche betrügerische Befreiungen 
»om Militärdienst und zwar durch Unterschiebung 
rüppelhafter oder kränklicher Personen sich ereignet 
Jaben. Da nun die Nachforschung nach den einzelnen 
Individuen, die sich derartige Betrügereien haben zu 
Schulden kommen lassen, zu schwierig und umständ⸗ 
lich sein würde, so hat wie ich Ihnen aus bester 
Quelle mittheilen kann, das Kriegsministerium in 
Berlin in allen verdächtigen Aushebebezirken — 
auch im Bezirk Mainz — eine Nachmusterung aller 
durch körperliche Gebrechen freigewordenen militär⸗ 
oflichtigen jungen Leute, und zwar aus den Jahr⸗ 
jängen 1876 bis 1882 angeordnet.“ (Nach einer 
Nittheilung »*— „Frkf. Zta.“ würde das Armee—⸗ 
torps⸗Kommando Kassel in erster Reihe die Nach— 
nusterung vollziehen. Wie weiter versichert wird. 
sabe das Kriegsministerium ferner verfügt, daß die 
Militärpflichtigen sich für die Folge immer in ihrem 
Zeimathsbezirk zur Musterung zu stellen haben.) 
F Mainz, 16. Nov. Vergangene Nacht stieg 
der Rhein wieder um 15 Centimeter und in Mann⸗ 
seim um 16 Zoll. Soeben — Vormittags 10 
Uhr, zeigt das Pegel 4. 15 Meter; eine solche Höhe 
satte das Wasser in diesem Jahre noch nicht erreicht. 
(Um2 Pfennige,) Die Strafkammer zu 
Bonn verurtheilte vorige Woche wegen Entwendung 
von 2Pf. die sich wegen Diebstahls im kriminellen 
stückfalle befindende Ehefrau Anton B. aus Wald⸗ 
»reitbaich zu 1 Jahr Zuchtbaus und Ziährigem 
Ehroerlust. 
F In Düsseldorf hatte sich ein Sekretär, 
wvie die Weser⸗Ztg. berichtet, vor etwa drei Jahren 
nit einer Stahlfeder in die linke Hand gestochen, 
nn die Wunde war Tinte gekommen, und die Wunde 
vollte trotz aller Pflaster nicht heilen, wurde immer 
zrößer und gefährlicher. In voriger Woche mußte 
»em Manne die linke Hand abgenommen werden. 
F Ein Kurpfuscher) aus der Gegend von 
Soest, welcher nach der unverfälschten Methode des 
ODr. Fisenbart kuriert, ist von der Straffammer in 
Dortmund zu 4 Monaten Gefängniß und 150 Mt 
Heldbuße verurtheilt worden. Derselbe gab einem 
Dienstmädchen, welches an Entzündung der Augen— 
chleimhäute litt, Zinkvitriol zum Einpinseln, infolge 
essen das Mädchen fast erblindet wäre. Einer 
rzrau, welche an einem Magenübel litt, verordnete 
r, jede halbe Stunde einen Eßlöffel voll Bullrichs 
alz einzunehmen. Die Aermste wußte sich gar 
nicht mehr zu fassen. 
F In Neuß ist nach dem Vorgange anderer 
Städte eine Polizeiverordnung in Kraft getreten, 
welche Personen unter 16 Jahren das Tabakrauchen 
auf Straßen und Plätzen, in Wirthshäusern und 
Vergnügungslokalen bei einer Geldstrafe von 459 
M. verbietet. 
F (Muttermord.) In Horn, einem Städt— 
hen des Fürstenthums Lippe, sind zwei Brüder 
unter dem Verdachte des Giftmordes, verübt an der 
eigenen Mutter, in Haft genommen worden. Die 
Berstorbene gedachte, wieder ein Ehebündniß einzu⸗ 
jehen, und es war schon gerichtlicher Termiun an⸗ 
zeraumt, um die gesetzliche Sichtung des vorhande— 
nen, gauz bedeutenden Vermögens vorzunehmen. 
F Gfennigsteuer.) Aus Itzehoe, 12. 
Nov., wird geschrieben: Vor mehr als hundert Jahren 
hatte ein Graf Rantzau-Breitenburg das Unglück, 
nuf der Jagd in einen Sumpf zu sinken, und ein 
Bauer rettete ihm das Leben. Der Bauer wollte 
einen Lohn; doch der Graf drang in ihn, er sollte 
ich etwas wünschen, und der Bauer bat um das 
Stück Land, wo die That geschehen, frei von Ab— 
zaben. Der Graf schenkte ihm das Land unter 
der Bedingung, daß er und seine Rechtsnach—⸗ 
'olger alljährlich am Tage Martin Bischof (11. 
November) auf das Schloß zu kommen haben um 
die zwölfte Stunde, um einen Pfennig Steuer 
zu erlegen. Dieses geschah auch gestern in feier⸗ 
iicher Weise. Der jetzige Besitzer der sogenannten 
Pfennigwiese ist Wernecke in Feldhusen. Derselbe 
ritt Punkt zwölf Uhr auf den Schloßhof, wo er 
zon dem Grafen und den Beamten empfangen wurde. 
Nachdem der Pfennig bezahlt worden, wurde, wie 
»er Graf es s. Z. vorgeschrieben, der Bauer zur 
Tafel gezogen. Der zu zahlende Pfennig ist ein 
ilberner dänischer Pfennig von 1782. Wie wir 
sören, sind zwölf von diesen da; sobald dieselben 
zinbezahlt sind, erhält der betreffende Besitzer sie zurück. 
F In Berlin hat sich dieser Tage etwas er— 
eignet, was meist nur in Romanen vorkommt. 
Fine arme 20jährige Näherin in einer Fabrik, 
f1mma P., die Tochter eines Handwerkers in Char⸗ 
ottenburg, wurde vor Gericht geladen und ihr er—⸗ 
iffnet, daß sie Melanie heiße, die Tochter einer 
Freifrau von H. sei und, was die Hauptsache ist, 
in Vermögen von 200,000 M. erhalte, so bald 
ie mündig sei oder sich verheirathe, wozu sie große 
rdust zeigt. Die Geschichte ihrer Geburt in einem 
Zadeorte (Oeynyausen), ihre Vertauschung und ihre 
lebergabe an eine Handwerkfamilie zur Erziehung, 
die dafür 7000 Thaler erhielt, liest sich wie ein 
Ro man, ist aber volle Wahrheit. Sie wird seit— 
dem die verwunschene Prinzessin genannt. 
fF Eine Sammlung, wie sie in der Welt 
nicht zum zweitenmal existiert, beherbergt Berlin. 
Es ist die Schädelsammlung Professor Virchows, 
welche bereits übher 6000 Exemplare zählt und alle 
Bolker und Zeiten umfaßt; auch materiell ein z. 
werthvolles Objekt. 
FGapier-Industrie.) Nach den statist. 
ischen Angaben Dr. Rudels erzeugt Deutschland 
jährlich 244,300,000 Kgr. Papier, und erreicht 
damit eine Produklion, wie sie kein anderes Lam 
aufzuweisen vermag. Es sind 185 Schöpfbütten 
785 Papiermaschinen nebst den Vorbereitungsma 
schinen und 80,000 Arbeiter beschäftigt. Außerdem 
erfordern die 260 Holzschleifereien mit mehr als 
600 Apparaten, die 45 Strohstofffabriken mit 75 
und 20 Cellulosefabriken mit 28 Kesseln noch 7500 
Arbeiter. Rechnet man noch hinzu die 40,000 
Lumpensammler und Nebenarbeiter, sostellt die Papier— 
sabrikation eine Industrie dar, die abgesehen von 
den Papierhändlern und den mit denselben eng 
berbundenen Fabriken, wie Buntpapier⸗, Pergameni. 
dapier⸗, Briefumschlag⸗, Papierwäsche⸗, und Tape— 
enfabriken, etwa 128,000 Menschen direkt dern 
Lebensunterhalt gewährt. 
FGtatistik der Buchdruckerkunst in 
Deutschland und Oesterreich.) Nach Karl 
Faulmann bestanden in Deutschland und Oesterreich, 
wie „Dingl. Pol. J.“ berichtet, im vorigen Jahr— 
hundert 4324 Druckorte. Im Jahre 1855 wurde 
die Buchdruckerkunst in 818 Städten von 1643 
Zuchdruckern geübt; im Jahre 1880 gab es im 
deutschen Reich ohne Oesterreich 1300 Druckorte 
nit 3045 Buchdruckereien, in Oesterreich-Ungarn 
368 Druckorte mit 998 Druckereien. Diese Ver— 
mehrung der Druckereien erfolgte merkwürdigerweis 
ohne eine, entsprechende Vermehrung der Bücher— 
produktion; denn während im Jahre 1843 in 
Deutschland 13,664 Bücher erschienen, wurden im 
Jahre 1881 nicht mehr als 15,191 Bücher ver— 
öffentlicht; nur der vermehete Zeitungsverbraud 
und der Umstand, daß die Buchdruckerkunst, jetzt 
mehr als früher, in Handel und Gewerbe verwende! 
wird, erklärt diese Zunahme an Buchdruckereien. 
F In Zürich (Schweiz) ist am Montag der 
Dichter Gottfried Kinkel gestorben. Derselbe 
wurde am 11. August 1815 zu Oberkassel bei 
Bonn als Sohn des dortigen Pfarrers geboren. 
16337 ward er Dozent für Kirchengeschichte an der 
Bonner Universität, 1840 Religionslehrer am dor⸗ 
igen Gymnasium. 1844 trat er zu der philoso⸗ 
»hischen Fakultät über und veröffentlichte den ersten 
Band seiner „Geschichte der bildenden Künste bei 
»en christlichen Vokern.“ 1848 schloß er sich den 
Republikanern an, wurde im badisch⸗pfälzischen 
Feldzuge 1849 verwundet und in Spandau ge⸗ 
angen gesetzt; von dort entkam er mit Hilfe seiner 
Frau und von Karl Schurz nach England. Nach 
»em er theils in London, theils in Amerika gelebt 
folgte er 1866 einem Rufe an das Züricher Poly 
technikum als Lehrer der Archäologie und Kunst- 
zeschichte. Dort wirkte Kinkel bis zu seinem Ende 
und unternahm im Laufe der Zeit häufige Reiser 
)urch Deutschland behufs Abhaltung von Vorträgen 
So wurde der unterdessen aufgewachsenen Generation 
der Verbannte von 1849 auch bekannt; er war 
eine schöne Greisenfigur mit langem, weißem Bart 
und Haupthaar und freundlichem klugen Gesicht 
Seine Dichtungen sind zum Theil ssehr populär 
iamentlich „Otto der Schütz“ (1846, fünfzig Auf 
'agen), „Der Schmied von Antwerpen“ (1857). 
Als Kunstschriftsteller hat er verschiedene werthvoll 
Arbeiten geliefert. 
(Merkwürdige Postkolli.) Es iß 
bekannt, daß die Post manches merkwürdige Stüd 
befördert. Im Zollamt zu Malmö befindet sich 
ein alter Beamter, der schon viele sonderbare Sen⸗ 
dungen gesehen und deshalb wenig zur Verwun— 
derung uͤber dergleichen geneigt ist. Kürzlich jedoch 
'and er unter anderen nach der Zollabfertigung 
zebrachten Stücken eines, das geradezu zur Be— 
irachtunb herausforderte, nämlich ein wohlemballirtes 
junges Krokodil, das nur durch Blinzeln mit den 
Augen verrieth, daß es noch Leben in sich habe. 
Der alte Herr packte es aus und betrachtete es 
genau. Als er es aber wieder einpacken wollte, 
da war das angenehme Thier damit gar nicht ein⸗ 
verstanden, sondern ging davon. Nun begann eine 
merkwürdige Jagd über Kisten und Kasten, die 
janz lustig war, nur daß das Krokodil nach den⸗ 
enigen Jaͤgern, welche von vorn angriffen, schnappte. 
Nachdem es lange Zeit alle Bemühungen, seiner 
Jjabhaft zu werden, vereitelt hatte, gelang es endlich 
das Postpacket wieder in integrum zu restituiren. 
Das merkwürdigste Poststück in Malmö waren ein 
Paar wohldressirter Floͤhe, für einen Cirkus in 
Hstadt bestimmt, welche auch wohlbehalten ankamen.