Full text: St. Ingberter Anzeiger

zt. Ingherter Amzeiger 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Inabert. 
— — e— — — —— — — — — — — — — — 
er .St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wöoͤchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs⸗ 
san und Sonntiags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt koftet vierteljährlich 16 40 2 einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1A 60 H, einschließlich 
Zustellungsgebuhr. Die Einrückungsgebühr fur die 4gespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 4, bei außerpfälzischen und solchen 
auf welche die Erpedition Auskunft ertheilt, 153 49, bei Reclamen 80 4. Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
M 232. 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
Berlin, 22. Nod. Der „Magd. 3.“ wird 
chrieben: Das Staatsministerium hat sich, wie 
höre, in seiner gestrigen Sitzung über die Vor— 
ge des Finanzministers wegen Aufhebung der 
er untersten Stufen der Classensteuer schlüssig ge— 
acht. Bekanntlich war es von vornherein die 
bsicht, die Vorlage so zu gestalten, daß sie ohne 
influß auf den Etat bleibe, also für den Ausfall 
Einnahmen in Höhe von ungefähr 12 Mill. 
dark durch Einkünfte Deckung gewähre. Auch das 
ar bereits feststehend, daß diese neuen Mittel aus 
m Vertrieb der geistigen Getränke und des Ta— 
is gewonnen werden sollten. Nur über die 
odalitäten der Besteuerung dieses Vertriebes stand 
endgiltige Beschlußfassung noch aus. Nachdem 
eie nun in der gestrigen Sitzung des Staats- 
misteriums erfolgt ist, wird die Einbringung der 
orlage bei'm Abgeordnetenhause unmittelbar be⸗ 
„xstehen. Was nun den Modus der Besteuerung 
etrifft, so wird, wie ich höre, ein Unterschied 
oischen den verschiedenen Betrieben gemacht und 
ist daher eine Scala für die Besteuerung der⸗ 
lben nach ihrem Umfange aufgestellt. Eine be— 
mndere Scala ordne außerdem noch die Besteuerung 
er kleineren Betriebe nach der Einwohnerzahl 
er Orte, in welchen dieselben sich befinden. 
Berlin, 23. Nov. Der Bundesrath beschloß 
e einjährige Verlängerung des kleinen Belager⸗ 
naszustandes für Berlin. 
Im deutschen Reichstage wird von den 
zitiativ⸗Anträgen der Reichstagsmitglieder zunächst 
vohl der Antrag des Abgeordneten Philipps wegen 
nischädigung unschuldig Verurtheilter und Verhaf⸗ 
ter zur Verhandlung kommen, für den sich seit 
essen Veröffentlichung viele Vereine und Versamm⸗ 
ingen, darunter die Generalversammlung der 
neinisch⸗westfälischen Gefängnißgesellschaft, sowie 
ist die gesammte deutsche Presse ausgesprochen ha— 
en, so daß es kaum einem Zweifel unterliegt, daß 
uch im Reichstage sich eine Mehrheit für denselben 
nden wird. Bei der Berathung des in Rede 
ehenden Antrages im Reichstage wird auch die 
on Berliner Rechtsanwälten angeregte Frage wegen 
inführung der Berufung gegen Urtheile der Straf⸗ 
mmern zur Sprache kommen, da man unter den 
uristen aller Fraktionen vielfach der Ansicht be— 
gnet, daß diese Frage mit der Frage wegen Ent⸗ 
adigung unschuldig Verurtheilter u. s. w. im 
ammenhang stehe, man in juristischen Kreisen 
elfach in der Ausschließung der Berufung gegen 
itinstanzliche Urtheile der Strafkammern eine 
agerechtfertigte Beeinträchtigung des Rechts des 
ngeschuidigten erblickt und das Rechtsmittel der 
erufung und die Wiederaufnahme eines durch 
chtskräftiges Urtheil geschlossenen Verfahrens, wie 
⸗»der 8 399 der Strafprozeßordnung zuläßt, dem 
erurtheilten keinen genügenden Schutz biete. 
rüher war in einer Reihe von deutschen Staaten 
Lürttemberg, Baden, Oldenburg, Sachsen, Thü— 
ugen) die Verpflichtung des Staates zur Ent— 
dädigung widerrechtlich verhafteter Versonen gel⸗ 
ndes Recht. 
die Etatsstärke des deutschen Heeres, 
u Einschluß Bayerns wird sich im nächsten Jahre 
rlaufen auf 18,117 Offiziere, 51,587 Unterof⸗ 
nere, 788 Zahlmeister-⸗Aspiranten, 5325 Spiel⸗ 
aite (Unterofficiere), 8102 Spielleute (Gemeine), 
47.8849 Gefreite und Gemeine, 3532 Lazareth⸗ 
Samstag, 25. November 1882. 
17. Jahrg. 
jehülfen, 10,091 Oekonomie-⸗Handwerker, 1698 
Militärärzte, 782 Zahlmeister, 618 Roßärzte, 656 
züchsenmacher, 93 Sattler und 81,598 Dienst- 
»ferde. Auf die Infanterie kommen davon 9529 
Dffiziere, 28,491 Unteroffiziere und 231,687 Ge⸗ 
reite und Gemeine, auf die Jäger 424 Offiziere, 
144 Unteroffiziere und 9376 Gefreite und Ge— 
neine, auf die Landwehr-Bezirkskommando's 326 
Iffiziere, 2507 Unteroffiziere und 248,316 Ge⸗ 
reite und Gemeine, auf die Cavallerie 2358 Of— 
iziere, 7247 Unteroffiziere und 53,518 Gefreite 
ind Gemeine, auf die Artillerie 2530 Offiziere, 
3896 Unteroffiziere und 39,049 Gefreite und Ge— 
neine, auf die Pioniere u. s. w. 406 Ofsiziere, 
479 Unteroffiziere und 3708 Gefreite, und auf 
ꝛen Train 200 Offiziere, 992 Unteroffiziere und 
3168 Gefreite und Gemeine. Außerdem fallen 
roch 313 Offiziere, 831 Unterofsiziere und 90 Ge— 
reite und Gemeine auf besondere Formationen 
Schloßgarde Compagnie u. s. w.) und 2031 Of— 
ziere auf nicht regimentirte Offiziere u. s. w 
Kriegsministerium, höhere Truppenbefehlshaber, 
houverneure u. s. w.) Das Extraordinarium 
es Militäretats für 1888 —84 euthält eine For⸗ 
erung von 5,630,679 Mk. zur Erweiterung der 
ArtillerieeSchießplätze, Herstellung bezw. Verlegung 
on Uebungswerken und sonstigen Baulichkeiten auf 
enselben, sowie zur Erwerbung und Einrichtung 
von zwei neuen Artillerie-Schießplätzen. 
Ueber die Varziner Entrevue zwischen dem 
Fürsten Bismardk und dem russischen Minister 
des Aeußeren, Herrn von Giers, schwirren be⸗ 
reits, wie das bei solchen Gelegenheiten immer der 
Fall zu sein pflegt, gar mannigfaltige Gerüchte 
imher. Die Einen sagen, es sei der haupisäch. 
liche Zweck des Herrn von Giers bei seinem Be— 
uche in Varzin gewesen, mit dem deutschen Reichs— 
anzler über ein gemeinsames, vielleicht sogar inter⸗ 
iationales Vorgehen gegen die An arch isten und 
Nihilisten zu konferiren. Die Anderen behaup⸗ 
en, der russische Staatsmann habe dem Fürsten 
Bismarck persönlich die bündigsten Versicherungen 
er Friedensliebe des Kaisers Alexander III., so- 
oohl mit Rücksicht auf die weitere Entwickelung der 
dinge innerhalb des osmanischen Reiches, wie in 
getreff der Vorgänge der in der Machtsphäre 
Desterreichs kleineren Staaten auf der Balkanhalb⸗ 
nsel, überbringen und nachdrücklich betonen wollen, 
aß das officielle Rußland mit den notorischen 
Jetzereien der Panslavisten in Serbien, Bulgarien 
tumelien und Montenegro absolut nichts gemein 
jabe. Die Dritten wollen wissen, es habe Herr 
). Giers in Varzin als ein Symptom der vom 
kaiser Alexander III. für das neue deutsche Reich 
ekundeten freundnachbarlichen Gesinnungen daraus 
zesonders hinweisen wollen, wie Rußland demnächst 
— wohl auch aus Ersparniß⸗Rücksichten — seine 
iplomatischen Vertretungen bei den kleineren deut— 
chen Höfen eingehen lassen werde. Schließlich 
neinen die Vierten endlich, es habe der Minister des 
Fzaren beim Fürsten Bismarck eine Art von Puls— 
uühlung nehmen wollen, bezüglich der offenkundig 
zewordenen Annäherung Deutschlands und Oester- 
ceichs an England. Selbstverständlich haben alle 
diese Visionen nur einen konjekturellen Werth, in— 
»essen ist es mehr als wahrscheinlich, daß Fürst 
Bismarck und Herr y. Giers in ihrem von keinem 
Mäuschen belauschten Zwiegespräch nicht nur eine 
ieser Fragen, sondern alle in den Kreis ihres Ge— 
ankenaustausches gezogen haben mögen. In of— 
iziellen Wiener Kreisen faßt die Varziner Entrevue 
als ein Friedenszeichen auf, und hält es für wahr⸗ 
scheinlich daß neben der Gesammtlage Europas die 
Beziehungen zwischen Deutschland, Oesterreich und 
Rußland zur Sprache gekommen seien. Uebrigens 
wird Herr v. Giers in Wien erst bei Gelegenheit 
teiner Rückkehr aus Italien als Gast erwartet. 
Braf Kalnoky, der österreichische Minister des Aeu⸗ 
zern, warüber diese Reisedisposition seines russischen 
Kollegen schon seit langerer Zeit unterrichtet. 
Ausland. 
Paris, 22. Novb. Die indirecten Steuern 
Jjaben im Monat Oktober 16 Millionen Mark 
nehr und in den ersten zehn Monaten 1882 etwa 
92 Millionen Mark mehr ergeben, als veranschlagt 
waren. 
In Lyon sind in den letzten Tagen vielfache 
Verhaftungen von Socialisten und Anarchisten vor⸗ 
zenommen worden. Man glaubt die Mitglieder 
iner geheimen, mit dem Auslande in Verbindung 
tehenden Gesellschaft in die Hände bekommen zu 
haben. 
Rom, 22. Nov. Die Thronrede hebt her⸗ 
vor die noch bevorstehende Vermählung des Herzogs 
von Genua mit der Prinzessin einer der erlauch— 
testen Dynastieen Deutschlands und sagt, dieselbe 
sei ein neues Pfand der Freundschaft der beiden 
Völker. Keine fremde Macht im Inneren oder 
Außen behindere mehr die vollste Freiheit der Ver— 
handlungen der Kammer. 
Alexandrien, 21. Nov. Der internationalen 
Gesundheitskommission neuerdings aus Mekka zu⸗ 
gegangene Nachrichten melden im Gegensatze zu 
dem Berichte des türkischen Inspekteurs vom 11. 
ds., daß die Cholera noch nicht erloschen sei. Von 
den englischen Truppen sind 12 pCt. erkrankt. 
In Konfstantinopel wurden bei einem 
sriegsrath, zu dem sämmtliche deutsche Offiziere 
zugezogen waren, folgende Beschlüsse gefaßt: Ver⸗ 
mehrung der Anzahl der jährlich einzustellenden 
Rekruten, sowie Reorganisation des Ersatzgeschäfts; 
Vermehrung der Cavallerie und bedeutende Ver⸗ 
stärkung der Dardanellen⸗-Forts. 
Konstantinopel, 20. Nov. Sämmtliche 
Minister und hohen Würdenträger statteten heute 
dem neuen deutschen Botschafter, Herrn 
von Radowitz, amtliche Besuche ab. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 24. Nov. Die diesjährige 
stonferenz für den kath. Distrikts-Schulinspekti⸗ 
onsbezirk Si. Ingbert findet am 28. Dezember 
nächsthin im großen Schulhause dabier unter dem 
Vorsitze des kgl. Distriktsschulinspektors Herrn 
Dengel statt. 
—* gerr Fabrikant Adt in Ensheim hat 
dem pfälzischen Gewerbemuseum zur Ber— 
mehrung seines Stammpvermögens den ansehnlichen 
Betrag von 1000 Mark zum Geschenk gemacht. 
— Das kgl. prot. Konsistorium der Pfalz hat 
den ständigen Ausschuß der Generlsy— 
node auf den 4. De zember c. zu seiner regel⸗ 
mäßigen Jahresversammlung einberufen. 
— Wegen großen Kohlenmangels (wohl 
jin Folge der Ueberschwemmungen der Kohlenberg⸗ 
werke im Saargebiete) können nach der „Pf. Pr.“ 
die Gienanth'schen und Pfeiffe r'schen Werke in 
Kaiserslautern nicht wecter arbeiten. 
— Die vom Bundesrath beschlossene Vornahme 
einer Viehzählung ist vom hohen Ministerium