Full text: St. Ingberter Anzeiger

ↄxt. Iugherter Auzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
— — — — — — NTC» DVG' .—O 
St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wochentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs⸗ 
it und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt toftet vierteljährlich 14 40 2 einschließlich Tragerlohn; durch die Post bezogen 1 60 H, einschließlich 
Zustellungsgebuhr. Die Einrückungsgebühr fur die Agespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 4, bei außerpfälzischen und solchen 
auf welche die Expedition Austkunft ertheilt, 13 , bei Reclamen 30 B. Bei 4maliger Einruckung wird nur dreimalige berechnet. 
M 235. 
Politische Uebersicht. 
Deuntsches Reich. 
Munchen, 27. Nov. Oberst v. Xylander, 
bayerische Militar⸗ und Bundesrathsbevollmäch⸗ 
zte, in Berlin wurde zum Generalmajor befördert 
d'a Na suite der Armee gestellt, jedoch in seiner 
ijgherigen Stellung belassen. Dem Vorschlag des 
aisers ensprechend wurde der Commandant der 
fesiung Ulm, Generalmajor Heberling, dieser Stel— 
ing entbunden und dafür Generalmajor à la suite 
er 'Armee Bösmiller zum Commandanten der 
restung Ulm ernannt. 
Berliner „Post' citirt einen Artikel der 
Moskauer Zeitung“, worin es heißt: „Die rus⸗ 
sche Cavalerie steht schon im Frieden auf dem 
—D— keinen Nutzen 
ehen? Ein entschlossener Einfall von 200,000 
is 300,000 Mann Cavalerie an verschiedenen 
hunklen — und es giebt deren an unseren Grenzen 
muß die Mobilifirung des Feindes und die 
roncentrirung seiner Truppen verzögern.“ Die 
Post“ fügt hinzu: „Der Rath, welchen die rus—⸗ 
schen Zeitungen ertheilen, von der augenblicklichen 
Starke der UÄrmee Nutzen zu ziehen und mit 
200,000 bis 300,000 Mann Cavalerie plötzlich 
—VVV nicht 
ungebührlich beunruhigen, da unsere Beziehungen 
zu Rußland bester und freundschaftlichster Art sind, 
doch lenken jene Preßstimmen unsere Aufmerksamkeit 
wiederum auf den Umstand, daß bei allen Nationen, 
namentlich aber bei unseren Nachbarn, in Aus⸗ 
bildung und Stärkung der Wehrkraft niemals 
Stillstand eintritt, und daß Deutschland bei seiner 
Lage mitten in Europa in dieser Beziehung hinter 
anderen Staaten nicht zurückbleiben darf, ohne seine 
Sicherheit in bedenklicher Weise zu gefährden.“ 
Dem Vernehmen nach tritt Prinz Friedrich 
Karl gegen Neujahr eine mehrmonatliche Reise 
eg Ausland an. Er begiebt sich zunächst nach 
FEgypten, um die dortigen Schlachtfelder zu besich⸗ 
ngen. 
Wie die Nowoje Wremja mittheilt, wird Feld⸗ 
marschall Moltke zu der am 10. December statt⸗ 
ndenden fünfzigjährigen Jubelfeier der Nicolai⸗ 
Akademie des Generaistabes, deren Ehrenmitalied 
r ist, in Petersburg erwartet. 
Der Bundesrath hat folgenden Beschluß 
Jefaßt: 1) Vom 1. Dezember 1882 ab treten an 
ie Stelle der seitherigen Steuervergütungssätze für 
Rohtabak, entrippte Blatter und fabrizirten inlän— 
ischen Tabak (5 20 des Regulativs, betreffend die 
hewährung der Zoll⸗ und Steuervergütung für 
Zabat und Tabatfabrikate vom 28. Mai 1881) 
olgende Zusätze für 100 Kg. Netto: 1) Rohtabak 
. unfermentirt 14 Mk.; b. fermentirt 17 Mk.; 
M) entrippte Blätter 20 Mk.; 3) Fabrikate aus 
nländischen Blättern: a. Schnupf- und Kautabak 
4 Mk., b. Rauchtabak 19 Mk., 6. Cigarren 
22 Mk.. d. Cigarretien 15 Mk.; 4) auf Schnupf⸗, 
dau⸗, Rauchtabak und Cigaretten, welche in den 
ereits unter Controle stehenden Fabriken vor dem 
Dezember 1882 angefertigt sind, sowie auf den⸗ 
jenigen Schnupftabak, welcher aus den an diesem 
Tage daselbst vorhandenen Halbfabrikaten herge— 
tellt wird, finden noch die bisherigen Vergütunas— 
ätze Anwendung. 
Der Bundesrath wird sich nächstens aus 
Anlaß von Petitionen mit der für Fabrikanten und 
Kaufleute wichtigen Frage wegen Verlängerung der 
Zollcreditiristen zu beschäftigen haben. 
Dienstag, 28. November 1882. 
17. Jahrg. 
Man erwartet, daß die beiden Reichshaus⸗ 
hallsetats pro 188384 und 1884 88 dem 
Reichstage sogleich nach seinem Zusammentritt vor⸗ 
gelegt werden und dort zur ersten Lesung gelangen. 
Die „Norddeutsche Allgem. Ztg.“ erörtert sehr 
eingehend den Einfluß der russischen Eisen⸗ 
zölle auf die deutsche Industrie und kommt zum 
Schluß, daß die deutsche Forsi- und Landwirth⸗ 
chaft einen schweren Kampf gegen die russische 
Toncurrenz kämpfen müsse und berechtigt sei, Schutz 
in der Heimath zu verlangen. 
Das Mauser-⸗Magazin-Gewehr, das 
sich zur Zeit zu einer umfassenden Versuchnahme 
an das Fuüsilier-Bataillon des 83. Garde⸗Grenadier⸗ 
Regiments (Königin Elisabeth) ausgegeben befindet 
oll zu mehrfachen Ausstellungen Veranlassung ge⸗ 
Jeben haben. Dasselbe führt eine Patrone im 
Zauf, zwölf im Miagazin. Die Anfügung des 
etzteren zur Seite des Lauf's bietet aber, wie be⸗ 
—X— Exercirens 
ein Hinterniß. Ferner wird als einer der er⸗ 
vahnten Uebelstände hervorgehoben, daß die Kam⸗ 
ner zur Entfernung der Patronenhülse nach jedem 
Schuß geöffnet werden muß. Auch soll sich der 
Schwerpuntt des Gewehrs mit jedem Schuß ver⸗ 
andert ausweisen. Endlich soll sich noch bei abge⸗ 
gebenem Schnellfeuer eine übermäßige Erhitzung deẽ 
daufes herausstellten. 
Ausland. 
Die Wogen der colonialpolitischen Bewegunq 
gehen in Frankreich höher und höher. Nich 
blos am Congo, in Senegambien und auf Mada 
gascar, auch in Hinterindien möchte man kräftigt 
Schritie vorwärts thun. Die neuerlichen Erfolge 
der britischen Forschungsreisenden Colquhoun, Cooper, 
Gill, Margary, Soltau ꝛc, erregen im hohen Grade 
die Eifersucht der Franzosen und lassen dieselben 
gielleicht nicht ohne Grund befürchten, sie könnten 
auch dort wieder von den Engländern vollkommen 
in den Schatten gedrängt werden. Hauptsächlich 
aus diesem Grunde mahnt Charles Gauthiot die 
rranzosische Regierung, die französischen Positionen 
m Kambodscha⸗Delta und am Songka⸗Flusse zu 
befestigen. Die eingeborenen des Tongking insbe⸗ 
ondere, behauptet er, seien von sanften Sitten und 
hon warmen Sympathien für die Franzosen, keine 
Herrschaft lieber zu tragen bereit als die franzoͤsische. 
Außer den Bestrebungen der Engländer soll ganz 
zesonders das Vorrücken einer chinesischen Armet 
Jegen die Grenzen des Tonking und die Wieder⸗ 
zeltendmachung der chinesischen Hoheitsansprüch 
ber Siam ein energisches Vorgehen nöthig machen. 
Die Reise des Herrn v. Giers giebt dem 
Pariser „Parlament“ zu einer Reihe von Be⸗ 
rachtungen Anlaß, welche in nachstehender Con⸗ 
lusion gipfeln: „Rußland, das unterliegt keinem 
Zweifel, wünscht die alte Intimität mit Deutschland 
u erneuern. Vielleicht träumt es davon, neben 
Desterreich in dem Drei⸗ Kaiser⸗Bündniß den einstigen 
Platz wieder einzunehmen. Alexander III. kehrt 
entmuthigt mit vollen Segeln zu der Politik Alex⸗ 
anders Ui.. zurück. Wird dieser jahe Wechsel den 
gewünschten Erfolg haben? Wird die Gesundheits- 
reise des Herrn v. Giers ihren Zwech erreichen? 
Fine nahe Zukunft wird dies lehren.“ Auch der 
Temps“ meint, daß Herr v. Giers die officiöse 
Mission habe, die in letzter Zeit ein wenig gelockerten 
hande der Drei⸗Kaiser⸗Allianz wieder fester zu ziehen 
und Befürchtungen in Berlin und Wien gegen di⸗ 
rusfische Politik zu zerstreuen. 
1 
Basel, 26. Nov. Der Beschluß des Bundes⸗ 
rathes vom 14. Juni da. Is. betreffend die statt⸗ 
liche Leitung des Primär⸗Unterrichts und die An⸗ 
stellung eines eidgenössischen Schulinspektors, ist 
nach dem bisherigen Resultat der Volksabstimmung 
als abgelehnt zu betrachten. Die Wahlbetheiligung 
war groß, die Stadte stimmen durchweg für die 
Annahme des Beschlusses. 
In Montenegro sieht es sehr kriegerisch 
aus. Man spricht ohne Scheu von der Absicht, 
Albanien zu erobern. Aus Rußland sollen Waffen 
und Winser⸗Monturen eingetroffen sein. Ange— 
sichts dieser Verhältnisse sind die aldanesischen Führer 
in Tusi zusammengetreten, um über die Maßregeln 
zur Zurückweisung des montenegrinischen Einfalles 
zu berathen. Es wurde beschlossen, alle Albanesen 
zu bewaffnen und bis zum letzten Blutistropfen zu 
kämpfen. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
St. Jngbert, 28. Nov. Dem Vor—⸗ 
chlage der Gemeindevertretung zu Venningen 
entsprechend wurde Herr Lehrer J. Samter von 
hier zum Lehrer an der israelitischen Schule daselbsi 
nannt. Glieichzeitig wurde die hiesige israelitische 
Schule aufgelöst. Die Schüler derselben wurden 
den entsprechenden Abtheilungen der protestantischen 
Schule zugewiesen. 
*St Ingbert, 28. Nov. In Folge be⸗ 
deutenden Wasserandranges mußte gestern und heute 
in der hiesigen Grube die Kohlenförderung ein⸗ 
gestellt werden. 
— Zweibrücken, 27. Nov. Ueber das 
Hochwasser dahier berichtet die „Zw. Zig.“: Was 
—D— in der Nacht 
bom Samstag auf Sonntag eingetreten, und zwar 
in einem alle Befürchtungen weit übersteigenden 
Maße. Nachdem schon am Samstag Morgen 
Horn⸗ und Schwarzbach ihre Ufer stellenweise über⸗ 
schritten, der Regen den ganzen Tag über ange⸗ 
hallen hatte und Abends zeitweise in förmliches 
Hießen ausgeartet war, begann noch vor Mitter⸗ 
nacht die Ueberfluthung unserer Mittel- und Unter—- 
stadi, sodaß der Verkehr mit derselben nur mittelst 
Kahn, Floß u. dgl. zu bewerkstelligen und die Be⸗ 
vohner zu Hausarrest verurtheilt waren. Die 
Wasserfluthen drangen gleich so massenhaft und mit 
jolcher Wucht an, daß Viele im Ausräumen unter⸗ 
zrochen und daher zum Theil recht empfindlich ge⸗ 
chädigt wurden. Einen so hohen Wasserstand 
datten wir hier seit 1836 nicht mehr. Die Eigen⸗ 
hümer von Vieh mußten dasselbe in die höher ge⸗ 
legenen Stadttheile verbringen, um es vor dem 
Ertrinken zu retten. Die Wasserfluthen bedeckten 
den ganzen gestrigen Sonntag über bis spät in die 
Nacht folgende Stadttheile; die Hauptstraße von 
der Fruchihalle über die Brücke hinaus und die 
Herzogstraße (Neue Vorstadt) bis fast zum Zwei⸗ 
hrücker Hof, die vorderen Kasernen (die Chevau⸗ 
legerspferde mußten in die hinteren Lokalitäten ver⸗ 
bracht werden), den Marktplatz bis zur Heinß'schen 
Brauͤerei am Exerzirplatz, die Küchenallee, das 
Mühlgäßchen, die Schul⸗ oder Lindenallee, die Lo⸗ 
talitäten des kgl. Landgestüts, dessen werthvolles 
Pferdematerial vorsorglich im Zweibrücder Hof und 
jn Ernstweiler geborgen wurde, die Schillerstraße, 
den Hallplatz, die untere und obere Kaiserstraße 
bis über die „Kaiserhaller“ des Herrn L. Schmidt 
hinaus, die Ludwigsstraße bis zum Bahnhof, die 
janze Bubenhauser Straße bis zum Hause des 
Hertn Wildt. dessen Garten, noch ganz mit Wasser