Full text: St. Ingberter Anzeiger

xt. Jugherter Atzeiger. 
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xr „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wöͤchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs- 
datt und Sonntags mit Sfeitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteliährlich 1.4 40 2 einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1 B60 H, einschließlich 
9 ⸗ Zustellungsgebuhr. Die Einrückungsgebnhr fuür die 4gespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 , bei außerpfälzischen und solchen 
auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 15 —., bei Neclamen 30 44. Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
M 236. Donnerstag, 30. November 1882. 17. Jahrg. 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
Muünchen, 29. Nov. Der Landtagsabge- 
rdnete Dr. Rittler, bisher Wallfahrtspriester von 
Naria⸗Eck, ist vom König zum Lyzealprofessor für 
zhilosophie in Regensburg ernannt worden. 
Der Entwurf des revidirten Genossenschafts⸗ 
esetzes soll soweit gefördert sein, daß dessen 
zorlage beim Bundesrathe binnen Kurzem 
erwarten steht. 
Die Mittheilung der „Nowoje“, daß der Ge⸗ 
eralfeldmarschall Graf Moltke zu der am 10. 
dezember d. J. stattfindenden fünfzigjährigen Ju⸗ 
zelfeier der Nicolai-⸗Akademie des Generalstabes, 
eren Ehrenmitglied er ist, in Petersburg erwartet 
vird, bestätigt sich nicht. Graf Moltke hat, wie 
ꝛer Norddeutschen Zeitung dvon zuverlässiger Seite 
nitgetheilt wird, die an ihn ergangene Einladung 
ankend abgelehnt. 
Wie die „N. A. Ztg.“ mittheilt, ist begründete 
Jussicht vorhanden, daß das Verfahren der Einziehung 
von Geldbeträgen durch Postaufträge auch für den 
Jerkehr zwischen Deutschland und Oesterreich⸗Ungarn 
ingeführt werde. 
Ausland. 
Paris, 28. Nov. Aus den Mittheilungen 
Ministerpräsiden Duclere im heutigen Minister⸗ 
ah über die Verhandlungen mit England verlautet 
olgendes Naͤhere: England zeigte amtlich den Ent⸗ 
hluß an, die doppelte Kontrole in Egypten ab⸗ 
uschaffen; es sei dagegen geneigt, Frankreich eine 
entschädigung zuzugestehen. England ersuchte Frank⸗ 
eich hierauf, es moöͤge die Art der Entschädigung 
nnd die Wünsche zu erkennen geben; aber Duclere, 
er bisher noch für die Aufrecherhaltung der Dop⸗ 
elkontrole kämpfte, wollte die Initiative nicht selber 
greifen, sondern die Vorschläge Englands ab⸗ 
arten. Diese Vorschläge seien eingetroffen, aber 
icht bestimmt genug abgefaßt. Der Ministerrath 
eschäftigte sich heute mit diesen Vorschlägen; die 
zerhandlungen dauern fort. 
In Irland vergeht jetzt kein Tag ohne einen 
olitischen Mord. Wir berichteten kürzlich, daß in 
nem Prozesse wegen eines sogenannten Agrar⸗ 
cordes zum ersten Male seit Jahren irische Ge⸗ 
yworene den Muth hatten, angeklagte Moͤrder zum 
otrang zu verurtheilen. Das fenische Vigilanz⸗ 
omitee nimmt dafür jetzt Rache. Am Sonntag 
Ubend wurde in Dublin ein gewisser Fiels, der 
borsitzende jener Jury, von einem Kerl ermordet, 
er noch mit zwei anderen in einem Wagen ihm 
achfuhr. Das Gefährt hielt, der Mörder sprang 
erab, brachte dem Fiels mehrere todtliche Dolch⸗ 
iche bei und entfloh dann mittelst des Wagens. 
im Montag Abend wurde in ähnlicher Weise der 
ʒerichtsvollzieher Mullins auf offener Straße 
n Dublin von drei Kerlen überfallen, die ihn mit 
Messerstichen verwundeten. Mullins lebt noch, ist 
ber schwer verletzt. Die Thäter wurden glücklicher⸗ 
veise diesmal gefaßt. Seit Sonnabend also drei 
enische Mordanfälle in den Straßen Dublins! 
Reueren Nachrichten zufolge schreitet die anti⸗ 
eutsche Strömung in Rußland, welche 
ch namentlich in der Entfernung der Männer 
eutscher Abstammung aus den wichtigeren Posten 
m Kriegs-⸗ und Friedensdienste äußert, immer 
tärler vorwärts. Selbst vor dem Sieger von 
zlewna, dem Vertheidiger von Sebastopol, Tod⸗ 
eben, steht sie nicht still; seine Verabschiedung ist 
ebenso wie die General Albedinsky's sicherem Ver⸗ 
nehmen nach in naher Zeit zu erwarten. 
Konstantinopel, 29. Nov. Marschall Fuad 
Pascha, des Sultans Adjutant Mehemet Pascha, sodann 
Fer General und der Oberst der Kaiserlichen Gar⸗ 
edragoner wurden unter der Anschuldiqung einer 
tzerschwörung verhaftet. 
Die Thaͤtigkeit der deutschen Offiziere 
n der Türkei scheint ihre Fruͤchte zu zeitigen. 
dach Mutheilungen aus Konstantinopel hat daselbst, 
n Anwesenheit sämmtlicher deutscher Offiziere, eine 
Zitzung des großen Kriegsrathes stattgefunden, in 
velcher man beschloß, die Kadres der Truppen zu 
ervoͤllständigen, die Kavallerie zu vermehren, die 
dardanellen stärker zu befestigen und die Befestig⸗ 
ingen am Bosporus wieder herzustellen. — Be⸗ 
hlossen wurde nun zwar schon oft Vieles und Be⸗ 
dxulendes in der Türkei, was schließlich doch nicht 
zur Ausführung gelangte, denn erst dann pflegen 
ben dort die Schwierigkeiten förmlich herbeigezogen 
zu werden, wenn es sich,um die Ausführung der 
tewilligungen handelt. Im Interesse der Be⸗ 
trebungen unserer deutschen Reichs⸗Angehörigen, 
velche mit so großer Selbstverleugnung und Opfer⸗ 
villigkeit thätig sind, die beabsichtigten Reformen 
n der Türkei foͤrdern zu helfen, wollen wir wünschen, 
zaß sich die alte Erfahrung nicht von Neuem be⸗ 
tätigen möge. 
Lokale und pfaälz ische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 30. Nopo. Das gestern 
Ubend im Oberhauser'schen Saale stattgehabte zweite 
Ubonnements-Konzert der Kapelle Wit⸗ 
ig von Heinitz hatte sich eines noch zahlreiche⸗ 
een Besuches zu erfreuen als das erste. Die 
deistungen der renommirten Kapelle verdienen wieder 
lles Lob, und wurden sämmtliche Piecen des gut 
ewählten Programms sehr beifällig aufgenommen. 
zesonderen Anklang fanden die Quverture zur 
Heimkehr“ v. Mendelssohn, sowie die Ouverture 
ur „dame blanche“, ein Potpourri „Der 
ustige Krieg* v. Strauß, ein Trompeten⸗ 
Soĩo „Gruß an Bremen“, eine Fantasie „Die 
zagd nach dem Glücke“ v. Brand und der Wal⸗ 
er „Wo die schönen Mädchen wachsen“ v. Weiß. 
—tt. Von der Blies, 28. Nov. Sie 
derden am verwichenen Sonntag auch in St. Ing⸗ 
ert Wasser genug gehabt haben, aber in einer solchen 
Nasse wie bei uns dürfte man es in St. Ingbert 
vohl noch nicht gesehen haben, Einen Wasserstand, 
o hoch wie am Sonntage, hatten wir seit 1836 
ind 1844 45 nicht mehr zu verzeichnen. Die Wasser⸗ 
läche stand nur mehr etwa 50 cem. von der Eisen⸗ 
ahnbliesbrücke zwischen Blickweiler und Breitfurt 
ib. Die Bliesthalstraße stand an vielen Stellen 
n betraͤchtlichen Längen unter Wasser. Die Blies- 
rrücke in Herbitzheim ist so stark beschädigt, daß fie 
infahrbar ist. Und gar' die jchöne Insel des Herrn 
Vilh. Rinter in Herbitzheim mit ihren schönen 
AInlagen ist dem Wasser zum Opfer gefallen. Auch 
er Hrt Reinheim soll viel gelitten haben. Die 
Passerfluthen brachten Kübel, Eimer, Kasten, Bretter, 
zalken, Fässer, Krautständer, Wäsche, Kleidungsstücke, 
ogar eine Wiege und Ferkel will man gesehen haben. 
zin Bahnwart sah 5 Bierfäßchen schwimmen und 
inter denselben, der obligate ‚Bierknüppel“. Der⸗ 
eibe Bahnwart fischte in Gegenwart des Einsenders 
inen halbfertigen hölzernen Schwanenhals und 
Kopf, was wahrscheinlich die Zierde eines Schlittens 
verden sollte aus dem Wasser. Die Mühle der 
herren Gebr. Dahlem in Breitfurt war so abge— 
perrt, daß die bei Hochwasser übliche Nachenvber⸗ 
zindung mit dem Orte eingestellt werden mußte. 
luch einige Bergrutsche sind zu verzeichnen, im 
Volfesheimerwald „Pfaffenhölle“ und in der Nähe 
ʒes Kirchheimerhofes am sogenannten „Kirchheimer 
dübel“. 
B. Ausdem Bliesthal, 28. Noo. Der 
Zetrieb der Bliesthalbahn war in Folge des Hoch— 
vassers am Sonniage eingestellt. Erst seit heute 
tursiren die Züge wieder fahrplanmäßig. 
—A Breitfurt, 28. Nod. In unserem 
Orte verlief die Presbyterwahl resultatlos, da von 
)5 Stimmberechtigten nur 11 ihr Wahlrecht aus⸗ 
ibten. Nächsten Sonntag, den 3. Dezbr., wird 
deshalb nachgewählt. 
—Bödweiler, 28. Nov. Die am Sonntag 
sier statigehabte Presbyterwahl erzielte fol⸗ 
jendes Resultat: Von den frühern Presbytern 
vurden 3 wiedergewählt, wovon jedoch der mit der 
jöchsten Stimmzahl gewählte Schwarz ablehnte, 
veshalb 3 neugewählte statt 2 eintreten. Man 
zlaubt, daß das nun neugebildete Presbyterium 
einer freiern Richtung angehört, als das bis— 
erige. 
— Aus Zweibrücken wird dem „Pf. K.“ 
nitgetheilt, daß der Gesammtverlust, den die von 
der Ueberschwemmung betroffenen Bürger an Waa⸗ 
ten ꝛc. zu tragen haben, mit 60- 70,000 Mark 
eher zu niedrig als zu hoch gegriffen sein dürfte, 
den Schaden an den Gebäuden, der sich erst nach 
ind nach zeigen wird, nicht gerechnet. Man sage 
zaher nicht zu viel, wenn man behauptet, daß die 
leberschwemmung für einen erheblichen Theil der 
Zürgerschaft Zweibrücken zu einer Calamität 
jseworden ist, die manche schwer, einige vielleicht 
jar nicht verwinden werden. 
—. Das „F. J.“ erhält unterm 27. d. M. 
Montag) folgende Mittheilung aus Neustadt 
. H.: Ein gräßliches Unglück hat unsere Stadt 
vetroffen. Wasserwogen auf Wasserwogen durchfluthen 
die Straßen der Stadt seit Nachts um 3 Uhr, einzelne 
Häuser sind geborsten, überall ertönen Jammer und 
dilferufe, die Kahne, die aus Speyer kamen, sind 
inzureichend. Soeben treffen 12 Mann Pionire 
mus Speyer ein, um die Hungernden von den Dach⸗ 
irsten herabzuholen. Die Noth der Brod und Fleisch 
entbehrenden Stadt ist schwer zu schildern. Die 
Menge, vom Hunger zum Aeußersten getrieben, reißt 
das Brod aus den wenigen, in höherer Lage be⸗ 
indlichen Bäckerladen, bevor es noch fertig gebacken 
st. Einige opferwillige Bürger haben die Hilfe 
der Nachbarorte angerufen und die Züge bringen 
ins gegenwärtig etwas Proviant. Der Stadtrath 
ann sich nicht permanent erklären, da die meisten 
Nitglieder seit Beginn des Hochwassers blokirt sind. 
An vierhundert Personen sind bis zur 
ztunde von den Dächer geholt worden, die nun 
rierend und zitternd in dem Riesensaal im Saal⸗ 
augebäude den Verlust ihrer geringen Habe be— 
veinen. Die Communication ist unterbrochen. Wir 
rauchen schleunige Hilfe an Kähnen und Lebens⸗ 
nitteln. — Vom 28. wurde dem F. J. ferner tele⸗ 
graphirt: Das Wasser fällt, das Elend aber ist 
zrenzenlos. Ein Bergsturz im Neustadter Thal hat 
in großes Unglück gestiftet, und dabei dauert der 
Zrod⸗ und Fleischmangel noch fert. Die Mittel 
ver Stadt sind völlige uend. Zugleich erläßt 
zasselbe Blatt einen „sruf * Neustadt, dem 
vir Folgendes enmehme: B. en besonders aus 
deustadt a. H., daß es unmöglich sein werde, die