Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Orgaun des königl. Amtsgerichts St. Inabert. 
—A füufmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs- 
Blatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljäahrlich 14 40 2 einschließlich Traügerlohn; durch die Post bezogen 15 60 H, einschließlich 
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auf welche die Expedition Auslunft ertheilt, 18 —, bei Reclamen 30 44. Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
M 238. Sonntag, 3. Dezember 1882. 17. Jahrg. 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
Kronprinz Rudolph von Oesterreich ist 
im Donnerstag in Berlin eingetroffen. Der 
daiser und Prinz Wilhelm, letzterer in österreich⸗ 
scher Uniform, empfingen ihren Gast am Bahnhofe. 
Die Begrüßung war überaus herzlich. Beim Kaiser 
var Nachmittags größere Tafel, an welcher Kron⸗ 
zrinz Rudolph, Großfürst und Großfürstin Wladmir, 
zie mecklenburgischen Herrschaften, alle Mitglieder 
)es königlichen Hauses, Graf Moltke, Graf Hatz⸗ 
'eldt und einige andere hochgestellte Personen theil 
ahmen. 
der deutsche Reichstag ist nach längerer 
Vertagungspause am Donnerstag wieder zusammen⸗ 
jetreten. Der erste Gegenstand, welcher ihn be— 
chäftigte, bildete die Geschäftssprache im elsaß⸗ 
othringischen Landes⸗Ausschusse. Mit 153 gegen 
119 Stimmen entschied der Reichstag, daß lediglich 
die deutsche Sprache die Geschäftssprache des elsaß⸗ 
othringischen Landes-Ausschusses zu bilden habe. 
In militärischen Kreisen wird mit Genugthuung 
ronstatirt, daß die Bewaffnung der deutschen In⸗ 
fanterie mit Mausergewehren, die bekanntlich in 
derschiedenen Zwischenräumen erfolgt ist, nunmehr 
als abgeschlossen betrachtet werden kann, nachdem 
auch die bayerische Armee ihre Waffe nach dem 
Syftem Werder durchgängig mit dem Mausergewehr 
ꝛertauscht hat. 
Ausland. 
Die egyptischen Lorbern Englands lassen die Fran⸗ 
‚osen nicht schlafen; sie wollen sich dafür zunächst 
zuf Madagaskar entschädigen. Ein offenbar 
inspirirter Artikel des „Temps“ kündigt eine nahe 
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bringt die französisshen Pläne bezüglich Madagas— 
kar's in eine nicht mißzuverstehende Verbindung 
mit dem Vordringen Englands in Egypten und 
am Rothen Meere, und spricht die Hoffnung aus, 
paß Frankreich auf diesem Wege auf keine Hinder⸗ 
aisse von englischer Seite stoßen werde. Leztztteres 
st denn doch noch zu bezweifeln. England wird 
die Festsetzung Frankreichs auf jenem großen Insel⸗ 
jebiet im Indischen Ozean nicht ohne weiteres ge— 
währen lassen. Die Haltung der maßgebenden Presse 
und verschiedene Aeußerungen, die bereits im Par⸗ 
ament gefallen sind, zeigen, daß man die Sache 
in England nicht auf die leichte Achsel nimmt. 
Aus Petersburg wird der „Pol. Corr.“ 
zemeldet, daß die dortige Polizei, rechtzeitig von 
iner geplanten Arbeilerrevolte benachrichtigt, um— 
fassende Maßregeln zur Verhinderung derselben er⸗ 
zriffen hat. Zwei ausländische Emissäre, Namens 
rause und Landau, welche Unruhen hervorzurufen 
uchten, wurden verhaftet. Ein Theil der Peters⸗ 
ȟrger Garnison war aus Vorsicht konsignirt. 
„In RKonstantinopel spukt di wieder 
inmal eine Verschwörung. Der Telegraph meldete 
im Donnerstag die Verhaftung des Marschalls 
Fuad Pascha, des Generaladjutanten des Sultans, 
sowie anderer hohen Würdenträger. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 2. Dez. Nach dem Vor⸗ 
anschlag der Budget-Kommission kommen dahier 
ür's nachste Jahr 110 Prozent Gleichstellungs⸗ 
Umlagen, also 11 Prozent weniger als 
zeuer, zur Erhebung. Für die Umlagepflichtigen 
zewiß recht angenehm! 
— Aus Blieskastel wird unterm 30. vor. 
Ats. dem „Pf. J.“ geschrieben: Die Bewohner unseres 
Zztädtchens wurden heute Mocgen um 5 Uhr durch 
ie Rufe: Feuer, Feuer! aus ihrem Morgenschlummer 
jewecht. Das an der Schloßbergstraße gelegene ge⸗ 
neinschaftliche Haus des Bierbrauers Joseph Rausch 
ind Schuhmachers Nikol. Salzgeber brannte nieder. 
deider fiel dem Rausch bei dieser Gelegenheit wahr⸗ 
cheinlich ein Stück Holz auf den Kopf, das ihn 
o stark beschädigte, daß das Schlimmste für ihn 
efuürchtet wird. Ursache der Brandentistehung bis 
etzt noch nicht aufgeklärt. 
— Neustadt, 30. Nov. Langsam fällt die 
rübe Fluth, welche unsere Straßen und Plätze be— 
zeckt, wieder; indessen steht der Marktplatz noch 
mmer unter Wasser und macht den Eindruck eines 
leinen Binnensees. Dort, wo das Wasser abge⸗ 
aufen, sieht man jetzt erst so recht, welche Zer⸗ 
törungen das nasse Element angerichtet, wie arg 
3 gehaust: stellenweise ist das Straßenpflaster ganz 
erstört und aufgerissen, an anderen Punkten treten 
kelhafte Schlammmassen zu Tage. Die ganze 
hßröße, des von den Fluthen angerichteten Schadens 
oird sich erst nach dem vollständigen Abfluß der 
Wassermassen. der wohl kaum bis vor Ende dieser 
Woche erfolgen dürfte, herausstellen. 
— Neustadt, 30. Nov. Nach zuverlässigen 
ẽrhebungen haben in Folge der Ueberschwemmung 
jegen elfhundert Personen ausquartirt werden müssen. 
luͤch ist bis jetzt nur ein einziges Haus (das des 
Nufikers Cyriaci) zusammengestürzt. (N. B.⸗Z.) 
— Aus Deidesheim schreibt das „Pf. J.“: 
zin wohl seltenes Mißgeschick hatte kürzlich das 
zuhrwerk eines Neustadter Weinspekulanten. Dessen 
dappengespann ging dem Kutscher auf der Muß- 
acher Chaussee durch und sprengte in gestrecktem 
halopp mit dem Wagen, auf dem sich mehrere 
Fässer befanden, — den Mostpfeifen nach zu schließen 
ollie eßs gährender neuer Wein sein — in die 
Ztadt herein, und der Geistesgegenwart eines hie⸗ 
gen Bewohners ist es zu danken, daß ein größeres 
ünglück verhütet wurde. Allmählich kam auch der 
uruckgebliebene Kutscher heran und sah, wie einige 
nenschenfreundliche Seelen mit dem Aufrichten seiner 
urch den Unfall umgerollten Fässer beschäftigt waren, 
amit der edle Rebensaft nicht durch die Pfeifen 
uf die Erde laufe. Der Kutscher aber in seiner 
zestürzung hatte diesem augeblichen Unglück schnell 
bgeholfen, denn er rief den gutmüthigen Leuten 
u daß selbst durch diese schiefe Lage der Fässer 
ein Most auslaufen könne, denn die sogenannten 
Nostpfeifen entberten jeder Oeffnung und waren 
zur als Täuschungsmittel aufgesteckt. Dieser Wink 
enügte, um die Neugierde erst recht anzuregen, 
en dadurch, daß die Fässer etwas geronnen hatten, 
dar durch eine Probe mit dem Finger der Inhalt, 
er sich als „Zuckerwasser“ entpuppte, leicht zu kon⸗ 
jatiren. Ein Miethskeller in einem benachbarten 
Ixte war zur Aufnahme dieses indischen Sonnen⸗ 
heins bestimmt. Der gute Mann wird gut daran 
jun, zukünftig für einen derartigen Transport 
twas frommere Pferde zu benützen. 
— Aus Veranlassung der jüngsten Hochwasser 
ourde Herr Oberbaurath Heuser aus München 
ils Ministerialkommissär in die Pfalz beordert 
ind wird am 1. Dezember Abends in Speyer ein⸗ 
reffen. Derselbe wird sämmtliche vom Hochwasser 
letroffenen Distriklte bereisen u. A. auch nach Zwei⸗ 
rücken kommen. 
Vermischtes. 
München, 29. Nov. Nach einem hiesigen 
Blatie hatte am letzten Montag den 27. ds. früh 
jalb 8 Uhr im Walde bei Nymphenburg ein Pi⸗— 
tolenduell zwischen zwei hochgestellten Beamten des 
vürttembergischen und des bayerischen Hofes statt⸗ 
jefunden. Rach mehrmaligem Kugelwechsel wurde 
jer Letztere durch einen Streifschuß am Halse ver⸗ 
vundet. 
Neunkirchen, 1. Dez. Gestern Mittag 
vurden auf Grube König 5 Bergleute verbrannt, 
on denen 3 schwer, aber voraussichtlich nicht lebens⸗ 
efährlich verletzt sind. Ob das Unglück auf Un— 
sichtsamkeit eines der Verbrannten oder auf einen 
erhängnisvollen Zufall, der das Zerbrechen einer 
zampe und dadurch die Entzündung der Wetter ver⸗ 
irsachte, zurückzuführen, ist noch nicht festgestellt. 
die Verunglückten wurden ins hiesige Bergmanns— 
azarett gebracht. (Saar⸗ u. Bl.⸗3.) 
Mainz, 30. Nov. Das Wasser fällt lange 
am. Großes Elend herrscht in der Neustadt und 
m Gartenfeld. Die Kunstgärtnereien sind ver— 
vüstet und überschwemmt. Ohne Hilfe ist jede 
rommunication unmöglich. Gebüsch und Bäume 
sindern. Viele Menschen sind bereits seit 48 
„tunden ohne Nahrung und Trinkwasser. 
Berlin, 30. Nov. Der Vorstand des 
Vaterländischen Frauenvereins“ erläßt einen Auf— 
uf, zum Besten der Nothleidenden in den über— 
chwemmten Gegenden Sammlungen zu veranstalten. 
derselbe veröffentlicht ein Schreiben der Kaiserin 
us Koblenz, 28. November: Ich bin Zeuge der 
eider sich noch steigernden Verheerungen, welche 
hurch die Ueberschwemmungen des Rheins verursacht 
verden. Von Mannheim bis Koln werden die 
S„puren dieser ganz anormalen Calamität lange 
ühlbar bleiben. Dorfschaften und niedere Stadt—⸗ 
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erstört, der anderen Schäden nicht zu gedenken. 
Dies ist einer jener Momente, wo die Thätigkeit 
der Zweigvereine sich bewähren muß. Ich werde 
es für angemessen erachten, sofort darauf einzu⸗ 
virken. Der Koblenzer Zweigverein ist bereits mit 
zutem Beispiel vorangegangen. Ich hoffe, daß 
äͤberall, wo es noth thut, gleiche Theilnahme sich 
rweisen wird.“ 
In Mailand hat man einen wahren Kreuz⸗ 
ug gegen das Tragen von Cylinderhüten 
internommen. Wer sich mit einem solchen sehen 
äßt, kann sicher sein, daß ihm der Hut unversehens 
iber das Gesicht getrieben wird. Die Sache ist 
o ernst geworden, daß die Hutmacher eine Zu— 
chrift an die Zeitungen gerichtet haben, in welcher 
ie dieselben bitten, Partei zu nehmen für die Cy— 
ynderhüte, weil andernfalls eine große Anzahl von 
rbeitern arbeitslos werden müßte und viele Hut—⸗ 
zeschäfte gezwungen würden, zu liquidiren. Es scheint, 
zach den Zeitungen zu urtheilen, diesem Kriege 
zegen die Cylinderhüte ein politisches Motiv zu 
hrunde zu liegen. Derselbe begann nach dem re— 
zublikanischen Wahlsiege in Mailand, und ist wohl 
nzunehmen, daß der Cylinderhut für antidemo— 
ratisch angesehen wird. 
New⸗York, 30 Nov. Die Stahlwerke 
on Lackawanna (Iron and Coal Company) zu 
Scranton in Pennsylvanien sind auf unbestimmte 
Zeit geschlossen worden. Mehr als 10000 Arbeiter 
ind in Folge dessen ohne Beschäftigung. 
F GMach hundert Jahren.) Eine New— 
horler Zeitung prophezeit unserem Geschlecht fol— 
sende Zukunft: „Im Jahre des Heils 1982 werden