Full text: St. Ingberter Anzeiger

litischen Collegen Samter zu einer kleinen Abb⸗ 
schiedsfeier versammelt. Herr Lehrer Drumm 
richtete an den Scheidenden im Namen seiner Col⸗ 
legen herzliche Worte des Abschiedes, worauf Herr 
Samter, sichtlich erfreut und gerührt von der Auf— 
merksamkeit seiner Collegen, bewegt dankte. In 
angenehmem Beisammensein schwanden nur zu rasck 
die Stunden. — Herr Samter wirkte an der 
hiesigen israelitischen Schule 8 Jahre. Er haf 
sich in dieser Zeit die größte Zufriedenheit seiner 
Vorgesetzten, wie nicht minder die Achtung seiner 
Mitbürger und die Liebe seiner Schüler erworben, 
und man darf wohl behaupten, daß er bei seinem 
Scheiden von hier teinen Feind zurückläßt. Die 
besten Wünsche begleiten ihn nach seinem neuen 
Wirkungstreise. Möge es ihm und seiner Familie 
daselbst stets wohl ergehen und mögen sich ihm alle 
Hoffnungen, die er an seine neue Stelle knüpft 
erfüllen! 
*— Von der Strafkammer des kgl. Landge 
richts Zweibrücken wurde Johann Eckel, 72 J. a. 
Schweinehirt in Schnappbach, wegen eines Sittlich⸗ 
keitsverbrechens und eines dito Vergehens zu einer 
Gesammtgefängnißstrafe von 6 Monaten 8 Tagen 
und die an letzterem betheiligte Ehefrau Kroener 
von da zu 14 Tagen Gefängniß verurtheilt. 
— Zweibrücken, 4. Dez. Gestern trafen 
Se. Exzellenz Herr Regierungspräsident v. Braun 
und der Ministerial-Kommissär Herr Oberbaurath 
Heuser hier ein. Dieselben wurden vom Herrn 
Bezirksamtmann und von den Herren Vertretern 
der Stadt am Bahnhofe empfangen und nahmen 
alsbald eine eingehende Besichtigung der durch das 
jüngste Hochwasser verursachten Beschädigungen hier 
und in der Umgegend vor. Se. Erxzellenz kehrte 
heute Abend nach Speyer zurück, während Herr 
Oberbaurath Heuser im Laufe des heutigen Tages 
verschiedene Objekte in Bezug auf Inundations- 
verhältnisse noch spezieller in Augenschein zu nehmen 
gedenkt. (Zw. Ztig.) 
— Zweibrücken, 4. Dez. Eine entsetzliche 
That ist heute früh hier geschehen. Eine Tochter 
des Hrn. Maurermeisters Mohr, Kathchen Mohr, 
ein durchaus achtbares und braves Mädchen hat 
heute früh den bei Hrn. Banquier Froelich hien 
placirt gewesenen Buchhalter Heiß, einen noch 
ganz jungen Mann, als derselbe um 8 Uhr auf's 
Bureau gehen wollte, durch einen Revolverschuß in 
die Schläfe getödtet und dann sich selbst erschossen; 
das Mädchen lebte noch einige Stunden. (Zw. 3.) 
— Von Pirmasens wird der „Pfälz. Pr.“ 
geschrieben: Es hat in hiesigen Kreisen allgemeines 
Aufsehen erregt, daß der hiesige katholische Dekan 
Huth, welcher schon seit lange im pfälz. Landrathe 
sitzt, bei Besetzung der Pfarrei Schifferstadt dem in 
gleichem Dienstalter mit ihm stehenden Dekan Nipp⸗ 
linger von Rheinzabern zurückgesetzt wurde, obgleich 
die Qualifiklation des Herrn Landrathsmitgliedes 
Huth eine bessere sein soll, als die seines obsiegenden 
Konkurrenten, und obgleich Herr Huth von Seiten 
der kgl. Negierung und des bischöfl. Ordenariats 
primo loco vorgeschlagen war. Man bringt dahier 
die Zurücksetzung des Herrn Dekan Huth mit der 
„Kapuzinerniederlassung in Blieskastel“ in Ver— 
bindung, für welche derselbe das Anwesen in Blies— 
kastel erworben hatte. Da die Vorschläge in München 
geändert worden, so scheint die Kapuzinerfrage da⸗ 
selbst sehr unangenehm berührt zu haben. 
— Waldfischbach. Eeinem Arbeiter des 
Müllers Klug von der Schwanenmühle bei Hor— 
bach drang bei'm Schneiden an der Circularsäge 
ein Lattenstück in den Unterleib. Die hierdurch 
bewirkte Verletzung war so bedeutend, daß der Un⸗ 
glückliche bald nach dem Vorfall starb. — In 
Clausen gerieth eine Taglöhnerin mit dem 
Arm in das Schwungrad einer Handdrehmaschine 
und wurde lebensgefährlich verletzt. 
— („Vor Allem das Geschäft!“) Das 
ist die Richtschnur für sehr viele und zwar oft sehr 
brave Menschen. Wenn sie aber diese Richtschnur 
niemals verlassen, selbst nicht, wenn die Ele— 
mente in den Straßen wüthen, wenn Tod und 
Verderben ihrem Nächsten droht, dann wird diese 
Handlungsweise kaum entschuldbar, menschlich 
schön aber ganz und gar nicht erscheinen. Ein 
durchaus sicher und gut fondirter Geschaftsmann, 
der Name thut nichts zur Sache, hatte für Montag 
vor. Woche ein Papier von ca. 200,M. acceptirt. 
Ueber das Unglück, was die Stadt — die Sache 
spielt sich nämlich im benachbarten Neustadt ab 
— betroffen, hatte er wohl kaum noch an das 
Accept gedacht. Da. während Alles rennet rettet. 
flüchtet, während die Wasserwassen durch die Stra— 
zen reißend schnell dahin schießen, während Jeder 
nur an sein und der Seinigen Leben denkt, be— 
treffender Geschäftsmann sich nothgedrungen in die 
2. Etage flüchtet, landet urplötzlich in einem 
Nachen an den Fenstern der 2. Etage der Commis 
eines in Neustadt wohlbekannten Banquiers, der, 
„‚„wie Moräs den Dolch aus dem Gewande“, seinem 
Etui den bewußten Wechsel hervorzieht, und während 
»rausend das Wasser den Nachen schaukelt, um ge— 
ällige Honorirung ersucht. “Ich bin, spricht 
Jener zum Zahlen bereit“, aber augenblicklich noch 
rauscht, wie Sie, junger Mann, vernehmen, um 
meinen eisernen „Arnheim“ im unieren Stockwerk 
die wildtosende Fluth, und deshalb —, aber der 
Jüngling zieht verlegen die Schultern in die Höhe, 
murmelt etwas vom Auftrag ꝛc. — und schwimmt 
erst dann zufrieden im Nachen zu den heimischen 
Penaten zurück, nachdem ihm bewußter Kaufmann 
eine Zahlungsanweisung auf die Volksbank gegeben. 
— So geschehen im Jahre der Sintfluth 1882 zu 
Neustadt am Haardtgebirge. (Land. Tgbl.) 
— In der Nacht vom Samstag auf Sonntag 
wurde in Speyer wieder einmal eine socialde⸗ 
mokratische Flugschrift, deren Inhalt in dem Satze 
gipfelt: Tod den Tyrannen, es lebe die Socialde⸗ 
mokratie! unter die Thüren der Häuser und an 
den Straßenecken angeklebt. 
— Grünstadt, 3. Dez. Heute Abend gegen 
7 Uhr wurde die 79 Jahre alte Wittwe Nahm in 
hrem Hause von einem, bis jetzt unbekannten 
Thäter überfallen, derselben 12 Wunden beige— 
zracht, das Pult erbrochen und daraus 9 M. ent⸗ 
wendet. Die Frau, welche bewußtlos angetroffen 
wurde, lebt noch. 
— Frankenthal, 2. Dez. Eine dieser 
Tage ergangene Entscheidung des k. Oberlandge— 
richts Zweibrücken dürfte sowohl für Fabrikinhaber 
vie auch für Arbeiterkreise von hohem Interesse 
ein. Ein sog. Kernmacher (eine Art Modellformer) 
Valentin Weißhaar von hier, war bei der hiesigen 
Maschinen- uud Armaturfabrik Klein, Schanzlin 
ind Becker in Arbeit und beschädigte während der 
Arbeit mit einem spitzen Instrumente sein einziges 
Auge derart, daß dessen Sehkraft ganz bedeutend und 
mit bleibendem Nachtheile hiedurch bedeutend beein⸗ 
trächtigt wurde. Da eine gütliche Vereinbarung 
nicht zu Stande kam, strebte Weißhaar bei dem 
hiesigen Landgerichte gegen obengenannte Firma 
eine Entschädigungsklage an und erhielt auch, da 
er seither per Jahr 625-650 Mark verdiente, 
eine Jahresrente von 600 Mark auf Lebensdauer 
zugesprochen. Gegen dieses Urtheil wurde jedoch 
Berufung eingelegt, welche aber durch die Appelin⸗ 
tanz in Zweibrüden zu Gunsten des Verunglückien 
»erworfen wurde. ESelbstverständlich steht hinter 
dem Etablissement Klein, Schanzlin und Becker eine 
Unfallversicherung.) 
— Frankenthal, 4. Dez. In der Nacht 
yon Samstag auf Sonntag wurden hier massenhaft 
ozial⸗demokratische Flugschriften vertheilt. Von den 
Verbreitern hat man keine Spur. — Von Lambs- 
jeim, Heuchelheim und Heßheim wird uns mitge— 
heilt, daß daselbst ebenfalls sozialdemokratische 
Schriften vertheilt wurden. (Frkth. Tgbl.) 
— (Pfälz. Schuldienst-Erspektan— 
en.) Das Ergebniß der diesjährigen Anstell⸗ 
ungsprüfung pfälzischer Schuldienst-Exspeltanten ist 
lein erfreuliches und steht gegen dasjenige vom vorigen 
Jahre auffallend zurück. Es erhielten von 51 Ge— 
zrüften 6 die Note II, 44 III und einer die Note 
1V. Außer dem mit der Gesammtnote IV sind 
noch weitere 9, welche in einem Hauptfache (Re⸗ 
ligionslehre, deutsche Sprache, Rechnen ꝛc.) die Note 
VI erhielten, durchgefallen und haben sich im näch— 
sten Jahre der Prüfung wiederholt und zwar in 
allen Fächern zu unterziehen. — Aus Mittelfran⸗ 
ken wird berichtet, daß von den 31 Candidaten 
welche sich der diesjährigen theologischen Aufnayms— 
prüfung unterzogen, dieselbe 26 nur bestanden haben. 
Vermischtes. 
fF Nürnberg, 2. Dez. Die bayrische Tele— 
zraphenverwaltung beginnt jetzt auch mit den An— 
chaffungen für Einführung des Telephonbetriebe 
in Bayern; es sind dieser Tage in ihrem Auftrage 
aus dem Etablissement des Hrn. Dr. Albert Lessing 
hier 100 Elemente nach Ludwigshafen für den 
Telephonbetrieb zwischen Ludwiashafen und Mann— 
seim abgegangen 
Ebermaunstadt, 2. Dez. Gein. 
Tanzmusik.) Das Bezirksamt hat nachstehende 
Verfügung erlassen: „In Rücksicht auf die in 
den Gemeinden immer lauter werdenden Klagen 
über herrschende Geldnoth wird für den Rest des 
laufenden Jahres eine Erlaubniß zur Abhaltung 
oöͤffentlicher Tanzmustk nicht mehr ertheilt werden, 
wovon die Gastwirthe zur Vermeidung nutzloser 
Gesuche unverzüglich zu verständigen sind.“ 
x Einen deutlichen Wink mit dem Zaunpfahl 
gibt folgendes Inserat eines Metzer Blattes: „Dem 
27jährigen Heirathskandidaten! Senden Sie mir 
Ihre 40,000 Mk., Sie selbst kann der Teufel ho— 
len, aber lothweise! St. Ludwigsstraße am Kam⸗ 
merplatz. Auf die Nummer kommt's nicht 
an!!!“ 
F Aus Wittenberg kommt die Nachricht, 
daß sich dort ein Komité gebildet hat, das die Auf—⸗ 
führung von Reformationsspielen nach der Art der 
Passionsspiele von Oberammergau in's Leben zu 
rufen gedenkt. Die erste Aufführung soll zu dem 
im nächsten Jahre anläßlich der vierhundertsten Ge— 
hurtstagsfeier Luther's zu feiernden Jubelfeste statt⸗ 
inden und Bilder aus dem Leben und Wirken 
duther's zum Gegenstande haben. 
F(GMutter und Tochter.) Ergreifendere 
Dramen, wie das Leben sie oft bietet, vermag auch 
der Dichter nicht zu ersinnen, und häufig ist nicht 
die Bühne, sondern der Gerichtssaal die Stätte, 
wo das Menschenherz in seinen Tiefen erregt wird. 
Eine solche Verhandlung voll dramatischen Lebens 
war eine vor der dritten Strafkammer in Berlin 
sich entrollende Anklage auf Untreue, Betrug und 
Unterschlagung. Anklägerin war die Mutter, Be—⸗ 
schuldigte deren einziges Kind. Es ist noch nicht 
gar zu lange her, daß es in Berlin wohl keine 
zlücklichere Familie gab als die des Kaufmanns 
R. Der Vater war Inhaber eines blühenden 
Geschäfts, welches ihn mit den Jahren zum wohl⸗ 
habenden Mann zu machen versprach. Flora, die 
einzige Tochter R.'s, zeigte viel Interesse für das 
Beschäft des Vaters und er faße den unseligen Ent⸗ 
schluß, ihr die Kassen-Geschäfte während seiner oft 
wochenlangen Reisen zu übergeben. Kurze Zeit, nach⸗ 
dem ihr diese Funktionen übertragen waren, begann das 
bis dahin heitere und lebensfrohe Mädchen Trübfinn zu 
zeigen, der sich zu Bestürzung der!Eltern beständig stei⸗ 
gerte. Da sie aber auch oft wieder ins Extrem verfiel 
und zu Zeiten übermüthige Heiterkeit zeigte, schwand 
die Besorgniß der Eltern, da sie die krankhaften 
Erscheinungen Ausflüssen von Mädchenlaunen zu— 
schrieben. Sie sollten in schrecklicher Weise aus 
hrem Irrthum gerissen werden. Eines Tages, am 
12. Juli, dem Geburtstage der Mutter, kam der 
Vater dazu, wie das Mädchen aus dem Geldschrank 
Beld entnahm, und in ihre Kleidertasche verbarg. 
Befragt, was sie mit dem Gelde — wie sich her⸗ 
russtellte, einem Zwanzig-Markschein — machen 
wolle, gerieth Flora in Verlegenheit und brachte so 
unwahrscheinliche Entschuldigungen für ihr räthsel⸗ 
jaftes Thun hervor, daß der Vater von einem 
chrecklichen Verdacht erfaßt wurde. Er stellte ein 
trenges Verhör mit dem Mädchen an, und was 
ex herausbekam, war schlimmer, als er erwartet 
hatte. Die Tochter hatte einen verbummelten Bau— 
rechniker kennen gelernt und war hinter dem Rücken 
der rechtschaffenen Eltern ein Liebesverhältniß mit 
hm eingegangen. Jedenfalls auf Betreiben dieses 
pienschen hatte Flora den Vater fast täglich bestohlen 
ind ist der entstandene Verlust jedenfalls kein geringer. 
Die schreckliche Entdeckung warf den Vater auf's 
drankenlager, von dem er nicht wieder aufstand. 
Am selben Tage, wo der Vater beerdigt wurde, 
derschwand Flora aus dem elterlichen Hause und 
mit ihr eine bedeutende Geldsumme. Jetzt hatte 
die empörte Mutter kein Erbarmen mehr; da liebe— 
bolles Bitten und Flehen bei dem verblendeten 
Mädchen nichts verschlug, sollte sie die ganze 
Strenge des Gesetzes kennen lernen. Ernst richteten 
sich die Augen des gesammten Richterkollegiums auf 
die Angeklagte, welche in Reue und Weh die Hände 
schluchzend vor die Augen schlägt, als jetzt schwan⸗ 
kend, in tiefe Wittwentrauer gehüllt, die Mutter 
den Zeugenraum betritt. Tiefempfundene Worte, 
vom Herzen kommend und zum Herzen sprechend, 
richtet der Herr Vorsitzende an die Mutter, um sie 
zu bewegen, noch in letzter Stunde den Strafan⸗ 
trag zurückzunehmen. Die Mutter schwankt, aber 
da erscheint wohl vor ihrem inneren Blick das 
frühere, durch die Verblendung der Tochter so grau⸗ 
sam zerstörte Glück, der frühe Tod des geliebten 
Vaften. und der schon von Thräuen umflorte Blick 
Alt 
ne 
dre 
ul 
uul 
ran 
hjtu 
X 
htle 
F 
hp. 
J.