Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Jugherter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
Der ‚St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wochentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs⸗ 
Blatt und Sonntags mit Sfeitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljahrlich 1 A 40 2 einschließlich Tragerlohn; durch die Post bezogen 1 60 , einschließlich 
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M 248. 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
Muünchen, 13. Dez. S. M. der König hat 
genehmigt, daß die jährliche Pension sür die Wittwe 
aines Zollassistenten oder eines in den Besoldungs⸗ 
atus der Zollassistenten eingereihten Bediensteten 
don 260 auf 300 Mark, für die Wittwe eines der 
übrigen Bediensteten dagegen von 240 auf 270 
Mtk. und der jährtiche Unterhaltsbeitrag einer Waise 
— 
ab erhoͤht werde. Demgemäß ist die in 8 12 Abs. 
der Satzungen des Pensionsvoreins, des instabilen 
Aufschlag- und Zellpersonals normirte jährliche 
Wittwenpension vom 1. k. Mts ab nunmehr bis 
auf Weiteres auf den Beirag von 300 Mark 
und bezw. 270 Mark festgesetzt und beträgt auch 
der Unterhaltsbeitrag einer einfachen Waise nun— 
mehr vom genannten Zeitpunkte an 60 Mark, bezw. 
54 Mark und jener einer Doppelwaise 90 bezw. 
31 Mark. 
München, 14. Dez. Der Herzog von 
Benua soll zu Weihnachten hierher kommen. 
Seine Vermählung mit der Prinzessin Isabella 
dürfte gegen Oster stattfinden. 
Berlin, 15.Dez. Minister Scholz erklärt 
im Abgeordnetenhause mit aller Entschiedenheit, 
daß das Tabakmonopol nicht wieder kommen werde, 
beiont aber, daß eine Reichs-Consumsteuer für gei— 
tige Getränke und den Tabak an den Reichstaa 
ommen werde 
Die Gewerbekommission des Reichssstags be⸗ 
chäftigte sich in ihren Sitzungen vom Dienstag und 
Minwoch mit den Paragraphen der Gewerbenovelle, 
welche von den Handlungsreisenden han— 
deln. Bei der außerordentlichen Wichtigkeit dieser 
Bestimmungen konnte es nicht fehlen, daß die De— 
hatte wiederholt einen sehr lebhaften und erregten 
Charakter annahm. Folgende Bestimmungen wurden 
don der Mehrheit angenommen: „Der Kaufmann 
soll nach der Vorlage selbst oder durch seine Be— 
auftragten nur für die Zwecke seines Gewerbebe⸗ 
riebes außerhalb des Oris seiner gewerblichen Nie⸗ 
derlassung Waaren aufkaufen oder Bestellungen auf 
Waaren suchen dürfen; andernfalls wird er zum 
Hausirer. Das Letztere ist auch dann der Fall, 
venn er Waarenbestellungen bei Personen aufsucht, 
m deren Gewerbebetrieb Waaren der angebotenen 
Art keine Verwendung finden.“ Eine lebhafte De⸗ 
batte knüpfte sich an die weitere Bestimmung, wo—⸗ 
aach die Beschränkung des Hausirgewerbes in sub— 
ektiver Hinsicht schlechthin auf die Handlungstei⸗ 
senden Anwendung finden soll. Doch kam es 
hierüber noch nicht zur Abstimmung. 
Ausland. 
Paris, 11. Dez. Die France veröffentlicht 
Jeute einen außergewohnlich feindlichen Artikel gegen 
Deutschland, der gewissen optimistischen Politikern 
nicht genug empfohlen werden muß und dessen Be⸗ 
annnwverden in Deutschland nur erwünscht sein 
ann; der Artikel lautet: Das Arrondissement von 
.Metz la Françaiso“. welches das unbesiegte, das 
jungfräuliche Metz geblieben wäre, menn Marschall 
Bazaine, der jeßt auf dem Pflaster von Madrid 
eeine Schande spazieren führt, dort ni ht an einem 
Tage des Unglücks kommandirt hätte, — das Ar⸗ 
condissement von Met, Departement der Mosel, ist 
augenblicklich bern fen, seinen Vertreter zu wählen. 
Wo das? Im Reichstag, im deutschen Parlament! 
Dieser Vertreter det Besiegten oder vielmehr der 
Sonntag, 17. Dezember 1882. 17. Jahrg. 
Verrathenen wird seinen Platz einnehmen inmitten 
»er Protestler aus Elsaß⸗Lothringen, Schleswig und 
Poler jener Phalanx des Rechts, vor der die öffent⸗ 
iche Meinung der ganzen Welt sich bewundert beugt 
und die jedesmal, wenn eines ihrer Mitglieder die 
Idee der Gerechtigkeit anruft, die Beleidigung des 
lödsinnigen Lachens einer Mehrheit über sich er—⸗ 
zehen lassen muß, welche ebenso unduldsam gegen 
die Schwachen als knechtisch gegen den Mann ist 
der sie, ununterbrochen unter seinem Stiefel zertritt. 
Der vernichtenden Gewalt der germanischen Trun— 
enheit widerstehen, zwolf Jahre nach der Eroberung 
aut ausrufen: Ihr werdet niemals unsere Herzen 
hesitzen, Ihr werdet immer für uns sein der Erb⸗ 
eind, der Kriegsknecht, der mordbrennend unsere 
Dörfer überzieht, und unsere Saaten zertritt, der 
Nutznießer, dessen Tod die nackten Besitzer erwarten,“ 
den Schrei des Widerstandes diesem Deutschland 
entgegenwerfen, das Macht und Haß gleichzeitig 
nusschwitzt, — das ist groß, das ist prächtig, das 
st eine That, die uns zur Einkehr in uns selbst 
ʒeranlassen und uns tiefe Verachtung gegen poli— 
ische Manöver einflößen sollte. Diesen Ruf hat 
der Kandidat der Metzer Protestpartei, Herr Antoine, 
ausgestoßen. “ .. Er sagt in seiner Ansprache an 
die Wähler: „Hand in Hand mit allen andern 
Abgeordneten der elsaß⸗lothringischen Protestpartei 
verde ich es bekräftigen, daß die Annexion 
insere Rechte als freie Männer und Bürger mit 
Fußen getreten hat; ich werde unsern Siegern wie⸗ 
derholen, daß sie nur den Spruch „Wehe den Be—⸗ 
iegten!“ befolgt haben, wie ich es ihnen am 9. 
dez. 1881 im elsaß-lothringischen Landesausschuß 
jesagt habe: „Und trotz allem wird uns das blei— 
hen, was ihr uns nicht nehmen könnt: die Hoff 
mng! Wir werden der Bevölkerung zurufen, zu 
varten; denn über eine Intrigue gibt es die Ma— 
estät des Rechts und der Gerechtigkeit. Würde, 
Inabhängigkeit, Hingabe, die werden mich auf— 
ꝛechthalten bis zu dem Tage, wo die Macht dem 
kechte unterliegt.“ Das Unglück macht die Serlen 
zroß, es erhebt die Herzen. Es ist unmöglich, 
einen nationalen Glauben und die Hoffnung in 
»en Triumph der Gerechtigkeit muthiger zu bekennen. 
Bleichviel, ob die Prüfung lang oder kurz ist, sie 
vird ein Ende nehmen, wenn das natürliche Gleich— 
jewicht sich herstellen, wenn der germanische Stern 
jor der Fluth des Fortschritts in blutigrothem 
Zcheine verschwunden sein wird .... 
Dublin, 15. Dez. Zwei Arbeiter Namens 
Byrne und Hanlon sind als Mitschuldige an der 
Ermordung Cavendish's und Burke's (im Phönix⸗ 
zark) verhaftet und von einer damals im Varkte 
Jewm⸗senen Verson identifizirt worden 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert. Dem kgl. Notar Herrn 
Sauser dahier wurde die erbetene sechsmonatliche 
Urlaubsberlängerung bewilligt und die Bestellumg 
des geprüsten Notariatspraktikanten Herrn August 
Wiest als Amtsverweser für diese Zeit genehmigt. 
*St. Jugbert, 16. Tez. Wir wollen 
richt unterlassen, unsere Leser wiederholt anf die 
norgen (Sonntag) Abend im Horst'schen Saale 
tattfindende theatralische und musika— 
lische Unterhaltung der „Gemüthlich— 
heut“ aufmerksam zu machen. Der Ertrag derselben 
ist belanntlich für die Wasserbeschädigten 
in der Pfalz bestimmt, und wünschen wie darum 
dem lobenswerthen Vorhaben des genannten Vereins 
den besten Erfola. 
— Der Kaufmännische Verein in Kaiser s⸗ 
autern hat in sehr zweckmäßiger Weise einen 
Rechnungs-Kurs eingerichtet. 
— In Grünstadt feierte der Senior der 
ofälzischen Lehrer Herr Jakob Trunk am 183. d. 
M. sein 50jähriges Jubilaum. Während dieser 
janzen Zeit war der genannte Herr an demselben 
Orte thätig! 
Duürkheim. Ein Angehöriger der säch— 
ischen Militärkapelle, welche am letzten Wurstmarkt 
hier konzertirte, cin Unteroffizier, verübte gegen 
zinen Fabrikanten aus der Nachbarschaft einen ‚An⸗ 
fall'; dafür erhielt er nun von dem Militärgericht 
—VVV 
dem Soldatenstande ausgestoßen. 
— In Landau haben nach der „Kais. 3.“ 
der Bürgermeister und beide Adjunkten ihre Stellen 
niedergelegt; Differenzen mit dem Bezirksamt sollen 
die Veranlassung sein. 
Vermischtes. 
FeFreiburg. Die Verhandlung in Betreff 
»es Hugstetter-Eisenbahn-Unfalls ist auf den 12. 
Jannar festgesetzt. 
F In Berlin benutzte jüngst eine junge Er— 
zieherin eine Stecknadel, die sie längere Zeit in 
einer farbigen Schleife stecken hatte, zum Reinigen 
der Zähne und ritzte sich dabei unvorsichtigerweise 
das Zahnfleisch blutig. Bald darauf schwollen ihr 
die Halsdrüsen, das Zahnfleisch und die Backe so 
hedenklich an, daß ärztliche Hilfe nöthig wurde. Der 
Arzt constatirte eine Blutvergiftung, welche wahr⸗ 
scheinlich dadurch herbeigeführt worden war, daß 
die Nadel von der Schleife giftige Farbstoffe ange— 
etzt hatte. Es kann daher aus mehr als einem 
Grunde nicht genug davor gewarnt werden, Steck⸗ 
nadeln in den Mund zu nehmen. 
4 Als Curiosum sei erwähnt, daß dem deu tschen 
Reichstage auch eine Petition vorliegt, in welcher 
gebeten wird, durch Gesetz das Einstechen der Ohr⸗ 
öcher bei kleinen Kindern zu verbieten. 
4 In Steinamanger (Ungarn) wurde 
dieser Tage die Giftmischerin Anna Nagy gehenkt, 
velche ihren Ehemann und 25 andere Ehemänner 
uuf Wunsch und Bestellung ihrer zärtlichen Gat⸗ 
inen gegen Zahlung vergiftet hatte. 
Gambetta auf Freiersfüßen.) Ein 
Pariser Blatt bringt die Nachricht, daß Gambetta 
m Begriff stehe, mit der viele Millionen reichen 
Wittwe eines italienischen Adeligen, der Tochter 
eines bekaunten französischen republikanischen Pub— 
izisten, sich zu vermählen. Diese Heirath sei zu— 
leich die Veranlassung des geheimnißvollen Revolver⸗ 
chusses gewesen. Die gedachte Dame kann nur die 
Tochter des republikanischen Senators Peyrat sein, 
velche vor etwa zehn Jahren einen steinreichen und 
eränklichen italienischen Marquis heirathete. 
New⸗-York, 14. Dezbr. Mehrere Personen 
ind in verschiedenen Theilen des Landes erfroren. 
Im Nordwesten ist das Quechsilber 15 bis 37 
Hrad Fahrenheit unter Rull gefallen. 
New-York, 12. Dez. Einer Depesche 
aus Kingston auf Jamaica zufolge ist der vorwieg⸗ 
end von Kaufleuten und Geschäftstreibenden be— 
vohnte Theil Kingstons am Montag niedergebrannt. 
der Schaden wird auf 6. Mill. Pfd. St. geschätzt. 
dunderte sind obdachlos, viele Vanken, Magazine 
ind Waarenniederlagen sind zerstört und es herrscht 
zroßer Lebensmittelmangel. 
4 Die Schleichwege der amerikanischen Advokaten