It. Jugherter Amzeiger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
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M 254. Donnerstag, 28. Dezember 1882.
17. Jahrg.
—
Politische Uebersicht. —
Deutsches Reich.
Munchen. 25. Dez. In einer Versamm⸗
ung von Handels⸗ und Gewerbetreibenden zu
Straubing wurde im Anschlusse an die vom hie—
igen Verein zur Wahrung geschäftlicher Interessen
ausgegangene Petition an den Reichstag beschlossen:
der Reichstag wolle den Geschäftsbetrieb der Hand⸗
ungsreisenden in der Weise regeln, wie er von der
zayerischen Gesetzgebung vom J. 1868 geregelt
var, daß nämlich die Handlungsreisenden nur bei
Beschäftsleuten und zwar nur der für deren Ge—
schäft erforderlichen Stoffe und Werkzeuge, nich!
iber auch bei anderen Besuche machen dürfen, oder
eventuell daß der Geschäftsbetrieb jener Handlungs⸗
reisenden, welche sich an das große Publikum
wenden, als Hausiren betrachtet und die Ausübung
dieser Gewerbsart von der Lösung eines Wanderge⸗
werbscheines und der vorgängigen Einrichtung der
darauf haftenden Landessteuern, zu denen auch die
Gemeindeumlagen zu rechnen sind, abhängig ge—
macht werde. Dann mögen bei Abänderung der
Gewerbeordnung auch Bestimmungen aufgenommen
werden, durch welche das Lehrlingswesen geregelt
wird, insbesondere daß für alle Lehrlinge obliga—
rorische Lehrlingsprüfungen eingeführt werden. Es
wolle schließlich auch ausgesprochen werden, daß
jeder Arbeiter, auch über das Alter von 21 Jahren
hinaus, zur Führung eines Arbeiterbuches ver⸗
pflichtet ist.
Muͤnchen, 26. Dez. Se. Maj. der König
haben zum Weihnachtsfeste 1000 M. zur Vertheil⸗
ing an hiesige Stadtarme dem Armenpflegschafts-
cathe übermilteln lassen. Der König ist nicht nach
dem Linderhofe abgereist, sondern wohnte in der
Christnacht einer stillen Messe in der Schloßkapelle
zu Hohenschwangau an. Das Neujahrsfest wird Seine
Majestät jedoch auf dem Linderhof verbringen.
Berlin, 26. Dez. Bezüglich der Petitionen
Jjegen den Impfzwang hat die Petitionscommission
zes Reichsstages mit großer Majorität Uebergang
zur Tagesordnung beschlossen. In der Commission
Jat sowohl der Director des Reichsgesundheitsamts,
Geh. Oberregierungsrath Dr. Struck, als der Geh.
Regierungsraih Dr. Koch, der Auffinder der Tu—
berculosebakterie, sich gegen Aufhebung des Impf⸗
wangs ausgesprochen, und die Autorität des letzt-
erwähnten Gelehrten dürfte wohl von Entscheidung
gewesen sein.
Nach einer Miltheilung des „Irkf. J.“ ist man
in Berlin zum Theil von einflußreicher Seite
ebhaft bemüht, für die Colonialidee, eine Agitation
ins Leben zu rufen, welche in dem zu Frankfur!
a. M. gegründeten Colonialverein ihren Ausgangs-
bunkt findet. Namentlich soll der Kronprinz sid
‚esonders lebhaft für die Idee interessiren. Wie es
Jeißt, wird die Angelegenheit im Reichstage ir
iner oder der anderen Form zur Sprache grbrach
werden, num die dort vorhandenen Strömungen
deurtheilen zu können.
Anläßlich eines Artikels der ‚Nationalzeitung“ in
Betreff des deutsch⸗fterreichischen Bündnisses
detont die „Kreuzztg.“, fie halte letzteres nicht für
»inen formellen Vertrag, sondern für ein von beiden
Kaisern unterzeichnetes Protokall, dessen directe An⸗
ündigung vor dem KTeichstag unthunlich gewesen
sei. — üeber die mehrfach erwähnten Absichten
der Kegierung, die Urtillerie zu vermehren und die
Brenzbefeftigungen gegen Rußland zu verfstörlen
inden Verhandiungen mit den Bundeelaaten statt
Die Reise des kgl. bayerischen Bundesbevollmäch-
tigten General v. Xylander nach München soll mit
diesen Dingen zusammenhängen.
Ausland.
Toulon, 26. Dez. Die Rüstnugen im hie⸗
igen Kriegshafen nehmen ihren Fortgang. Dies⸗
vezügliche Anordnungen des Marineministers liegen
hor. Gegenwärtig werden die Transportdampfer
„Corrézes und „Shamrock“ armirt, um etwa 1000
Mann nach Tonkin überführen zu können. Die
Ankunft von größeren Truppenmassen aus den
nördlichen Häfen des Landes wird erwartet.
Der französische Kriegsminister hat
der Kammer einen Entwuf eingereicht, nach wel⸗
hem im Fall eines Krieges aus allen wehrfähigen
hürgern von 17—20 und von 40-50 Jahren
Frei: Compagnieen gebildet werden sollen. Zu die⸗
em Plan bemerkt ein Correspondent der „K. 3.“
„Auf den ersten Blick glaubt man es mit der Nach
ahmung unseres Landsturmsystems zu thun zu ha⸗
ben; während jedoch bei uns nur altgediente Sol·
haten zum Landsturm gehören, soll er nach dem
ranzösischen Plan aus allen Bürgern bestehen.
gleichviel ob sie im activen Heer gedient haben oden
nicht. Es wäre das eine sehr wesentliche Neuer
ung, mit der man sich ernstlich beschäftigen müßte
venn nicht die Erfahrung lehrte, daß hier zwischer
Finführung und Einbringung eines Gesetzes eir
janz gewaltiger Unterschied ist. Die meiften Ente
vürfe erreichen unter langen Commissionsarbeiten
in ehrwürdiges Alter und werden schließlich ein⸗
jach vergessen, viele werden so abgeandert, daß von
hrer ursprünglichen Fassung nichts mehr zu erkennen
ist, viele werden von einem nachfolgenden Minister
zurückgezogen, andere von der Kammer abgelehnt.“
Das italienische Königspaar wird sich
wie der „Voss. Ztg.“ ein Privattelegramm aus
som meldet, zu der silbernen Hochzeit des deutschen
rronyrinzlichen Paares noch Berlin begeben
Stelle wurde Herrn Stadtschreiber Bayer übertra⸗
zgen. — Dem Beschlusse der Orisschulkommission,
die Schulverweserstelle in Schnappbach zur Lehrer⸗
stelle zu erheben, trat der Stadtrath vorerst nicht bei.
* St. Ingbert, 28. Dez. Heute findet dahier
die Jahresconferenz der kath. Lehrer der
Distriktsschulinspektion St. Ingbert statt. Die Ver—
jandlungen leitet der kgl. Distriktsschulinspektor
herr Pfarrer Dengel von hier.
J Neuhäusel, 26. Dez. Der Männer⸗
Jesangverein Kirkel-Neuhäusel huldigt schon seit
Fahren der schönen Sitte, seinen Dirigenten,
den allgemein beliebten und geachteten Lehrer Herrn
Stemmler dahier, zu Weihnachten mit einem
Geschenke zu überraschen. Auch heuer blieb das⸗
selbe nicht aus und besteht es aus 'seiner werth⸗
bvollen goldenen Remontoir-Uhr, welche Hrn.
Stemmler gestern überreicht wurde. Alle Achtung
vor dem wageren Vereine, der auf diese Weise die
Verdienste seines Dirigenten anerkennt!
— In Zweibrücken wird demnächst eine
Reichsbanknebenstelle errichtet werden.
— In Ixheim hat sich vor einigen Tagen,
Abends der Einjährig-Freiwillige Otto Seel, Sohn
von Bürgermeister Seel daselbst, erschossen. Man
hat nicht entfernt einen Anhaltspunkt für die un—
zlückselige That.
— Kaiserlautern, 24. Dez. (Toleranz.)
Ein hiesiger israelitischer Looseverkäufer verkauft seit
längerer Zeit schon die Loose der hiesigen katho—
lischen Kirchenbaulotterie per Stück zu 1.90 M.,
während dieselben allenthalben zu 2 M., ihrem
Nominalwerth, verkauft werden.
— In der Nacht vom 24 d8, wurde im Pfäl⸗
zischen Gewerbemuseum zu Kaiserslautern
eingebrochen uud eine Cassette mit ungefähr 1000
M. Inhalt gestohlen. Der Verdacht richtet sich auf
einen Arbeiter genannter Anstalt.
— Kandel, 25. Dez. Der landwirthschaft⸗
liche Bezirksverein wird am 7. Januar zu Pfortz
eine Hauptversammlung abhalten. Auf einen nach⸗
folgenden Sonntag sind sämmtliche Bürgermeister
des Cantons, wie auch weitere Interessenten zu
einer Besprechung nach Kandel eingeladen. Die
dauptversammlung in Pfortz wird die Raiffeisen'schen
Darlehenskassen und den bereits vielfach besproche⸗
nen Canalbau von Straßburg und Ludwigshafen
erörtern. Zur gründlichen Behandlung, beziehungs⸗
weise für den Vortrag, sollen die Herren Kreissek⸗
retär Hauter und Kreisculturingenieur Merl ge—
wonnen sein.
— Ein junger Mann aus Ommersheim
arbeitete in letzter Zeit als Schreinergeselle in
Speyer. Vor Kurzem wurde dessen Familie in
Kenntniß gesetzt, der fragliche Sohn sei als Land⸗
streicher aufgegriffen und in Stuttgart zu einer
Gefängnißstrafe verurtheilt worden. Nicht genug;
gleich darauf kam ein Schreiben des Amtsschulzen
don Großsachsenheim in Wurttemberg des Inhalts,
daß der Sohn dort an Gliederkrankheit schwer dar⸗
niederliege. Die Familie gerieth in große Bestürz⸗
ung. und als eine neue Nachricht kam mit dem
Wunsche, es möge Jemand aus der Familie den
Zohn besuchen, entschloß sich die Mutter mit schwerem
Herzen, zu reisen. Da brachte der Postbote ein
eigenhändiges Schreiben ihres Sohnes aus Speyer,
voraus hervorgeht, daß er Speyuer gar uicht ver—
assen habe und an Weihnachten zu Besuch nach
dause kommen wolle. Hoffentlich wird man her—
zusbringen, wer hier sein frevelhaftes Spiel ge⸗
rieben. (Pf. Ztg.)
Lokale und pfälzische Nachrichten.
IL Si. Ingbert, 27. Dezbr. Am ersten
Weihnachtsfeiertage fand von Abends 8 Uhr ab
im geschmackvoll decorirten Oberhauser'schen Saale
die Christbaumverloosung des Kriegervereins statt.
Der Saal war so dicht gedrängt voll von Mit⸗
gliedern und deren Familienangehörigen, daßzwischen
den einzelnen Tischreihen fast nicht durchzukommen
war. Nachdem die Musik einige Stücke gespielt
hatte und ein allgemeiner Chor gesungen war, er⸗
oͤffnete der J. Vorstand des Vereins, Herr Fischer,
die Feier mit einem Prolog, worauf die Verloos⸗
ung begann. Dieselbe, auf Gegenseitigkeit beruhend,
so daß jedes Loos gewann, bestand aus 170 Ge—
winnen und verursachte oft die größte Heiterkeit,
wenn ein drolliger Gegenstand seiner papiernen
Fnthüllung enschlüpfte. Die nach der Verloosung
vorgenommene Versteigerung von Freigaben zum
Besien der Vereinskasse erzielte ein recht hübsches
Resultat. Von den eingeladenen Vereinen trugen
der Musikverein einen Männerchor mit Solo und
ein Mitglied des Kriegervereins ein Sololied für
Baryton vor, welche großen Beifall ernteten. Das
Fest verlief in der schönsten Weise bis spät in die
Racht hinein und wurde die Eintracht · nicht durch
)en geringften Mißton gestört.
*Si. Ingbert, 28. Dez. In der gest⸗
rigen Stadtrathsfizung wurde u. A. beschlofsen,
die vakante Gaameisterstelle zur Besetzung durch
inen technisch gebildeten Gasmeister auszuschreiben
Ddie Führung der probisorischen Verwaltung gen.