Full text: St. Ingberter Anzeiger

Iugherter Amzeiger 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
der „St. Jugberter Anzeiger“ erscheint woͤchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sountag; 2mal wochentlich mit Unterhaltungs⸗ 
glatt und Sonntags mit Sfeitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteliährlich 14 40 ⸗ einschließlich Tragerlohn; durch die Post bezogen 16 60 H, einschließlich 
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auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 15 , bei Meclamen 830 . Bei 4maliaqer Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
M 255. Samstag, 28. Dezember 1882. 
17. Jahrg. 
iti Wie der „Agence Havas“ aus Dublin ge⸗n 
Politische Uebersicht — meldet wird, hätte die englische Regierung auf die 
Vorstellungen des Vizekönigs von Irland beschlossen, 
nit Rücksicht auf den günstigen Einfluß, welchen 
der Vatikan in Irland ausübt, in Rom offizielle 
Beziehungen zum Vatikan herzustellen. 
Eine Erhöhung der russischen Eisenzölle 
vird zunächst nicht eintreten. Das „Irkf. J.“ er⸗ 
ährt darüber aus zuverlässiger Quelle, daß die 
Fommission, welche die projectirte Zollerhöhung 
drüfen sollte, nach eingehenden Berathungen zu dem 
Resultat gelangte, die Erhöhung der russischen Ein— 
jangszölle auf Roheisen wenigstens zur Zeit nicht 
u empfehlen und auch Vorschläge auf eine gering- 
zre Erhöhung, als die russischen Hochofenwerke be— 
untragt hatten, abzuweisen. Die Commision ist 
zereits auseinandergegangen und dürfte damit diese 
Angelegenheit als erledigt zu betrachten sein. 
— Vom Glan wird dem „Pf. J.“ geschrie— 
ben: Folgende Wette, die vor einigen Tagen ge— 
legentlich des Quirnbacher Marktes abgeschlossen 
vurde, verdient wohl in die Oeffentlichkeit zu ge⸗ 
angen. Ein Mezzger kaufte einem Bauern ein 
Stuͤck Jungvieh ab. Untermegs — beide hatten 
»enselben Heimweg — beklagte sich der Käufer über 
den hohen Preis des Thieres, wobei er bemerkte, 
zasselbe wiege keine 10 Pfd. Der Bauer gerieth 
n Hitze und bot dem Mezzger eine Wette an, wo⸗ 
nach er (der Bauer) das Thier dem Metzger schen⸗ 
ten wolle, falls es auch nur 1 Pfund weniger als 
150 Pfund wiege. Der Andere ging auf die 
Wette ein und versprach, das Thier doppelt zu 
vezahlen, falls es auch nur 1 Pfund mehr wiege 
us 150 Pfund. Im nächsten Dorfe hielt man 
an und legie sofort den Gegenstand der Wette auf 
die Waage. Und siehe da Unser Stier (oder 
Rind) wog — netto 150 Pfund. Also blieb es 
beim Alten. — Auch ein Gaunerstückchen will ich 
Ihnen mittheilen, das eines Münchener „Louis“ 
ꝝürdig wäre. In H. kam eine Frau in einen 
Spezereiladen und kaufte sich verschiedene Waaren 
ein, die sie sammtlich in einen mitgebrachten irde— 
nen Topf schüttete, welchen sie in ihrem Korbe 
stehen hatte. Beim Fortgehen sagte sie zu dem 
Zaufmann: „vHier stelle ich meinen Topf mit den 
Waaren in die Ecke bis ich wiederkomme und die 
Waaren auch bezahlen werde.“ Der Kaufmann 
war dies zufrieden und kümmerte sich nicht weiter 
um die Frau, da ihn mittlerweile andre Kunden 
n Anspruch nahmen. Da nach Verlauf einiger 
Stunden die Frau noch nicht da war, schaute er 
inmal nach ihrem Topfe. Wie erschrack er aber, 
ils er denselben lerr und — ohne Boden fand. 
Die Diebin hatte beim Fortgehen einfach den Topf 
uus dem Korb gezogen, wodurch dessen Inhalt ge⸗ 
müthlich im Korb sihen blieb. Voch kann ich zu 
meiner Genugthuung noch beifügen, daß die Neme⸗ 
sis bereits die Gaunerin ereilt hat. 
— Am 23. Dezember ist, wie der „L. A.“ 
nittheilt, der Kuhhirte, Kirchendiener und Glöckner 
Palintin Fried aus Gleishorbach, zwischen die⸗ 
sem Orte und Ingenheim erfroren. Der Verlebte 
hinterläßt eine Witiwe und vier unversorgte Kinder. 
— Landau, 28. Dez. Der unter dem Vor⸗ 
itze des Herrn Bezirksamtsassessors Fischer heute 
Kormittag versammelte Stadtrath wählte Herrn 
Dr. Eichborn einstimmig wieder zum Bürgermeister, 
velcher die Wahl aber bestimmt ablehnte. Auf 
Antrag eines Stadtrathsmitgliedes wurde sodann 
die weitere Wahlhandlung auf unbestimmte Zeit 
bertagt. (Eilb.) 
—Der Stadtrath von Landau beschloß, 
meine demnächst zu berufende Gemeindeversammlung 
den Antrag zu stellen: „Zur Aufnahme eines An⸗ 
ehens für die Mehrkosten des Hauptzollamtes (44,000 
M.) und die Adaptirungsarbeiten des Postgebäudes 
10,000 M.), sowie für die Kanalisirungsarbeiten 
46,000 M.) und für die Niederlegung des Reduits 
XIII. (70,.000 M.) den Gesammtbetrag von 
170,000 M. zu genehmigen.“ 
— In Betreff 'des Vagantenwesens, das im 
Reichstage wieder nach den Ferien und gelegentlich 
der Einführung der Arbeitsbücher, zur Verathung 
kommen wird, hat das kgl. Regierungspräsidium 
der Pfalz unter Bezugnahme auf Ziffer 4 der 
höchsten Entschließung des kgl. Staatsministeriums 
es Innern vom 13. März l. J. die kgl. Bezirks— 
imter aufgefordert, über die Ausbreitung und den 
Erfolg der Vereine und Einrichtungen zur Ver⸗ 
Deutsches Reich. 
Berlin, 27. Dez. Der Antrag auf Abän— 
erung der Gewerbeordnung in der Hinsicht, daß 
ernerhin Arbeitgebern, die nicht der Innung an— 
jehören, die Annahme von Lehrlingen untersagt 
berden kann, trägt etwa 140 Unterschriften des 
Fentrums und der Conservativen. Mitglieder der 
eutschen Reichspartei haben nicht unterzeichnet. 
Berlin, 28. Dez. Der Kaiser verlieh dem 
Minister v. Puttkamer den rothen Adlerorden 1. 
tlasse mit Eichenlaub. 
Im strengsten Incognito trat am Mittwoch der 
ßrinz Friedrich Karlvon Preußen seine 
ailitärische Studienreise nach Eghypten an. In der 
Zgegleitung des Prinzen befinden sich die Herren 
Oberst v. Ratzmer, Major v. Garnier, Rittmeister 
„. Kalkstein und Professor Dr. Brugsch. Die Fahrt 
jseht ohne Aufenthalt über Breslau und Wien nach 
Triest, von dort mit dem Lloyd nach Alexandrien. 
Dder Aufenthalt des Prinzen in Egypten ist auf 
ingesähr 3 Monate berechnet. 
Ueber die militärische Situation an der deutschen 
ßrenze nach Rußland hin bringt die „Danz. 
ztg.“ eine beruhigende Darstellung, aus welcher 
rhellt, daß auf den meisten Straßen, die von 
skußland nach Preußen führen, feindliche Cavallerie 
vorzugehen nicht wagen wird. Der einzige Aus— 
icht bietende Uebergang liegt bei Eydtkuhnen, zu 
essen Sperrung genügende Maßnahmen getroffen 
ind. Darin aber, daß unsere so vorsichtige Mili⸗ 
ärverwaltung Befestigungsbauten an der russischen 
KHrenze nicht vornehmen läßt, sollte die größte Be— 
ruhigung und der beste Beweis liegen, daß hier 
Alles in Ordnung ist abgesehen davon, daß man 
innehmen darf, daß dem altpreußischen Grundsatz, 
er feindlichen Invasion durch eine eigene zuvor— 
uukommen, durch umfassende Vorkehrungen auch 
sier genügt sein wird. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
TSt. Ingbert, 29. Dez. In der gestern 
zahier stattgehabten Jahresconferenz der kath. Lehrer 
ꝛes diesseitigen Distriktsinspektionsbezirkes hielt Herr 
Schulverweser Schindler von hier einen Vortrag 
iber „Regel de tri“ und Herr Lehrer Müller 
von Schnappbach einen solchen über „Erziehung 
ur Wahrheitsliebe.“ Beide Arbeiten waren sehr 
zut ausgeführt und fanden den Beifall der Zu— 
Jjörer. Außerdem machte der Vorsitzende der Con⸗ 
erenz, Herr Distriktaschulinspekltor Dengel, noch 
inige Mittheilungen über Schul⸗ und Lehrerver⸗ 
jältnisse. Nach Schluß der Conferenz vereinigte 
ie Theilnehmer ein gemeinschaftliches Mittagessen 
m „Hotel Laur“ (Lehnert.) 
MSt. Ingbert, 28. Dez. Vom 1. Jan. 
rächsthin ab tritt im hiesigen Kriegervereine die im 
Juli dieses Jahres gegründete Sterbekasse in Kraft. 
zis dahin können die Mitglieder noch um einen 
eringeren Betrag in dieselbe eintreten, während das 
rintrittsgeld dann namhaft höher ist. Von den 
176 Mitgliedern des Vereins sind bereits “s 
„er Sterbekasse beigetreten und sollten die übrigen 
ingesichts der Wohlthaten dieses Instituts eben— 
alls nicht zurückbleiben. Bleibt die Sterblichkeit 
m Kriegervereine eine so geringe, wie die letzten 
Jahre, so wird das im hiesigen VorschußVereine 
verzinslich angelegte Grundcapital bald zu ansehn— 
icher Höhe angewachsen sein. 
»St. Ingbert, 29. Dez. Die nichts 
veniger als winkerliche Witterung treibt in der 
Thier⸗ und Pflanzenwelt manch „unzeitgemäße“ 
Erscheinung. Maikafer und blühende Frühlingsboten 
ind nichts seltenes mehr. Sogar Schmetterlinge. 
ziese leichtlebigen Wesen des Sommers sprengen 
hre Hüllen und wagen sich vorwitzig an das Tages⸗ 
icht. So wurde uns gestern ein im Freien einge⸗ 
angenes munteres Exemplar dieses Geschlechts, ein 
vohlausgebildeter großer Fuchs, überbracht. 
— Nach der „Zw. Z.“ wurde in der Nacht 
som 26. auf 27. Dez. in die Bahnwärterbude 
setr. 360 zwischen Niederwürbach und Hassel 
jugebrochen und verschiedene Bahngerätschaften ge— 
tohlen. 
t. Blieskastel, 28. Dez. Das den Erben 
es verlebten Notars Herrn Wie st gehöͤrige Wohnhaus 
vurde dieser Tage an Herrn Notar Seel dahier 
im die Summe von 20,000 Mark verkauft. — 
die Blies hat infolge des andauernden Regens 
hre Ufer wieder überschritten. 
Ausland. 
Wien, 28. Dez. Alle Blätter ohne Unter⸗ 
chied der Parteistellung bringen anläßlich des sechs⸗ 
zundertjährigen Jubiläums der Dynastie Habsburg 
Festartikel. Aus allen Theilen des Landes laufen 
Zerichte über patriotische Feiern in Kirchen aller 
donfessionen ein. Hier wurde feierlichrs Hochamt 
ibgehalten, an welchem der Kaiser und die Mit—⸗ 
llieder der kaiserlichen Familie theilnahmen. Später 
unpfingen die Majestäten verschiedene Abgeordneten 
ur Entgegennahme der Glückwünsche. 
Paris, 28. Dez. Die Regierung legte der 
Deputirtenkammer eine Geldforderung von 1,275,000 
zranken für Brazzas Sendung nach Westafrika vor. 
Paris, 28. Dez. Im Figaro schreibt Ivan 
»e Woestyne, der Petersburger Correspondent des 
stew-York Herald, einen interessanten Commtar zur 
keise des Ministers Giers. Er sagt: Giers 
ei nur ausgezogen, um eine Allianz für 
Rußland zu suchen, da dieses mit dem re— 
»ublikanischen Frankreich nicht zu Resultaten ge⸗ 
angen konnte. Zum Krieg sei besonders Kai— 
er Alexander fest entschlossen und in 
hatschina hoffe man viel von der Anwesenheit Giers 
n Wien. Den deutsch⸗österreichischen Allianzver⸗ 
rag betrachten russische Hofkreise als eine sehr 
jeringe Schwierigkeit gegen eine russisch⸗ͤsterreichische 
Annäherung. Sollte Giers ganz unverrichteter 
Sache nach Gatschina zurückkehren, so werde er 
usbald durch Ignatiew ersetzt werden.