Full text: St. Ingberter Anzeiger

Bauer wieder 50 M. auf, um sein früheres Pferd 
zurück zu bekommen. Sodann vertauschte unser 
dandelsgenie das wieder erlangte Glücksroß einem 
seiner andern Schuldner, wo er sich auch wieder 
über 100 M. herausgeben ließ. Durch dritte Per⸗ 
onen erst kam die saubere Geschichte vor die rechte 
Schmiede, wo sie hoffentlich bald, wie es sich ziemt, 
Jewürdigt werden wird. 
— In Kaiserslautern hat die vom 
Stadtrathe vorgenommene Sammlung zum Besten 
der' Wasserbeschädigten circa 12000 M. ergeben. 
Die „Neust. Ztg.“ enthält folgende „Ver— 
teigerung von gerichtlich eingezogenen Weinfabri— 
katen“: Montag, den 8. Januar nächsthin, Nach— 
mittags 3 Uhr, in der Wirtschaft von Karl Emrich, 
früher Wiedemann, an der Lambrechter Straße 
zu Neust adtt a. H., läßt das igl. Staatsärar 
zie auf Grund der 88 10 und 15 des Reichsge— 
retzes vom 14. Mai 1879, den Verkehr mit Rahr—⸗ 
ingsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegen— 
ständen betr, in dem Strafverfahren gegen den 
Weinhäudler Heinrich Beckmann in Neustadt a. H. 
zerichtlich eingezogenen, im Friedrich Correll'schen 
Keller dortselbst lagernden Weinfabrikate, ungefähr 
92,000 Litter, öffentlich versteigern. Von diesen 
Fabrikaten besitzen nach dem Gutachten von Sach— 
verständigen ungeföhr 738,500 Liter ein Alkohol⸗ 
bolumen von durchschnittlich 6/2pCt. ungefähr 16,500 
Liter ein solches von durchschnittlich Olz pCt. und 
ungefähr 2000 Liter ein solches von durchschuittlich 
10 pCt. Die Fabrikate werden beim Abfüllen 
in die von den Steigerern zu stellenden geaichten 
Fässer auf deren Kosten durch einen Sachverstän⸗ 
digen mit 3 Prozent Essigsäurehydrat, eventuel 3 
Prozent Kochsalz, in der Art denaturirt, daß sie 
als Getränke absolut unbrauchbar und nur zu Essig-, 
eventuell Branntweinbereitung verwendbar sind. 
Die Abfüllung findet an dem bei der Versteigerung 
bekannt zu gebenden Tage Statt unter der Auf—⸗ 
sicht eines kgl. Beamten. Proben werden nicht 
bersendet.“ 
— Kandel, 3. Jan. Das Elend, welches 
durch die gegenwärtige Ueberschvemmung in den 
Rheinorten verursacht wurde, ist namenlos. Hilfe 
und zwar lang andauernde Hilfe allein vermag 
unsere leidenden Mitbrüder vom gänzlichen Ruine. 
dom Untergange zu retten. Bis jetzt gelang es 
dem hiesigen, unermüdlich thätigen Hilfscomite den 
Bedrängten in Neuburg, Pfortz und Wörth die 
aothwendigsten Nahrungsmittel zu spenden. Wie 
aber soll das werden, wenn nach Tagen oder 
Wochen die Mildthätigkeit nachläßt und die Mittel 
bersiegen? Damit dieser schlimme Fall nicht ein— 
rritt. müssen Geldsammlungen vorgenommen werden. 
Die größte Noth steht erst noch bevor, wenn die 
Erbarmungswürdigen wieder einmal den Fuß auf 
trockenes Erdreich setzen können. Wäsche, Kleidung 
Möbel, Haus⸗ und Ackergeräthe hat das unerbitt— 
liche Element mit fortgenommen, Das Ackerfeld 
ist zerklüftet oder mit Schlamm überdeckt und die 
Wintersaat verloren. Wenn die Katastrophe noch 
länger andauert, ein ungünstiges Frühjahr eintritt, 
ist dann an eine Ernte zu denken? Was sollen die 
Unglücklichen beginnen, deren Wohnung in Trüm— 
mer liegt? Diese wenigen Andeutungen dürften 
genügen unsern Opfersinn aufs nachhaltigste anzu— 
regen. Wohl wird und muß Staatshilfe eintreten; 
iber bis dies geschehen kann, darf nicht gewartet 
werden, da unterdessen Hunderte erliegen müßten. 
Auf also zum edlen Menschenwerk! In der Noth 
Heweißt sich die Größe eines Volkes. (Eilb.) 
— Im Frühjahr findet wie alljährlich eine 
Prüfung für den Einjährig-Freiwilligendienst statt. 
Gesuche um Zulassung sind spätestens bis zum 1. 
Februar unter Veifügung der erforderlichen Papiere 
Geburts- und Unbescholtenheitszeugniß, sowie Ein⸗ 
willigungsattest des Vaters bezw. Vormundes) an 
die Prüfungskommisfion in Speyer zu richten. 
— Lüdwigshafen, 4. Jan. Infolge 
Abnahme des Hochwassers ist die Wiederaufnahme 
des Betriebs auf den Strecken Ludwigshafen⸗Mann⸗ 
heim und Ludwigshafen⸗ Rheingönnheim der Pfäl— 
zischen Bahnen von heute ab ermöglicht. Der Güter⸗ 
berlehr über diese Linien wie mit der Station 
Ludwigshafen wird ohne Beschränkung eröffnet; für 
den Personenverkehr ist die Ausgabe eines provi— 
sorischen Fahrplanes mit theilweise veränderten Fahr⸗ 
zeiten dadurch nothwendig geworden, daß die direkten 
Geleise der Strecke Ludwigshafen-Rheingönnheim 
noch nicht betriebsfähig sind und deßhalb die Ein— 
und Ausfahrt der Züge in den Hauptbahnhof durch 
Umsetzen im Rangirbahnhof Ludwigshafen erfolgen 
nuß; auch ist wegen der hierdurch erwachsenden 
Schwierigkeit des Betriebs eine Reduction der bis 
rudwigshafen durchfahrenden Züge nothwendig 
geworden. 
— Ludwigshafen, 4. Jan. Der Rhein 
st 50 Centimeter gefallen. Wetter klar. Nordwind. 
Weitere Gefahr zunächst vorüber. 
— In Ludwigs hafen ist außer den höchst 
merkennenswerthen Bestrebungen der Stadt um 
dilfe für die Nothleidenden die Leistung der Ani— 
infabrik hervorzuheben, welche seit mehreren Tagen 
in 1000 Personen beherbergt und beköstigt, theils 
n der Fabrik, theils im Arbeiterviertel. Will man 
inen Ueberschlag über die Ueberschwemmten in der 
—VV—— 
ziffer jetzt noch kaum möglich, indessen dürfte die 
zahl von 15,000 Obdachlosen kaum zu hoch ge— 
zriffen sein. 
— Aus Ludwigshafen, 4. Jan. berichtet 
der „Pf. Kur.:“ Das Central-Hilfskomite ersucht 
ins, zur allgemeinen Kenntniß zu bringen, daß 
»er Vorrath an Lebensmitteln, namenilich an Brod, 
orderhand als ausreichend erscheint. Dagegen ist 
zie weitere Zustellung von Leibwäsche und Kinder— 
leidern außerordentlich erwünscht. 
— Ein auf der Gräfenau bei Ludwigs⸗ 
jafen wohnender Arbeiter, Namens Schmachten⸗ 
»erger, wollte am 31. Dezember bei der herein⸗ 
rechenden Ueberschwemmung einen flüchtenden Hasen 
angen und ertrank dabei vor den Augen seiner 
rochschwangeren Frau. Dieselbe wurde in der 
Anilinfabrik aufgenommen. 
— Die Direktion der Pfälzischen Bahnen 
nacht bekannt, daß Unterstützungsgegenstande für 
»ie Wasserbeschädigten, welche an die Adresse des 
Anterstützungscomites zu Ludwigshafen (Bureau im 
Ztadhause) gericht sind. frachtfrei abgefertigt 
verden. 
— Grünstadt, 3. Jan. Gestern Abend 
var der 19 Jahre alte Händler Adam Geißler 
nus dem Karlsbergerthal in der Wohnung des 
Drehorgelspielers Philipp Günther zu Karlsberg 
nit Zerlegen und Reinigen eines geladenen Re— 
dolvers beschäftigt; aus irgend welcher Unvorsich— 
tigkeit entlud sich die Waffe und drang die Kugel 
dem im Zimmer anwesenden Peter Graf, 22 Jahre 
ilt, Händler aus Karlsberg, neben dem rechten 
Auge in den Kopf und war der Unglückliche einige 
lugenblicke später eine Leiche. Geißler wurde heute 
Morgen durch die kgl. Gendarmerie aus Watten— 
jeim hier eingebracht und begaben sich heute Nach 
nittag das hiesige Gericht mit dem Angeschuldig— 
en an den Ort der That. 
— Frankenthal, 3. Jan. Unter Be— 
ugnahme auf meinen heutigen Bericht, beeile ich 
nich in Bezug auf die Verheerungen hier und Um— 
jsegend noch mitzutheilen, daß nach glaubwürdigen 
Lussagen in: 
Edigheim eingestürzt über 130 Gebäude 
Oppau .. 100, 
Mörsch . 40, 
Rorheim F „100 
In Frankenthal sind 8000 Obdachlose 
eherbergt, da sämmtliche Dörfer am Rhein ge⸗ 
äumt werden müssen. Nach eingegangenen De— 
eschen ist in Wörth, Neuburg, Pfortz und Langen⸗ 
andel die Noth sehr groß, Eßwaaren und Kleidungs— 
tücke sollen dringend nothwendig jsein. 
— Frankenthal, 4. Jan. Gestern sind 
56 Menschen ertrunken. Wasser langsam fallend. 
Aus vorstehendem Telegramm der Pf. Pr. geht 
nicht mit Sicherheit hervor, ob die Zahl der Er—⸗ 
runkenen sich auf den bekannten Oppauer Fall be⸗ 
ieht, oder ob ein neuer Unfall vorliegt. Von 
inderer Seite wird gen. Blatte dieser Unfall 
ils neues Ereignis von gestern dargestellt,) 
— In Friesenheim fand gestern ein: 
tzolkszählung statt und ergab das Resultat, daß von 
en 3480 Einwohnern nur noch 552 anwesend 
ind. In der sogenannten Wimpelgasse liegen sämt⸗ 
iche Häuser in Trümmern. 
- In Oppau waren am 2. ds. 148 Woh⸗ 
iungen ganz eingestürzt, 15 theilweise, eine große 
Anzahl drohte dem Einsturze und mußte verlassen 
werden. 
— Wie das „Frank. Tgbl.“aus Oppau hört 
oll ein kleines Fahrzeug aus Mannheim, das von 
wei jungen Leuten nach Oppau gerudert, 10 bis 
12 Personen, hauptsächlich Kinder, aufgenommen 
ind nach Ludwigshafen am Rhein übersetzen wollte, 
urz vor Nacht noch angesicht des Ortes Oppau 
imngeschlagen sein und seien nach einer Lesart die 
dälfte, nach einer andern alle bis auf eine einzige 
Person, die sich auf eine aus dem Wasser hervo 
ragende Pappel gerettet, ertrunken. 
— Zum Oppauer Unfall erfahren wir heute: 
In dem Nachen waren 30 Personen. Ein anderer 
n der Nähe befindlicher Nachen eilte auf das 
Hülfegeschrei herbei und es gelang den vier Schif⸗ 
ern zum Theil unter Gefährdung ihres eigenen 
Lebens 13 der ins Wasser gestürzten Leute zu 
cetten. Ein anderer Nachen konnte nur einen der 
Verunglückten von einem Baume retten. Die Na— 
nen jener vier Schiffer sind Käpitän Jos. Krapp 
vom Schraubenboot Industrie J., Kapitän Nikol. 
Reinert vom Schraubenboot Industrie II.. Matrose 
Jak. Krapp vom Schraubenboot Industrie I. und Ma— 
trose M. Kempgers vom Schraubenboot Induftrie J. 
Es ertranken: Valentin Loesch Ehefrau mit Vater, zwei 
Kindern und Dieustmädchen; Wittwe Haber mi 
Kind; Maurer Janson; Ph. Böringer mit Sohn; 
Dietr. Baumann's Sohn; Musiter Georg Börin⸗ 
ger; Frau Kaps mit Kind; sämmtliche Vorge⸗ 
nannten aus Oppau. Ferner Gemeinderath Wit⸗ 
ner aus Sandhofen. Als gerettet sind bekannt: 
Joh. Seelig aus Oppau Mathias Weimer qus 
Sandhofen. 
— In den von dem Hochwasser verschont ge⸗ 
bliebenen Theilen unserer Probinz wetteifert man 
in dem Bestreben, den armen vorderpfälzischen 
Landsleuten in ihrer Drangsal beizuspringen und 
ihrer augenblicklichen Noth nach Möglichkeit zu 
steuern. Bei dem alles Maß überschreüenden Un— 
glück reicht jedoch die Privatwohlthätigkeit nur für 
die erste Hülfe aus. An Kreis und Staat 
wird die Aufgabe herantreten, Mittel und Wege 
ausfindig zu machen, um die Tausende dem Rum 
nahe gebrachten Existenzen im Interesse der Ge— 
sammtheit wieder aufzurichten und nachhaltige Hülfe 
zu schaffen. 
-Aus der Pfalz wird dem „Pf. K.“ 
geschrieben: Seit fast zwei Menschenaltern ist das 
Pfälzer Land nicht mehr von einem solchen Unglück 
zeimgesucht worden, wie von dem Unheil, das die 
Hochfluth des Rheins am Schlusse des Jahres 
882 gebracht hat. Es kann der Zweck dieser 
Zeilen nicht sein, dasselbe zu schildern — man kann 
* ja noch kaum übersehen, eben so wenig sind 
Borwürfe zu machen, wie es hätte vermieden werden 
önnen. Offenbar trägt an den Dammbrüchen eine 
omplizirte Reihe von Erscheinungen schuld, welche 
nan insgemein als force majeure bezeichnet. Aber 
vohl ergibt sich schon jetzt die Frage: wer soll 
eitragen, das Unheil zu heilen, wer soll die 
SZchäden decken, die Häuser aufbauen, die ver— 
vüsteten Ackerfluren herstellen? Die Gemeinden 
ind ohne Zweifel zu schwach in diesem Falle, wo 
»s sich darum handelt, dem ganzen Communalber⸗ 
»ande wieder aufzuhelfen. Der Kreis wird vor— 
russichtlich Beiträge zur ersten Stillung des 
Elendes lieferen, so gut wie die freiwillige 
Mildthätigkeit, aber auch er ist wie keiner 
des Königreiches überlastet und nicht wohl im 
tande, die ganze nach Hunderttausenden zählende 
Restitutionssumme zu erschwingen, ohne ein Aulehen 
aufzunehmen. Die Pfalz hat unseres Wissens 
war noch nicht ihrethalben bei dem Gesammtver—⸗ 
»and, dem Staate, Ersuchen gestellt auf materielle 
Unterstützung. Hier aber liegt der Fall vor, wo 
unseres Bedünkens der Staat als solcher das 
zganze Land mit seinem Beistande einzutreten 
hat für die verheerten Gemeinden. Eine Privat- 
ammlung hat immer ihr Mißliches; die Mittel⸗ 
stände werden gewöhnlich auf Unkosten ihres Ver⸗ 
nögens dabei zu ftark in Anspruch genommen, 
vährend die reicheren Klassen dabei vielfach sich 
zurückziehen. Daher erscheint es bei einer solchen 
Landeskalamität nach allen Erwägungen als das 
Peste, wegteber Staat als solcherhinreichende 
deg pe zur Aufrechterhaltung der bedrängten 
Landesgenossen liefert und hierzu die Steuer⸗ 
kraft des ganzen Landes in Anspruch nimmt. 
Und das geschieht vorerst im eigenen materiellen 
Interesse der gebotenen Selbsterhaltung auf Seiten 
des Gesammtstaates und zweitens zur Stärkung 
des mehr oder weniger moralischen Bandes, 
das gerade in Bayern die Landesgenossen zu 
umfassen hat. Auch in anderen Culturstaaten, in 
Prenßen, Oesterreich, Frankreich hat man die 
A 
Die bedrängten Einwohner unserer sonst stets opfer⸗ 
bereiten Provinz hoffen von ihrem Staatsverbande 
das nämliche, nach dem Grundsatze der ausgleichen⸗ 
den Gerechtigkeit: „Wie Du mir, so ich Dir!“