Full text: St. Ingberter Anzeiger

Vermischtes. 
München, Z3. Jan. Raubmörder Reiß— 
nann, der den Bürgermeister Gilgenrainer von 
Perlach um's Leben gebracht, der morgen früh 
nittelst des Fallbeils hingerichtet wird, benimmt 
ich, seitdem er über sein Schicksal nicht mehr im 
nlaren ist, sehr gefaßt und zeigt sich den Zu— 
prüchen des ihn auf seinen Tod vorbereitenden 
heistiichen zugünglich. Er äußerte, nachdem er 
rüher der Hoffnung Raum gegeben, begnadigt zu 
werden, daß seine Sache eigentlich doch zu schlimm 
Jestanden und zu weit gerathen sei. Gestern er— 
hielt derselbe den Besuch seiner drei Geschwister, 
hon welchen er in sehr bewegter Weise Abschied 
rahm. Seine Mutter konnte sich nicht entschließen, 
hren mißrathenen Sohn vor seinem Ende noch—⸗ 
nals zu sehen. Seine Angehörigen sind sämmt-— 
iche ehrbare Leute. Der Mörder behauptete stets 
waͤhrend der öffentlichen Verhandlungen, den Bür— 
germeister Gilgenrainer nicht ermordet zu haben; 
iunmehr gestand er ein, daß er die grausame That 
vollbracht habe. Heute Morgen empfing Reißmann 
»as heilige Abendmahl. Seitdem sst er guten 
dumors und Essen und Trinken nebst Cigarren 
owie eine gelegentliche Priese schmecken ihm ganz 
zut. Im Ganzen wurden 200 Karten an Per— 
onen ausgegeben, die der Hinrichtung anwohnen 
dürfen. 
F Ein vielerorts herrschender Schwindel besteht 
darin, daß in den Schaufenstern Lockartikel mit 
ingehefteten Preisen ausgestellt werden, die jedoch 
zu diesen nie zu haben sind, indem die Verkäufer 
»ei Anfragen regelmäßig angeben, der betreffende 
Hegenstand sei „bestellt“ oder „schon verkauft“, 
also nicht mehr abzugeben. Die Manipulation 
wird nächstens in München den Gegenstand einer 
Berichtsverhandlung bilden. Ein Herr trat dieser 
Tage in das Verkaufslokal eines dortigen großen 
Kleidergeschüfts, um ein im Auslagefenster befind⸗ 
liiches mit „80 Mark“ bezeichnetes Costüm zu kau— 
ien. Es wurde ihm die Auskunft ertheilt, daß 
das Costüm 180 Mark koste und der unrichtige 
ßreis ein Versehen der Ladnerin sei. Nach fünf 
Tagen ging er wieder vorbei, und siehe, das billige 
leid prangte noch immer mit der Bezeichnung 80 
Mark im Fenster. Er begab sich jetzt in Begleit— 
ung eines Potizeicommissars in Civil in den Laden, 
wo wieder die Geschichte vom Irrthum der Lad— 
ierin aufgetischt wurde. Der Polizeicommissar be— 
ragte dieselbe und sie gestand, den Preis auf An— 
rdnung des Besitzers angegeben zu haben. Die 
Sache ist zur amtlichen Anzeige, da solche falsche 
Breisangaben im Schaufenster als Täuschung des 
Bublikums in gewinnsüchtiger Absicht anzusehen 
ind demnach als Betrug strafbar sind. 
FDie Generaldirektion der k. b. Rerkehrsanstal⸗ 
en hat den k. Postanstalten bekannt gegeben, daß 
Vostkarten, auf deren Rückseite neben der Schrift 
serwendete Reichsstempelmarken geklebt, zur Be— 
örderung mit der Post zugelassen werden. 
r In Schiffweiler hat am Neujahrstag 
in verhafteter Handwerksbursche im Polizeigewahr— 
am sein Lager angezündet, bei entstandener Feuers- 
runst ist er erstickt. 
F Mannheim, 3. Jan. Heute früh hat 
ich auf dem Neckarauer Damm ein Unfall ereignet, 
er zum Glück ohne ernste Folgen verlief. Eine 
Adonnanz vom dad. Leib-Dragoner-Regiment ritt 
»en Damm ab, um zu recognosciren. Plötzlich 
hurde das Pferd scheu und sprang in die Fluth 
tnein. Es gelang, den Dragoner zu retten: das 
oferd ging unter. 
Die Verhandlungen zwischen der General— 
nrektion der badischen Bahnen und der Commission 
ur Anmeldung und Prüfung der aus dem Hug— 
ettener Eisenbahnuünfall entstehenden 
cntschädigungsansprüche haben, wie die „Elsaß— 
othringische Zeitung“ mittheilt, bisher einen be— 
riedigenden Verlauf genommen. Von den der 
heneraldirektion bis jeßt eingereichten 800 Liqui— 
ationen sind 197 im Gesammtbetrag von 20,000 
M. vollsiändig erledigt. Die von“ Colmar und 
MNünster vorgestreckten Beerdigungskosten wurden 
on der Generaldirektion ersetzt, die Rechnungen der 
dospital- Verwaltung zu Freiburg, die sich bis Ende 
dovember auf 14 000 M. beliefen, werden be— 
einigt werden. In 43 Fällen wurde Vorschuß 
Gesammtbetrage von 12,000 M. gewährt. 
ür eine Anzahl von schweren Fällen, welche den 
od des Ernährers betrafen, haf nach Beendigung 
dommissionsarbeiten die directe Verhandlung 
wijhen der Generaldirektian und den Beschädigten 
2 
hegonnen. Zwei dieser Fälle sind vorbehaltlich 
bervormundschaftlicher Genehmigung geregelt, bei 
inderen gehen Forderung und Angebot nicht uner— 
Jjeblich aus einander. Bei dem vorhandenen guten 
Willen sämmilicher Betheiligten ist jedoch zu hoffen, 
daß die Beschreitung des Rechtsweges nicht er— 
forderlich wrrd. Von den Verwundeten befinden 
ich sieben noch immer in Freiburg, woselbst man 
hnen nach wie vor die beste Pflege angedeihen 
läßt. Die übrigen Schwerverletzten sind in häus— 
licher Fürsorge; bei vielen, leider nicht bei allen, 
sst eine erhebliche Besserung des Zustandes ein— 
getreten. 
7 Mainz, 3. Jan. Heute Mittag ist der 
'anddamm bei Heidesheim (Dorf von 1700 Einw. 
vestlich von Mainz) gebrochen. Heidesheim steht 
n Folge dessen unter Wasser. Der Rhein steigt 
sier jetzt immer noch langsam, doch kommt vom 
Oberrhein die Meldung, daß das Wasser dort fällt. 
Fortwährend treibt hier der Strom Leichen von 
Menschen und Thiere vorüber. 
F Mainz, 4. Jan. Wasser steht se it 9 Uhr, 
Pioniere gingen soeben per Dampfer nach dem Ried 
ab. ückgang des Wassers in Aussicht. 
FWien, 3. Jan. Die Donau ist fortgesetzt 
im Wachsen. An den bedrohtesten Stellen in der 
Brigittenau und der Leopoldstadt werden die Häuser 
jeränmt. An den Dammböschungen sind partielle 
Ibrutschungen vorgekommen. Vorkehrungen zur 
Zicherheit werden mit Aufgebot aller Kräfte betrieben. 
F Paris, 3. Jan. Da der Vater Gam— 
»etta's auf Beerdigung der Leiche in Nizza in 
der Familiengruft besteht, wird die Leiche nach dem 
eierlichen Leichenbegängnisse in Paris nach Nizzo 
ibergeführt. Das Leichenbegängniß ist bis zum 
Sonnabend Vormittag 10 Uhr aufgeschoben. Zahl⸗ 
eiche Deputationen aus Paris und der Provinz 
verden demselben beiwohnen. Brisson, Jules Ferry 
und andere werden Reden halten. Ob der Zug 
uerst nach dem Poͤre Lachaise oder direct zum 
Lyoner Bahnhof geht, ist noch unbestimmt. 
F Einer, der eine Frau sucht. In Castle— 
Harden, New-York, hat man manchmal mit 
wunderlichen Kunden zu schaffen. Von einem sol⸗ 
hen traf daselbst dieser Tage folgender Brief ein 
in welchem ein unorthographischer Familienvater 
im Ersatz für seine durchgegangene Frau ersucht. 
Der Brief lautet: 
„Berlin Heights, 2. Nov. 82. 
Mr. ... Da ich nicht weiß, wo ich mich 
dran halten soll, so Bitte ich sie wann Sie wollen 
»der können mir eine Frau die Wittwe ist oder ein 
Mädchen die zwischen 25 —30 ist zu Recomman— 
dieren. Nemlich ich bin Sie in eine Böse Lage 
jekommen, ich bin ein Mann von 40 Jahren habe 
»Kinder, jetzt noch 4, 10, 7, 5 und 1 Jahralt. 
Meine Frau hat mir Verlassen und ist mich durch— 
zebrannt. Sie ist mit einen Jungen Mann 22 
Fahre alt, weggelaufen, sie hat mir an 100 Tollar 
nitgenommen und 60 Doll. in 2 Stores Schul— 
)»en gemacht und hat ein Fedderbett mitgenommen 
ind ein Rewolliver und ein Kind von 8 Jahren 
1. s. w. also bin ich in eine Böse Lage. Sollte 
twa eine Berson in Cesselgarten sein, die vor 4 
dinder und mir haushalten will, so bitte ich Sie 
Mr. sehr freundlich zu mir zu Schicken, ich gebe 
hr Dollar 2 die Woche, ich habe Acker Land und 
zuch noch etwas Geldennd eine Kuhe u. s. w. 
Mr. . .. sollten sie eine Berson finden, die hierher 
vill, so senden Sie uach Ceylon, Ohio: Ceylon 
st 15 Meilen West von Cliefland. Bitte freund— 
ich um schleunige Antwort, den meine Frau ist 
chon sechs Wochen fort und ich brauche Jemand 
ür die Kinder hier wo ich wohne sind die Heier 
dürls (hired girls. Dienstmädchen) sehr Rare.“ 
Ordensverleihung. 
Von den zu Neujahr verliehenenen Orden und 
Auszeichnungen erhielten in der Pfalz: Das Ritter⸗ 
reuz 1 Kl. des Verdienstordens vom hl. Michael: 
direktionsrath G. Hessert in Ludwigshafen, 
andgerichtspräsident Fr. Chr. Uebel in Franken— 
hal, Regierungs- und Kreismedizinalrath Frdr. 
darsch in Speyer, Bezirksamtmann äürdr. Jos. 
Siebert in Neustadt a. H., Konsistorialrath Th. 
Wand in Speyer, Rembeamte Albert Schwar— 
zenberg er in Neustadt a. H. und Herr Berg— 
neister Johann Kamann von St. Ingbert. 
Ddas silberne Ehrenzeichen des Verdienstordens der 
Bayer. Krone erhielten: Bürgermeisier Anton Lauer 
in Rorxheim und Bürgermeister Adam Stuben— 
rauch in Sondernheim 
Marktberichte. 
Zweibrücken, 4. Jan. (Fruchtmittelpreis und Vik⸗ 
ualienmarkt.) Weizen 9 M. 24 Pf., Korn 7 M. 24 Pf., 
Spelz 5 M. 70 Pf., Spelzkern — M. — Pf., Dinkel, 
— M. — Pf. Mischfruht 7 M. 22 pf., Hafer 6 M. 
19 Pf. Erbsen O M. — Pf., Wicken 0 M. — pf. 
Berste zweireihige O M. — Pf., vierreihige ß6 M. 80 Pf. 
artoffeln 3 M. 20 Pf., Heu 3 M. 50 Pf., Stroh2 M 
50 Pf., Weißbrod 1/3 Kilogr. 53 Pf., Kornbrod 3 Kil 
s8 Pf, Gemischtbrod 8 Kilogr. 73 Pf., paar Weck 90 Gr 
6 Pf., Rindfleisch J. Qual. 60 Pf., II. Qual. 50 Pf. Kalb 
leisch 50 Pf., Hammelfleisch 60 Pf., Schweinefleisch 58 Pf. 
Butter :3 Ktilogr. JI M. 15 Pf. Wein 1 Liter 80 Pf., 
Bier J Liter 24 Pf. 
Homburg, 3. Jan. (Fruchtmittelpreis und Viktu 
ꝛlienmarkt.) Weizen O M 23 Pf., Korn 7 M. 13 ppf. 
Spelzkern — M. — Pf., Spelz 6 M. 20 Pf., Gerste 
2reihige — M. — Pf., Gerste Areihige — M. — Pf. 
dafer 6 M. 24 Pf., Mischfrucht 7 M. 20 Pf., Erbsen 
— M. — Pf., Wicken 0O M. — Pf., Bohnen O M. 
— Pf., Kleesamen — M. — Pf., Kornbrod 6 Pfund 
— Pf., Gemischtbrod 6 Pfund 70 Pf. Ochsenfleisch — Pf., 
Rindfleisch 86 Pf. Kalbfleisch 00 Pf., Hammelfeisch -- Pf., 
S„chweinefleisch 50 Pf., Butter 1 Pfund 1 M. 15 pf. 
dartoffeln per Ztr. 2 M. 60 Pf. 
Ueber allenfalls vorkommenden Un— 
regelmäßigkeiten in der Zustellung ds. 
Blattes wolle man uns gefälligst sofort Nachricht 
zugehen lassen, damit wir Abhilfe treffen können. 
Die Expedition 
des Si. Ingberter Anzeiger. 
Fur die Redaktion verantwortlic· R X. Deme tz. 
Eingesandt. 
Für die Wasserbeschädigten der Pfalz! 
Angelichtz des großen Nothstandes, welcher 
in den überschwemmten pfälzischen Rheinorten 
herrscht, wird von hiesigen Bürgern der Vorschlag 
gemacht, von sämmtlichen Kartenspielen, 
welche am nächsteun Sonntag, den 7. ds. 
Mts., in den hiesigen Wirthschaftslko— 
cdalen gespielt werden, die Gewinnbe— 
träge zur Unterstützung der Wasserbe— 
schädigten zu verwenden. Kein Karten⸗ 
pieler darf also am nächsten Sonntag gewinnen, 
indem sämmtliche Gewinne gesammelt und am 
darauffolgenden Tage auf dem Bürgermeisteramte 
dahier oder in der Expedition des „St. Ingberter 
Anzeiger“ zur Absendung an die kgl. Regierung 
der Pfalz abgeliefert werden. 
Hoffentlich findet unser Vorschlag allgemeinen 
Anklang und ist am Sonntag die Betheiligung an 
den Kartenspielen eine recht große. Auch die 
kleinsten Beträge sind willkommen, um unseren be— 
drängten Landsleuten in ihrer Noth zu Hilfe zu 
kommen. Mehrere Bürger. 
Aufruf. 
Ein großes Unglück ist über die Pfalz herein— 
jebrochen. An verschiedenen Stellen hat der Rhein, 
»is zu einer seit Menschengedenken unerhörten Höhe 
ingewachsen, Dämme durchbrochen und ganze volk⸗ 
reiche Ortschaften vollständig unter Wasser gesetzt. 
Hilfe, rasche Hilfe muß eintreten, um dem 
augenblickhichen Nothstand zu steuern, die 
Jeberschwemmten unter Dach zu bringen und sie 
mit Lebensmitteln zu versehen. 
Die ganze Verheerung, welche das Wasser an⸗ 
gerichtet hat, kann aber erst übersehen werden, wenn 
die Fluthen abgelaufen sind. Um dieser Noth 
zu steuern, bedarf es noch reichlicher Mittel. 
Schon fließen Gaben von verschiedenen Seiten 
zusammen und um diese und die noch weiteren 
Baben in der richtigen Weise zu vertheilen sowie 
überhaupt eine gewisse Ordnung in die Ausübung 
der schönen Pflicht der Wohlthätigkeit zu bringen, 
sind wir zu einem 
Central⸗Comite der Pfalz 
für die Wasserbeschädigten 
zusammengetreten. 
Unsere Vorschläge sind folgende: 
In allen Gemeinden bitten wir Hilfskomités 
zur Veranstaltung von Sammlungen zu bilden, 
soweit dies noch nicht geschehen ist, wobei wir be— 
merken, daß die Erlaubniß zur Vornahme 
hon Sammlungen von der kgl. Regierung er—⸗ 
theilt ist. 
Die Hilfscomites in den vom Wasser beschä— 
digten Orten verwenden die von ihnen gesammelien 
Gelder nach eigenem Ermessen, sei es zur Stillung 
der augenblicklichen Noth, sei es zur Deckung 
der Schäden, welche sich später herausstellen 
werden. 
Hilfscomites, welche aus eigenen Kräften die 
orhandenen Nothstände nicht bewältigen können,