Full text: St. Ingberter Anzeiger

bei gemäß dem letzten Absatze dieses Artikels auch 
Bauunternehmer, Bau- und Werkmeister, sowie 
elbstständig arbeitende Poliere, Gesellen und sonstige 
Bauarbeiter strafbar sind, wenn sie bei Ausführung 
yon Bauarbeiten gegenwärtigen Vorschriften zu— 
widerhandeln. 
Vermischtes. 
FMetz. Seitens der Inf.Reg. der 80. 
Division sind den hiesigen Fleischern die Verträge 
zum 1. April d. J. getündigt worden, da es in 
Zer Absicht liegt, fur diese Truppen eine eigene 
Schlächterei einzurichiten. Sollte sich die geplante 
Sinrichtung bewähren, so ist es nicht unwahr— 
scheinlich, daß dieselde auf sämmtliche Truppentheile 
der Garnison ausgedehnt wird, wodurch dem 
hiesigen Fleischergewerbe die empfindiichste Benach— 
cheiligung zugefügt würde, da durch diese Maßregel 
eiwa 16,000 Konsumenten ausfallen würden. 
Vielleicht übt die in Aussicht gestellte Maßregel 
einen Druck auf die hiesigen außerordentlich hohen 
Fleischpreise aus. 
p'Im Straßburger Landesausschuß geht 
es bei den Berathungen äußerst fidel her. Am 
Freitag erwähnte der Abg. Winterer, wie militärisch 
8 in manchen Privatschulen hergehe, wie die Kin— 
d»er auf Commando schreiben mußten und führte 
zum Beweise seiner Behauptung folgende Scene 
aus einer Mädchenschule an: „Die Lehrerin erwar⸗ 
tet mit Schmerzen die bestimmte Minute — es 
geht wie auf dem Exerzierplatz — und die Kinder 
sollen jetzt z. B. schreiben. Das geht auf 8 Com⸗ 
nandos. 1. Commando: Heftaufschlagen! (Heiter⸗ 
keit.) 2. Commando: Linke Hand auf! (Heiterkeit.) 
3. Commando: Erhebt den linken Arm! (Heiter⸗ 
teit.) 4. Commando: Hoch! (Die Kinder halten 
die Feder hoch.) (Gelächter.) 5. Commando: Zeige— 
finger! 6. Commando: Eintauchen! Ansetzen! 7. 
Commando: Feder nach der Schulterspitze! (Schal⸗ 
lendes Gelächter.) 8. Commando: Schreibt! Wenn 
die Kinder gut lernen, so ist das Commando nicht 
Schuld daran. Gelächter.) Sie erinnern sich an 
eine Phrase eines sehr berühmten französischen Pub— 
lizisten in Bezug auf die Centralisirung bes Unter— 
richtswesens in Frankreich; er hat vor. dem Hoch— 
gefühl des Unterrichtsministers gesprochen, der die 
ühr aus der Tasche zieht und sagt: Zu dieser 
Stunde und Minute wird dieser oder jener Passus 
eines Classikers übersetzt in den Tausenden von 
Schulen in Frankreich. Ich stelle mir das Hoch— 
zefühl des Direktors des Oberschulrathes vor, wenn 
man in Elsaß-Vothringen zu einer gewissen Stuude 
die Uhr aus der Tasche zieht und sagt: Zu dieser 
Stunde halten Tausende von Schulkindern die Feder 
in die Höhe, legen den Zeigefinger darauf und 
tangen endlich an zu schreiben. Geiterkeit.) Ich 
will diese unschuldige Spielerei nicht zu stark be— 
urtheilen, man kann es dem einen oder andern zu— 
lassen, aber wie man so etwas obligatorisch machen 
kann, begreife ich nicht.“ Herr Winterer mußte 
iich allerdings von dem Staatssecretär v. Hofmann 
sagen lassen, daß die Commandos beim Schreiben 
nicht obligatorisch seien. 
Nuͤrnberg, 8. Febr. Herr Karl Kirsch— 
baum, Bautechniker von hier, welcher sich auf dem 
untergegangenen Dampfer „Cimbria“ als Passagier 
bdefand und zu den wenigen Geretteten zählt, hat 
in einen Anverwandten dahier einen ausfuhrlicheren 
Brief aus Hamburg gesendet, aus welchem der 
„Nürnb. Korresp.“ folgende Stellen mittheilt: .... 
Ich habe Alles verloren bis aufs Geld. 5 Meter 
„on meiner Bettstatt ist der englische Dampfer auf 
neiner Seite in unser Schiff gerannt, und er hat 
zabei ein 2 Meter breites Loch gemacht. 6 Mann 
purden sofort todtgedrückt. Ich sprang aus dem 
Bette (ich schlief im Anzuge, darüber meinen Kai⸗ 
ermantel; ohne Schuhe), machte mir in den mit 
NMenschen angefüllten Treppenhausern mühsam Bahn 
ind gelangte so aufs Deck, wo ich sah, daß die 
Böte nicht frei gemacht werden konnten; ich spraug 
dann aufs Gelaͤnder und kletterte von da auf den 
Strickleitern bis zur Mastspitze, wo schon 4 Mann 
varen; wir Fünf sahen dann, wie das Schiff 
uußerordenttich schnell sank, in ca. 20 Minuten, 
ind wie 420 Menschen in einer Sekunde nicht 
nehr am Leben waren. Es läßt sich Dies nicht 
deschreiben, — es war zu fürchterlich; es waren 
ehr viel Frauen mit Säuglingen uud älteren Kin⸗ 
detn an Vord. 2 Frauen, JMädchen und ein 
zehnjähriges Kind wurden gerettet: das Letztere 
värf eine Welle in ein Boot. Als das Schiff 
zesunken war, kam das Boot zu uns ge— 
rieben, voll gefüllt mit Weibern. Ein Freund 
ind ich ließen sich an einem Tau hinunter; 
ch fiel dabei aus einer Höhe von 4 Meter in die 
See. Als ich wieder an die Oberfläche des Was—⸗ 
ers getommen, schwamm ich ans Boot heran und 
tieg hinein; da dasselbe schon stark mit Wasser ge— 
ülli war, wollte ich wieder hinaus, ehe ich aber 
meinen Entschluß ausführen konnte, schwankte das 
Boot so stark, daß ich kopfüber ins Wasser ge⸗ 
vorfen wurde; als ich nun wieder an die Wasser— 
oberfläche kam, warf mich eine Welle mit dem 
dopfe an die Raa, hierauf kletterte ich wieder an 
meinen alten Platz auf dem Mastbaum. So ist 
die traurige Geschichte. Ich habe eine Zeichnung 
bdon der Katastrophe entworfen, welche in einem 
illustrirten Blatte veröffentlicht we.den wird. Wir 
verden hier sehr gut behandelt; Jeder drängt sich 
Jjeran, um uns Gutes zu hhun. Von der Diret 
ijon habe ich einen neuen Anzug bekommen, und 
veder dieser noch der Lebensunterhalt kostet mich 
twas. .....“ 
F Auf den Kirchhöfen der bayerischen 
Dörfer findet man manche Grabschrift, welche, ein 
onderbares Licht auf das Gefühls- und Gedanken— 
eben der dortigen Menschen werfend, überaus 
zrollig klingt. Auf dem Gottesacker eines im All 
äu gelegenen Fleckens las der Schreiber Dieses 
olgende würdige Geabschrift: 
Wenn d' Weiber sterhe 
Is kei Verderbe. 
Aber wenn d' Göul verrecke 
Das is a Schrecke! 
Und das ist das Epitaph einer in der Blüthe 
er Jahre dahingeschiedenen Frau... Recht liebevoll! 
(Zur Warnung.) Nachstehender Fall, 
er fich kürzlich in einer geachteten Familie in 
MNünchen ereignete, dürfte den Damen, welche die 
eider sehr verbreitete, üble Gewohnheit haben, 
eim Nähen die Fäden abzubeißen, statt abzu— 
chneiden, zur Warnung dienen — wenn nicht, 
die bei weiblichen Wesen fast immer, so auch hier 
vieder, alle Ermahnungen fruchtlos sind. Eine 
unge Frau erkrankte plötzlich so schwer, daß der 
ehandelnde Arzt fast die Hoffnung aufgab, dabei 
iti die Kranke fortwährend an heftigem Erbrechen, 
hne daß man sich die Ursache zu erklären wußte. 
endlich führte die intensiv blaue Farbe des Aus— 
vurfs auf den Gedanken, die Näharbeit zu unter— 
ichen, mit welcher sich die Dame in der letzten 
zeit beschäftigt hatte. Und siehe da: dieselbe hatte 
ie blauen Fäden, welche sie gebrauchte, abgebissen, 
er geringe Farbstoff, welcher mit den Wollfäden 
der Staub dabei in Mund und Magen gelangte, 
var hinreichend gewesen, eine so heftige Erkrantung 
zu verschulden. 
München. Bahyern besitzt bis jetzt noch 
eine einzige Telephonstation und außer Ludwigs⸗ 
jafen auch keine Stadtfernsprechanlage. Vom letz⸗ 
en Landtag wurden zwar die Mittel für eine der— 
irtige Anlage in München genehmigt und es hat 
ich auch die nöthige Anzahl von Abonennten, über 
200, gefunden, aber bis heute sind die Arbeiten 
roch nicht vollendet, welche bereits im vorigen Herbst 
hegonnen und bis 1. Januar zum Betriebe fertig 
Jgestellt sein sollten. Da nun die Geduld der Abon— 
ienten erschöpft ist, so wurde in einer Versamm— 
ung derselben beschlossen, eine diesbezügliche Bitte 
an das Ministerium zu richten um die Direktion 
zur Vollendung der Arbeiten zu bewegeu. 
Dem „FIr. Losb.“ entnehmen wir folgendes 
Stückchen: Aus dem Pfarrhofe in Pippins— 
ried wurden kürzlich Obligationen im Werthe von 
3000 Mk gestohlen. Nachträglich scheinen die 
Diebe ihr Unrecht eingesehen zu haben, oder aber 
»rschien es Ihnen zu gefährlich, die »Werthpapiere 
zu Geld zu machen, denn sie kamen nächtlicher⸗ 
veise und steckten ihre Beute wieder zum Fenster— 
gitter des Pfarrhofes hinein. 
. Das „N. W. Tagblatt“ berichtet über fol— 
gende Mißhandlung eines österreichischen 
ünterthans durch russische Polizeibehörden: Ein 
Desterreicher, Jsaak Kümmermann, sechzig Jahre 
alt, wurde vor einiger Zeit, als er bei Zbaraz die 
Brenze überschritt, von dem russischen Zolldirektor 
Libow verhaftet und, ohne von dem Grunde dieser 
Maßregel etwas zu erfahren, in Ketten in's Innere 
des Landes befördert. In der Stadt Kremenez 
wurde er volle vier Monate, in Ketten gefesselt im 
Befängnisse gehalten, dann in das Gefängniß nach 
Dubno gebracht und von dort nach Radziwil trans⸗ 
ortirt — immer in Ketten. Erst am letzteren 
Irte erfuhr er sein Verbrechen — es existirte keines. 
r war das Opfer eines Irrthums, uud welch 
»ines Irrthums! Die russischen Behörden fahnde 
en nach einem fünfundzwaänzigjährigen Mörder 
samens Fischmann, derselbe ist, laut Steckbriefes 
aran leicht erkenntlich, daß ihm an der rechten, 
hand zwei Finger fehlen. Nun hatten die russi— 
chen Beamten in Zbaraz, Kremenez, Dubno und 
Radziwil, also in vier Städten, den Kümmermann 
ür den Fischmann gehalten, also einen sechzigjähr— 
ger Greis mit dem fünfundzwanzigjährigen jungen 
Hann, einen Menschen, der alle Gliedmaßen ge 
und und heil hat, mit dem Manne verwechselt 
sem zwei Finger abgehackt sind; und das Allee 
auf Grund des Umstandes, daß die Beiden di— 
Endsilbe „mann“ mit einander gemein haben. Nach 
hier Monaten erkannte man endlich, daß Kümmer— 
nann eigentlich ein alter Mann sei, und wurde er 
reigelassen. Jetzt sucht er sein Recht bei der 
russischen Gerichten gegen die nichtswürdige Be— 
handlung, die er erfahren hat. 
F Ueber die Folge eines Druckfehlers berichtet 
der „Düsseld. Anz.“: In einer hiesigen Zeitung 
waren vor einigen Tagen 1200 Kilo altes Kupfer 
von dem Artilleriedepot in Deutz zum Verkauf aus— 
geboten. Am Tage des Verkaufes fanden sich über 
20 Gelbgießer und Kupferschmiedemeister aus Rhein⸗ 
land und Westfalen ein (darunter auch ein Düssel⸗ 
dorfer); einer war sogar aus Frankfurt a. M. ge— 
ommen. Wer beschreibt aber das Erstaunen, als 
ich herausstellte, daß nicht 1200 Kilo, sondern nur 
S,00 Kilo, also 24 Pfund, verkauft wurden.“ 
F Brünn. Ist ein Eehemann verpflichtet, die 
alschen Zähne seiner Frau zu bezahlen? Ein in— 
eressanter Civilprozeß gelangte dieser Tage beim 
hiesigen städtisch-delegirten Bezirksgerichte als Ba— 
gatellgericht zur Austragung. Die Gattin eines 
wohlhabenden Manues hatte sich nämlich von einem 
hiesigen Zahnarzt einige falsche Zähne einsetzen 
lassen. Vor einiger Zeit starb die Frau, und der 
Zahnarzt stellte an den Wittwer das Ansuchen, ihm 
den Betrag für die eingesetzten falschen Zäͤhne zu 
bezahlen. Der Mann weigerte sich, dies zu thun, 
und der Zahnarzt verklagte ihn nun, seine Klage 
auf die Bestimmungen des bürgerlichen Gesetzbuches 
tützend, nach welchen der Ehegatte verpflichtet ist, 
ür den „anständigen Unterhalt“ seiner Frau zu 
orgen. Der Beklagte bestritt die Verpflichtung, sich 
um die Instandsetzung des Gebisses seiner Frau zu 
kümmern und wiedersprach, daß dies zum anstän— 
digen Unterhalt einer Frau gehöre. Wohl hätte 
er einen Arzt, der seiner Frau bei einer Krankheit 
Hilfe leiste, zu honoriren, die Thätigkeit eines Zahn⸗ 
aͤrztes sei aber nur eine technische und keine klinische 
gewesen, daher habe er dessen Honorar nicht zu be— 
zahlen. Tas Gericht entschied dahin, daß der An— 
klage stattzugeben und der Verklagte zur Zahlung 
des Honorars für die seiner verstorbenen Frau ein— 
zesetzten falschen Zäühne zu verhalten sei. In den 
Urtheilsgründen heißt es: „Es tann erstens nicht 
geleugnet werden, daß das Einjetzen falscher Zähne 
nicht nur ein Werk der Eitelkeit sei, sondern auch 
deshalb geschieht, um die mangelhaften Kauwerk— 
zenge zu rekonstruiren. Es bilden ferner die ein— 
zesetzten Zähne die Mittel zur Erhaltung der Ge— 
undheit, und der Zahnarzt ist daher nicht nur 
Techniker, sondern auch Kliniker. Endlich macht 
das Alter der betreffenden Frau (30 Jahre) und 
ihre soziale Stellung ein gutes Gebiß nothwendig 
zum Zwecke der anständigen Repräsentation, und 
diese gehött mit zum anständigen Unterhalt, zu 
dessen Beschaffung für die Frau der Mann gesetze 
lich verpflichtet ist.“ 
F In der Spielhölle von Monte⸗-Carle 
erschien dieser Tage eine Dame der höheren Halb⸗ 
weli, welche den Croupiers und Kellnern des Blancæz 
ichen Eteblissements seit zwanzig Jahren eine ben, 
annte Kundin ist und deren Besuche am grünen 
Tische in letzter Zeit seltener geworden waren. 
„Ich setze hundert Franks,“ sagte sie dem Crou— 
pier, indem sie ein Bantbillet auf den Tisch legte.“ 
Das Glück war ihr günstig, sie gewann; spielte 
weiter und verließ einige Stunden später den Sas 
lon mit einer Beute von 200,000 Franks. Aben“ 
nach ihrem Verschwinden fand man an dem Platze — 
den sie leer gelassen, ein zusammengefaltetes Hun⸗ v 
dertfranks Billet, dasselbe mit welchem sie das Spieh 
begonnen hatte, und dieses Billet — war falsch 
Die Spieldirektion verlangt nunmehr Herausgabe 
jener 200,000 Franks. Die Dame aber weiger! 
'ich dessen und versichert, keine Ahnung von der 
Unechtheit ihres Einsatzes gehabt zu haben. Da 
Hegentheil wird ihr sawer zu beweisen sein, und!