Full text: St. Ingberter Anzeiger

Taktiket. — Das Wolframmetall wird in der Tech⸗ 
nologie bekanntlich als Legirung mit Stahl zur 
Herstellung des sogenannten Wolframstahles ver— 
wendet. 
Sonntag den 25. Februar, Morgens 10 
Uhr, findet im Saalbau zu Neustadt die Dele— 
girtenversammlung des Verbandes der pfälzischen 
dandwirthschaftlichen Consumvereine statt. Tages. 
ordnung: Erstattung des Rechenschafisberichtes pro 
1882.Besprechung allgemeiner das Genosseu⸗ 
schaftswesen betreffenden Fragen. 
Das neulich vor der Strafkammer des kgl. 
Landgerichts Frankenthal zum Abschluß gelangte 
wucherische Treiben des Franz Herbst von Speyer 
scheint von anderer Seite ein Nachspiel erhalten 
zu sollen. Es sind der Behörde einige im Geruche 
der Wucherei stehende Firmen bekannt geworden, 
und sah sich dieselbe veranlaßt, bei einem schon seit 
Jahren als hohe Zinsen nehmenden bekannten Rent⸗ 
Jer einen Besuch abzustatten. Wie das „Rh. 
Volksblatt“ vernimmt, sollen dessen Bücher, Wechsel 
und dergleichen mit Beschlag —XV 
— In Speyer ist an der Berghauser Straße 
von dem Ausschuß des Retscher⸗Vereins ein Bau⸗ 
platz für die zu erbauende prot. Gedächtnißkirche 
angekauft worden. Der Kaufpreis beträgt nach 
der „Pf. Z.“ 34,000 Mt. 
VLudwigshafen, 18. Febr. In der 
hetnigen Versammlung von Wahlmännern des Wahl⸗ 
ireises Frankenthal⸗Speyer wurden als Kandidaten 
für die am 22. stattfindende Abgeordneten— 
wahl zum boahyerischen Landtag vorgeschlagen: 
Landgerichtsdireltor Fahr in Frankenthal, Kom— 
merzienrath Clemm in Ludwigshafen, Brauns⸗ 
berg in Frankenthal. Die eñndgiltige Aufstellung 
eines Kandidaten wurde für die Vorversammlung 
bei der Wahl am nächsten Donnerstag in Sveyer 
dertagt. 
Das „Frankf. Journ.“ schreibt unterm 19. 
Febr.: Die Baͤunernbewegung in der Rhein— 
gegend hat einen neuen Impuls bekommen 
Vor einem Jahre etwa hatten die Bauern von 
Haßloch, jenem „größten Dorfe des französischen 
Empire“, — an den Reichskanzler eine Petition ge⸗ 
sangen lassen, er möge ihnen als erfreulichsten 
„Osterhas“ das Tabatsmonopol bescheeren. Die 
braen Landleute haben zwar hinterdrein abe rmals 
eine schlechte Tabakernte gehabt. Der Tabak auf 
dem Dache litt Noth und mußte verkauft werden. 
Die Zwischenhändler boten anfänglich 30 Mk. und 
zahlten auch beim ersten Anlauf diesen Preis. Sie 
dachten, die Bauern würden nun allesammt den—⸗ 
selben Preis erzielen wollen und niedrigere Angebote 
eigensinnig zurückweisen, bis — nun, bis sie eben zu je⸗ 
dem Preis losschlagen müßten. Allein die Tabakbauern 
waren gescheidter geworden; sie hatten sich verstän⸗ 
digt und verkauften zu rechter Zeit, Zug um Zug, 
schon beim zweiten und dritien Angebot, das sich noch 
wischen 28 und 26 M. bewegte. Das war Selbst⸗ 
hilfe am rechten Platz. Und fie half auch. Was so 
Ane einfache Demonstration au ocules vermag, das 
hringen hundert Reden der Wanderprediger nicht zu 
Stande: mit eins war Haßloch, daß ehedem nur 
hon dem Monopol eine Sicherheit gegen das Her—⸗ 
bdrůcken der Verkaufspreise durch die Manipulationen 
der Handelsleute erwarten mochie, für die Organi⸗ 
sation der Selbsthilfe recht empfänglich geworden. 
Und dem tüchtigen Verbandsdirektor der Pfälzer Ge⸗ 
nossenschaften gebührt das Verdienst, den günstigsten 
Zeitpunkt wahrgenommen und nun die Anregung 
zur Bildung von solchen landwirthschaftlichen Cre⸗ 
ditgenossenschaften für die Pfalz gegeben zu haben 
welche lediglich das materielle Interesse ihrer Mitglie⸗ 
—A kirchlichen Tendenzen 
aber auch nicht einmal in versteckter Form, dienen 
wollen. Und der Erfolg dieser Anregung leuchtet 
schon aus der Thaisache hervor, daß die Geistlichkeit 
beider Confessionen, die Gemeindebehörde, ein Re— 
gierungsvertreter, Richterstand und Kaufmannschaft 
inmüthig ihr Interesse am Zustandekommen der 
genossenschaftlichen Organisation bekundeten und zu 
hethathigen versprachen. Was nun dem Tabak⸗ 
hauern don Nutzen, kann den Wein- Getreide⸗ und 
Kartoffelbauern gewiß auch nur Vortheile bieten. 
Diese Anschauung sollte in der Pfalz recht intensiv 
hbertreten werden. Gerade dort ist noch viel Spiel⸗ 
raum zu vractischer Nutzanwenduna. 
— 
2S— 
Vermiichtes. 
Aus Nürnberg wird geschrieben: „Dieser 
Tage traf dahier ein Reisender von Friedberg ein, 
FeWeschem Wei Stunden nach seiner Ankunft 
aus der Heimath ein Telegramm einlief: „Wurst 
nicht essen trichinös, Wie sich herausstellte, 
— Proviant auf die Reise 
ine Rohwurst mitgenommen und von derselben 
auch schon ein Stück verzehrt. Herr Bezirksarzt 
Dr. Merkel, dem die Wurst zur mikroskopischen 
Untersuchung gegeben wurde, konnte sofort kon— 
tatieren, daß die Wurst im höchsten Grade trichinen⸗ 
daltig sei. Der Mann wurde in das städtische 
rankenhaus verbracht, wo ärztliche Hilfe bemühl 
ist, die unheilvollen Folgen des Genusses dieser 
trichinenhaltigen Wurst abzuwenden.“ Aus Fried— 
berg wird nun auch gemeldet, daß in Folge des 
Genusses von rohem Schinken einige Personen an 
der Trichinose erkrankt seien und eine derselben in 
nicht unbedenklichem Grade. 
pIn Frankfurta. M. pussirte einer Dame 
auf einem Balle das Malheur, daß sie zwei ihrer 
Zöpfe verlor. Man hob dieselben auf und ließ sie 
dustrompeten; jedoch die Eigenthümerin meldete 
sich nicht. Ein Herr schlug vor, die Zöpfe zum 
Besten der Ueberschwemmten zu versteigern, welcher 
Vorschlag allgemeinen Beifall fand. Für die Zöpfe 
vurden 38 Nik. erzielt und soll der Gatte der 
Dame, welche sie verloren hatte, der Steigerer ge— 
wesen sein. 
— Ein seltener Blutvergiftungsfall, der unsere 
Damen zur größten Vorsicht mahnt, hat sich in 
einem Putzatelier in Bertlin zugetragen. Die 
Inhaberin des Geschäftes, eine noch unverheirathete 
sunge Dame, hat dem Drängen einiger Kunden 
nachgegeben und sich eine Sendung echter franzö⸗ 
ischer, ihrer größeren Farbenschönheit wegen sehr 
heliebten Putzfedern kommen lassen. Die Putz⸗ 
nacherin hatte stark aufgesprungene Lippen und 
ruch im Gesichte von der Kälte offene Hautstellen. 
Sie war mehrere Tage mit der Bearbeitung der 
mpfangenen Federn beschäftigt, als sie äußerst hef⸗ 
ige Gesichtsschmerzen empfand. Mund⸗ und Nasen⸗ 
zartie schwollen derart an, daß sie, die Ursache dieser 
hefremdlichen Erscheinung nicht kennend, einen Arzt 
onsultierte, aber dabei immer die Arbeit mit den, 
vie sich herausstellte, so gefährlichen Federn fort⸗ 
etzte. Erst dem Arzt war es vorbehalten, zu er— 
eunen, daß die schönen Federn stark gisthaltig ge— 
ärbt sind, so daß von deren Gebrauch dringend 
ibgerathen werden muß. 
(Unkraut vergeht nicht!“) Hexr H. 
ein bejahrter Rentier in Berlin, besitzt einen Sohn, 
der ihm durch seine extravaganten Streiche schon 
dielen Kummer bereitet hat, die schließlich dahin 
führten, daß der Vater sich, wenn auch mit schwerem 
Herzen, entschloß, sich auf lange Zeit von dem 
Sohne zu trennen. Er verschaffle ihm eine Stel⸗ 
lung in einem New⸗ Yorker Handlungshause, und 
der damit einverstandene Taugenichts dampfte, vom 
Vater reichlich mit Geldmitteln versehen nach Ham⸗ 
burg ab. Trotz der bodenlosen Leichtsinnigkeit des 
Sohnes faßte tiefer Schrecken den alten Vater, als 
die Nachricht des Untergangs der „Cimbria“ hierher 
gelangte, denn auf diesem Schiffe hatte der Ver⸗ 
hannte scine Reise angetreten. Er machte sich jetzt 
bittere Vorwürfe, daß er nicht versucht hatte, dessen 
Fehltritte auf andere Weise beizulegen. Da die 
disie der Geretteten den Namen seines Sohnes 
nicht enthielt, wurde er von um so höherer Freude 
ergriffen, als er am Tage nach der Katastrophe 
eine Depesche vom Sohne folgenden drastischen 
Inhalts erhielt: „Lieber Vater, Unkraut vergeht 
ücht; ich bin gerettet; aber außer dem, was ich 
zuf dem Leibe habe, besitze ich nichts. All' mein 
geld ist futsch! Bitte, schicke mir anderes!“ Mit 
chwerem Herzen öffnete der alte Herr noch einmal 
nen Gebobeutel, um hinterher zu erfahren, daß 
r von dem Herrn Sohn — dupirt war. Das 
Zöhnlein hatte sich so in die Freuden, die Ham— 
zurg bietet, vertieft, daß er den Abgang der 
Cimbria“ verpaßt hatte. Der schreckliche Vorfal 
dem Geistesgegenwärtigen“ eine günstige Hand⸗ 
Jabe, den alten Vater zum letzten Male tüchtig 
uu schröpfen und die leer aewordene Kasse wieder 
u füllen. 
— Die deutsche Corvette „Olga“, auf welcher 
äch bekanntlich Prinz Heinrich von Preu— 
zn besindet, ist gegen Ende Januar im Hafen 
‚on Pottof⸗Spain, Hauptstadt der britisch⸗westin⸗ 
ischen Insel Trinidad, eingelaufen. Während der 
janzen Dauer seines Verweilens auf der Insel bil⸗ 
det Prinz Heinrich die groat attraction des Tages, 
ind wenn man eines bedauert, so ist dies der 
Umstand, daß seine unverbrüchlich pflichttreue Er⸗ 
üllung allet dienstlichen Obliegenheiten den Prinzen 
ofters an Bord fesselte. Jeder wollte den Enkel 
des Kaisers Wilhelm von Angesicht sehen, und 
nichts wurde verabsäumt, was dazu beitragen konnte 
die dem hohen Gaste zugedachte Aufnahme seinem 
erhabenen Range entsprechend zu gestalten. Die 
Repräsentanten des dortigen Deutschthums über⸗ 
reichten dem Prinzen Heinrich eine Ergebenheits- 
Adresse nebst einer Vorse mit 85 Pfund Sterling, 
letztere mit der Bitte, sie Ihrer Majestät der Kai— 
setin Augusta für die Rheinüberschwemmten über— 
mitteln zu wollen. An Bord der „Olga“ fand 
zu Ehren der Silberhochzeit unseres Kronprinzen 
ine Ballfestlichkeit statt, zu welcher die fino fleur 
der Gesellschafi geladen war. Alle Gäste sprachen 
begeistert von der herzgewinnenden Leutseligkeit des 
Prinzen. Am andern Tage folgte der Prinz einer 
Einladung des deutschen Kegel⸗Clubs und zeigte 
ich derselbe als ein ebenso munterer Gesellschafter, wie 
zesch ulter Kegelspieler, wie er denn auch nicht weni— 
Jer als volle 3 Stunden auf der Bahn verweilte. 
Heberhaupt hat das ganze persönliche Auftreten des 
deutschen Kaiserenkels dort einen Eindruck hervor—⸗ 
gerufen, welcher dem Prestige des deutschen Namens 
wichtigen und dauernden Vorschub leisten wird. 
In Bremen wurde dieser Tage um drei 
Uhr ein Telegramm nach Newyork aufgegeben und 
um 4 Uhr war die Aniwort in Bremen eingetroffen. 
Das drohende , Verbot der Einfuhr amerikanischen 
Sch weinefleisches in Deutschland“ hat jenseits 
des Ozeans bereits böses Blut gemacht. Revanche⸗ 
Gedanten tauchen auf, zumal seitens der Deutsch⸗ 
AÄmerikaner. Die Einen schlagen als gerechte „Ab- 
wehr“ ein Verbot deutscher Weine vor und wollen 
dadurch ‚die deutsche Regierung „zur Vernunft 
hringen“; Andere dagegen glauben einen noch 
Hhesseren Vorschlag zu haben. „Bei den gegen⸗ 
värtigen Sammlungen für Deutschland — sagen 
ie — wird eine große Summe aufgebracht werden. 
Da nun von den Unterstützungsgeldern in Deutsch— 
land doch ein großer Theil für den Ankauf von 
Rahrungsmitteln verwendet werden muß, so lasset 
uns für einen Theil der Gelder — sage für 50,000 
»der 100,0600 Dollars — Nahrungsmittel, Fleisch, 
Schmalz, Getreide und Mehl einkaufen, hier wo 
diese Artikel so billig sind. Einer unserer Vertreter 
m Kongreß soll dann beantragen, daß die Re— 
gierung diese Liebesgaben durch eines ihrer Kriegs⸗ 
schiffe hinüber befördert ... Auf diese Weise 
würden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: 
die armen Nothleidenden erhielten doppelt so viel 
für das von uns aufgebrachte Geld, und die deutsche 
Regierung würde in Betreff ihrer Einfuhrverbote eint 
ditiere, aber nur wohlverdiente Lehre erhalten: denn 
veist fie die Gaben zurück, wohlan, dann erhalten 
sie die Schweizer und Oesterreicher, nimmt sie die⸗ 
lben aber an, dann kann wohl nicht ferner von 
nem Verbot amerikanischen Fleisches die Rede sein 
Was sagen die großen Städte des Westens — 
Thicago, Cincinnati, Indianapolis, St. Paul, Da—⸗ 
eapoit, Milwaukee und Kansas City, die an dem 
Fleischexport interessirt sind, dazu?“ 
Eine aufregende Scene spielte sich vorgestern 
in einem Kaffeehause in Wien ab. Ein junger Student 
sehr anständig gekleidet, trat in's Lokal und lief 
sich einen Schwarzen geben. Noch ehe das Be— 
stellte kam, war der Student mit einem Aufschrei 
zur Erde gestürzt und blieb regungslos und bleit 
liegen. Er wurde in ein Seitenzimmer gebracht, um 
der sofor herbeigerufene Arzt, Dr. Baumgäörtnet, 
konstatirte — Magenentleerung. Der junge Mam 
wurde bald wieder zur Besinnung gebracht und 
machte kein Hehl daraus, daß er seit vier Tagen 
nichts gegessen habe. 
Eine Komödie der Irrungen 
Eine der stillsten Seitengassen Wiens war neuli 
Abends der Schauplatz einer lebhaften Szene, derer 
merwarteter Abschluß nicht verfehlte, bei den ang 
ammelten Neugierigen die lebhafteste Heiterkei 
—V jene Ze 
hurch die Gasse schritt, bemerkte zu seiner nich 
zeringen Verwunderung einen bereits ziemlich be— 
sahrten Mann, der mit großer Behutsamkeit aut 
dein Fenster einer Parterrewohnung auf die Straß 
erabgestiegen war und sich dann mit groͤßter — 
ifernte. War schon dies verdächtig, so mußt 
s noch weit mehr bedenklich erscheinen, daß der 
Inbekannte, der herrschenden Kälte ungeachtet keint 
Schuhe trug, sondern in Strümpfen einherwandeltt 
der Passani hielt es um so eher für geboten, der 
aboneilenden zu verfolgen, als aus dem That 
es Hauses ein Weib hervorstürzte und mit laute 
Sain ne galts ihn auf!“ rief. Obwobl de