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St. Instherter Amzeiger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
der St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wöchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal woͤchentlich mit Unterhaltungs⸗
zlatt und Sonntags mit Sfeitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 1 A 40 — einschließlich Tragerlohn; durch die Post bezogen 14 60 B, einschließlich
10 ⸗ Zustellungsgebuhr. Die Einrückungsgebühr fur die 4gespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 4, bei außerpfälzischen und solchen
auf welche die Erpedition Auskunft ertheilt, I3 —, bei Reclamen 30 3. Bei 4maliger Einruckung wird nur dreimalige berechnet.
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MX 5.
Politische Uebersicht.
Deutsches Reich.
* Der russische Gesandte in München Graf
». d. Osten Sacken, ist abberufen worden, da
er in das Petersburger Auswärtige Amt eintreten
vird.
x* Der Reichstag tritt bekanntlich morgen,
sen 9. Januar, für den Schluß der Session wie⸗
zerzusammen, und wichtige Entscheidungen erwarten
hn noch. Wir erinnern nur an die Erhöhung der
Holzzölle und andere zollpolitische Fragen, an die
Finfuͤhrung der Arbeitsbücher, das Verbot des
Lehrlingshaltens für Nichtinnungsmeister, dann an
die tiefgreifenden Abänderungen der Gewerbeord⸗
rung und an die procentnale Boͤrsensteuer. Außer
diesen Vorlagen werden den Reichstag noch eine
Menge Anträge untergeordneter Bedeutung sowie
erschiedene Interpellationen beschäftigen, so daß
boraussichtlich der Reichsstag noch über Ostern hin⸗
ius zusammenbleiben dürfte. Durchaus zweifelhaft
erscheint noch die Entscheidung des Hauses in den
wichtigeren Fällen, namentlich in den Fragen der
Abänderungen der Gewerbeordnung, der procen⸗
nalen Börsensteuer und der Arbeitsbücher, da die—
elbe von einigen wenigen Stimmen und der zu—⸗
älligen größeren Vollzahligkeit dieser oder jener
Partei abhängen dürfte. Wir sind daher zu der
Annahme berechtigt, daß unsere Vertreter im Reichs⸗
age ihre parlamentarischen Pflichten in den kom⸗
nenden Wochen mit besonderem Nachdruck erfüllen
verden.
* Am Tage nach dem Wiederbeginn der Reichs⸗
agsverhandlungen, also am 10. Januar, wird auch
zas preußische Abgeordnetenhaus seine
Sitzungen wieder aufnehmen.
Dem Bundesrath gehen Petitionen aus
aärztlichen Kreisen zu, welche sich gegen die in der
aeuen Prüfungsordnung für Aerzte intendirten 9
Semestern richten und ein Studium von 10 Se—
aestern fordern.
Im „Berl. Tgbl.“ wird die Frage aufgewor⸗
en, ob in Anbetracht des grausigen Elends, wel⸗
hes das Hochwasser über bayerische, hessische, badische
und preußische Provinzen gebracht hat, nicht an
Stelle der Hilfe der Einzelstaaten die Reichshilfe
reten soll. Nach Ansicht des genannten Blattes
wäre hier eine geeignete Gelegenheit, sich selbst und
Aller Welt zu zeigen, daß wir Deutsche ein einig
Volk von Brüdern sind nicht nur in äußerer Noth
ind Gefahr, sondern auch wenn daheim in unseren
dier Pfählen das Unglück uns heimsucht. Es wird
uns oft genug die Zwiespältigkeit unseres Sinnes,
die sorgfältige Erhaltung kleiner Stammes-Schlag-
däume vorgeworfen. Oft mit Unrecht, öfter noch
zielleicht mit Recht. Aber eins hat sich doch stets
dewährt: in großen Sachen wurde groß gedacht!
Also wozu heut, wenn es sich um Gewährung von
Nothstands Krediten handelt, das Anpochen bei den
inzelnen Landesvertretungen. Wäre es nicht gut
ind vortheilhaft, entspräche es nicht dem Gefühle
inserer Reichs-Rusammengehörigkeit, wenn bei dieser
zroßen himmelschreienden Noth darauf verzichtet
würde eine badische, eine hessische, eine bayerische,
ine preußische Staatishilfe platzgreifen zu lassen?
Würde es nicht nützlicher und würdiger sein, würde
es dem allgemeinen Gefühle, sowie unserem natio⸗
ialen Gedanken nicht einen viel besseren Ausdruck
seben, wenn die Nothstaudskredite vom deutschen
keichstage beschlossen würden, wenn eine Reichs—
dilfe einträte!
Montag, 8. Januar 1883.
18. Jahrg.
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Ausland.
* Die chauvinistische Bewegung in Italien
jördert eigenthümliche Tinge zu Tage. Zuerst er⸗
olgte der Steinwurf der Schneiders Balentiani
jegen die Equipage des österreichischen Botschafters
eim Vatican, dann folgten die antiüösterreichischen
demonstrationen änläßlich der Hinrichtung Ober⸗-
anks und jetzt kommt aus Rom wiederum die
dunde von einem Ausbruche des Hasses gegen
Desterreich. Am Morgen des 4. Januar feuerte
er Buchdrucker Eugen Rigatierie, aus der Emilia
gebürtig, vier Revolverschüsse gegen das venetianische
Zalais ab, in welchem sich die österreichische Bot⸗
haft beim Vatican befindet. Von den Schüssen
st Niemand getroffen worden, der Thäter wurde
Ffort verhaftet. Man wird weder die italienische
kegierung noch den vernünftig denkenden Theil der
talienischen Nation für diese wahnwitzigen Aus-
rrüche der Erbitterung gegen Alles, was österreichisch
jeißi, verantwortlich machen können, die Schuld
sieran tragen lediglich die fortgesetzten Hetzereien
der italienischen radicalen und irredentistischen Blätter
jegen Oesterreich. Die italienische Regierung hat
ogar noch unmittelbar vor der That Rigatieri's die
Zräfecien auf das Strengste und Bestimmteste an⸗
ewiesen, allen künftigen Demonstrationen in anti—
sterreichischem Sinne ganz entschieden entgegenzu⸗
reten.
England hai die egyptische Frage, welche
n den letzten Wochen ziemlich in den Hintergrund
etreten war, durch den Vorschlag, die Schiffahrt
n Suez⸗Canale freizugeben, von Neuem ange⸗
egt. In der betreffenden Circulardepesche des Lord
zFranville heißt es, daß Europa ein gemeinsames
znteresse an der Aufrechterhaltung der Ruhe und
n einer guten Regierung in Egypten habe. Die
zerantwortung dafür, diese Ziele zu sichern, werde
on England offen und aufrichtig übernommen, die⸗
elbe sei ihm durch die Umstände und durch seine
igenen Interessen auferleqat.
Zeit dauern, bis sich die Fluihen verzogen haben.
Seit gestern ist kältere Witterung eingetreten. Wenn
zieselbe einerseits Hoffnung auf schnelleren Abfluß
zibt, so erregt sie andererseits die Befürchtung, daß
ʒer Frost vollende, was das Wasser zu zerstören
noch übrig ließ. Bei schnell eintretender Kälte
verden weitere Häusermassen einstürzen, die viel⸗
eicht hätten gerettet werden können, wenn das
Wetter gleichmaͤßiger geblieben wäre. Ein neues
zroßes Unglück, bei ben sechs Menschenleben
u Grunde gingen, wird uns aus Neupfotz gemeldet.
randleute aus dem Wohnort Herrheim wollten
ich die Ueberschwemmung in nächster Nähe an⸗
chauen und bestiegen trotz eindringlicher Warnungen
inen Nachen, mit welchem sie in die Fluth hinaus—
uhren Durch unvorsichtiges Benehmen — die
reute sollen angetrunken gewesen sein — brachten
ie den Kahn in's Schwanken, derselbe keuterte und
zie sämmtiichen Insassen fanden ihren Tod. Die
Namen der Verunglückten sind bis zur Stunde
ioch nicht bekannt. — In der Nähe des Franken⸗
haler Kanales wurde die Leiche eines zehnjaährigen
dnabens geländet, welcher vermuthlich von den
Wogen fortgerissen wurde, als er sich zu retten
uchle. — Zur Bewachung der Dämme ist jetzt
rhöhte Aufmerksamkeit erforderlich, denn die
Faͤlle mehren sich, daß gewissenlose Menschen, um
birkliche oder vermeintliche Gefahr von sich und
hrem Eigenthume abzuwenden, versuchen Dämme
u durchstechen ohne Rücksicht darauf zu nehmen,
daß ihre Handlungsweise Anderen das gräßlichste
Anglück bereiten kann. — Unsere Schulhäuser sind
noch immer mit Obdachlosen besetzt und es ist auch noch
nicht abzusehen, wann die Leute evacuirt werden
dnnen. Wir brauchen kaum hervorzuheben, daß
die Verpflegung von ca. 8000 Menschen große
Mittel in Anspruch nimmt. Aber nicht die Be—⸗
chaffung von Nahrung macht uns Sorge, sondern
zie Frage beschäftigt uns unaufhörlich, in welcher
Weise ist den Aermsten zu helfen für die weitere
Zukunft. Ob und inwieweit diese Frage eine gün⸗
sige Lösung findet, hängt von den Gaben ab,
velche von auswärts einlaufen. Und da müssen
vir mit herzlichem Danke für die bisher einge⸗
jangenen Spenden die innige Bitte verbinden: Laßt
nicht ab, darzureichen und ermüdet nicht in dem
Zestreben, das traurige Loos von Tausenden nach
dräften zu linderr
Lokale und pfälzische Nachrichten.
*— Auch aus dem benachbarten Heckendal⸗
veim wurden Fleisch, Brod, Kartoffeln, Gemüse,
kleidungsstücke und etwas Geld hierher gebracht,
im für die Bedürftigen in Frankenthal abaeschickt
uu werden.
—t. Blieskastel, 8. Jan. Die hiesige
ßräparandenanstalt veranstaltete auf gestern
stachmittag ein Concert zum Besten der Wasser⸗
eschädigten der Pfalz. Das Programm war ein
ehr reichhaltiges und umfaßte ausgewählte Num—
nern. — Die Gemeinde Webenheim bewilligte
ur Unterstützung der Wasserbeschädigten der Pfalz
300 Mark, der dortige Gesangverein ans seiner
zereinskasse Z0 Mark. Außerdem wurden von da
iele Kleidungsstücke, Leinwand, Lebensmittel u. s. w.
bgeschickt.
— In Kirrberg bei Homburg wurden am
rreitag Nachmittag zwei Mädchen von da, Namens
Nenzer und Geckeis, 19 und 20 Jahre alt,
on einem in der Nähe des Orts gelegenen Sand⸗
elsen, an welchem dieselben Sand holen wollten,
berschüttet und todt herausgeschafft. Das Unglück
st um so trauriger, als vor einigen Jahren zwei
Schwestern der Menzer gleichfalls verschüttet wurden
ind dadurch ihren Tod fanden.
8k. Ludwigshafen, a./Rh. 6. Jan. Der
Basserstend des Rheines geht allmählich zurück,
voch wird nur sehr langsames Fallen beobachtet.
zu dem Inundationsgebiet wird es noch geraume
Jermischtes.
F Ein sanfter Tod endete in den Nachmittags⸗
tunden des Sylvestertages in Fürstenberg (Groß⸗
)erzogthum Meklenburg⸗Strelitz; das Leben eines
der letzten Waffengefährten Theodor Körners, des
kectors emer. Anton Propsthan. Derselbe hat den
odeswunden Körner aus dem mörderischen Gefechte
»es Lützow'schen Corps bei Gadebusch mit anderen
kriegsgefährten herausgetragen und bis zu dessen
zegräbniß unter der Wöbbelineiche treu bei ihm
rusgehalten. Probsthan, der das hohe Alter von
iber 90 Jahren erreicht hat, feierte vor noch nicht
anger Zeit mit seiner betagten Lebensgefährtin im
dreise von Enkeln und Enkelkindern das seltene
Fest der diamantenen Hochzeit.
f Im Jahre 1882 sind in New⸗-York
73,642 Einwanderer angekommen (gegen 441, 064
m Jahre 1881). Aus Deutschland kamen 176,685,
ius Irland 48,734, aus Schweden 38,581, Eng⸗
36 080, Ita lin 23,819, Rußland 15,137. Die
zesammte Einwanderung in die Ver. Staaten be⸗
echnet man auf 735,000 Personen, wie wir be—
eits mitgetheilt haben.