Full text: St. Ingberter Anzeiger

J. Krafft-Neustadt a. H. eingefunden. Nachdem 
der Festplatz in Begleitung des Herrn Bürgermeisters 
Zauslet“, zugleich Mitglied des Central-Komités, 
unter Zuziehung des Herrn Bauschaffners Völker 
ind im Beisein vieler Mitglieder der verschiedenen 
Komilss eingehend besichtigt und die Wahl der Ge— 
sellschaft allseitig gutgeheißen war, fanden die wei— 
teren Berathungen im Hotel Schaf statt. Der 
festgesetzten Schießordnung war die bei den seit⸗ 
herigen Verbandsschießen übliche, im Prinzip immer 
gleiche, zu Grunde gelegt. Neu wurde beschlossen, 
die Aufftellung einer Scheibe für Schnellfeuer in 
der Entfernung von 300 Metern. Auf diese Scheibe 
kann jeder Schütze drei Minuten lang ohne Unter—⸗ 
brechung schießen, worauf seine Treffer sowie deren 
Punktzahl ermittelt werden. Zwei Drittel der aus 
diese Scheibe eingezahlten Schußgelder werden als⸗ 
Preise vertheilt. Im Ganzen werden nach Beschluß 
aufgestellt 21 Scheiben, und zwar 7 Feldkehr⸗ 
(wodon 1 für Schnellfeuer), 7 Standkehr⸗, 2 Feld⸗ 
feste und 2 Standfestscheiben, sowie 1 Felde und ] 
Stand⸗Ehrenscheibe, ferner 1 wechselnde Jagdscheibe. 
Se. Waj. der König hat der Bitte des 
Karl Leberecht Wißwässer zu Steinweiler und 
Genossen um Anerkennung der sog. evangelischen 
Diasporagemeinden in der Pfalz als Privatkirchen⸗ 
zesellschaft im Sinne des 8 32 ff. der 2. Verfass⸗ 
uͤngsbeilage eine Folge nicht gegeben. 
AWoonder Alsenz, 4. März. Gestern 
Nachmittag fiel, wie die K. Z. herichtet, der Ackerer 
und Presbyter Johann Wilhelm Schöneberger von 
Münchweiler beim Ausputzen eines Baumes nicht 
hoch von demselben herab und verletzte sich so sehr, 
daß er Abends um 11 Uhr seinen Geist aufaab. 
Vermischtes. 
München, 8. März. Referendar a. D. 
Viereck (Soziaidemokrat) zeigt an, daß seine „Süd— 
deutsche Post“ auf Grund des Sozi alistengesetzes 
verboten wurde. 
4 Unsere Leser dürfte eine Beschreibung des 
Heims interessieren, das König Ludwig II. 
bei Hohenschwangau sich erbaut und das ihm sen 
dem Herbfte 1882 zur Wohnung dient, für deren 
Echthat wir aber nicht einstehen können. Es ist 
dies das Schloß „Neu-Schwanenstein“, in 
welchem er auch Nachricht von dem Ableben Richard 
Wagners empfing. Es ist ein wahrhaft königlicher 
und künstlerischer Ruhesitz und gehört wegen seiner 
Kolossalität zu den großartigsten Schloßbauten des 
Kontinents. Seit dem 10. November 1882 is 
auch das kleine Hoflager dahin verlegt. Das Schloß 
stteht frei auf einem Felsen gegenüber Hohenschwan⸗ 
Jau und ist durch zwei kühne Zugbrücken mit den 
Straßen verbunden, im rein italienischen Stile, mit 
reicher dekorativer Ausschmückung erbaut, 6 Stod 
hoch, mit vielen Balkonen und Eckthürmchen versehen. 
In Mitte des gewaltigen Granitbaues erhebt sich 
ein 110 Meter hoher Schauthurm mit zwei archi— 
tektonisch schönen Veranden, von welchen großartige 
Rundschau in die bayerische Hochebene geboten ist 
Das Dach des ganzen Schlosses ist mit Kupfer ge— 
dedt und mit vergoldeten Platten durchkreuzt. Ein 
riesiger, höchst fein ansgearbeiteter Schloßhof führ⸗ 
zu dem majestätischen Porthal und ist ein wahres 
Unikum der Steinmetzkunst. Die Front des rechten 
Flügels des Schlosses schmücken 12 Meter hohe 
Fresken, von kuͤnstlerischer Hand ausgeführt, in 
prächtigster Farbenwirkung. Die eine stellt den hl 
Georg als Ritter zu Roß, kaͤmpfend mit dem Drachen, 
die audere die hl. Maria mit dem Kinde, als Be— 
schützerin Bayerns dar. Die Spitze des rechten 
Flügels ziert ein in Erz gegossener freistehender 
Herold, in alterthümlicher Rüstung, die bayerische 
Standarte an der Seite haltend, in den Aether 
spähend; die des linken Flügels der eherne, wachende 
Lomwe Bayerns. Das ganze feenhafte Königsschloß 
ist überreich mit Doppelsäulen und Statuen ge⸗ 
ziert und am ehesten den genuesischen Palastbauten 
bergleichshar. Die inneren Räume übertreffen an 
Pracht die weitgehensten, kühnsten Phantasiebilder 
Geschmückt sind diese Raume mit von Meisterhand 
gefertigten Freßken aus Richard Wagners „Nibel⸗ 
uͤngen“ und „Parsifal“, wie aus Episoden der 
Fedzugsjahre 1870 - 71, auf den bayerischen An⸗ 
cheil bezughabend, und aus der Geschichte der bayer⸗ 
ischen Könige von 1806—-1867. Ueberreich be⸗ 
laden mit Stuck ist der Plafond. Die Böden sind 
theis Mosaik, theils Parquet. Der König hewohnt 
die Gemächer des 6. Stockes. Außer dem Arbeits-, 
Schlaf⸗ und Bibliothek-Salon befindet sich darin 
Fur voch ein Vortraa⸗Salon für das könialiche 
Zabinet. In seinem Arbeitszimmer, das geschmück! 
st mit den Büsten seiner Eltern, von Wagner 
Aug. Heigl, v. Tann und Lutz, einem Bildnifs— 
nus „Rheingold' und dem Plane des Linderhof, 
mpfing der Monarch die Kunde von dem jüähen 
Tode seines Freundes Wagner aus dem Munde 
es Kabineichefs Ministerialrath v. Ziegler. Im 
1. und 3. Stocke sind die Säle theils der umfang 
reichen Bibliothek, theils der Geschichte in Waffen⸗, 
Münzen- und anderen Sammlungen bestimmt. Der 
erste Stock ist ein mächtiger, reich mit Gold be— 
ladener Stiegenhof. Die Beleuchtung ist elektrisch; 
n dem Schloßhof Jablochkoffkerzen, in den inneren 
skäumen das Edison- und Swan-System. Die Stall⸗ 
cäume des Schlosses sind mit Fresken, urvorwelt— 
üche Bilder, geschmückt. Von weitester Ferne sieht 
nan das wahrhaft königliche Schloß des bayerischen 
Monarchen an der Seite des lieblichen Eldorados 
er Königin-Mutter und dem reizend schön gelegenen 
5chlosse des seligen Max II. „Hoheuschwangau“. 
Neuschwanenstein“ und „Hohenschwangau“, auf hi⸗ 
torisch merkwürdig em Boden stehend, geben Zeug— 
niß von dem hohen Kunstsinne ihrer edlen Erbauer 
zus dem Stamme der Wittelsbacher. 
König Ludwig J. von Bayern be— 
uchte eines Tages die prächtigen Blumengärten und 
Treibhäuser des Grafen W., der als Verschwender 
und Schuldenmacher einen wenig beneidenswerthen 
Ruf hatie. Der Graf fühlte sich durch den Besuch 
des Monarchen hochgeehrt, nahm jedoch nebenbei 
Gelegenheit, denfelben um eine recht hübsche Summe 
anzuzapfen. König Ludwig war nicht der Mann, 
einen solchen Versuch zurückzuweisen, sondern be— 
willigte das beanspruchte Darlehn, dessen Zurück 
zahlung wohl kaum erwartet werden durfte. Als 
fich der König verabschiedete, dankte der Graf sehr 
parm für die ihm zu Theil gewordene Ehre. 
„Nicht doch, ich muß danken!“ unterbrach ihn 
der König lächelnd, „denn ich habe die teuersten 
Blumen gesehen, welche mir je vorgekommen sind!“ 
— Ein eigenthümlicher Vergiftungsfall ereignete 
sich in einer Apothekersfamilie in Saargemünd. 
Nach reichlichem Genuß von sog. Kreßsalat bei der 
Abendmahlzeit stellten sich in der darauffolgenden 
sacht bei dem Hausherrn, dem Gehilfen und der 
Dienstmagd heftige, stundenlang andauernde Erbrech— 
ungen ein, die nur zu deutlich eine Vergiftung ver— 
nuthen ließen. Schnell hinzugezogene ärztliche 
dilfe ließ eine Gefahr bei den betheiligten Personen 
nicht aufkommen, aber der Fall mahnt sicher zur 
allgemeinen Vorsicht. Der Salat war nämlich keine 
Brunnenkresse, sondern Schuttkresse, welche sich in 
hrem Aussehen absolut nicht von der Brunnen⸗ 
rresse unterscheidet, sondern lediglich durch den 
Heruch erkannt werden kann und in der That Ver— 
ziftungsstoffe enthält. 
Ehrenfeld, 3. März Die Polizeibehörde 
sonfiszierte dieser Tage bei einem hiesigen Spezerei⸗ 
Jjändler ein Faß mit Stockfisch. Die diesen um— 
gebende Flüssigkeit gab einen penetranten ekelhaften 
Zeruch von sich, welcher die Vermuthung nahe legte, 
»daß es in Urin aufgelöster Kalk sei. Diese Ver— 
muthung wurde durch die Analyse eines Kölner 
Themikers vollständig bestätigt. 
Griginelle Strafen für zänkische 
Fhegatten.) In oberschwäbischen Herrschaften 
var in der „guten alten Zeit“ nicht selten, daß 
änkische Ehegatten, welche ihren Nachbarn ein 
Aergerniß gaben, gemeinschaftlich in den Thurm 
zjesperrt wurden. Obendrein mußten sie sich mit 
inem Messer, einer Gabel und einem Stuhl be— 
mügen! Das war ein probates Mittel! Gar häufig 
ah man Mann und Frau unmittelbar aus dem 
Thurm in's Wirthshaus gehen, und hörte, wie sie 
zei einer Flasche Wein oder einem Glase Bier die 
zesten Vorsätze aussprachen. Auch in Memmingen 
am es noch vor 200 Jahren gar häufig vor, daß 
n argem Unfrieden mit einander lebende Ehegatten 
verurtheilt wurden, mit einem Löffel zu essen. Das 
Rathhausarchiv enthält ein Dokument, in dem es 
deißt: „Anno MDCXXIV, den 13. Juli hat man 
wei Eheleute, so übel mit einander gelebt, in das 
Blockhaus gethan und mit einem Löffel essen lassen.“ 
— Die Studenten in Halle hatten sich zur 
Zeit, als der bekannte Reisende Professor Forsten 
in der dortigen Universität lehrte, die Worte „O 
a!“ zur Begrüßungsformel erwählt, was unter 
Imständen recht albern klang. Forster, dem die 
noderne Narrheit widerlich war, hielt eines Tages 
VBortrag über den Esel. Dem Schlusse des Vor— 
rages fügte er noch die Bemerkung hinzu: „Als 
ine neue Beohachtung an dem Thiere ist noch her— 
vorzuheben, daß die Esel in Halle seit einiger Zer 
nicht mehr „IJ—al!“, sondern „O—-ja!“ schreien!“ 
Damit erreichte die Albernheit ihr Ende. 
(Aus Bismarck's Jugendzeit.) 
„Man jsagt dem Fürsten Bismarck nach“, erzählt 
in englisches Wochenblatt, „daß er in seiner Jugend 
zei wenig fsanftmüthigem Temperamente eine ziemlich 
tarke humoristische ÄAder besessen habe; als Beleg 
ziefür möge folgende Anekdote dienen. Als er noq̃ 
Auscultator war, machte ihn ein Client einmal so 
ingeduldig, daß er aufsprang und ausrief: „Geben 
Sie Acht, was Sie sagen, — oder ich werfe Si 
zinaus!“ Der anwesende Richter wendete sich gegen 
hn und sagte im verweisenden Tone: „Herr Aus—⸗ 
rultator, das Hinauswerfen der Clienten ist meine 
Sache!“ Die Untersuchung, resp. die Aufnahme 
des Protokolles nahm ihren Fortgang, und Bis 
marck verlor abermals die Geduld; allein diesmal 
rief er: „Geben Sie Acht, was Sie sagen, — 
sonst lasse ich Sie von dem Herrn Richter hinaus 
werfen!“ 
F Bremen. Ein für Weinhändlerr und 
Weinkonsumenten gleich interessantes Urthei 
st vor Kurzem hier gefällt worden. Der Sachver. 
halt ist folgender: Zu Ende des Jahres 1881 war 
Zon dem Üüntersuchungsamte für Lebensmittel in 
Hannover durch den Vorstand desselben, Dr. Skal⸗ 
veit, ein mit der Etiquette „Margaux“ versehener 
Rothwein als gefälscht erkannt worden. Die Fälsch 
ung bestand darin, daß der Wein in ungebührlichem 
Maße mit Wasser und Sprit versetzt und außerdem 
mit Fuchsin gefürbt worden war. Nach Augabe 
»es Privatmannes, welcher die Untersuchung dieses 
Weines veranlaßt hatte, hatte er den Wein von der 
Firma Gebrüder Behrends im Bremen bezogen, und 
3 wurde in Folge dessen die Anzeige durch den 
Magistrat Hannover an die Staatsanwaltschaft 
Fremnen erstattet. Die hiesige Staatsanwaltschaf! 
ieß zunächst sämmtliche Weine der angeschuldigten 
Firma polizeilich mit Beschlag belegen, nicht nu 
diejenigen, welche in den Bremer Kellern lagerten 
sondern auch diejenigen, welche bei den Kunden der 
Angeklagten noch aufzutreiben waren. Zahlreich 
Weinhändler wurden als Zeugen vorgeladen. Di 
BZerhandlungen vor dem Landgerichte nahmen2 
Tage in Anspruch. Das Urtheil lautete auf ein⸗ 
Zeldstrafe von 4289 M. und Bezahlung der Kosten 
des Verfahrens. Aus den Motiven des Strafur⸗ 
zheils verdient folgender VPassus hervorgehoben zu 
werden: 
„Wein bedarf manchmal des Zusatzes von Most 
»der Wasser, um ihn trinkbar zu machen. Die⸗ 
Jeschah nicht von den Angeklagten. sie setzten dem 
Weine Wasser, Spiritus und Farbstoff zu, um da 
durch guten Wein quantitiv zu vermehren und dann 
den Wein zwar zu einem geringeren Preise, aber 
doch mit Nutzen zu verkaufen. Die Mischung wurde 
in der Absicht unternommen, das Publikum zu 
täuschen, da sie keine Abnehmer gefunden haben 
würden, wenn sie den Reflektanten das Mischungs— 
verhältniß vorher mitgetheilt hätten. Es ist im 
Weinhandel nicht usancegemäß, in der Weise zu ver⸗ 
fahren, wie es die Angeklagten gethan haben. Auch 
haben die Angeklagten sehr wohl gewuß, daß iht⸗ 
Lunden keinen verfälschten Wein haben wollten 
tondern höchstens Wein von geringerer Qualität rc. 
Der Gerichtshof, so, bemerkt der „H. C.“ 
cheint demnach den Hauptanstoß an dem fremden 
Farbstoff genommen zu haben, denn das Usance⸗ 
mäßige der Wasser⸗ und Alkoholverschnitte haben 
fast alle vernommenen Weinhandlungen Bremens zu⸗ 
Jestanden, und es liegt der ganze Unterschied in 
dem allgemein üblichen Verfahren und dem Ver 
fahren der Angeklagten einzig in der Verschiedenheu 
der Farbstoffe und darin, daß sie im Verschneiden 
nit Wasser ewtas gar zu weit gegangen sind. 
p Der Blitzzug zwischen Wien und Parit 
oll' nunmehr un Mai dieses Jahres endgiltig in 
deben treten. Die Fahrdauer ist auf 27 Stunden 
festgesetzt. Außerdem ist, wie schon gemeldet, di⸗ 
Ausdehnung des Blitzzuges einerseits nach London 
indererseits nach Konstantinopel in Aussicht genom 
nen. Von Paris nach Konstantinopel würde di 
Fahrzeit 78 statt 111 Stunden betragen. Di 
Abzweigung nach London würde voraussichtlich durd 
gelgien erfolgen. Mit den neuen Waggons ha 
ine Probefahrt von Berlin nach Wittenberg statt 
gefunden, auf welcher sich die Sachverständigen in 
eder Weise anerkennend sowohl über die Konstrub 
tion, wie über die innere Einrichtung der Wage! 
rusgesprochen haben. Die Schlafwagen enthalte 
GChuves und vier kleine Sclous. welche Abend—