Full text: St. Ingberter Anzeiger

bewiesene Auszeichnung gewinnt eben durch die 
Gegenüberstellung der beiden fürstlichen Persönlich- 
Aicen noturlich eine erhöhte politische Bedeutung; 
fie wird als die deutsche Antwort auf die russischen 
Zetteleien am Wiener Hofe betrachtet. Wenn der 
Bundesgenosse in Wien das Bündniß auf diese 
Art bereits erweitert sieht, wird er es mit der fer⸗ 
neren Erweiterung desselben durch Rußland vielleicht 
micht mehr ganz so eilig haben.“ 
Zwischen Deutschland und China schwebt 
ein Touflikt. Der deutsche Vize⸗Ronsul Schratt 
in der chinesischen Hafenstadt Swatow hatte sich 
von der deutschen Kriegscorvette „Elisabeth“ 40 
Mann erbeten. Mit diesen ergriff er von einem 
Terrain Besitz, auf welches Deutschland einen von 
den Chinesen bestrittenen Anspruch erhob. Der 
chinesische Gesandte in Berlin ist auf telegraphischem 
Wege angewiesen worden, gegen dieses Vorgehen 
des deutschen Bize⸗Konsuls und der Mannschaft der 
Elisabeih“ zu remonstrieren. Es gilt als zweifel⸗ 
— — dentschen Vize-Konsuls auf- 
recht erhalten werden wird. Zwischen dem Aus— 
wärtigen Amte und der Admiralität in Berlin soll 
e8 uber diesen Vorgang zu noch nicht erledigten 
Erörterungen gekommen sein. 
Ausland. 
Paris, 12. Maurerarbeiter hiellen gestern 
eine Versammlung im Rivoli⸗Saale unter dem Vor⸗ 
sitz Guyots. Eine Aeußerung Guyots: die Bona⸗ 
partisten hätten an der Spitze des Arbeitermeetings 
vom Freitag gestanden, rief lebhafte Proteste und 
Drohungen hervor, denen Thaͤtlichkeiten folgten. 
Guyot wurde durchgeprügelt und mußte den Saal 
verlassen. 
Die anarchistische Kundgebung, zu deren Unter⸗ 
drückung man beinahe die gesammte Pariser 
Polizei⸗ und Militärmacht aufgeboten, hat den Agi⸗ 
taloren so gut wie keinen Erfolg bescheert, vielmehr 
dem Minister Ferry und seinen Collegen die billige 
Gelegenheii verschafft, sich als Staatsretter zu zeigen. 
Enragirte Führer drr Arbeiter haben deßhalb ihre 
Leute zur Wiederholung der Umzüge auf den an—⸗ 
deren Morgen bestellt und ein abermaliges Massen⸗ 
meeting fuͤr den 18. d. M. angesetzt. Dasselbe 
soll auf dem Place de la Nation abgehalten wer⸗ 
den. Nach dem Vorschlag eines Bürgers würden 
die Frauen und Kinder um Bord bittend vor dem 
Stadthaus erscheinen, während die Männer sich auf 
dem Marsfelde sammeln. 
Wie aus Petersburg unterm 7. März ge⸗ 
meldet wird, erhielt der Kaiser in den letzten Tagen 
verschiedene Warnungen vor drohenden Attentaten. 
Es herrscht wiederum große Aufrequng im Vublikum. 
Tokale und pfälzische Nachrichten. 
“»St. Ingbert, 13. März. Am Sonntag 
Nachmittag von 2 bis u2 5 Uhr wurde durch Herrn 
Professor und Rektoratsverweser Luren burger 
aus Zweibrücken die Prüfung in der gewerb⸗ 
lichen Fortbildungsschule dahier vor⸗ 
genommen. Die Prüfung erstreckte sich auf Lesen 
und Sprachlehre, Kopfe und Tafelrechnen und 
Wechsellehre; außerdem lagen dem Herrn Visitator 
die während des Jahres von den Schülern gefer⸗ 
tigten Zeichnungen und Aufsätze nebst Wechselfor⸗ 
malarien vor. Das Ergebniß der Prüfung war 
ein sehr befriedigendes. Herr Bezirksamtmann Dr. 
Schlagintweit sprach darüber in einem kurzen 
Schlußworte den an der Schule wirkenden Lehrern 
seine Anerkennung aus und ermahnte zugleich die⸗ 
jenigen Schüler, die aus der Schule entlassen werden, 
durch Fleiß und Wohlverhalten recht nützliche Glieder 
der menschlichen Gesellschaft zu werden. — Die ge⸗ 
werbliche Fortbil dungsschule zählt gegenwärtig 106 
Schüler, davon kommen 49 auf den obern und 57 
nuf den untern Kurs. 
*St. Ingbert, 18. März. Die von den 
Nindern der obern kath. Mädchenschule am Sonntag 
Abend im Oberhauser'schen Saale veranstaltete 
Theater⸗Vorstellung war sehr zahlreich be— 
sucht und ergab eine Einnahme von etwas über 
90 M., welcher Betrag bekanntlich zum Besten der 
irmen Erstkommunikanten bestimmt ist. Der launige 
Inhalt der aufgeführten Stücke wie auch das natur⸗ 
getreue Spiel der Kinder haben außerordentlich ge⸗ 
fallen. Wir zweifeln darum nicht, daß auch bei 
der am nächsten Sonntag stattfindenden nochmaligen 
Aufführung im Grewenig'schen Saale der Besuch 
ein zahlreicher und die innahme im Interesse der 
wohlthatigen Sache eine gute sein wird. 
sSchnappbach, 12. März. Vor kurzem 
ing bon hier eine Vetitfion an das kal. Ober⸗ 
»ostamt in Speyer ab, worin dieses unter aus— 
ührlicher Begründung um Errichtung einer 
elbstständigen Posterpedition hierselbst 
zebeten wird. Die hiesige Bürgerschaft, insbesondere, 
insere Geschäftsleute würden mit großer Freude 
inen günstigen Erfolg ihrer Petition begrüßen, 
Würde doch damit einem tiefgefühlten Mißstande, 
)er sich besonders für uns zeigt, wenn wir Pakete 
iufgeben oder Posteinzahlungen machen wollen, ab⸗ 
Jeholfen werden. Hoffentlich findet das kgl. Ober⸗ 
joftamt, das ja billigen Wünschen des Publikums 
ofern es nur anging, noch immer Berücksichtigung 
geschenkt hat, unsere Bitte begründet und schafft 
juf die erbetene Weise — durch Errichtung einer 
Postexpedition hierselbst — Abhilfe. 
() Blieskastel, 12. März. Gegenwärtig 
veilt Herr Kreisschulinspektor Roth hier, um die 
rei Kuͤrse der hiesigen kgl. Präparandenschule einer 
—XLDDO— 
— (pfälzisches Schwurgericht.) 9. 
März. Die des Kindsmoros angeklagte Anna 
deißler, 28 J. a., aus Spirkelbach, welche am 
Ahend des 6. Nov. vor. Is. ihr 4 Wochen altes 
Zdind von der Brücke zwischen Ludwigshafen und 
Mannheim in den Rhein warf, so daß es darin 
»en Tod fand, wurde unter Annahme mildernder 
Umstände zu einer Gefängnißstrafe von 5 Jahren 
erurtheilt. — 10. März. Die 41 Jahre alte 
Hertraude Braun, Ehefrau von Peter Walk in 
Zangmeil, wegen Meineids angeklagt, wird, da die 
heschworenen die auf Meineid gerichtete Frage ver— 
einen, dagegen die auf fährlässigen Falscheid ge— 
richtete Frage bejahen, zu einer Zmonatlichen Ge⸗ 
ängnißstrafe verurtheilt. 
Der katholischen Kirchengemeinde Im es— 
veiler wurde zur Bestreitung der Kosten der 
dringend nothwendigen Reparaturarbeiten an der 
dortigen Kirche eine Sammlung in fämmtlichen 
fatholischen Kirchen der Pfalz bewilligt und zur 
votnahme dieser Kollekte der zweite Osterfeiertag 
destimmt. 
Am Osterdienstag wird in Hochdorf 
zie Zeller-Feier statt finden, bestehend in einem 
Trauergottesdienst und Enthüllung des Grabdenk⸗ 
nals, welches von Menges in Kaiserslautern aus 
zrauem Sandstein gefertigt, in Marmor das Me— 
ZRaillon⸗Brusibild des Verstorbenen (früher Semi⸗ 
rarinspektor in Speher) enthält. Von den ca. 1000 
Mk., welche die Schüler Zellers unter sich gesam⸗ 
nelt haben, werden für das Denkmal 320 Mk. 
erwendet, mit dem Rest wird eine Zellerstiftung 
gegründet. 
dDer Moltkefels auf dem Donnersberg 
vird im Laufe dieses Sommers eine neue Zierde 
erhalten. Auf der einen Seite des großen Brücken⸗ 
—— auf der 
indern Seite die Moltke's aufgestellt werden. Die 
Modelle allein kosten 600 Mark und der Guß er⸗ 
folgt gegen Ueberlassung derselben gratis von der 
risengießerei der Herren Gebrüder Gienanth in 
daiserslautern. 
Ddie Prüfungen der Apothekergehil— 
ein werden in diesem Jahre wieder in den Monaten 
März, Juni, September und Dezember abgehalten 
derden und jedesmal am 28. des betr. Monats 
zeginnen. Anträge auf Zulassung zu einer derselben 
ind mindestens 14 Tage vor dem festgesetzten 
Termine bei dem Vorsitzenden der Prüfungs-Kom— 
nission, dem kgl. Kreismedizinalrathe Dr. Karsch, 
u Speyer einzureichen. 
Vermischtes. 
— Dieser Tage begann in München an der 
kriegsakademie das Offiziers-Examen. Es haben 
ich diesem 97 Portepeefähnriche, und zwar 67 der 
Iufanterie, 10 der Kavallerie, 16 der Feldartillerie, 
2 der Pioniere, sowie ein Reserve⸗Offizier unter⸗ 
ogen. 
F In Nürnberg haben die Einzeichnungs- 
isten bezüglich einer Petition für Einführung obli⸗ 
jatorischer Arbeitsbücher 1063 Unterschriften selbst⸗ 
ländiger Handwerksmeister erhalten. 
p'Von 18 an der Einjaährig-Freiwilligen⸗ 
Brüfung in Ansbach sich Betheiligenden haben 
aur 3 bestanden. 
Mainz, 10. März. Der erste Alzeyer— 
ßersonenzug blieb heute Morgen im Schnee stecken, 
deil dieser im Laufe der Nacht durch den herrschen⸗ 
den Sturm fast 10 Fuß hoch auf den Schienen 
usammengeweht worden war. Eine von hier re— 
suirirte Hiifsmaschine mit einer Anzahl Arbeiter 
nachte Ne Strecke fahrbar. 
F(Gussteuer⸗Bettherin) In Darmstad 
vurde eine bereits bejahrte Frau beim Betteln be— 
roffen. Als sie rekognosziert wurde, stellte sich 
jeraus, daß die Bettlerin eine ziemlich wohlhabende 
Herson dus der Umgegend war, die nach ihrer 
igenen Angabe zum Bettel gegriffen, um Mittel 
i die Austattung einer ‚demnächst heirathenden 
Tochter zu gewinnen. 
4 Zwischen den verschiedenen preußischen Mini⸗ 
terien finden zur Zeit Erwägungen statt, in wel⸗ 
her Weise der Nothstand in der Eifel dauernd 
ogestellt werden kann. Man denkt dabei zunächst 
in ein Gesetz nach dem Muster desjenigen für Ober⸗ 
chlesien, wo sich namentlich die Bildung von Drai⸗ 
nage⸗ Genossenschaften und die Eröffnung eines be⸗ 
Juemen Kredits für die bäuerlichen Grundbesitzer 
als höchst wohlthätig erwiesen hat. Augenblicklich 
haben die Nothstände daselbst den höchsten Gipfel 
,rreicht in Folge der plötzlich eingetretenen XR 
nit Schneefall. Auch Wölfe haben sich an vielen 
Ztellen bereits gezeigt. 
p— Der neue preußische Kriegsminister General 
3 ronsart v. Schellendorf war am 1. Septembe 
1870 der erste deutsche Offizier in Sedan. Der 
dönig von Preußen entsandte ihn mit der Auf—⸗ 
orderung zur Ergebung an den „französischen 
höchstlommandirenden“, und als solcher erwies sich 
um Erstaunen des deutschen Hauptquartiers Na— 
»oleon Ul., der eben seinen bekannten Brief an 
den König Wilhelm (N'ayant pas pu mourir ete 
chrrieb. 
F Aus Dünkirchen wird gemeldet, daß das 
»on Altona nach Zanzibar unter Capitän Thun 
ibgegangene deutsche Schiff „Hamburg“ auf einer 
Zandbank scheiterte. Die ganze Mannschaft, unge— 
ähr 30 Matrosen, sind ertrunken. 
F Gegen Diphtherie veröffentlicht der Be— 
itzer der Kanonen⸗ Apotheke in Leipzig⸗Gohlis, Hert 
K. Münch, im Pharmazeutischen Zentral⸗ Anzeiger 
ein neues Mittel, welches in seiner Familie und 
uuch Anderen eklatant geholfen haben soll. Wir 
ecilen uns, dasselbe in Folgendem mitzutheilen: 
xs ist das gereinigte Terpentinöl, von welchem ein 
Theelöffel voll morgens und Abends gegeben werden 
oil, außerdem laue Milch. Sachverständige Aerzte, 
velche wir deshalb befragt haben, warnen vor dieset 
tarken Gabe bei Kindern unter drei Jahren und 
vollen den Versuch nur dann zulassen, wenn daz 
Terpentinöl mit zwei Theilen Olivenöl vermischt 
vird. Wer die Angst, Qual und doch vergebliche 
Mühe des Halsauspinselns bei kleinen, eigensinnigen 
Zindern duͤrchgemacht hat, wird ein solches Mittel, 
welches nur zweimal täglich und ziemlich bequem 
in obengenannter Verdünnung gegeben wird, gein 
m Noihfalle versuchen. Sind die Kinder verstän⸗ 
zig genug, den Mund zum Pinseln zu öffnen, st 
o d die Bepinselung der diphteritischen Stelle mit 
einem Terpentin und mittelst eines starken, busch⸗ 
gen Pinsels mit Holzstiehl unbedenklich angewendet 
Jerden konnen. Weun sich dieses Mittel bewährt. 
ann hätte Herr Münch außer dem Danke Tausendet 
auch Anwartschaft auf den von der Kaiserin Au⸗ 
zusta ausgesetzten Preis von 10,000 Mark für Ent⸗ 
Heckung eines Mitlels gegen die Diphtherie. 
Gur Warnung.) Von einem Wiener 
heschäftsmanne (Uhrenfabrikant und Erporteur) sind 
in juͤngster Zeit in öffentlichen Blättern mit der 
kinleitüng: „Bitte! Lesen Sie!“ „Echte, bon 
uglich regulirte Pracht⸗Talmigold⸗Taschenuhren, mit 
ünfjähriger Garantie, auf die Secunde regulirt 
iebst einer Goldfacon-Talmi-Uhrkette und einen 
inen Sammt⸗Etui“, zum Preise von 9 Mt, aup— 
Jeboten worden. Die 9 Mark sollen den ,bloßen 
Werth des Arbeitslohns“ bilden. Das Musterlaget 
encalstell zu Stuttgart hat eine solche Uh 
ich derschafft. Die Kosten waren einschließlich Porn 
9 Mek.20 ppf. Nach dem übereinstimmenden 
Urtheile Sachverständiger besteht die Uhr aus einen 
janz alten, vollständig unbrauchbar gewordenen 
Werke, auf welches mit zwei Wachstropfen eil 
Fifferblatt aufgeklebt ist. Das Werk selbst ist ohnt 
rgend eine Verbindung in das Gehäuse gelegt un 
ällt aus demselben heraus, sobald der Glasdet 
zeöffnet wird. Die Uhr hat als solche gar kein 
Werih. Ebenso ist das, Pracht-Talmigold⸗Gehäuß 
aebst der „Goldfacon⸗Talmi-Uhrkette“ von der 
cingsten Qualität; das „feine Sammt⸗Etuis“ 
undein werthloses Pappdedelschaͤchtelchen tehet 
entirt, so daß die ganze mit so vielem Pomp 
jebotene Uhr nebst Kette nur als ein Kinderspit 
seug betrachtet, aber auch als solches —— 
» M. 50. angeschlagen werden kann