Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
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M 6.
Politische Uebersicht.
—A
München, 7. Jan. Se. Maj. der König
haben die vom hiesigen Stadtmagistrat in Anreg
ung gebrachte Vornahme einer Sammlung von
Haus zu Haus im ganzen Königreich zu Gunsten
der überschwemmten Gegenden genehmigt. Behufs
Organisation und der schleunigsten Durchführung
der Sammlung in hiesiger Stadt haben bereits
heute Vormittag unter dem Vorsitz des ersten Bür⸗
germeisters Berathungen stattgefunden.
Mürnchen, 7. Jan. Der durch die Hoch—
wasser insbesondere in der Pfalz, Unterfranken
Schwaben und Oberbayern an Straßens, Brücken⸗
und Wasserbauten verursachte Schaden wird zur
Zeit durch die betreffenden Bauämter ermittelt und
steht jetzt schon so viel fest, daß derselbe sich weit
über 2 Millionen Mark erstrecken wird. Ihre kgl.
Hoheit Frau Herzogin von Modena in Wien
hat für die Ueherschwemmten der Rheinpfalz 300
l. (600 Mark) gespendet.
München, 7. Jan. Wie wir vernehmen,
begeben sich im Auftrage des kgl. Staatsmini—
teriums des Inneren die beiden Oberbauräthe
Schmid und Heuser vom Ingenieurfache in die vom
Hochwasser beschädigten Bezirke, um nunmehr die
geeigneten Erhebungen zu pflegen, die nach Lage
der Sache veranlaßten Einleitungen zu treffen und
über das Ergebniß Bericht zu erstatten.
In Mürunchen ist davon die Rede, daß zur
Flüssigmachung außerordentlicher Staatsmittel für
die überschwemmten Landestheile eine außerordent—
liche Einberufung des Landtags bevorstehe. Mit
dem Zweck kann man sich nur ganz einverstanden
erklären, da die außerordentliche Noth auch außer—⸗
qgewöhnliche Mittel der Abwehr erheischt.
Berlin, 7. Jan. Der deutsch-serbische
Handelsvertrag sowie der Consularvertraäq
vurden gestern unterzeichnet.
Man hofft, daß das Reich sich mit einer ein⸗
HJeitlichen Regelung des Rheins und seines Strom⸗
gebiets, des Deichwesens u. s. w. beschäftigen werde,
wozu Art. 4 der Reichsverfassung die Berechtigung
zibt, ja, die Verpflichiung auferlegt. Die Reichs—
ags· Abgeordneten, in deren Wahlbezirken durch die
deberschwemmungen geschädigte Orte liegen, wollten
ich zu einer diesbezüglichen neuen Besprechung im
Reichstagsgebäude heute (Dienstag) versammeln.
Ausland.
Paris, 7. Jan. Offiziös wird geschrieben:
Den Kriegsminister erregte Chanzy's Tod im
jöchsten Grade. Der Verlust ist um so furchtbarer,
als Chanzy vom Präsidenten der Republik auser—
sehen war, im Fall der Mobilmachung das Ami
eines Oberfeldherrn zu übernehmen. Er besaß das
Vertrauen der ganzen Armee, uind wir sehen beim
ersten Eindrucke keinen, der ihn ersetzen koͤnnte.“
Graf Herbert v. Bismark sou incognito das
Leichenbegangniß Gambetia's angesehen haben.
Gestern Abend, als man die Thore des Palais
Bourbon schloß, kam es zu Ruhestörungen, die
welche nicht mehr in das Palais zugelassen wurden,
wollten das Thor stürmen, wurden aber auf Be⸗
fehl des Polizeiprafecten auseinandergetrieben.
Paris, 7. Januar. Die republikanischen
Zeitungen sprechen sich übereinstimmend mit Aner—⸗
lennung über die ernste, gesammelte und patrio⸗
ische Haltung der Volksmenge bei der gestrigen
Beerdigungsfeier Gambettas aus Die royalistische
Dienstag, 9. Januar 1883.
18. Jahrg.
Presse sagt, daß die Zeremonie zu theatralisch ge—
wesen sei und der Aufrichtigkeil ermangelt habe.
Von Seiten der Organe der Intransigenten wird
behauptet, das eigentliche Volk sei der Feier fern
geblieben.
Marseille, 8. Jan. Heute früh wurden
an jedem der beiden Eingänge zum österreichischen
Consulate italienisch geschriebene Plakate, Tod dem
Kaiser von Oesterreich, dem Henker Italiens und
Mörder Oberdank's!“ unterzeichnet „Die Italiener“
angeheftet gefunden und von der Polizei beseitigt.
Aus Irrland werden neue Gewaltthaten ge—⸗
meldet, und die Lage dort scheint abermals eine
zefahrdrohende zu werden. In Upper Croß, Graf
chaft Tipperary, wurden, wie schon kurz erwähnt,
—
dereins von einer bewaffnetenMondscheinbande
angegriffen. In dem Kampfe, welcher sich entspann
euerten die Gerichtsvollzieher ihre Revoldver ab,
wodurch einer der Angreifer getödtet und mehrere
andere verwundet wurden. Tie herbeigerufene Po—⸗
lizei verhaftete fünf Mitglieder der Bande. Auf
der Landstraße unweit Ballinamore wurde am
Dienstag Abend ein erst ganz kürzlich exmittirter
Pächter, Namens John Sheridan, ermordet. Das
Motiv des Mordes ist noch unbekannt, aber zwei
der That verdächtige Individuen sind verhaftet
worden. Der Ermordete saß geraume Zeit als
„Verdächtiger“ in einem irischen Staatsgefängnisse.
Madrid, 5. Jan. Prinz Friedrich von
Bayern wird dieser Tage hier erwartet und erklären
die heute erschienenen Morgenblätter, daß derselbe
demnächst sich mit der dritten Schwester des Könige
Alfonso, Infantin, Eulalia, vermählen werde, wäh—
rend die zweite Schwester, die Prinzessin Maria de
la Paz, für den Prinzen Antonio, Sohn des Her—⸗
zogs von Montvensier. bestimmt ist.
zur ungeheuren Rue Rivoli und zur Place de
Republique. Dort sind die meisten Magazine ge—
schlossen und zahllose Trauerfahnen hängen aus
den Fenstern. Auf dem Quai d'Orsay hat sich
alles versammelt, was in Frankreich einen Namen
trägt. Der Präsident der Republik hat seinen Ca—
hinetchef und seinen Privatsecretär gesandt, die
Minister sind vollzählig, ebenso die Miiglieder beider
däuser des Munizipalrathes und Abgesandte aller
Städte und Dörfer des weiten Frankreichs. Acht-
ehn Brigadegeneräle halten mil ihren Stäben in
großer Uniform vor der breiten Stein-Estrade des
BZalais Bourbon, — der neunzehnte schläft seit
zestern den ewigen Schlaf, ein weiteres Stuͤck des
ranzosischen Hoffens mit in sein Grab nehmend.
Brovocirend und die Blicke der Menge auf sich
ziehend, bezeichnen zwei Riesenkronen die Stelle wo
Gambetta's Sarg unter einem Blumenberg liegt.
Auf der einen Seite liest man mit Goldiettern:
Strasbourg à Gambetta auf der anderen, neben
den die deutschen Reichstagsabgeordneten Dollfuß
und Antoine mit entblößtem Haupt Wacht halten?
Metz à Léon Gambetta.
Zwei deutsche Volksvertreter, als Manifestanten
am Grabe des grimmigsten Feindes Deutschlands!
Fürwahr, es ist unserer Wurde entsprechend und
'ann von der deutschen Colonie in Paris mit Ge—
iugthuung vernommen werden, daß weder der
Fürst-Botschafter, noch sonst ein hervorragendes
Mitglied der deutschen Botschaft an der Apotheose
Gambetta's offiziell Theil nahmen. Das diplo⸗
matische Corps war überhaupt nur durch den Ge—
sandten Belgiens, Baron Beyens, und durch einige
Reprüsentanten südamerikanischer Republiken der
treten. Als der Körper Gambetta's die breiten
Stufen des Palais Bourbon herabgetragen wurde,
ertönten die Kanonen des benachbatten Invaliden—
hotels, fünfzig Musikcorps stimmten die Marseillaise
an, dazu wirbelten die Trommeln und fünfhundert
Reiter der Garde Republicaine stellten sich in Spa⸗
lier zu beiden Seiten des Leichenwagens auf. In
der ungeheuren Menschenmenge entblößten sich die
Zäupter der Männer und die Frauen schlugen ein
Freuz — trotz des „Civilbegräbnissez“. AÄuf der
Rampe des Palais Bourbons stehend, mitten unter
den Deputirten, genieße ich den Blick über ein
Panorama, dem an Großartigkeit nichts gleichkom⸗
—XDD— hochan⸗
geschwollene Seine in dem Sonnenlicht, das sich
allmalig durch die Nebelwolken gebrochen, der Quai
d'Orsay auf dem einen Ufer, die Tuilerien auf
dem andern sind schwarz vor Menschen, ebenso die
anliegenden Brücken, zur Linken dehnen sich die
Camps Elysées mit dem Boulogner Holz im Hin—
tergrund; bis zu den sanften Hügeln des Vorortes
Passy dringt der Blick und sieht auf dem Trocadero
eine Unzahl schwarzer Punkte, die sich hin⸗ und
herbewegen. Vor mir der prachtvolle Concordien⸗
platz mit dem Obelisk von Luxor in der Mitte,
die breite Rue de Royale, die man hoffentlich nicht
in „Rue Leon Gambetta“ umtaufen wird, wie die
bescheidenen Freunde des Todten von Ville d'Avray
es verlangen, abgeschlossen durch die Harmonie des
griechischen Tempelbaues der Madeleinckirche: Alles
mit einer schwarzen, murmelnden und sich bewegen⸗
den Mauer von Menschen bedeckt. Unvergeßlich
wird mir der Andblicsein, unvergeßlich, wie der
Blick aus den Fenstern des neu ébauten Stadt⸗
hauses am 13. Juli des vergangenen Jahres. ..
Der Leichenwagen ist mit einem immensen drei⸗
farbigen Tuch bedeckt. dessen vier Enden in Riesen⸗
Die Beerdigung Gembetta's.
Paris, 6. Jan. Ich kehre soeben von dem
Leichenbegüngniß Gambetta's zurück und kann nur
die Worte wiederholen, die der weißbärtige Ver⸗
reter eines großen Londoner Organs in meiner
Begenwart aussprach: „Es war das großartigste
Schauspiel, das Frankreich seit einem halben Jahr⸗
hundert erlebt.“ Nie ist ein Fürst, dessen Namen
die Geschichte berühmt gemacht, durch gleiche Feier
zeehrt worden, nie hat ein Feldherr, der auf den
Schlachtfeldern sein Vaterland gerettet, eine ganze
Stadt so zu Füßen gesehen, als der Gewürzkrämers
ohn zu Cahors. Es war kein Begräbniß mehr,
ondern eine Apotheose, weit weit entfernt von
demokratischer Einfachheit und von republikanischer
—A —
aufgehört, das Abgeordnetenhaus der Nation zu
sein, es war zum Mausoleum Gambetta's geworden
in welchem dreihundert Deputirte vor einem Leich—⸗
iam defilirten. Ein ungeheurer Trauerschleier be⸗
)eckte seine immense Front, grünliche Flammen
leuchteten von seinem Plattdache, während die zahl⸗
osen Gaslaternen auf der Place de la Concorde
ungezündet waren und durch die Crepeschleier hin⸗
zurch ihr blasses Licht in den nebligen Wintertag
varfen. Ein dichtes Trauerkleid verhüllt ebenfalls
das allegorische Monument der Stadt Straßburg,
die urbs dolorosa der dritten Republik, und die
Flaggen auf den umliegenden Staatsgebäuden sind
nuf halbem Mast gehißt und deuten durch schwarze
Schleifen auf die nationale Traner. In den
Straken herrscht wenig Leben, Alles dränagt sich