Full text: St. Ingberter Anzeiger

stuben nach deutschem Zuschnitt Sturm und 
Jiebt zu guter Letzt die Geschichte eines 
zayerischen Offiziers zum Besten, welcher unter sehr 
zescheidenen Verhältnissen vor dem Kriege eine Kneipe 
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Unteroffiziere und Soldaten anlockte, sie ausforschte 
und wenige Wochen vor Ausbruch des Krieges ver— 
schwand, um dem eisernen Grafen über das Ge— 
hörte Bericht zu erstatten. Ganz denselben Ton 
timmt der radicale „Petit Parisien“ an, der gegen 
die deutschen Bierlocale in Paris donnert, in welchem 
Franzosen so herzlos wären, sich an dem scheußlichen 
Hetraͤnk des Nordens zu laben, während in Straß⸗ 
hurg und Mezz keine „französische Katze“ sich dazu 
hergebe, eine deutsche Brasserie zu betreten. Zur 
Ehre der Pariser muß gesagt werden, daß diese 
curiose Sorte von Patriotismus im allgemeinen 
wenig Anklang bei ihnen findet. 
Wie der „Tribüne“ aus Petersburg ge⸗ 
schrieben wird, ist dort an die Stelle der noch vor 
urzem so lebhaft gewesenen Hoffnungen auf direkte 
Verständigung zwischen Rußland und Oester— 
reich eine tiefe und nachhaltige Verstimmung ge— 
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des Herrn v. Giers bei dessen bevorstehenden 
Besuch in Wien sein kann. Es herrscht ein Miß⸗ 
trauen, hinter welchem sich sehr deutlich der Arg- 
vohn irgend welcher österreichischen Machinationen 
bei den Polen zeigt; diese Stimmung giebt sich 
aum die Mühe, sich zu verbergen, und wenn 
Oesterreich- Uungarn jetzt allein stände, so würde es 
troß der augenblicklichen Zurückdrängung des Pan⸗ 
slavismus sehr bald die Folgen der Abneigung zu 
püren haben. Die Friedenspartei in Petersburg 
hat jetzt die beste Gelegenheit, den Werth des 
deutsch⸗öosterreichischen Bündnisses zu schätzen; da— 
zegen gibt es dort hohe Finanzgrößen, welche immer 
noch gegen Berlin intriguiren, weil man hier die 
sehr üdihige neue russische Anleihe behufs 
Paralysirung Rußlands zu vereiteln suche. 
Lokale und pfaãlzische Nachrichten. 
St. Ingbert, 2. Jan. Auch in der 
Schulhausbauplatzfrage hat diekgl. Kreis— 
regierung nun ihre Entscheidung getroffen. Dieselbe 
acceptirt den vom Stadtrathe in Vorschlag gebrachten 
Platz in der Nähe des neuen Amisgerichtsgefäng— 
nisses hinter der alten Bahnhofstraße nicht, sondern 
weist auf das in der Unterstadt zwischen Hrn. Thier⸗ 
arzi Weigand und Hrn. Buchhalter Uhl gelegene 
Terrain als geeignetsten Bauplatz hin. 
* St. Ingbert, 2. Jan. Noch zum 
Schlusse hat das alte Jahr seine düstere Macht 
dethätigt durch gewaltige Ueberschwemmungen in 
den schönen Gauen des Rheines. Nicht genug. 
daß ungünstige Witterungsverhältnisse die Ernte 
schädigten und die frohen Hoffnungen des Winzers 
»ernichteten, mit furchtbarer, verheerender Gewalt 
traten im November in fast allen Gauen unseres 
deutschen Vaterlandes Ueberschwemmungen auf. 
Aber noch war die Fluth, welche Millionen ver—⸗ 
schlungen, nicht verlaufen, da dringen abermals 
bon den Ufern des Rheines, bedrängter wie vorher, 
die Rufe um Hilfe laut und vernehmlich zu uns. 
Noch läßt sich die Größe der Noth nicht genau 
ermessen; aber Hunderte sehen sich schon jetzt in 
den schönen Rheinorten unserer Pfalz ihrer Habe 
und ihres Gutes, der Früchte ihres Fleißes, be⸗ 
raubt. Und schon an der Pforte streckt denen, die 
das Unheil verschont hat, das neue Jahr die offene 
Hand entgegen, um von der Nächstenliebe eine 
milde Gabe für die Armen, welche die Wassers— 
noth so schwer betroffen hat, zu erbitten. Schon 
beim Beginne richtet es an unsere Gemüther die 
ernste Mahnung: „Wohlzuthun und Mitzutheilen, 
vergesset nicht!“ Möge diese Mahnung an die 
schönste Pflicht des Menschen bei Allen, die helfen 
können, keine vergebliche sein. 
* St. Ingbert, 2. Jan. Die Neujahrs⸗ 
aacht verlief dahier, von vereinzeltem Schießen 
abgesehen, sehr ruhig. Um so lebhafter war es 
dagegen am Neujahrstage selbst; denn die ange— 
nehme linde Witterung hatte Klein und Groß in's 
Freie gelockt. 
— Für die Feier der silbernen Hochzeit des 
deutschen Kronprinzen hatte das Bürgermeisteramt 
Blieskastel eine Sammlung veranstaltet, welche 
etwas über 50 Mk. eintrug. 
— Kaiserslautern, 31. Dez. Heute 
Früh wurde im Holzhofe der Gebr. Dickes die 
HJaisete gefunden, welche vor einigen Tagen aus dem 
Bureau des pfälz. Gewerbemufeums gestohlen wor— 
)en war. Der Dieb hatte versucht, mittelst einer 
Feile eine Oeffnung in dieselbe zu feilen, wurde 
edoch in seinem Vorhaben dadurch gehindert, daß 
die Feile abbrach. Die in der Kassette aufbewahrte 
Zumme fand sich deshalb auch vollzählich vor, so 
daß die Untersuchung, welche im Gange ist, sich 
aur noch mit dem Diebe selbst zu beschäftigen 
jaben wird. 
— Vom 1. Januar 1883 kommt in Lan dau 
als Local⸗Malzaufschlag vom Hektoliter Malz 
1 M. 20 Pfg. und vom eingeführten 
Bier vom Hektoliter 65 Pf. und in Ge— 
zinden von 16 Liter je 1 Pf. vom Liter bis zu 
35 Liter zur Erhebung. 
— Der „L. A.“ berichtet aus Kandel: In 
letzter Zeit kursieren in hiesiger Umgegend falsche 
Münzen, so z. B. wurde dahier 1 Einmarkstück 
von Herrn Einnehmer Anna beschlagnahmt, ebenso 
Zweimarkstück von Herrn Einnehmer Harimann 
don Rülzheim in Rheinzabern, und ein 50-Pfen⸗ 
nigstück, mit der Jahreszahl 1877 und mit dem 
ZBuchstaben D versehen, wurde von Herrn Max 
Flikann von Hagenbach der Polizei übergeben. 
Zämmtiliche Münzen sind ziemlich gut gegossen, 
jedoch an dem matten Glanze und am Klange leicht 
erkenntlich. 
— In verschiedenen Stallungen in Barbel⸗ 
roth sind Kühe am Milzbrand erkrankt, auch dem 
Gutsbesitzer Zumstein in Dürkheim ist ein Ochse 
an dieser Seuche crepirt. 
— Ludwigshafen, 30. Dez. Heute Nacht 
gegen 3 Uhr ertönte die Sturmalocke. Zwischen 
sier und Friesenheim und zwischen Oppau und 
Frankenthal waren die Dämme gebrochen und die 
Wasserfluthen ergossen sich mit furchtbarer Schnellig- 
eit über Friesenheim und Oppau. Von der Ani— 
infabrik aus sieht man nur eine große Wasser—⸗ 
Jäche, aus welcher die beiden hart betroffenen Dörfer 
servorsehen. Es wird als verbürgt erzählt, daß in 
Oppau acht Häuser eingestürzt seien. Eine Ab— 
heilung Pioniere mit 12 Kähnen sollte heute früh 
Jä Uhr hier eintreffen, um zu helfen und zu retten. 
— In Ludwigshafen ist die Gasanstalt 
iberschwemmt. Auch bei Mundenheim ist der 
Damm gebrochen und der Ort überfluthet. Glei— 
hes gilt vom Hemshof bei Ludwigshafen. Auch 
im Hessischen ist die Ueberschwemmung eine furcht⸗ 
hare. Am schwersten sollen dort die Orte Bür— 
tadt und Hofheim bei Worms gelitten haben. 
In dem erstgenannten soll das Wasser 10 Fuß 
joch stehen. Militärische Hilfe aus Worms und 
Mainz ist dahin abgegangen. 
— Am Sonntag wurde in Lud wigshafen 
'olgender Bürgermeisteramtliche Aufruf veröffent⸗ 
icht: Mitbürger! Bewohner Ludwigshafen's! Die 
leberschwemmungsgefahr ist außerordentlich groß; 
der Hemshof wird voraussichtlich vollständig unter 
Wasser gesetzt werden. Es gilt Menschenleben zu 
etten und deßhalb ist es Pflicht jedes Einzelnen, 
ich an den Rettungsarbeiten zu betheiligen und 
zadurch sein Möglichstes zur Verminderung der Ge⸗ 
ahr beizutragen. 
— Die Generalversammlung der Volksbank 
dudwigshafen nahm den Antrag des Vorstandes 
ind Verwaltungsrathes: „Umwandlung der Voks-— 
ank Ludwigshafen in eine Actiengesellschaft“ mit allen 
segen 3 Stimmen an. 
— Ueber die furchtbare Ueberschwemmung der 
Irte Friesenheim und Oppau wird dem 
Frankf. J. unterm 31. Dez. geschrieben: Ihr 
Forrespondent war gestern von Ludwigshafen aus 
nit dem Pontonboot, welches der wackere Sergeant 
Petzinger mit seinen Leuten (Unteroffizier Brand 
ind die Soldaten Walther, Wisch II., Zimmer⸗ 
nann,) von der 1. Compagnie des 2. Pionier⸗ 
Zataillons aus Speyer führte, in das Pfälzische 
Neer hinausgefahren, — denn ein solches ist der 
sthein jetzt geworden. Auf einer sechs Stunden 
reiten Fläche fluthen die schmutzigen Wasser, 2—4 
Meter tief; über die Rheinebene dahin. Die Fahrt 
ing zuerst nach Friesenheim, die beiden Pontons 
ermittelten den ersten Verkehr wieder seit Freitag 
Abend, denr es hatte sich Niemand auf diese trost— 
ose See hinausgewagt. Wir hatten Lebensmittel 
nitgenommen, die den in den wenigen noch ver⸗ 
chonten Gebäuden, (Schule, Rathhaus, Kirche ꝛc.) 
icht ane inander gedrängten armen Leuten äußerst 
zöihig geworden waren. Gerade als wir den Ort 
elbst erreichten, stürzte ein Haus krachend zusam⸗ 
nen. Es war, wie ich nachher hörte, das fünf⸗ 
igste, das dort zusammenbrach. Die anderen sind 
interwühlt und koönnen kaum noch auf Stunden 
tehen. Die Pionire opferten sich auf; sie trugen 
Frauen, Kinder, Männer durchs Wasser und auf 
einstweilen geschütztere Plätze, von wo die Leute 
bis heute früh alle, so weit sie gestern lebend ge— 
funden wurden, nach Ludwigshafen gerettet sind. 
Nachher fuhren wir mit den Pioniren über die 
uinheimliche Wasserfläche nach dem am härtesten 
heschädigten Orte Oppau. Auch hier waren die 
venigen Nahrungsmittel, die wir noch zu verthei— 
len hatten, wie ein Gottessegen willkommen. 
Schrecklich war das Hülferufen aus allen Theilen 
des Ortes aus den Häusern anzuhören, welche un— 
der einem, dem Peleton⸗Feuer ähnlichen Krachen 
zusammenstürzten. Unsere Pionire mußten weiter, 
im die anderen Ortschaften noch bei einiger Ta— 
geshelle zu erreichen und die Hülfe, die an jeder 
Stelle am nöthigsten schien zu organisiren. Die 
Noth in den Ortschaften ist überall unsagbar. Am 
Abend um halb neun Uhr kamen wir sodann auf 
der Rückfahrt wieder in Friesenheim an. Der 
sthein war dort in den wenigen Stunden noch um 
einen Fuß gestiegen. Und nochmals begann das 
Bergungswerk. Wiederum trugen unsere Pionire 
Weiber und Kinder in die am sichersten scheinenden 
Hhäuser, deren Zahl immer geringer wird. Acht⸗ 
indsechzig Häuser waren jethzt bereits zusammen- 
zebrochen. Der Jammer der trostlosen Menschen 
üßt fich gar nicht shildern. Wäre nur mehr 
dülfe zur Stelle zu schaffen gewesen! Wie viele 
Henschenleben zu beklagen sind, läßt sich nicht be⸗— 
fimmen. Alle Verluste werden erst nach der Ca— 
rastrophe zu Tage treten. Muthmaßlich sind in 
der Gegend 15 Personen dem Wasser zum Opfer 
Jefallen. Constatirt ist, daß ein Bahnwärter mit 
Frau und 6 Kindern in den Fluthen umgekommen 
st. — Bei Oggersheim sind fünf Personen, die 
sich an einem Fuhrwerke retten wollten, er⸗ 
trunken. 
Auch von Mannheim (wie von Speyer) 
st Militär zur Hilfeleistung nach den überschwemmten 
Ortschaften Oppau, Friesenheim, Edigheim und 
Dggersheim abgegangen. 
— Die vormals gräflich Leininge n'schen 
Waldungen bei Grünstadit sind nach der „Pf. 
Pr.“ an eine belgische Gesellschaft, Elisé Radelet 
aus Gilly bei Charleroi und Defer⸗Ladrière aus 
Jumet, für die Summe von 6—-700.,000 Mark 
verkauft worden. 
Frankenthal, 30. Dez. Der untere 
Stock des Bahngebäudes in Oggereheim steht 50 
Centimeter unter Wasser, die Telegraphenapparate 
wurden in den unteren Stock gebracht. Vier Leute, 
welche auf dem Wege nach Oggersheim sich befan⸗ 
den, wollten auf die Bäume klettern und sind er⸗ 
trunken. Die Orte Oppau, Friesenheim und Edig⸗ 
heim stehen bis an die Dächer unter Wasser. 
Mehrere Häuser siud bereits eingestürzt. 
— In Frankenthal ist am Sanstag ein 
Dienstmadchen in die hochgehende Isenach gestürzt 
und ertrunken. 
— Am 10. Januar 1883 hat die vom Bun⸗ 
desrath angeordnete allgemeine Viehzählung 
tattzufinden. Es wird deshalb dem Besitzer eines 
jeden Anwesens, in welchem Thiere der bei der 
Jählung in Betracht kommenden Gattungen, näm⸗— 
ich Pferde, Maulthiere, Maulesel, Esel, Rindvieh, 
Schafe, Schweine oder Ziegen, und in welchem 
Bienenstücke gehalten werden, während der Zeit vom 
2. bis 9. Jauar 1883 ein Exemplar der vorge— 
chriebenen Hausliste zugestellt werden, und ergeht 
mn die betreffenden Anwesensbesitzer oder deren 
Stellvertreter das Ersuchen, die erwähnte Liste nach 
dem Stande vom 10. Januar 1883 genau und 
„ollständig auszufüllen, zur Bestätigung der Rich— 
ligkeit zu unterzeichnen und vom 11. Jan. Morgens 
aun zur Abbholung bereit zu halten 
Vermischtes. 
Das Münchener „Bayer. Vaterland“ 
chreibt: Se. Maj. der König verschenkt jedes 
Jahr in aller Stille gewaltige Summen an die 
Münchener Stadtarmen in regelmäßigen Spenden. 
So z. B. erfuhren wir dieser Tage ziffermäßig, 
vas der König nur für einen der 19 Stadtbezirke 
edes Jahr schenkt, nämlich; 50 Mark 50 Pfg. 
eden Monat an gewöhnlichen Unterstützungsbei⸗ 
rägen; 1000 Mark zu Michaeli und 1000 Mark 
u Georgi zu Miethzinsbeiträgen, 400 Mark zu 
Weihnachten zu Kleidern für arme Kinder, 142 
Mark speziell am Weihnachtabend an Geld⸗Unter—