St. Junherter Amzeiger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
der „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint woͤchentlich fünfmal: Am Moutag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonutag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltunge⸗
zlatt und Sonntags mit Bseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljahrlich 1AM 40 — einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1M 60 H, einschließlich
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auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 15 —, bei Neclamen 30 . Bei Amaliqer Einrackung wird nur dreimalige berechnet
60.
Donnersag, 29. März 1883.
18. Jahrg
*
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VPolitische Uebersicht.
Deutsches Reich.
Wie wir den „N. N.“ entnehmen, sollte am
Dienstag, den 27. ds. Mts. in München Mi—⸗
nisterrath stattfinden, in welchem der dem Land⸗
age zu unterbreitende Gesetze Entwurf bezüglich der
jaatlichen Hilfe für die Ueberschwemmten zur Be—⸗
zathung und Beschlußfassung gelangen sollte, welcher
uus 5 sehr kurz gefaßten Artikeln bestehen soll;
ie Motive dazu seien aber sehr eingehend gefaßt.
din eigener Passus enthalte die Bestimmungen
ezüglich Wiederherstellung der zerstörten Dämme,
ßtüden, Straßen ⁊c. und Uferschutzbauten, Fluß⸗
regulirungen zum Zwecke möglichster Vorbeugung
ernerer Ueberschwemmungsgefahr. Es verlautet
zaß die Mittel für die vom Staate zu gewährleistende
huüͤlfe im Wege eines durch Verloosung zu amortisi⸗
enden 4procent. Anlehens beschafft werden sollen.
bon der Höhe der zu gewährleistenden Entschädig—
ingen wird gerüchtweise behauptet, daß dieselbe
voriäufig auf rund zwei Millionen Mark berech⸗
ret ist.
Berlin, 27. März. Der „Reichsanzeiger“
neldet: Nachdem Seine Majestät der Kaiser eines
eichten Erkaältungszustandes wegen sechs Tage hin—
zurch das Zimmer nicht verlassen hatten, waren
Allerhöchst dieselben genöthigt, am Charfreitag das
teit zu hüten. Seit vorgestern trat indessen in
em Allerhöchsten Befinden eine entschiedene Besser⸗
ing ein; gestern konnten aber Se. Maj. das Bett
vieder perlassen, sind indessen noch genöthiat. das
zimmer zu hüten.
Berlin, 28. März. Der Kaiser ist von
einer Unpäßlichkeit soweit wieder hergestellt, daß
ꝛerselbe bereits heute wieder die regelmäßigen Vor⸗
wräge Pückler's, Perponcher's und Albedyll's ent⸗
—X
vrinz dem Kaiser einen Besuch ab; später erschienen
die Prinzessin Heinrich der Niederlande, welche gestern
hdier eingetroffen ist, sowie der Herzog und die Her—⸗
oain von Connaught.
Berlin, 27. März. Das „Militärwochenblatt“
rinzt eine kriegsgeschichtliche Studie, betitelt „Po—
itik und Kriegführung“; welche auf die nachtheilige
tinwirkung politischer Strömungen auf die Krieg⸗
ührung verweist, wie sich dies aus einem Briefe
Napoleons III. von Wilhelmshöhe im Oktober 1870
ergebe, worin Napoleon sage, daß eir durch politische
krwägungen zum Marsche nach Sedan gezwungen
vorden wäre. Weiter heißt es in dem Artikel:
Wünsche der Parlamente koͤnnen und dürfen sich
nicht bis zur Rorschrift über Mittel, Art und Er—
üllung politischer und kriegerischer Zwecke durch
die Diplomatie und Kriegfuͤhrung steigern. In
ieser Hinsicht muß die Wahl der Mittel unbedingt
r Regierung überlassen bleiben, die allein im
Stande ist, alle Einflüsse von innerhalb wie außer⸗
alb zu beurtheilen, und die weiß, ob dieser oder
ener Weg zum Ziele führt.“
F Die hauptsächlichste Ursache für den Rücktritt
Marineministers v. Stosch ist nach dem
Serl. Tabl.“ in einer hiefgehenden Meinungsber
enni zwischen dem Chef des großen General
* und dem bisherigen Chef der Admiralität zu
68 Diese Meinungsverschiedenheit, schon seit
W Zeit bestehend, irat jüngst in Angeiegenheit
9 defetiguug von Kirel sehr scharf zu Tage.
* er Vermehrung der Flotte und speziell der
hen Panzer. Schlachischiffe ist über unsere Marine
stark imieleee Soalhsthombaseire gokammon⸗
tie fühlt sich heute der Landarmee nahezu eben⸗
hürtig, jedenfalls aber durchaus selbstständig neben
»erselben. Diese Ansicht theilt man nun in den
höheren Militärkreisen keineswegs, bier betrachtet
nan die Marine als einen integrirenden Theil des
deeres, der zu Unternehmungen gewissermaßen auf
eigene Fanst nicht berufen, dessen Aufgabe es viel⸗
mehr ist und bleiben soll, stets unter der gemein⸗
samen obersten Heeresleitung mit der Landarmee zu
ooperiren. Man hat in maßgebendsten Kreisen
nicht die Intentivn, im Falle eines Krieges jemals
einen entscheidenden Schlag von dem festen Boden
auf das Meer zu verlegen. Wie im Kriege, so
muß dem entsprechend auch schon im Frieden der
deeresleitung, d. i. dem großen Generalstab, ein
zewisser Einfluß auf die Organisation der Marine
vorbehalten bleiben, und so ist denn, nachdem Herr
v. Stosch sich in gleicher Weise wie seine Unter⸗
zebenen zu sehr als Marinier zu fühlen begann,
zu seinem Nachfolger ein Offizier der Landarmee
zewählt worden, der, aus dem großen Generalstab
jervorgegangen, mit dessen Anschauungen vollständig
übereinstimmt.
Die „Nordd. Allg. Ztg.“ sagt, die Schwierig⸗
eiten bei den Verhandlungen über den deutsch
panischen Handelsvertrag müßten größten⸗
heils auf die geringe Geschäftskenntniß zurückge⸗
ührt werden, womit Spanien die Verhandlungen
ührte. Spanien forderte u. a. die Herabsetzung
»es deutschen Eingangszolles auf Roggen, obschon
Roggen aus Spanien in Deutschland gar nicht ein⸗
jeführt werde. Im letzien Stadium der Verhand⸗
ung, als deutscherseits auf Grund der ausgetauschten
Erklärungen mit Recht der Abschluß des Vertrages
jewärtigt werden konnte, forderte Spanien noch die
Ermäßigung des Salzeingangszolles von 12 auf
8 Mk. Wie winzig das Interesse Spaniens an
dieser Herabsetzung sei, erhelle daraus, daß im
Jahre 1881 nur 47 Doppelcentner Salz mit 100
Mk. Werth in Deutschland eingeführt worden seien.
Eine Herabsetzung des Salzzolles sei aber Deutsch⸗
land unmöglich, weil der Salzzoll bei der Seeein⸗
iuhr nicht höher wie bei der heimischen Produktion
sei, deshalb eine reine Consumtionsabgabe sei und
daher nicht Gegenstand handelspolitischer Transac⸗
nionen sein könne.
Nach den neuesten Nachrichten aus Frankreich
scheint dort die Einführung eines Repetirge⸗
wehrs für die gesammte Linieninfanterie beschlos⸗
sene Sache zu sein. Die franzosische Marine⸗
Infanterie ist schon seit Jahren mit einer Repetir⸗
waffe nach dem System des österreichischen Obersten
Kropatschek versehen, und ebenso sind schon seil
sängerer Zeit Versuche mit einem ähnlichen Modell
für die Linieninfanterie im Gange. Ohne Zweifel
hbedeutet die Einführung des Repetirgewehrs einen
zroßen Fortschritt in der Bewaffnungsfrage, und
wenn Deutschland seither davon abgesehen hat, ein
olches Gewehr in der Armee einzuführen, so lag
der Grund erstens in der Geldfrage, und zweiten?
harin, daß dann naturgemäß sofort die anderen
Großstaaten unserem Beispiele gefolgt wären und
auf diese Weise doch keine technische Ueberlegenheit
auf die Dauer behauptet werden konnte. Da jetz!
die Franzosen augenscheinlich die Initiative in dieser
Frage ergreifen wossen, so können natürlich die
ibrigen Armeen nicht zurückbleiben und die Folge
»avon wird eine Vermehrung der Heeres—
»udgets um so und soviel Millionen sein.
debrigens war man in Deutschland auf diese
Tyhentiraltke b6b anne 4öä nd GboJ
Versuche mit einem Magazinsgewehr nach dem
System Mauser, daß in verhältnißmäßig kurzer Zeit
auch die gesammte deutsche Armee mit Repetirge—
wehren bester Konstruktion bewaffnet werden kann.
Ausland.
Rom, 27. März. Ein Individuum Namens
Consorte wurde hier verhaftet unter dem Verdacht,
das letzte Attentat mit der Pulverflasche verübt zu
haben.
Catania, 27. März. Nach einem Telegramm
des Professor Silvestri wurden gestern noch west⸗
lich des Aetna einige leichte Erdstoͤße mit unterir—⸗
dischem Rollen verspürt; die Eruptionen haben aber
jetzt fast ganz aufgehört. F
London, 27. März. Angesichts der jüngsten
Vorkommnisse und der Zunahme der geheimen Ver⸗
bindungen beschloß die Regierung die Errichtung
eines besonderen Volizei-Korps für volitische Dinge.
Lokale und pfälzische Nachrichten.
* St. Ingbert, 29. März. Am Dienstag
verunglückte in der Nähe der pfälz.Preußischen
Brenze bei Rentrisch der 38 Jahre alte, verheirathete
Arbeiter Diener von Scheidt dadurch, daß er
in einem epileptischen Anfalle mit dem Kopfe in
einen Wiesenbrunnen stürzte und ertrank. Der
Verunglückte, der häufig an solchen epileptischen
Anfällen litt, war mit noch einigen andern Arbei⸗
lern an der Kaiserstraße beschäftigt; er hatte sich
unbemerkt von den übrigen etwas entfernt, und als
ihn diese vermißten und fanden. war er bereits
eine Leiche.
— Kaiserslautern, 27. März. Der
stirchenbauverein Kaiserslautern wird gegenwärtig
durch einen Hochstapler in der Schweiz discreditiri.
Fin elegant gelleideter, würdig aussehender Herr
»ersucht nämlich in katholischen Ortschaften der
Schweiz (namentlich im Kanton Zürich) Beiträge
zur Erbauung einer kathol. Kirche zu sammeln und
motivirt seine Bitten damit, daß Kaiserslautern
Jegenwärtig eine kathol. Kirche nicht besitze, weil
'hmm seine im 15. () Jahrhundert entrissen worden
sei. Wie wir hören, hat der Vorstand des Kirchen⸗
bauvereins die nöthigen Schritte zur ferneren Ver⸗
hütung dieser Gaunereien bereits gethan. (Pf. K.)
— In Kaiserslautern feierte der dortige
Verein deutscher Kampfgenossen am 26. ds. sein
10. Stiftungsfest. Morgens marschirten die Ver—
einsmitglieder nach dem Friedhofe zur Abhaltung
einer Gedächtnißfeier für die verstorbenen Vereins—
kameraden sowie für die dort ruhenden Kämpfer
bon 1870,771. Um 11 Uhr fand in der Frucht⸗
halle die Ueberreichung der dem Vereine von Sr.
Maj. dem König verliehenen Fahnenschleife durch
den kgl. Bezirksamtmann Herrn Gustav Schmitt in
feierlicher Weise Statt. Hieran reihte sich ein mu⸗
ikkalischer Frühschoppen in der ‚Kaiserburg“, und
Nachmittags war Festzug durch die Stadt und Fest⸗
Reunion auf der „Löwenburg“. An den Koͤnig
wurde ein Huldigungstelegramm abgeschickt und dem
Vereinsvorstand, Herrn Kayser, ein Ehrengeschenk
lein hochfeiner, künstlerisch ausgestatteter Regulator)
überreicht. Se. Maj. ließen dem Huldigungs⸗ und
Dankes-Telegramm folgende Antwort zu Theil wer⸗
den: „Seine Majestät der König wurden durch
die von dem Kampfgenossenverein Kaiserslautern
und dessen Festgästen dargebrachte Huldigung auf
das Lebhafteste erfreut und ecwidern diese loyale
Kundgebung mit buldnoslem Dank und knialich⸗m
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