Full text: St. Ingberter Anzeiger

Orien in Aussicht genommenen Gebäulichkeiten wur—⸗ 
den heute durch eine Commission von Sachverstän⸗ 
digen besichtigt und wird morgen schon mit den 
wwihigen baulichen Veränderungen begonnen werden. 
Bis zur Fertigstellung werden etwa acht Tage er⸗ 
forderlich sein. 
— Ludwigshafen, 11. Januar. Die 
Münchener „Neuesten Nachrichten“ theilen dem 
ppf. K.“ telegrphisch mit, daß ihre Sammlung 
bis jetzt über 36,000 M. beträgt, wovon am —10. 
de. Mis. weitere 2000 M. nach Ludwig-hafen, 
2000 M. nach Frankenthal abgesendet wurden. 
— Ludwigshafen, 11. Jan. Die Mün⸗ 
hener „Neuesten Nachrichten“ melden uns telegra⸗ 
ohisch, daß sie heute abermals 4500 M. nach 
Speyer gesandt haben und daß ihre Sammlung 
jetzt ca. 420,000 M. beträgt. (Pf. K.) 
— Die badische Anilin⸗ und Soda⸗Fabrik zu 
Ldudwigshafen hat für die Ueberschwemwten 
100,000 Mk. gegeben, trotzdem betr. Fabrik selbst 
zroßen Schaden hat und täglich 2000 Arbeiter speist. 
— Frankenthal, 10. Januar. Der Turn⸗ 
verein Frankenthal sendet heute an alle Turnverein 
Deutschlands ein Circular, worin in warmen Wor⸗ 
sen um Hilfe für unsere Wasserbeschädigten gebeten 
wird und spricht die feste Ueberzeugung aus, daß 
alle deuischen Turnbrüder freudig bereit sein werden, 
da wo es gilt, so kolossale Noth lindern, ihr Scherf⸗ 
lein beizutragen. (Pf. K.) 
Aus Frankenthal, wird dem „Pf. K.“ 
berichtet: Gräßliche und tieferschütternde Scenen 
traten in den letzten Stunden schon an uns heran, 
fie dürften aber wohl durch die folgende noch weit 
uͤbertroffen werden: Bei Oppau wurde eine auf 
dem Wasser schwimmende Wiege durch einige, die⸗ 
selbe bemerkende Kahnführer aufgefangen; in der⸗ 
selben befand sich ein lebendes Kind und an der 
Wiege, mit den Händen fest angeklammert. der 
Leichnam der Mutter. 
Nach genauer Schätzung sind bis heute infolge 
der Ueberschwemmung im Bezirksamt Franken— 
thal folgende Häuser eingestürzt: Studernheim 
20, Oppau 185 Edigheim 147, Mörsch 60, Rox⸗ 
heim 149, Bobenheim 90, Frankenthal 10, Summa 
314. Wenn man nun den Einsturz in Oggers— 
heim mit circa 20 und in Friesenheim mit circa 
120 Häusern dazu nimmt, so dürften außer Zwei⸗ 
fel in dem Ueberschwemmungsgebiet von Ludwigs⸗ 
hafen bis Worms bis jetzt etwa 900 und in der 
ganzen Pfalz gegen 1100 Gebäude eingestürzt sein. 
— Nach einer ziemlich genauen Berechnung 
umfaßt das überschwemmte Rheingebiet einen 
Flächenraum von etwa 660 Ouadrat⸗Kilometer. 
Zum Vecrgleiche sei bemerkt, daß der Bodensee nur 
eine Fläche von im Mittel 539 Quadrat⸗Kilometer 
bedeckt. Hiernach kann man sich ein Bild von dem 
großartigen Umfange der Ueberschwemmung machen. 
— Die „Pf, Z.“ erzählt aus den Stunden 
der höchsten Gefahr eine ergreifende Episode. 
Rachdem sie geschildert, wie die armen Leute in 
zrößter Eile vor den zu den Fenstern hereinstürzenden 
Wasserwogen in die oberen Stockwerle und auf 
die Speicher sich flüchteten, fährt sie fort: „Endlich, 
nach Tagen und Stunden, tommi zur Rettung ein 
Schifflein angefahren, es legt an am Dache, das 
ingeschlagen wird, um die armen Insassen des 
Häusleins aus der Verzweiflung zu erretten, es 
Fimmt sie auf in das schwankende Boot und bringt 
die Unglücklichen, während gleich nach dem Ab⸗ 
cahren das durchspülte und durchweichte Häuslein 
„on den Wellen umgerissen und in den Fluthen 
zegraben wird, an einen festen Landungsort; aber 
da stehen sie und haben nichts gerettet, als das 
Fackte Leben und die Kleider am Leibe! Alles, 
alles haben sie verloren; und sie sind noch glücklich, 
wenn sie nicht eines der Glieder der Familie einge⸗ 
hüßt haben, wie jene unglückliche Mutter in Neu⸗ 
hurg unlängst ihren Säugling, den sie vor dem 
Finsteigen in das Rettungsboot am Dache ihres 
Hauses in ein Kissen einband, beim Aussteigen 
zber nicht mehr vorfand, weil sie ihr theuerstes 
Zind auf der Fahrt über die wogende Fläche ver⸗ 
joren und dasselbe inzwischen sein nasses Grab ge⸗ 
funden hatt, was freilich die unglückliche Mutter 
in Wahnsinn verfallen machte!“ 
Die Bayer. Hypotheken und 
Wechselbank“' hat für die durch Wassersnoth 
Beschaͤdigten Baherns 6000 M. bewilligt, wovon 
3000 M. als Beitrag der Feuerversicherungsan⸗ 
dalt erscheinen. 
— ——— 
Vermischtes. 
Munchen. Die Königin⸗Mutter hat 1000 
M., die Prinzen Leopold und Arnulph, dann der 
derzog Max je 500 M., die Herzogin Adelgunde 
Zn Nodena 1850 österreichische Gulden und Prin— 
essin Therese 100 M. dem Zentral⸗Komitee, die 
Brinzen Luitpold und Otto je 2000 M. und Prinz 
Ludwig 1000 M. dem Herrn Minister Frhr. v. 
Feilitzsch übergeben lassen. 
FMünchen, 9. Januar. Die verschiedenen 
Motto's, welche den in den Münchener „Neuesten 
stachrichten“ von heute veröffentlichten Liebesgaben 
ür die Wasserbeschädigten der Pfalz beigedruckt 
ind, haben zum Theil sehr viel Interessantes. — 
Zo steht z. B. bei einer Spende von Mk. 10. 
„Die Preußen frißt er, seine Landsleute vergißt er, 
her kann das sein? Nur Sigl allein.“ Ein 
inderer begleitet seine Gabe (Mk. 2.40) mit fol⸗ 
zenden Worten: „Vom Bierspiel den Pfälzern das 
Geld (10 Maß Bier), dem Sigl den hiezu gehörigen 
grummschädel.“ Ein dritter schlägt folgendes 
rastische Mittel vor, um den armen Wasserbe⸗ 
chädigten wieder aufzuhelfen: „Wassersthäden sind 
fründlich nur durch Bierabbruch zu heilen. Tränke 
eder der ca. 60,000 wehrfuͤhigen Bayern im 
aufenden Jahre täglich nur einen halben Liter 
veniger, so könnten wir unsern armen Wasserbe⸗ 
chädigten mit 80 Millionen Mark aufhelfen.“ 
der gute Mann spendete 50 Mark. 
F'Dr. Sigl, dessen rohe Aeußerungen über 
die Nothrufe aus der Pfalz wir kürzlich unseren 
desern mitthe ilten, hat sich nun doch bewogen ge— 
unden, neben seiner Sammlung für die Tyroler 
nuch eine solche für die pfälzischen Ueberschwemm⸗ 
en in seinem „Bayer. Vaterland zu eröffnen. Er 
notivirt diese plötzliche Gesinnungsänderung damit, 
zaß ihm jetzt erst ein Aufruf zugekommen sei. 
'In Ellbach (Oberbayern) wurde in der 
stacht vom 5. auf den 6. ds. Mis. wieder ein 
daberfeldtreiben veranstaltet. Dieser rohe Akt der 
holksjustiz galt einem wohlhabenden Bauern jenes 
dorfes, der sich eines Vergehens gegen die Sitt⸗ 
ichkeit schuldig gemacht haben soll. Zur näheren 
Antersuchung des Falles hat sich eine Gerichtskom⸗ 
nission nach Ellbach begeben. 
' In RNeunkirchen a. d. Bl. verfiel nach 
er „S. n. Bl.-Ztg.“ ein Einwohner, in dessen 
Familie die Pocken ausgebrochen sind, auf den Ge⸗ 
‚anken, die zum Desinfiziren verschriebene konzen— 
erte Karbol saäurels sung sei auch innerlich 
»on Nutzen, und trank ca. 15 Gramm derselben. 
Der Mann war natürlich sofort eine Leiche. 
Mannheim, 8. Jan. In auffallender 
Weise wurde ein Vorfall hier verheimlicht, dessen 
geroͤffentlichung durch die Presse moͤglicherweise das 
Dunkel, das über demselben schwebt, schon gelüftet 
Jaben würde. Am Freitag Vormittag kehrte in 
inem hiesigen Hotel ein junger Mann ein und 
jat sich nach kurzem Aufenthalt in seinem Zimmer 
rschossen. Derselbe hatte kurz vorher einen Brief 
ibgesandt, doch ist dem Hotelpersonal dessen Adresse 
nicht mehr bekannt und da außer dem Betrag von 
181Pf. bei der Leiche des Fremden weder Werth⸗ 
sachen noch Papiere gefunden wurden, so hat man 
aach einigen anderen Anhaltspunkten nur die Ver⸗ 
muihung, daß der Unglückliche in oder bei Stutt⸗ 
zart beheimathet war und Metzger“ heißt oder 
Metzger ist. Die Leiche wurde nach dem Friedhofe 
vberbracht, dort photographisch aufgenommen und 
alsdann beerdigt. 
Mehrere Rußheimer (Baden) haben, um 
ick bor'm Wasserschaden möglichst zu schützen, den 
xisenbahndamm der Linie Germersheim⸗Bruchsal 
zurchstochen. Wegen dieser Handlung ist Unter⸗ 
uchung eingeleitet, und sollen bereits acht Personen 
oerhaftet sein. 
ꝓ' Die Abgeordneten aus Baden, Hessen, 
Breußen, Rheinbayern und Württemberg fuͤr die 
esp. Landtage und den Reichstag bitten in einem 
ffentlichen Aufrus sämmtliche Herren Kollegen, in 
len deutschen Bundesstaaten Komites zu bilden, 
oweit solche noch nicht vorhanden, welche überall 
Sammlungen zum Besien der Tausende von Wa sser⸗ 
eschädĩgten veranstalten. Die Noth ist groß, 
zas Bedürfniß ein ungeheures, lang andauerndes. 
Imfassende Staatshilfe ist daneben noch unbedingt 
rforderlich. Die Sammelgelder wollen an die 
Jank für Handel und Industrie in Darmstadt ab⸗ 
jeliefert werden. Tie Art der Vertheilung bleibl 
päterer Beschlußfassung vorbehalten. 
In Muünster stieß ein Arzt, welcher abends 
zu einem Kranken gerufen wurde, wider einen Stu⸗ 
denten. Der Student forderte den Arzt. Dieser 
fragte, wie die „Trem“ erzählte, ob ihm als Ge⸗ 
orderten die Wahl der Waffen freistehe und als 
dies bejaht wurde, wählte er die Faust, mit welcher 
er dem Studenten schallende Ohrfeigen verabfolgte. 
Hanover, 10. Jan. Von dem Kölner 
dourierzuge, welcher früh 2 Uhr 27 Min. hier 
»intreffen soll, entgleisten bei Wunsdorf in Folgt 
ines Radreifenbruchs die drei letzten Wagen. Der 
mittlere stürzte um und von den Mitfahrenden wurde 
Caplan Bruͤnner (Düsseldorf) getödtet, ein Bremser 
leicht verletzt. 
Ein Doppelmord versetzt Magdeburg in 
große Aufregung. Am Monlag Vormittag in der 
Jeunten Stunde wurde der Partikulier F. D. Dähne 
und seine Wirthschafterin, unberehelichte Sander 
in ihrer Wohnung (dicht hinter dem Stadttheater) 
ermordet aufgefunden. Dähne ist in der mittleren 
Stube, in einem Rohrstuhl am Tisch sitzend, durch 
dertrummerung des Schädels und durch mehrere 
Stiche in Kopf und Rücken, von denen einige die 
Lunge getroffen haben, getödtet und in dieser Stel⸗ 
lung auch aufgefunden worden. Die Leiche der 
Sander lag in der dritten Stube halb gekrümmt 
in einer Ede bei der Stubenthür; dieselbe hat mit 
der Lampe in der rechten Hand wahrscheinlich in 
das mitilere Zimmer gehen wollen und gleich beim 
ersten Schritt einen ködtlichen Schlag gegen der 
Kopf erhalten, wobei ihr die Lampe aus der Hand 
gefallen ist. Die Untersuchung ist im Gange, doch 
fehlt bis jetzt jeder Anhalt, von wem das Ver 
brechen begangen sein kann. 
Berlin, 8. Jan. Heute fand vor dem 
hiesigen Schöffengericht eine ziemlich peinliche Szent 
tait, die großes Aufsehen macht. Man verhandelte 
inen Proceß wegen Beleidigung des bekannter 
Antisemiten-Führers Liebermann von Sonnenber⸗ 
zegen eine Anzahl hiesiger Zeitungen. Als Zeug 
war u. a. der Prediger Hapke vorgeladen. Als es 
zur Vereidigung kommen sollte, erklärte derselbe, 
den Eid nicht früher leisten zu wollen, bis man 
hm erkläre, daß derselbe von einem Christen abge⸗ 
ommen würde. Der Vorsitzende des Schöffenge— 
richts (Amtsrichter Lion, ein Christ) erklärte, daf 
er daruͤber nach dem Gesetze keinen Aufschluß zu 
geben brauche. Als darauf Hapke bei seinem Ver⸗ 
uangen stehen blieb, wurde er sofort zu 300 Mar! 
Strafe verurtheilt und auf Antrag eines Anwaltet 
der Termin auf Kosten desselben mit der Maßgab⸗ 
aufgehoben, daß man einen neuen nicht früher an— 
setzen würde, als bis alle gesetzlichen Strafmittel 
wegen Eidesverweigerung erschöpft seien. 
FGWas ist ein Pfennig werth) Diest 
Frage hat am Montag Abend in Berlin ihre prak 
ische Lösung gefunden. Der Verein selhstständiger 
Hacbierherren Berlins hielt zur genannten Zeit ein 
gemüthliches Zusammensein ab, bei dem es nich 
ehlen konnte, daß auch eine ‚Sammlung für unser. 
aberschwemmten Brüder am Rhein“ veranstaltet 
vpurde. Unter dem zusammmengeschossenen Gelde 
hatte sich auch ein blanker Pfennig verkrümelt, und 
da man, wie der Vorsitzende meinte, „den nackiger 
Pfennig“ nicht so gut abliefern könne, so schlug 
er vor, das winzige Geldstück zu verauktioniren 
Gebot folgte auf Gebot und endlich war ein Heir 
Winter der Glückliche, der den Pfennig für das 
Meistgebot von 8 Mark zugeschlagen erhielt. Das 
Sprüchwort, das uns lehrt, den Pfennig zu ehren 
hat hier einmal wieder eine glänzende Bethätiqgun 
gefunden. 
Auf dem deutschen Postdampfer „Donau' 
hrach während der Fahrt von Bremen nach New 
HYork in der Nacht zum 3. Januar Feuer aus und 
das Schiff enkging knapp dem Untergange 
Plötzlich entdeckte man, daß Rauch und Flammen 
Jus dem Kielraum hervorschlugen. Das Feuet 
purde nach vierstündiger Arbeit mit allen Dampf 
humpen gelöscht. Die Passagiere waren unge 
Jeuer erregt, denn das Wetter war das stürmischst 
ind die See höchst wild. Die Rettungsboote warer 
chon bereit gemacht. Das Feuer entstand durd 
pontane Entzündung in der Waare. Der Schiffs 
oͤrper ist unbeschädigt, Kielraum und Decks fim 
hagegen verbrannt. 
4 Der Schwimmkünstler Paul Boyton wir 
demnächst eine nene große Wasserfahrt antreten 
diesmal will er in seinem Gummianzug von der 
Zuellen des Grand⸗River in den Elk⸗Mountain 
n Colorado durch den Rio Colorado bis zu desser 
Mündung hinabrutschen, d. h. Colorado, Utal 
Nebada, Arizona und Californien durchschwimmer